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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 9 W 5/06
Rechtsgebiete: HWiG, VerbrKrG


Vorschriften:

HWiG § 1
VerbrKrG § 3 II
VerbrKrG § 9
1. Zu einem Anspruch des Verbrauchers gegen die Bank wegen nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung im Rahmen eines kreditfinanzierten Erwerbs einer Eigentumswohnung unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des EuGH (C 350/03 und C 229/04)

2. Kausal auf der Nichtausübung des Widerrufsrechts können nur solche Risiken beruhen, die der Verbraucher erst nach Abschluss des Darlehensvertrages eingegangen ist. War der Kaufvertrag schon vor Abschluss des Darlehensvertrages zustande gekommen, hätte er auch durch ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mehr beseitigt werden können.


Gründe:

Die Kläger begehren Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückabwicklung eines Darlehens, das sie zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie zu Steuersparzwecken bei der Beklagten aufgenommen haben.

Nachdem die Kläger Anfang der 90-er Jahre zu Hause von einem Vermittler aufgesucht worden waren, bevollmächtigten sie durch notarielle Urkunde vom 16.5.1990 die Rechtsanwälte B für sie die Eigentumswohnung Nr. ... in der ...- Straße in O1 zu erwerben; diese Vollmacht war für sie bis zum 31.12.1990 unwiderruflich. Die Beklagte übermittelte den Klägern unter dem 5.6.1990 einen Darlehensantrag über zwei Teildarlehen in Höhe von 118.500,- DM und 200.000,- DM, die fünf Jahre lang mit 7,5% verzinst und durch eine Grundschuld an der Wohnung abgesichert werden sollten. Der Antrag enthält eine "Belehrung über das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften". Die Kläger unterzeichneten diesen Antrag am 18.6.1990, später wurde er von der Beklagten angenommen. Mit Schreiben vom 15.2.2002 widerriefen die Kläger ihre Darlehensvertragserklärungen, die Beklagte kündigte die Darlehen, die mit rund 130.000,- € valutieren. Die Kläger verlangen Feststellung, dass die Beklagte gegen sie aus den Darlehensverträgen keine Ansprüche mehr herleiten kann sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über die Höhe der auf die Darlehenskonten eingegangenen Zahlungen und Rückzahlung dieser Beträge Zug um Zug gegen Übereignung der Wohnung. Für diese Klage begehren sie Prozesskostenhilfe.

Mit Beschluss vom 19.10.2005 hat das Landgericht die Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Klage versagt. Gegen diesen ihnen am 19.10.2005 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 2.11.2005 sofortige Beschwerde eingelegt und diese am 27.1.2006 begründet.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere an sich statthaft (§ 127 II 2 ZPO) sowie form und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569, 127 II ZPO). In der Sache indes hat sie keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Erfolgsaussicht für die bereits unbedingt erhobene Klage verneint. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses wird deswegen zunächst Bezug genommen.

Hieran vermag die Beschwerdebegründung nichts zu ändern.

Es fehlt bereits an einer schlüssigen Darlegung der tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen ein Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz möglich ist. Dass der Abschluss des Darlehensvertrags auf Verhandlungen beruht, die zuvor in der Wohnung der Kläger geführt worden wären, ist bislang nicht behauptet worden. Der bloße Vortrag, Anfang der 90-er Jahre habe sie der Vermittler A sie mehrfach zu Hause aufgesucht, lässt nicht erkennen, dass bei diesen Besuchen Vertragsverhandlungen geführt worden wind. Hieran ändert auch der mit der Beschwerde vorgetragene Umstand nichts, dass es Folgegespräche gab, die ebenfalls in einer Haustürsituation erfolgten. Offen bleibt auch, ob der erst Mitte Juni 1990 geschlossene Darlehensvertrag auf solchen Verhandlungen beruht; auch wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Vertragsverhandlungen und Vertragsschluss nicht unabdingbar ist, kann nur bei seinem Vorliegen auf die erforderliche Ursächlichkeit im Wege einer tatsächlichen Vermutung geschlossen werden. Fehlt der enge zeitliche Zusammenhang, bedarf die Kausalität des Hausbesuchs besonderer Darlegung, die hier genauso wenig erfolgt ist, wie eine Darlegung des zeitlichen Ablaufs der Gespräche.

Entgegen der Ansicht der Kläger steht ihnen ein Anspruch gegen die Beklagte auch nicht unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu. Soweit der EuGH ("Schulte" -C 350/03- und "Crailsheimer Volksbank e.G." -C 229/04-) aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie einen Schadensersatzanspruch des Verbrauchers in den Fällen herleitet, in denen dieser bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht die mit dem Erwerb der Kapitalanlage verbundenen Risiken hätte vermeiden können, liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahme im vorliegenden Fall nicht vor. Kausal auf der Nichtausübung des Widerrufsrechts können nur solche Risiken beruhen, die der Verbraucher erst nach Abschluss des Darlehensvertrags eingegangen ist. War der Kaufvertrag schon vor Abschluss des Darlehensvertrages zustande gekommen, so hätte er auch durch ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht nicht mehr beseitigt werden können. Im vorliegenden Fall schuldete die Darlehensgeberin die Belehrung zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Darlehensvertrags mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrags durch die Kläger am 18.6.1990. Dabei kann dahin stehen, ob die im Darlehensantrag enthaltene Belehrung ausreichte oder nicht. Selbst wenn man zu Gunsten der Kläger von einer unzureichenden Belehrung ausgeht, hätte durch eine ordnungsgemäße Belehrung der Abschluss des Kaufvertrages über die Wohnung nicht mehr vermieden werden können. Die Kläger hatten sich zum Erwerb der Wohnung bereits durch Erteilung der bis zum 31.12.1990 unwiderruflichen Vollmacht am 16.5.1990 verpflichtet. Eine Möglichkeit zur nachträglichen Beseitigung dieser Verpflichtung bestand für die Kläger nicht mehr. Die Bevollmächtigten standen im Lager der Verkäufer, dass sie bereit gewesen wären, vom Erwerb Abstand zu nehmen, ist nach dem bisherigen Vortrag nicht ersichtlich.

Das spätere Nichtzustandekommen des Darlehensvertrags kann Auswirkungen auf die zuvor übernommene Erwerbsverbindlichkeit nur über die Grundsätze des verbundenen Geschäfts entfalten, die aber nach der bisherigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH, die auch der EuGH insoweit ausdrücklich billigt, auf Immobiliarverträge keine Anwendung finden. Abgesehen davon, dass beim Erwerb von Grundeigentum die tatsächlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VerbrKrG schon deswegen nicht vorliegen, weil auch geschäftlich und rechtlich unerfahrenen Käufern klar ist, dass es sich bei Kauf und Darlehen um zwei getrennte Geschäfte handelt, steht einer Anwendung von § 9 VerbrKrG in solchen Fällen § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG entgegen. Danach findet § 9 VerbrKrG keine Anwendung auf Kreditverträge, nach denen der Kredit von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt wird. Diese Bereichsausnahme gilt für Realkredite ausnahmslos (BGH Urteil vom 15.7.2003 -XI ZR 162/00-), soweit die neuere Rechtsprechung Ausnahmen zulässt, betreffen diese alleine Kredite zur Finanzierung der Beteiligung an einem Immobilienfonds, nicht aber Kredite zum Erwerb des Grundeigentums selbst (BGH Urteil vom 21.3.2005 -II ZR 411/02-).

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG liegen vor: Mit einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 7,5% hält sich der den Klägern gewährte Kredit im Rahmen der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Streubreitengrenze (BGH Urteil vom 18.3.2003 -XI ZR 422/01-). Unerheblich ist, ob das Darlehen vollständig oder auch nur überwiegend durch den Verkehrswert der belasteten Immobilie gesichert ist, da eine bloße Teilabsicherung den Tatbestand dieser Norm bereits erfüllt (BGH Urteil vom 15.7.2003 -XI ZR 162/00-).

Eine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ist nicht geboten. Sie ist weder nach nationalem Recht noch aufgrund dessen europarechtlicher Auslegung angezeigt. National handelt es sich um eine bewusste, abschließende Regelung des Gesetzgebers, die von der Rechtsprechung zu respektieren ist (BGH Urteile vom 23.9.2003 -XI ZR 135/02- und 12.11.2002 -XI ZR 25/00-). Hieran ändern die rechtlichen Rahmenbedingungen des Europarechts nichts (BGH Urteil vom 16.9.2003 -XI ZR 447/02-). Mit den beiden Entscheidungen vom 25.10.2005 ("Schulte" -C 350/03- und "Crailsheimer Volksbank e.G." -C 229/04-) hat der EuGH ausdrücklich anerkannt, dass die Ausgestaltung der Rechtsfolgen eines Widerrufs nach dem Haustürwiderrufsgesetz dem nationalen Recht überlassen sind die Haustürwiderrufsrichtlinie nationalen Vorschriften nicht entgegen steht, die die Rechtsfolgen des Widerrufs eines Darlehensvertrags auch im Rahmen von Kapitalanlagemodellen, bei denen das Darlehen ohne den Erwerb der Immobilie nicht gewährt worden wäre, auf die Rückabwicklung des Darlehensvertrages beschränken. Insbesondere verbietet es die Haustürwiderrufsrichtlinie nach den genannten Entscheidungen nicht, dass der von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machende Verbraucher die Darlehensvaluta an den Darlehensgeber sofort und mit marktüblichen Zinsen zurückzahlen muss, obwohl das Darlehen nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept ausschließlich zur Finanzierung des Erwerbs der Immobilie dient und unmittelbar an den Verkäufer ausbezahlt wird, dass die sofortige Rückzahlung der Darlehensvaluta verlangt wird.

Ein verbundenes Geschäft kann auch aus § 242 BGB nicht angenommen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, sind der Realkreditvertrag und das finanzierte Grundstücksgeschäft grundsätzlich nicht als zu einer Einheit verbundene Geschäfte anzusehen. Der Widerruf des Realkreditvertrags berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages (hier) über eine Eigentumswohnung daher grundsätzlich nicht (BGH Urteile vom 12.11.2002 -XI ZR 25/00-; 15.7.2003 -XI ZR 162/00-; 21.7.2003 -II ZR 387/02-; 16.9.2003 -XI ZR 447/02-; 23.9.2003 -XI ZR 135/02-). Ist die Annahme eines verbundenen Geschäfts nach § 9 VerbrKrG gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen, kommt jedenfalls im Anwendungsbereich des § 1 VerbrKrG ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zum Abzahlungsgesetz aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsätze über das verbundene Geschäft grundsätzlich nicht in Betracht (BGH Urteil vom 27.1.2004 -XI ZR 37/03-).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 127 IV ZPO.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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