Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.07.2005
Aktenzeichen: 1 Ws 92/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 404
StPO § 406 Abs. 1 Satz 4
StPO § 406a Abs. 1
1. Bei der Entscheidung über Nichteignung eines Adhäsionsantrages gemäß § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

2. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine Abwägung zwischen den Interessen der Geschädigten, ihre Ansprüche in einem Adhäsionsverfahren durchzusetzen, und den Interessen des Staates, seinen Strafanspruch möglichst effektiv zu verfolgen sowie dem Interesse des Angeklagten an einem fairen und schnellen Verfahrensfortgang vorzunehmen. Den Opferinteressen kommt dabei ein hohes, aber nicht von vornherein ein überwiegendes Gewicht zu.

3. Auch nach der Änderung der Adhäsionsvorschriften durch das OpferRRG können die in der Rechtsprechung für den früheren Rechtszustand entwickelten Grundsätze zur Ungeeignetheit eines Adhäsionsantrages im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei der Entscheidung gemäß § 406 Abs.1 Satz 4 StPO berücksichtigt werden.


Hanseatisches Oberlandesgericht 1. Strafsenat Beschluss

Geschäftszeichen: 1 Ws 92/05

In der Strafsache

gegen

hier betreffend: Adhäsionsantrag der

hat der 1.Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 29. Juli 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schudt den Richter am Oberlandesgericht Stephani den Richter am Amtsgericht Rußer

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Adhäsionsantragstellerin E plc vom 13. Juni 2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 20, vom 6. Juni 2005 wird auf Kosten der Adhäsionsantragstellerin, die auch die durch die sofortige Beschwerde entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten F, R und W trägt, verworfen.

Gründe:

Sachverhalt für die Veröffentlichung( nicht Teil der verkündeten Entscheidung)

Den sechs Angeklagten dieses Verfahrens wird mit der Anklageschrift vom 26. März 2004 unter anderem zur Last gelegt, in der Zeit von September 2000 bis zum 31. Januar 2001 einen gemeinschaftlichen Betrug in einem besonders schweren Fall (§§ 263 Abs.1 und Abs. 3 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB) begangen zu haben, indem sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplans im Rahmen der Verhandlungen über den Verkauf der von der DSF AG an der I. AG gehaltenen Aktien an die in Großbritannien ansässige Firma E plc. die Verantwortlichen der Käuferin sowie deren Berater über die tatsächliche Umsatzentwicklung der I AG dadurch täuschten, dass sie zahlreiche fingierte Verträge bzw. Aufträge als reale Geschäfte darstellten und auf diese Weise den Eindruck erweckten, die Firma I. habe durch diese Geschäfte Umsätze in Höhe von insgesamt 11.283.930,00 DM (netto) erwirtschaftet.

Die Käuferin soll daraufhin für den zunächst erworbenen 75%- Anteil der I. AG einen um mindestens 46,7 Mio. € überhöhten Kaufpreis in Höhe von ca. 763 Mio. € gezahlt haben.

Der Kaufpreis wurde Anfang 2001 teilweise in bar und durch eine Aktienübertragung beglichen.

Die E. plc erlangte gegen die drei aus dem Tenor der Entscheidung ersichtlichen Angeklagten zivilrechtliche Arreste in unterschiedlicher Höhe. Da die E plc in den Arrestverfahren nach entsprechenden Anträgen gemäß § 926 Abs. 1 ZPO zur Erhebung einer Hauptsacheklage aufgefordert worden war, stellte sie am 4. November 2004 gegen die drei Angeklagten einen Adhäsionsantrag mit dem Antrag, die Angeklagten aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen unerlaubten Handlung zur Rückzahlung des gesamten Kaufpreises zu verpflichten.

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 406a Abs. 1 Satz 1 StPO statthaft, denn der Adhäsionsantrag vom 4. November 2004 ist vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden, eine den Rechtszug in der Hauptsache abschließende Entscheidung hat die Große Strafkammer 20 bisher nicht getroffen. Sie ist auch gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht eine Entscheidung über den Adhäsionsantrag wegen Nichteignung gemäß § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO abgelehnt.

Bei der Beurteilung, ob ein Adhäsionsantrag sich für eine Entscheidung in einem Strafverfahren eignet, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (1). Die vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Gesichtspunkte sind zur Überzeugung des Senats im Wesentlichen sachgerecht und bilden die Grundlage einer nicht zu beanstandenden Ermessensausübung, der sich der Senat im Rahmen seiner eigenen Ermessensentscheidung (vgl. zur Überprüfungskompetenz des Beschwerdegerichts: Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 309 Rn. 4) zum überwiegenden Teil anschließt (2). Die Ablehnung des Adhäsionsantrages kann auch nicht durch die Möglichkeit, eine Grund- oder Teilentscheidung zu treffen, vermieden werden (3).

1)

Die Entscheidung darüber, ob ein Adhäsionsantrag zur Entscheidung im Strafverfahren geeignet ist, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 406 Rn. 12 m.w.N.). Soweit vor der Neufassung der Vorschriften über das Adhäsionsverfahren durch das Opferrechtsreformgesetz zum 1. September 2004 (OpferRRG, BGBl Teil I, S. 1354) Streit darüber bestand, ob dem Gericht bei der Entscheidung über die Eignung bzw. Nichteignung eines Adhäsionsantrages ein Ermessen zustehe oder nicht (gegen einen Ermessensspielraum: SK- Velten, § 405 a.F. Rn. 11; Stöckel in KMR- StPO § 405 a.F. Rn. 5; für einen Ermessensspielraum: Meyer- Goßner, StPO- Komm., 47. Aufl., § 405 Rn. 4 m.w.N; BGH, NStZ 2003, 46f), ist diese Fragestellung durch die Neufassung der Adhäsionsvorschriften eindeutig zugunsten einer Ermessensentscheidung klargestellt worden. Dieses ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik des § 406 Abs. 1 n.F. StPO.

Schon die Wortwahl in § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO: "Im Übrigen kann das Gericht..." macht deutlich, dass die Entscheidung über die Eignung eines Adhäsionsantrages als Ermessensentscheidung ausgestaltet ist.

Dieses wird auch durch die innere Systematik des ersten Absatzes des § 406 StPO verdeutlicht.

Im Gegensatz zur Ermessensentscheidung, die der Gesetzgeber im Satz 4 eröffnet hat, ist in den Fällen eines unzulässigen oder eines offensichtlich unbegründeten Adhäsionsantrages in § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO eine gebundene Entscheidung des Gerichts vorgesehen, denn in einem solchen Fall "sieht das Gericht von einer Entscheidung ab....". Hätte der Gesetzgeber auch die Entscheidung über die Eignung eines Adhäsionsantrages als gebundene Entscheidung ausgestalten wollen, hätte es nahe gelegen, dieses auch im Satz 4 des Absatzes 1 durch die zuvor getroffene Wortwahl zu verdeutlichen.

2)

Bei der Ermessensentscheidung über die Eignung oder Nichteignung eines Adhäsionsantrages hat sich der Senat einerseits an der vom Gesetzgeber verfolgten Zielsetzung bei der Neuregelung der Adhäsionsvorschriften, dieses Verfahren grundsätzlich zu stärken, und der daraufhin erfolgten konkreten Ausgestaltung des § 406 Abs. 1 StPO orientiert. Andererseits ist auch der Gesamtzusammenhang eines gegen sechs Angeklagte zu führenden komplexen Strafverfahrens mit seinem vorrangigen Ziel der Aufklärung der den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten berücksichtigt und gewichtet worden.

Bei der Abwägung der Interessen der möglicherweise Geschädigten, ihre Ansprüche in einem Adhäsionsverfahren durchzusetzen, mit den Interessen des Staates, seinen Strafanspruch möglichst effektiv zu verfolgen, sowie auch den Interessen der Angeklagten an einem fairen und schnellen Verfahrensfortgang, kommt den Opferinteressen nach der Neufassung der Adhäsionsvorschriften zwar ein hohes, aber nicht von vornherein ein überwiegendes Gewicht zu.

Diese Gewichtung lässt sich auch aus der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Opferrechtsreformgesetzes entnehmen. Die Bundesregierung hat in ihrer Gesetzesbegründung nicht nur auf die zu stärkenden Interessen der Opfer, sondern zugleich auch auf die Notwendigkeit eines zügig durchzuführenden Verfahrens hingewiesen (vgl. Regierungsbegründung in der Vorlage für den Bundesrat, BR- Drucksache 829/03 S. 16).

Im Rahmen der konkreten Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen der Opfer einerseits und der Interessen der Angeklagten sowie der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs andererseits kommt dem Gesichtspunkt einer Verfahrensverzögerung durch die Bearbeitung des Adhäsionsantrages für die Frage der Eignung des Antrages eine sehr hohe Bedeutung zu. Der Gesichtspunkt der Verzögerung stellt jedoch - wie die Kammer zu Recht hervorgehoben hat - nicht den einzigen Aspekt bei der Prüfung einer Eignung eines Adhäsionsantrages dar.

Aus dem Wortlaut des § 406 Abs. 1 Satz 5 StPO ergibt sich, dass der Gesichtspunkt der Verzögerung als - sicher wichtigster - Beispielsfall einer Nichteignung aufgeführt worden ist ("Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet...."). Auch im Gesetzgebungsverfahren ist die Verzögerung als der wichtigste, ausdrücklich jedoch nicht als der einzig denkbare Fall einer Nichteignung bezeichnet worden (BR- Drucksache 829/03 S. 37).

Neben dem Gesichtspunkt der Verzögerung hat der Senat deshalb ebenfalls in Betracht gezogen, ob durch den Adhäsionsantrag die Zwecke des Strafverfahrens in anderer Weise beeinträchtigt werden. Beeinträchtigungen können sich dabei z.B. im Bereich der effektiven Verteidigung der Angeklagten ergeben. Ein Adhäsionsverfahren kann aufgrund seiner außergewöhnlichen Schwierigkeit auch dazu führen, das erkennende Gericht so zu beanspruchen, dass dadurch wiederum das Aufklärungsinteresse und der staatliche Strafanspruch erheblich beeinträchtigt wären.

Ein solcher Fall liegt - wie das Landgericht im angefochtenen Beschluss dargelegt hat - hier vor.

Diese Beurteilung ergibt sich - wie das Landgericht richtigerweise ausgeführt hat - durch eine Gesamtbetrachtung aller sich aufgrund des Adhäsionsantrages ergebenden Problemfelder. Zwar wäre möglicherweise jeder einzelne Gesichtspunkt für sich noch angemessen handhabbar gewesen, das Zusammentreffen einer Vielzahl solcher Gesichtspunkte ist es nicht mehr.

Zu den einzelnen Problemfeldern gilt folgendes:

a) Höhe und Umfang der Klagforderung

Die mit dem Adhäsionsantrag gegen die Angeklagten W, R und F geltend gemachte Schadenersatzforderung von über 763 Mio. € ist außergewöhnlich groß. Die Höhe dieser Forderung birgt die Gefahr in sich, dass der zivilrechtliche Anspruch schon im laufenden Strafverfahren sehr deutlich in den Vordergrund tritt, denn die Durchsetzung dieser Forderung würde zur Überzeugung des Senates alle drei Angeklagten in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohen, wenn nicht gar völlig vernichten. Ein sich aus dieser Situation ergebendes Verteidigungs- und Einlassungsverhalten, das hauptsächlich auf die Abwehr der zivilrechtlichen Forderung ausgerichtet wäre, könnte die Verteidigungsfähigkeit, und damit die Interessen der Angeklagten, erheblich beeinträchtigen (vgl. LG Mainz, StV 1997, 627; BGH, BGHR § 405 Satz 2 a.F. Nichteignung 3). Soweit das LG Wuppertal ( LG Wuppertal, NStZ-RR 2003, 179) bei einer Forderung von 26,4 Mio.€ im Adhäsionsantrag eine Eignung des Antrages bejaht hat, zeigt schon der Vergleich mit der hier geltend gemachten Forderung, dass der vorliegende Adhäsionsantrag den bereits sehr hohen Anspruch im vom LG Wuppertal zu entscheidenden Fall um fast das dreißigfache überschreitet und damit eine in der strafgerichtlichen Rechtsprechung zu Adhäsionsverfahren ersichtlich noch nicht behandelte Forderungssumme aufweist. Selbst wenn es in dem Verfahren gegen die drei Angeklagten um eine Wirtschaftsstrafsache von erheblichem Ausmaß geht, ist jedoch nicht zu übersehen, dass im Rahmen der strafrechtlichen Bewertung bisher von einem geschätzten Mindestschaden in Höhe von ca. 46,7 Mio. € ausgegangen wurde, so dass die durch den Adhäsionsantrag geltend gemachte Forderung selbst zu dieser Schätzung in einem außergewöhnlichen (Miss)verhältnis steht.

Hinzu kommt, dass im vom LG Wuppertal entschiedenen Fall - soweit sich dieses aus dem Abdruck der Entscheidung entnehmen lässt - neben der hohen Forderung keine weiteren Schwierigkeiten auftraten, die - anders als im vorliegenden Fall - in einer Gesamtschau eine Nichteignung hätten begründen können.

Neben der außergewöhnlichen Höhe der Forderung ist auch der Gesichtspunkt des bloßen Umfanges des Adhäsionsverfahrens bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Schon zum jetzigen Zeitpunkt haben die Sonderbände ausschließlich zum Adhäsionsverfahren einen Umfang von über 3000 Seiten angenommen. Dieser Umfang ist nicht nur durch die schon für sich genommen sehr umfangreiche Adhäsionsantragsschrift selbst (368 Seiten), sondern auch durch die ausführlichen Stellungnahmen und Erwiderungen der Verfahrensbeteiligten zur Frage der Eignung des Adhäsionsantrages zustande gekommen. Dass die Bearbeitung dieses - nicht den Hauptzweck des Strafverfahrens - dienenden Verfahrensteils, die erkennende Kammer nicht unwesentlich in ihrer Arbeitskraft bindet, liegt auf der Hand.

b) Haftungsgefahr für Pflichtverteidiger

Durch den außergewöhnlichen Umfang der im Wege des Adhäsionsverfahrens geltend gemachten Forderung ergeben sich nicht nur für die Angeklagten selbst erhebliche Risiken. Auch für die den Angeklagten bestellten Pflichtverteidiger können sich Haftungsrisiken ergeben, die - da sie sich nicht durch eine Versicherung abdecken lassen- dazu führen können, das Verteidigungsverhalten mehr auf den zivilrechtlichen Aspekt als auf die strafrechtlichen Fragen auszurichten. Eine solche Gewichtung würde wiederum den Interessen der Angeklagten an einem fairen Verfahren entgegenstehen.

Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erstreckt sich jedenfalls dann, wenn ein Antrag gemäß § 404 Abs. 5 StPO auf gesonderte Beiordnung eines Rechtsanwaltes nicht gestellt wird, bzw. nicht gestellt werden kann, weil die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach den Vorschriften über die Prozesskostenhilfe nicht vorliegen, auch auf die Abwehr der im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Ansprüche.

Der BGH hat zwar die Frage der Erstreckung der Pflichtverteidigerbeiordnung auf das Adhäsionsverfahren noch nicht ausdrücklich entschieden, jedoch unter Hinweis auf die enge tatsächliche und rechtliche Verbindung zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten angedeutet, dass er wohl - anders als in den Fällen der Nebenklage - eine Erstreckung der Beiordnungswirkung auch auf die Abwehr der Ansprüche eines Verletzten annehmen würde (BGH, NJW 2001, 2486, 2487, in diesem Sinne auch OLG Schleswig NStZ 1998, 101; Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 140 Rn. 5). Dieser auch vom Landgericht vertretenen Auffassung schließt sich der Senat an.

Daraus ergibt sich hier, dass sich die Pflichtverteidiger einem deutlich gesteigerten Haftungsrisiko gegenüber sehen. Würde der Adhäsionsantrag im beantragten Umfang Erfolg haben, bestünde gegen die drei hier in Anspruch genommenen Angeklagten ein Vollstreckungstitel über ca. 763 Mio. €. Insoweit würde auch eine Bindungswirkung des strafrechtlichen Urteils eintreten. Ohne einen Adhäsionsantrag könnte es im Falle einer Verurteilung zwar auch zur Feststellung eines Schadens kommen, allerdings ohne Bindungswirkung im zivilrechtlichen Verfahren. Hätte ein Pflichtverteidiger somit seine Verteidigung im Adhäsionsverfahren fehlerhaft gestaltet, so träfe ihn ein deutlich über das normale Risiko eines Pflichtverteidigers hinausgehendes Haftungsrisiko. Das Bestreben, dieses Risiko zu vermeiden, könnte das Strafverfahren zusätzlich belasten.

Zwar ist der Beschwerdeführerin dahingehend zuzustimmen, dass nicht jedes erhöhtes Haftungsrisiko eines Pflichtverteidigers zur Annahme der Ungeeignetheit eines Adhäsionsantrages führen darf, da dann dieses Instrumentarium entwertet werden würde. Hier liegt jedoch wegen der extrem hohen Forderung und der Komplexität des gesamten Sachverhaltes ein besonders gelagerter Ausnahmefall vor. Allerdings kann der Gesichtspunkt des sehr hohen Haftungsrisikos nicht für sich allein die Nichteignung des Adhäsionsantrages begründen. Er stellt lediglich einen Teilgesichtspunkt im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung dar.

Der Berücksichtigung dieses Aspektes steht nicht entgegen, dass die Verteidigerin des Angeklagten W, Frau Rechtsanwältin V, durch einen entsprechenden Antrag im zivilrechtlichen Arrestverfahren gemäß § 926 Abs. 1 ZPO die Adhäsionsantragstellerin gezwungen hat, eine Hauptsacheklage zur Aufrechterhaltung ihrer Arreste zu erheben. Die von der Rechtsanwältin genutzte Möglichkeit, ein Hauptsacheverfahren zu erzwingen, ist prozessual vorgesehen. Durch einen solchen Antrag war die Adhäsionsantragstellerin auch nicht gezwungen, einen Adhäsionsantrag beim Strafgericht einzureichen und damit ein gewisses Risiko über die weitere Behandlung ihres Anspruchs einzugehen. Der Verpflichtung, eine Hauptsacheklage zu erheben, hätte E. plc. ebenso durch die Erhebung einer Klage vor einer Zivilkammer der Landgerichts Hamburg nachkommen können. Ein Risiko, keine Entscheidung in der Sache zu erhalten, hätte in einem solchen Fall nicht bestanden.

c) Schwierige Rechtsfragen

Nach der Rechtsprechung des BGH zum Adhäsionsverfahren vor der Gesetzesänderung durch das OpferRRG war ein Adhäsionsantrag dann ungeeignet, wenn schwierige bürgerlich- rechtliche Fragestellungen zu klären waren (BGH in BGHR § 405 Satz 2 a.F. Nichteignung 3). Insbesondere in Fällen, in denen Fragen eines Forderungsüberganges (BGH in BGHR § 405 Satz 2 a.F. Nichteignung 1; BGH, wistra 2003, 151) zu klären gewesen wären oder die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kam (BGH, wistra 2003, 151), hat der BGH eine Nichteigung angenommen.

Nach der Änderung der Adhäsionsvorschriften ist diese Rechtsprechung - anders als die Beschwerdeführerin meint - keineswegs obsolet geworden. Zwar sind die Anforderungen für die Annahme einer Nichteignung im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO erhöht worden, da der Gesetzgeber eine Entscheidung über den Adhäsionsantrag zur Regel, die Ablehnung wegen Nichteignung dagegen zur Ausnahme machen wollte (BR- Drucksache 829/03 S. 16). Da aber - wie oben ausgeführt wurde - der Gesetzgeber weiterhin die Möglichkeit der Ablehnung eines Adhäsionsantrages wegen Nichteignung vorgesehen hat, können die bisher von der Rechtsprechung entwickelten Gesichtspunkte der Nichteignung bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau weiterhin herangezogen werden.

Im vorliegenden Fall wären sowohl Probleme im Zusammenhang mit einem Forderungsübergang als auch mehrere Fragestellungen mit Bezug zum internationalen Privatrecht zu klären.

Die Adhäsionsantragstellerin hat in ihrer Antragsschrift dargelegt, dass sie zwar der Auffassung ist, den von ihr verlangten Schadenersatz in vollem Umfang selbst geltend machen zu können. Sie hat aber weiter ausgeführt, sie habe sich einen möglicherweise bestehenden Schadenersatzanspruch ihrer Tochtergesellschaft E. J.Investment Ltd., die die Barpreiskomponente des Aktienkaufs der I AG in Höhe von 208.741.155, 84€ an die D Holding gezahlt hatte, abtreten lassen (Antragsschrift S. 296).

Soweit die Adhäsionsantragstellerin den der E. J. Investment Ltd. möglicherweise zustehenden Schadenersatzanspruch nur aus abgetretenem Recht geltend machen könnte, wäre der Adhäsionsantrag schon unzulässig, denn ein Zessionar wäre insoweit nicht antragsberechtigt (Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 403 Rn. 4).

Ob die Adhäsionsantragstellerin E plc als Alleingesellschafterin der E. J.Investment Ltd. tatsächlich aus eigenem Recht den der Tochtergesellschaft zustehenden Schadenersatzanspruch geltend machen kann, lässt sich nur unter Berücksichtigung des englischen und des für J. geltenden Gesellschaftsrechts abschließend beurteilen. Hierzu wäre voraussichtlich die Einholung eines Gutachtens eines Instituts für Internationales Privatrecht erforderlich. Auf die von der Adhäsionsantragstellerin in diesem Zusammenhang angebotene Hilfestellung könnte sich die Kammer jedenfalls nicht stützen, da sie sich in einem solchen Fall der Gefahr einer Voreingenommenheit aussetzen würde.

Nach dem in diesem Verfahren von Verfahrensbeteiligten bisher gezeigten Prozessverhalten dürfte schon allein bei der Auswahl eines Gutachters zu dieser Frage sowie bei der Festlegung des Gutachtenauftrages und der anschließenden Erörterung des Gutachtens in der Hauptverhandlung von so umfangreichen Stellungnahmen und Repliken auszugehen sein, dass es - noch bevor zu dieser Frage überhaupt ein Ergebnis vorliegen würde - zu einer erheblichen Bindung der Arbeitskraft der Kammer und damit zu der Gefahr einer weiteren Verzögerung des Strafverfahrens kommen würde.

Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, die Kammer müsse in jedem Fall klären, wer als Geschädigte unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten in Betracht komme, denn diese Geschädigten müssten gemäß § 406h StPO auf ihre Befugnisse hingewiesen werden, führt hier zu keiner anderen Beurteilung.

Zwar ergibt sich aus § 406h StPO eine Hinweispflicht an Geschädigte. Die Hinweispflicht umfasst jedoch keine über das durch die strafprozessuale Amtsaufklärungspflicht bestimmte Maß hinausgehenden Ermittlungen des Gerichtes um einen möglicherweise in Betracht kommenden weiteren Geschädigten benachrichtigen zu können (Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 406h Rn. 6).

Hinzu kommt, dass eine weitere Frage des internationalen Privatrechts verbindlich geklärt werden müsste.

Zu prüfen wäre nämlich, welche Rechtsstellung der Insolvenzverwalter nach englischem Recht hat und welche Auswirkungen dieses auf seine Antragsbefugnis gemäß § 403 StPO haben könnte.

Schon nach deutschem Recht ist umstritten, in welchem Umfang der Insolvenzverwalter eine Berechtigung zur Stellung eines Adhäsionsantrages hat (vgl. Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 403 Rn. 5 m.w.N.). Nach der bisher überwiegend vertretenen Auffassung könnte ein Insolvenzverwalter nur dann einen Adhäsionsantrag stellen, wenn der Gemeinschuldner erst nach der Insolvenzeröffnung geschädigt worden ist, nicht jedoch, wenn die Schädigung - wie im vorliegenden Fall - vorher erfolgt sein soll. Auch diese Fragestellung könnte zuverlässig nur durch ein Gutachten - für welches die obigen Ausführungen entsprechend gelten - geklärt werden.

d) Strafkammer als Gericht der Hauptsache gemäß § 927 Abs. 2 ZPO

Ein weiterer Gesichtspunkt, der vom Senat in die Abwägung eingestellt wurde, ergibt sich daraus, dass die Große Strafkammer 20 durch den Adhäsionsantrag, der die Wirkungen einer Zivilklage hat (§ 404 Abs. 2 Satz 1 StPO), zum Gericht der Hauptsache im Sinne des § 927 Abs. 2, 2. Halbsatz ZPO geworden ist. Die sich aus dieser Zuständigkeit ergebenden Folgewirkungen, nämlich ständige Befassung mit Anträgen auf Einstellung oder Abänderung von Entscheidungen im Rahmen der Zwangsvollstreckungen, lassen sich dem vorgelegten Aktenmaterial entnehmen und wurden auch vom Landgericht im angefochtenen Beschluss nachvollziehbar dargelegt. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang angeführte Gefahr weiterer umfangreicher Befassung mit diesem Aspekt seiner Zuständigkeit erklärt sich durch das bisherige Prozessverhalten einiger Angeklagter und erscheint begründet.

Zwar ist es zutreffend - worauf die Beschwerdeführerin hinweist, - dass die sich aus dem Adhäsionsantrag ergebende Kompetenz gemäß § 927 Abs. 2 ZPO eine gesetzlich gewollte Folge der Bestimmungen über das Adhäsionsverfahren ist. Dieses bedeutet aber nicht, dass dieser Aspekt nicht auch in die Ermessensabwägung, ob eine Eignung des Adhäsionsantrages verneint werden soll, eingestellt werden darf. Wird durch den Adhäsionsantrag das eigentliche Ziel eines Strafprozesses - Aufklärung des strafrechtlich relevanten Sachverhaltes, Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs - erheblich beeinträchtigt, so müssen die Umstände, die eine solche Beeinträchtigung hervorrufen, in der Abwägung berücksichtigt werden.

In diesem Sinne stellt die Befassung der Strafkammer mit Fragen des zivilrechtlichen Zwangsvollstreckungsrechts zwar keinen vorrangigen, aber einen zusätzlich zu den bereits dargestellten Gesichtspunkten zu berücksichtigenden Aspekt im Rahmen der Abwägung dar, wenn er - wie im vorliegenden Fall - eine über das normale Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Strafkammer verursacht.

e) Problematik des Mitverschuldens

Soweit das Landgericht seine Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass sich weitere Schwierigkeiten durch ein möglicherweise auf Seiten der Adhäsionsantragstellerin zu berücksichtigendes Mitverschulden ergeben könnten, ist dieser Gesichtspunkt nicht geeignet, einem Adhäsionsantrag die Eignung abzusprechen. Diese Problematik könnte - sofern alle weiteren Voraussetzungen vorlägen - durch ein Grundurteil (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO) gelöst werden. Der Mitverschuldensanteil, und damit die genaue Höhe des Anspruches, könnte sodann im Zivilverfahren geklärt werden.

Die unzutreffende Berücksichtigung dieses Aspektes als Argument der Nichteignung wirkt sich jedoch angesichts der dargestellten - und auch vom Landgericht ihrer Entscheidung zugrunde gelegten - weiteren, durch den Adhäsionsantrag hervorgerufenen Verfahrensbeeinträchtigungen, auf das Ergebnis der Beschwerdeentscheidung nicht aus.

3) Das Landgericht hat sich zwar nicht ausdrücklich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, statt einer Ablehnung des gesamten Adhäsionsantrages eine Grund- oder Teilentscheidung (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO) über den geltend gemachten Anspruch anzustreben. Aus dem Gesamtzusammenhang der angefochtenen Entscheidung entnimmt der Senat jedoch, dass die Kammer eine solche Möglichkeit für nicht umsetzbar gehalten hat. Diese Einschätzung teilt auch der Senat.

Eine Grund- oder Teilentscheidung hätte dann in Betracht gezogen werden müssen, wenn die Frage der Eignung oder Nichteignung sich nur an dem Aspekt der Anspruchshöhe oder einem klar abtrennbaren Teil der Forderung entschieden hätte. Das ist jedoch hier gerade nicht der Fall.

So ist bisher nicht geklärt, ob überhaupt ein zulässiger Adhäsionsantrag vorliegt (Rolle des englischen Insolvenzverwalters), und ob sich durch die Abtretung eines Teilanspruchs von E. J. Investment Ltd an E plc weitere Zulässigkeitsprobleme ergeben könnten. Bevor eine Grundentscheidung in Betracht kommen könnte, wären somit diese nur durch umfangreiche und langwierige Gutachten zu klärenden Fragen zu lösen. Während dieses Zeitraumes würden die übrigen gegen die Eignung des Adhäsionsantrages sprechenden Gesichtspunkte das Verfahren weiter belasten.

So sähen sich die Angeklagten weiterhin der außergewöhnlich hohen Forderung mit allen Folgen gegenüber, die Pflichtverteidiger wären im dargestellten Sinne beeinträchtigt. Auch die Zuständigkeit der Strafkammer als Gericht der Hauptssache gemäß § 927 Abs. 2 ZPO bestünde mit ihren negativen Auswirkungen fort. Die Möglichkeit, eine Grundentscheidung treffen zu können, musste die Kammer bei dieser Sachlage nicht weiter in Betracht ziehen.

Nach alledem ist der Adhäsionsantrag der E. plc vom 4. November 2004 wegen der Kumulation der sich durch diesen Antrag für das Strafverfahren ergebenden Probleme auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Adhäsionsantragstellerin ungeeignet im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO, so dass die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen war.



Ende der Entscheidung

Zurück