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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: WpÜG 5/03
Rechtsgebiete: WpÜG, VwGO
Vorschriften:
WpÜG § 35 | |
WpÜG § 37 | |
VwGO § 80 | |
VwGO § 80 a | |
VwGO § 123 |
2. Beantragt der Bieter eines Beschwerdeverfahrens gegenüber einem Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, der die gem. §§ 35, 37 WpÜG in Verbindung mit der WpÜG-Angebotsverordnung vom Bieter beantragte Befreiung von der Veröffentlichungspflicht und vom Pflichtangebot versagt, einstweiligen Rechtsschutz, so kann dieser im Hinblick auf die Interessen der Aktionäre nur gewährt werden, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, welches ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen, die Interessen des Bieters nicht mehr genügend wahren und eine Endentscheidung im Sinne des beantragten einstweiligen Rechtsschutzes wahrscheinlich ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
WpÜG 5/03 WpÜG 8/03
Entscheidung vom 25. August 2003
In dem Beschwerdeverfahren nach WpÜG
hat der Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Anträge der Beschwerdeführer vom 30.07.2003 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2003
am 25.08.2003 beschlossen:
Tenor:
Die Anträge der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden zurückgewiesen.
Gründe:
Im Zuge eines Restrukturierungskonzepts für die P. AG haben die B. AG und die Bm. GmbH am 23.12.2002 aufgrund Vermittlung des damaligen Alleinvorstands der P. AG, N., zwei Pakete Inhaberstückaktien der P. AG, die jeweils zirka 20,14 % der Stimmrechte darstellten, an Herrn F. und die G. GmbH zu einem Preis von je 1 pro Paket übertragen. Herr N. hielt damals selbst 17,7 % der Stimmrechte der P. AG, die allerdings verpfändet waren. Am 20.01.2003 kam es zu Gesprächen zwischen Herrn G., dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter der G. GmbH und Herrn F.. Auf Anfrage des damals hinzugezogenen Anwalts hat am 22.01.2003 bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ein Gespräch über die Voraussetzungen eines Befreiungsantrags stattgefunden, an dem Herr F., Herr N. und der Anwalt teilgenommen haben. Mit Schreiben vom 23.01.2003 hat dieser Anwalt für die G. GmbH , Herrn G., Herrn F. sowie Herrn N. bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Pflichtangebots gemäß § 37 I WpÜG i. V. m. § 8 ff WpÜG-AV gestellt. Als Kontrollerlangungszeitpunkt ist später der 20.01.2003 genannt worden. Eine Kontrollerlangung zu diesem Zeitpunkt ist bei der Besprechung bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht am 22.01.2003 nicht erwähnt worden. Die Anträge der hiesigen Beschwerdeführer (G. GmbH und Herr G.) sind durch Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 16.05.2003 als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist dabei u. a. davon ausgegangen, dass der Kontrollerwerb länger als sieben Tage vor der Antragstellung liege. Der Widerspruch der Beschwerdeführer ist durch die Widerspruchsbescheide der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 28.05.2003 zurückgewiesen worden. Mit einem am 26.06.2003 eingegangenen anwaltlichen Beschwerdeschriftsatz haben die Beschwerdeführer hiergegen Beschwerde eingelegt und nachdem ihnen auf ihren Antrag hin am 17.07.2003 die Beschwerdebegründungsfrist um einen Monat verlängert worden war, am 30.07.2003 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die am 26.08.2003 stattfindende Hauptversammlung gestellt. Die Beschwerde von Herrn F. ist in einem Parallelverfahren vor dem Senat anhängig. Herr N. ist gegen den ablehnenden Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nicht vorgegangen. Alle Beschwerdeführer bringen inzwischen vor, der Antrag vom 23.01.03 bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sei nur auf deren Anraten gestellt worden. Fraglich sei, ob jemals ein Kontrollerwerb im Sinne von § 30 II WpÜG stattgefunden habe. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht habe dies nur unzureichend geprüft. Der ablehnende Bescheid sei deswegen in jedem Fall rechtswidrig. Außerdem hätten sich inzwischen die Beteiligungsquoten verändert. F. halte nur noch 10,14%, die G M C GmbH nur noch 9,92 % der Aktien.
Die Klägerin zu 1) beantragt,
gem. §§ 123 VwGO, 50 III Nr. 2 und Nr. 3 WpÜG festzustellen,
a) dass die Beschwerdeführerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem OLG Frankfurt am Main nicht verpflichtet ist, die Kontrollerlangung an der P. AG gem. § 38 I S. 1 WpÜG zu veröffentlichen und gem. § 35 II S. 2 WpÜG den Pixelparkaktionären ein Pflichtangebot zu unterbreiten.
b) dass die Beschwerdeführerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem OLG Frankfurt am Main keinen Rechtsverlust gem. § 59 WpÜG erleidet.
Der Kläger zu 2) beantragt,
gem. §§ 123 VwGO, 50 III Nr. 2 und Nr. 3 WpÜG festzustellen,
a) dass der Beschwerdeführer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem OLG Frankfurt am Main nicht verpflichtet ist, die Kontrollerlangung an der P. AG gem. § 38 I S. 1 WpÜG zu veröffentlichen und gem. § 35 II S. 2 WpÜG den Pixelparkaktionären ein Pflichtangebot zu unterbreiten.
Die Finanzdienstleistungsaufsicht beantragt,
den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist als Hauptsachegericht hinsichtlich der eingelegten Beschwerde auch für die Entscheidung über die beantragte einstweilige Anordnung zuständig. Der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung kann jedoch vorliegend nicht erfolgen.
Die das Beschwerdeverfahren regelnden Vorschriften des WpÜG (§§ 48 58 WpÜG) sehen einschließlich der in § 58 WpÜG in Bezug genommenen näher angeführten Vorschriften der Zivilprozessordnung den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor (vgl. Schnorbus, Rechtsschutz im Übernahmeverfahren, WM 2003, 657, 660 ff; Haarmann/ Riemer/ Schüppen, öffentliche Übernahmeangebote, § 50 Rn 30).
In § 49 WpÜG ist lediglich geregelt, dass die Beschwerde gegen die Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zum Oberlandesgericht aufschiebende Wirkung hat, soweit es um den Widerruf einer Befreiung nach § 10 Abs.1 Satz 3 oder § 37 Abs. 1 WpÜG, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht geht oder eine Nichtberücksichtigung von Stimmrechtsanteilen nach § 36 WpÜG widerrufen wird. Sofern die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in diesen Fällen die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat, wird der einstweilige Rechtsschutz durch § 50 WpÜG ergänzt, indem das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung unter bestimmten Bedingungen ganz oder teilweise wieder herstellen kann.
Das gerichtliche Beschwerdeverfahren (§§ 48 ff WpÜG) ist den §§ 63 ff GWB nachgebildet. Die Rechtsnatur des kartellrechtlichen Beschwerdeverfahrens ist umstritten. Bereits die Bezeichnung der gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit als "Beschwerde" und die Ausgestaltung des Verfahrens zeigt, dass das Gesetz sowohl Anleihen beim Verwaltungsprozess als auch beim FGG gemacht hat (vgl. für die Rechtsnatur der GWBBeschwerde, Immenga/ Mestmäker/ Karsten Schmidt (2001), GWB, § 63 Rn 2 ff), jedoch mit dem bedeutenden Unterschied, dass das WpÜG als Beteiligte im Beschwerdeverfahren nur den Beschwerdeführer und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kennt (§ 50 WpÜG), während § 63 GWB vorsieht, dass die Beschwerde den am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten (§ 54 II und III), also u. a. auch Beigeladenen zusteht. Die Beiladung im kartellrechtlichen Beschwerdeverfahren ist in § 54 II Nr. 3 GWB vorgesehen für Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden. Gerade die Hinzuziehung weiterer Beteiligter ist im WpÜG weggefallen (vgl. Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des § 53 WpÜG, Pötsch, Das neue Übernahmerecht, S. 277/ 278). Hinzukommt, dass zahlreiche Vorschriften, wie z.B. § 3 IV, 35 I WpÜG, das Ziel der raschen Abwicklung von Angebots- und Übernahmeverfahren verfolgen (vgl. KK-WpÜG/ Pohlmann (2003), § 48 Rn 15).
Vor diesem Hintergrund ist im Verwaltungsbeschwerdeverfahren nach dem WpÜG ein umstandsloses Zurückgreifen auf die Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes in der VwGO (§§ 80, 80 a, 123 VwGO), die wiederum auch auf Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes in der Zivilprozessordnung verweisen nicht möglich, denn die VwGO - Vorschriften sind direkt nur anwendbar für die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit und sie eröffnen, insbesondere hinsichtlich des Suspensiveffekts (§§ 80, 80 a VwGO) in ihrem Anwendungsbereich einen gegenüber dem spezialgesetzlichen Rechtsschutz im WpÜG weitergehenden Rechtsschutz. Die Frage des einstweiligen Rechtsschutzes kann deswegen nur unter Einbeziehung der Intentionen des WpÜG zu beantwortet werden. Ziel des WpÜG ist es, Rahmenbedingungen bei Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen Angeboten zu schaffen, die den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tragen und hierdurch den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland auch im internationalen Wettbewerb weiter stärken, da die Selbstregulierung in Deutschland nicht im gleichen Umfang zu einer Kapitalmarktusance geworden ist wie in anderen Ländern (BT-Drucks. 14/7034, 27). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wird nur im öffentlichen Interesse tätig (§ 4 II WpÜG). Zur Wahrnehmung des allgemeinen Interesses gehört auch eine typisierende Beachtung von Aktionärinteressen. Bei den zu beachtenden Aktionärsinteressen zeigt sich eine gewisse Nähe zur Interessenlage beim Spruchstellenverfahren. Dort geht es um das Angebot, das den Aktionären beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, beim Formwechsel oder nach der neueren BGH-Rechtsprechung beim Delisting (AG 2003, 273 ff) zu unterbreiten ist. Das Spruchstellenverfahren hat den Schutz der Minderheitsaktionäre zum Ziel, wobei nach geltendem Recht für das Verfahren von Sonderregelungen abgesehen das Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit maßgeblich ist (§§ 306, 99 I AktG, § 307, 309 II UmwG). Auch das Spruchverfahrensneuordnungsgesetz (BGBl. 2003, 838 ff) greift immer wieder auf Vorschriften des FGG zurück. Das FGG ist auch bereits für die Rechtsschutzgewährung im Hinblick auf Verwaltungsakte gesetzlich herangezogen worden und zwar für das Verfahren vor dem Zivilsenat des Oberlandesgerichts, wenn es um Rechtsschutz gegenüber Justizverwaltungsakten geht (§ 29 II EGGVG). Ein weiteres Bindeglied zum FGG ist schließlich die Vorlagepflicht in § 56 VI WpÜG. Hier knüpft das WpÜG an die Divergenzvorlage des § 28 II und III FGG an. All dies lässt deutlich werden, dass auch im WpÜG Rückgriffe auf das FGG in Betracht kommen, wobei im FGG-Verfahren die Beschwerde regelmäßig keine aufschiebende Wirkung hat (§ 24 I FGG), das Beschwerdegericht aber vor der Entscheidung in der Hauptsache im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens eine einstweilige Anordnung erlassen kann (§ 24 III FGG), die in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht (Keidel/ Kuntze/ Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 24 Rn 15).
Angesichts der in entsprechender Anwendung in Betracht kommenden gesetzlichen Verfahrensvorschriften bieten sich zunächst als Leitlinie für im WpÜG nicht ausdrücklich geregelten Rechtsschutz die allgemeinen Prinzipien einer effektiven Rechtsschutzgewährung an. So ist es aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes anerkannt, dass auch dann, wenn eine Verfahrensordnung keine Eilmaßnahme vorsieht, eine solche dann zuzulassen ist, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, welches ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen, die Interessen nicht mehr genügend wahren würde und eine Endentscheidung im Sinne der zunächst vorläufigen Maßregel wahrscheinlich ist (Keidel/ Kuntze/ Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 19 FGG Rn 30). In diesem Sinne hat der Senat auch schon mehrfach Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz im WpÜG-Verfahren für zulässig angesehen (u. a. Beschlüsse vom 27.05.03, WpÜG 1/03 und 2/03, DB 2003, 1371 ff = ZIP 2003, 1297 und 1251).
Einstweiliger Rechtsschutz ist den Beschwerdeführern indessen hier nicht zu gewähren. Dabei lässt der Senat wegen seines Ermessensspielraum im Hinblick auf die Regelungsgestaltung (vgl. §§ 123 VWGO, 938 ZPO) dahinstehen, ob im einstweiligen Rechtsschutzverfahren überhaupt ein Feststellungsantrag in Betracht kommen kann. Die Beschwerdeführer haben jedenfalls hinreichend deutlich gemacht, dass sie einstweiligen Rechtsschutz vor etwaigen Folgen der abgelehnten Befreiung begehren.
§ 35 WpÜG verpflichtet denjenigen, der die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt, die Kontrollerreichung unter Angabe der Höhe seines Stimmrechtsanteils unverzüglich, spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen zu veröffentlichen (Abs. 1 ) und innerhalb von vier Wochen nach dieser Veröffentlichung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage zu übermitteln und ein Übernahmeangebot zu veröffentlichen (Abs. 2 ). Die Frist für die Veröffentlichung der Kontrollerreichung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Bieter Kenntnis von der Kontrollerreichung hat oder den Umständen nach haben muss. Unter Kontrolle versteht das WpÜG das Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft (§ 29 II WpÜG). Dabei kann sowohl der rechtsgeschäftliche börsliche als auch der außerbörsliche Erwerb von stimmberechtigten Aktien, der Erwerb solcher Aktien im Erbgang und /oder die Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 WpÜG grundsätzlich die Verpflichtungen nach § 35 WpÜG auslösen (kritisch hierzu: Letzel, Das Pflichtangebot nach dem WpÜG, BKR 2002, 293 ff, 294; Liebscher, Die Zurechnungstatbestände des WpHG und WpÜG, ZIP 2003, 1005 ff, 1006, 1008; vgl. auch Loritz/ Wagner, Das Zwangsübernahmeangebot der EG-Takeover- Richtlinie aus verfassungsrechtlicher Sicht; WM 1991, 709 ff). Nach § 30 II WpÜG kann es bei Vorliegen der notwendigen Abstimmung auch zu einer wechselseitigen Zurechnung zu Lasten aller an der Abstimmung beteiligten Personen kommen. Bieter im Sinne von §§ 30, 35 WpÜG ist, wer auf Grund der Abstimmung die Kontrolle über die (Ziel-) Gesellschaft erlangt hat (Pentz, Acting in Concert Ausgewählte Einzelprobleme, ZIP 2003, 1478 ff, 1480). Verstößt der Bieter gegen seine Pflichten aus § 35 WpÜG, folgt daraus ein Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft auf Zinszahlung (§ 38 WpÜG) und ein Rechtsverlust aus den Aktien gemäß § 59 WpÜG für die Zeit in denen die Veröffentlichungs- und Angebotspflichten nicht erfüllt worden sind. Außerdem ist dieses Fehlverhalten mit einer Geldbuße nach § 60 WpÜG bedroht. Verliert der Bieter die Kontrolle über die Gesellschaft wieder, so entfallen für die Zukunft auch die Sanktionen.
Sofern die Beschwerdeführer geltend machen, dass jedenfalls aufgrund der zwischenzeitlichen Aktienverkäufe die Kontrollschwelle unterschritten sei bzw. unterschritten sein könnte, stellen sie selbst eine gegenwärtige noch bestehende Pflicht zur Veröffentlichung und Abgabe eines Pflichtangebots weiter in Frage. Ob ihre Angaben zutreffen und Zurechnungstatbestände (§ 30 WpÜG) hinsichtlich der Neuerwerber aber auch im Hinblick auf die Aktien von Herrn N. nicht mehr erfüllt sind, kann gegenwärtig nicht abschließend beurteilt werden. Ein Negativattest können die Beschwerdeführer schon deswegen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erlangen.
Aber auch im übrigen haben die Beschwerdeführer keinen Anspruch auf den im Hinblick auf die Hauptversammlung am 26.08.2003 beantragten einstweiligen Rechtsschutz. Abgesehen von der Problematik einer zwischenzeitlich unterschrittenen Kontrollschwelle kommt es hinsichtlich der angegriffenen Befreiungsversagung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht darauf an, ob die am 23.01.2003 erfolgte Anzeige eines Kontrollerwerbs zu Unrecht erfolgt ist, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu Unrecht angenommen hat, dass der Kontrollerwerb schon vor Ablauf der Siebentagesfrist stattgefunden hat und ob die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht darüber hinaus zu Unrecht vom Fehlen einer Befreiungsmöglichkeit ausgegangen ist. Sollte es am Kontrollerwerb gefehlt haben, ist der Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht rechtswidrig. Sollte der Kontrollerwerb aber zutreffend angenommen worden sein, kommt es darauf an, ob ein Befreiungsanspruch gem. § 37 WpÜG bestanden hat bzw. besteht. Nur wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Kontrollerwerb zu Unrecht bejaht und zusätzlich einen Befreiungsanspruch zu Unrecht verneint hätte, ist der Sanktionswirkung des § 59 WpÜG der Boden entzogen. Ein für die Beschwerdeführer im Verhältnis zu der Sanktionsnorm des § 59 WpÜG wirksamer Rechtsschutz im Hinblick auf mögliche Folgewirkungen machte in diesem Fall also in gewisser Weise eine Vorwegnahme der Hauptsache auf Zeit erforderlich. Das WpÜG sieht aber wie oben erörtert - noch nicht einmal einen Suspensiveffekt der Beschwerde vor (Steinmeyer / Häger, WpÜG (2002), § 37 Rn 50; zum Suspensiveffekt des Befreiungsantrags bejahend Geibel/ Süßmann, WpÜG (2002), § 37 Rn 15; kritisch KK- WpÜG/ Versteegen (2003), § 37 Rn 67, 68).
Vorliegend geht es nicht um die Anfechtung eines Verwaltungsakts und damit um die Prüfung, ob der Rechtsgedanke des § 80 VwGO nutzbar gemacht werden kann, sondern um den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts, für den auch im Verwaltungsprozess einstweiliger Rechtsschutz nur unter den Voraussetzungen des § 123 VwGO gewährt werden kann, etwa mit dem Ziel die Behörde zum Erlass eines vorläufigen Verwaltungsakts zu verpflichten (vgl. Kopp/Schenke, VWGO, 12, Aufl. 2000, § 123 Rn 10). Dem Wesen einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht aber auch im Rahmen des § 123 VwGO nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache das gewähren, was er in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte (Kopp/Schenke, VwGO, 12, Aufl. 2000, § 123 Rn 13 m. w. N.; vgl. auch Eyermann/ Fröhler/ Happ, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 123 Rn 63). Das gilt erst recht im Hinblick auf das WpÜG-Verfahren, was dazu führt, dass für den einstweiligen Rechtsschutz eines abgelehnten Befreiungsantrags die Hürde hoch anzusetzen ist. Die Regelung muss daher zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig sein. Das bedeutet, für die Beschwerdeführer müssen die zu erwartenden Nachteile unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen sein. Außerdem muss ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache sprechen (Kopp/Schenke, VwGO, 12, Aufl. 2000, § 123 Rn 14).
Vorliegend widerstreiten hier die Interessen der Beschwerdeführer mit dem der übrigen Aktionäre. Letztere haben nach dem WpÜG und der Rechtsprechung des Senats keinen Anspruch auf Verfahrensteilhabe im Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren (vgl Senatsbeschluss vom 04.07.2003, WpÜG 4/03; Senatsbeschlüsse vom 27.05.2003 = DB 2003, 1371 ff = ZIP 2003, 1251 ff und 1297 ff). Dies bedeutet aber nicht, dass ihre Interessen hier nicht typisierend zu berücksichtigen sind, vielmehr fordert die oben beschriebene Intention des Gesetzes eine solche Betrachtungsweise. Die wirtschaftlichen Interessen der außenstehenden Aktionäre sind in jedem Fall bei einer etwaigen Verletzung der Veröffentlichungs- bzw. Angebotspflicht berührt, weil ihnen so die Chance genommen ist, nach einem etwaigen Kontrollwechsel ihre Aktien außerbörslich zu einem angemessenen Preis zu veräußern. Die außenstehenden Aktionäre können deswegen ein genauso starkes Interesse daran haben, dass die Sanktion des § 59 WpÜG greift, wie die Beschwerdeführer daran, dass sie nicht greift. Unsicherheiten über die Wirksamkeit der Stimmrechtsausübung sind von beiden Seiten im Anfechtungsverfahren (§§ 243 ff AktG) vor den Zivilgerichten gesellschaftsrechtlich auszutragen (vgl. beim Erwerb der Mehrheitsstellung einer nicht börsennotierten Gesellschaft § 20 AktG, Hüffer, Aktiengesetz, 5 Aufl. 2002, § 20 Rn 17). Die Feststellung, ob die Sanktionswirkung des § 59 WpÜG greift oder nicht ist nicht Gegenstand des Verwaltungsbeschwerdeverfahrens, sondern gesetzliche Folge einer rechtswirksam verweigerten oder erteilten Befreiung.
Ein Interessenvorrang der Beschwerdeführer zu den anderen Aktionären ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ersichtlich, weil vorliegend auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Beschwerdeführer in der Hauptsache spricht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat im Kern darauf abgestellt, dass der Antragsteller bereits durch den Erwerb der Aktien am 23.12.2003 die Kontrolle über die P. AG erlangt hat. Zwar reicht der Parallelerwerb von Aktien nicht ohne weiteres für eine Stimmrechtszurechnung nach § 30 II WpÜG aus (KK-WpÜG/ v. Bülow (2003), § 30 Rn 121). Anerkannt ist indessen, dass es einer ausdrücklichen Vereinbarung nicht bedarf, sondern auch stillschweigende Abreden etwa im Sinne von Gentlemen`s Agreements oder eines Acting in Concert den Tatbestand des abgestimmten Verhaltens i. S. v. § 30 II WpÜg erfüllen können (KK-WpÜG/ v. Bülow (2003), § 30 Rn 121, Haarmann/ Riehmer/ Schüppen, Öffentliche Übernahmeangebote, § 30 Rn 58; Casper, Acting in Concert Grundlagen eines neuen kapitalmarktrechtlichen Zurechnungstatbestands, ZIP 2003, 1469 ff, 1470; Pentz, Acting in Concert, ZIP 2003, 1478 ff, 1481; Liebscher, Die Zurechnungstatbestände des WpHG und WpÜG, ZIP 2002, 105 ff, 1008; Geibel/ Süßmann, Erwerbsangebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BKR 2002, 52 ff, 63). Vorliegend gewinnt der Umstand an Bedeutung, dass sowohl der Aktienkauf als auch der Aktienverkauf im Hinblick auf das Berger-Gutachten zu Sanierungszwecken durch Vermittlung des damals bereits abberufenen Alleinvorstands N. erfolgt sind, sich die Aktienkäufer vor dem Aktienkauf kannten und durch das Berger-Gutachten eine künftige Vorgehensweise bereits vorgezeichnet war. Es ist deshalb jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft, wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an den Aktienerwerb am 23.12.2003 als Kontollerlangungsumstand angeknüpft hat. Zwar setzt der Kontrollerwerb grundsätzlich den dinglichen Erwerb, die Eigentumserlangung an den Aktien voraus (vgl. Harbarth, Kontrollerlangung und Pflichtangebot, ZIP 2002, 321 ff, 323; Holzborn, Die Nichtzurechnung nach §§ 20, 36 WpÜG und die Befreiung vom Pflichtangebot nach § 37 WpÜG §§ 8 ff. WpÜGAngVO, NZG 2002, 948 ff), nach dem üblichen Lauf von Depotumschreibungsfristen konnte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht jedoch davon ausgehen, dass der dingliche Erwerb wenige Tage später erfolgt ist, die Beschwerdeführer also von der Kontrollerlangung jedenfalls länger als sieben Tage vor Einreichung des Befreiungsantrags und nicht erst zum 20.01.2003, dem Zeitpunkt im Nachhinein eingeräumter Absprachen, Kenntnis haben musste. Bei dieser Ausgangslage gehen Unklarheiten zu Lasten der Beschwerdeführer, denn sie müssen bei einem Befreiungsantrag nach allgemeinem Beweisrecht substantiiert darlegen, dass die Kontrollerlangung innerhalb der Siebentagefrist erlangt ist (zur Beweislast allgemein vgl. Liebscher, Die Zurechnungstatbestände des WpHG und WpÜG, ZIP 2002,1005 ff, 1009; Pentz, Acting in Concert, ZIP 2003, 1478, 1481). Sonach kommt es hier auch nicht mehr darauf an, ob der Beitrag der Beschwerdeführer als Sanierungsbeitrag zu werten ist oder nicht (vgl. zum Sanierungserwerb, Süßmann, Anwendungsprobleme des WpÜG, WM 2003, 1453 ff, 1458).
Einem Verzinsungsanspruch nach § 38 WpÜG sind die Beschwerdeführer derzeit nicht ausgesetzt. Es könnte insoweit aber nichts anderes gelten als das oben zu § 59 WpÜG Gesagte. Hinsichtlich der weiteren Sanktionsmöglichkeiten des WpÜG fehlt ein Anordnungsgrund. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat erklärt, dass die Beschwerdeführer in ihrer Rechtsstellung weder unter verwaltungs- noch unter bußgeldrechtlichen Gesichtspunkten gefährdet seien. Sie werde mit der zwangsweisen Durchsetzung der Verpflichtung nach § 35 WpÜG vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens nicht beginnen.
Soweit es um die Bietereigenschaft des Beschwerdeführers zu 2) geht, ist ein Interesse auf einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die bevorstehende Hauptversammlung darüber hinaus auch deswegen nicht erkennbar, weil er persönlich keine Stimmrechte hält und er daher auch keine Stimmrechte verlieren kann.
Ende der Entscheidung
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