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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 30.11.2001
Aktenzeichen: 12 W 23/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 91
ZPO § 97
1. Die Kosten der erfolgreichen Beschwerde in einem Nebenverfahren -hier die Aussetzung des Verfahrens betreffend- sind nach dem Grundsatz der Kosteneinheit in der Regel Teil der Hauptsachekosten. Nur wenn in dem angefochtenen Beschluss auch über die Kosten zu entscheiden war und diese Entscheidung korrigiert werden müsste, hat das Beschwerdegericht bei erfolgreicher Beschwerde über die Kosten zu entscheiden.

2. Der Wert einer Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens kann mit 1/5 des Hauptsachewerts bemessen werden.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

12 W 23/01 327 O 97/01

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 12. Zivilsenat, am 30. November 2001 durch die Richter Schultz, Künkel, Bayreuther-Lutz

beschlossen:

Tenor:

1. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, da die Kosten des Beschwerdeverfahrens Teil der Kosten der Hauptsache sind.

2. Der Beschwerdewert wird auf 18.624 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Senat hat auf die Beschwerde der Klägerin hin den auf § 149 ZPO gestützten Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg aufgehoben und den Aussetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Der Senatsbeschluss enthält keine Kostenentscheidung. Die Klägerin hat beantragt, gemäß §§ 319, 321 ZPO die Kostenentscheidung zu ergänzen, und zugleich gebeten, den Streitwert des Beschwerdeverfahrens festzusetzen.

1. Durch den Zwischenstreit über die Aussetzung des Verfahrens sind in erster Instanz keine besonderen Kosten erwachsen, da Zwischenstreite gebührenrechtlich zur Instanz gehören (§ 37 Nr. 3 BRAGO). Es war daher vom Landgericht keine Kostenentscheidung zu treffen. Für die erfolgreiche Beschwerde wird gemäß Nr. 1953 KostVerz zum GKG keine Gerichtsgebühr erhoben. Die beteiligten Anwälte erhalten allerdings gemäß § 61 I Nr. 1 BRAGO eine 5/10-Gebühr. Dennoch ist eine Kostenentscheidung entbehrlich, da die Kosten des Beschwerdeverfahrens Teil der Kosten der Hauptsache sind. So hat der Senat bereits in dem vergleichbaren Fall einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Ablehnung einer Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO entschieden (OLG Hamburg, Beschluss vom 26.2.01, OLGR 2001, 298, 299).

Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 I ZPO gehören nach dem Grundsatz der Kosteneinheit alle Kosten, die bis zum Abschluss des Verfahrens instanzübergreifend entstanden sind. Dazu gehören auch die Kosten von Beschwerdeverfahren, soweit nicht über sie gesondert zu entscheiden war (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 91 Rn. 22; § 97 Rz. 6, 9; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 91 Rn. 7). Die im Hauptprozess unterlegene Partei hat die Kosten aller Angriffs- und Verteidigungsmittel zu tragen, sollte sie auch in einzelnen Punkten oder in einer einzelnen Instanz siegreich gewesen sein. Die Fälle einer ausnahmsweisen Kostentrennung sind im Gesetz eindeutig bestimmt (MünchKomm-ZPO/ Belz, 2. Aufl., § 91 Rn. 14). So enthält das Gesetz für die Kosten der Rechtsmittelinstanz in § 97 ZPO Regelungen, die im vorliegenden Fall nicht einschlägig sind. Der Senat hätte daher über die Kosten der Beschwerdeinstanz nur zum Nachteil der Klägerin entscheiden dürfen, wenn die Beschwerde der Klägerin erfolglos geblieben wäre (§ 97 I ZPO) oder die Klägerin mit neuem Vorbringen obsiegt und deshalb die Kosten der Beschwerdeinstanz nach § 97 II ZPO zu tragen hätte. Für die Kosten der erfolgreichen Beschwerde gilt der Grundsatz, dass über die Kosten nur zu entscheiden ist, wenn auch im angefochtenen Beschluss über die Kosten zu entscheiden war und diese Entscheidung im Fall der erfolgreichen Beschwerde korrigiert werden muss. Das ist immer dann der Fall, wenn Beschwerde in einem vom Hauptverfahren unabhängigen Verfahren eingelegt worden ist. Bei der Entscheidung über einen Aussetzungsantrag handelt es sich hingegen um eine unselbständige Maßnahme in einem laufenden Verfahren, die keine Kostenentscheidung erfordert. Dann gehören die Beschwerdekosten zu den Kosten des Rechtsstreits, die die unterlegene Partei nach § 91 ZPO unabhängig von ihrem eventuellen Obsiegen in dem Zwischenstreit zu tragen hat. Dieser allgemeine Grundsatz wurde in § 620g ZPO auf die Fälle der einstweiligen Anordnung ausgedehnt, obwohl für das Anordnungsverfahren schon in erster Instanz Kosten anfallen.

2. Den Beschwerdewert hat der Senat im Anschluss an die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur mit 1/5 des Hauptsachewerts bemessen (vgl. die Nachweise bei Zöller/Herget, 22. Aufl., § 3 ZPO Rn. 16 "Aussetzungsbeschluss"). Auch das OLG Koblenz in dem Beschluss vom 7.8.01 (Anlage B 5) und das OLG München in dem Beschluss vom April 2001 (Anlage B 2) haben den Wert entsprechend festgesetzt. Soweit das OLG Koblenz und das OLG München den Beklagten nach § 91 ZPO die Kosten der erfolgreichen Beschwerde der Klägerseite auferlegt haben, geschah dies ohne Begründung und damit ohne Auseinandersetzung mit der Problematik.

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 27.6.01 aufgehoben. Der Aussetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den auf unerlaubte Handlung gestützten Schadensersatzprozess bis zur Erledigung des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens des LG Bochum gemäß § 149 ZPO ausgesetzt. Die Beschwerde der Klägerin hiergegen ist begründet.

Auch wenn inzwischen Anklage erhoben ist, ist mit einem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Da zahlreiche Gläubiger inzwischen Titel erwirkt haben - meist Versäumnisurteile -, wird die Klägerin erheblich benachteiligt, wenn ihr im Falle eines möglichen Obsiegens eine baldige Vollstreckungsmöglichkeit vorenthalten wird. Gegen den Willen der Klagepartei kann nicht mit den besseren Erkenntnismöglichkeiten des Strafverfahrens argumentiert werden. Die Beklagten sind hinreichend dadurch geschützt, dass die Darlegungs- und Beweislast bei der Klägerin liegt.

Das Argument, die Beklagten könnten wegen der Wahrheitspflicht im Zivilverfahren Nachteile im Strafverfahren erleiden, überzeugt den Senat im Fall der Beklagten ebenfalls nicht; denn sie haben umfangreich auf die Klage erwidert, ohne dass eine besondere Konfliktlage aufgezeigt worden ist. Mit dem Wertungswiderspruch hat sich im Übrigen der 24. Senat des OLG Frankfurt in dem Beschluss vom 1.2.01 (24 W 5/01, Anlage B 3) ausführlich und überzeugend auseinandergesetzt und den Interessen der Gläubiger an einem baldigen Abschluss des Zivilverfahrens Vorrang eingeräumt. Auch die Oberlandesgerichte München (im Verfahren 31 W 1396/01, Anlage B2) und Koblenz (Beschluss vom 7.8.01 - 6 W 526/01, Anlage B 5) haben eine Aussetzung abgelehnt.

Ende der Entscheidung

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