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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 03.03.2003
Aktenzeichen: 12 WF 18/03
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG, GKG-KV, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 9
GKG § 17
GKG § 25
GKG-KV Nr. 1210
GKG-KV Nr. 1211
ZPO § 189
ZPO § 195
ZPO § 568
ZPO § 569
1. Über Streitwertbeschwerden hat der Einzelrichter zu entscheiden.

2. Die Beschwerdefrist des § 569 ZPO gilt nicht für Streitwertbeschwerden.

3. Zum Streitwert einer Unterhaltsklage vor und nach Rechtshängigkeit.

4. Eine Klageerweiterung kann auch durch Zustellung von Anwalt zu Anwalt rechtshängig werden.

5. Bei der Bestimmung des Jahresbetrags nach § 17 Abs. 1 GKG werden Monate, für die kein Unterhalt verlangt wird, durch nachfolgende Monate ersetzt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

12 WF 18/03

In der Familiensache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Familiensenat, am 3. März 2003 durch die Richter Schultz, Künkel, Huusmann

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts G. wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 30.10.2002 abgeändert. Der Streitwert der ersten Instanz wird bis zur Rechtshängigkeit auf 4.601,69 €, ab Rechtshängigkeit durch Zustellung des Schriftsatzes vom 15.10.2002 auf 3.323,42 € festgesetzt.

Der Wert des Vergleichs übersteigt diesen Betrag nicht.

Gründe:

1. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, RA G., der ihr

durch Beschluss des Amtsgerichts vom 7.2.2002 als PKH-Anwalt beigeordnet worden ist, soweit sie Ausbildungsunterhalt ab 1.1.2002 geltend macht, und die Festsetzung der Anwaltsgebühren gegen die Staatskasse betreibt, wendet sich aus eigenem Recht gegen die Streitwertfestsetzung durch Beschluss vom 30.10.2002, die keine Gründe enthält. Das Unterhaltsverfahren endete am 21.10.2002 durch einen Vergleich. Der Streitwertschluss wurde am 31.10.02 formlos abgesandt. Mit Schriftsatz vom 20.11.02 bat der Klägervertreter um Ergänzung des Beschlusses, weil nach seiner Ansicht die festgesetzten 1.023 € nur die Rückstände betrafen und noch 12 x 306,78 € für den laufenden Unterhalt hinzu kämen. Vorsorglich hat er Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht durch eine formlose Verfügung nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde (12 WF 204/02) wurde mit Schriftsatz vom 30.12.02 von einem anderen Anwalt der Sozietät zurückgenommen, mit dem am 9.1.03 eingegangenen Schriftsatz durch RA G. aber wiederholt. Durch Beschluss vom 28.1.03 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen, weil die Klage auf künftigen Unterhalt nicht rechtshängig geworden sei - die direkte Übersendung der Klageerweiterung an den Beklagtenvertreter habe nicht zur Heilung geführt; außerdem sei die wiederholte Beschwerde nicht innerhalb von 14 Tagen eingelegt worden.

a) Zur Entscheidung über die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 568 ZPO der Einzelrichter des Beschwerdegerichts berufen, weil das Amtsgericht - Familiengericht - durch Einzelrichter entscheidet (§ 22 GVG). Soweit Schütt (MDR 2002, 986) die Auffassung vertritt, über Erinnerungen und Beschwerden in Kostensachen nach §§ 5, 25 GKG müsse das Beschwerdegericht in voller Besetzung entscheiden, folgt dem der Senat im Anschluss an das OLG Celle (NJW 2003, 367) nicht; denn nach § 5 Abs. 4 S. 5 GKG sind die für die Beschwerde in der Hauptsache geltenden Vorschriften und damit auch § 568 ZPO anzuwenden, weil die §§ 5, 25 GKG keine von der Hauptsache abweichende Regelung der Einzelrichterzuständigkeit für das Nebenverfahren über die Kosten getroffen haben. Der Einzelrichter hat die Sache jedoch gemäß § 568 S. 2 ZPO dem besetzten Senat vorgelegt.

b) Die Beschwerde ist nach §§ 9 Abs. 2 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG zulässig. Die Beschwerdefrist der §§ 567, 569 ZPO gilt nur, "soweit keine andere Frist bestimmt ist". Für das Wertfestsetzungsverfahren enthält aber § 25 GKG eine Sonderregelung. Nach § 25 Abs. 3 S. 3 GKG muss die Beschwerde innerhalb der in § 25 Abs. 2 S. 3 GKG bestimmten Frist eingelegt werden, also innerhalb von sechs Monaten, nachdem sich das Verfahren erledigt hat. Diese Frist ist hier ersichtlich gewahrt worden (Verfahrensbeendigung durch Vergleich am 21.10.02, Beschwerde eingegangen am 9.1.03), so dass es auf die in § 25 Abs. 3 S. 3 GKG ausserdem noch genannte Monatsfrist nicht mehr ankommt.

2. Die Beschwerde des Rechtsanwalts G. ist überwiegend begründet. Gegenstand des Verfahrens erster Instanz war zunächst die am gleichen Tag eingegangene Klage vom 31.7.2001, die gemäß §§ 17 Abs. 1 und 4 GKG einen Wert von 4.601,69 € hatte; denn eingeklagt waren monatlich 600 DM ab Mai 2001. Nach diesem Wert war auch die Prozessgebühr des Anwalts der Klägerin zu berechnen (§ 8 Abs. 1 BRAGO). Für das Verfahren im Allgemeinen wurden mit der Einreichung der Klage 3,0 Gebühren nach dem genannten Wert fällig (GKG-KV Nr. 1210). Daran änderte sich nichts dadurch, dass die Klageschrift zugleich ein PKHGesuch enthielt; denn es war nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass die Klage nur für den Fall der Bewilligung der PKH erhoben werden soll (vgl. OLG Hamburg - Senat, JAmt 2002, 151, 152; OLG Koblenz, FamRZ 1998, 312). Wird die Klage vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, ermäßigt sich die gerichtliche Gebühr auf 1,0 (KV Nr. 1211). Diese ermäßigte Gebühr entfällt nicht dadurch, dass die Klage noch vor ihrer Zustellung und damit vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit zurückgenommen wird (Senat a.a.O.; OLG München, MDR 1996, 1075; OLG Koblenz, FamRZ 1998, 312). Prozesskostenhilfe wurde der Klägerin in der verlangten Höhe von monatlich 600 DM = 306,78 € nur für den Zeitraum ab 1.1.2002 bewilligt, also gemäß § 17 Abs. 1 GKG für einen Wert von 3.681,36 €. Rechtshängig geworden sind 3.323,42 €.

Mit Schriftsatz vom 15.7.2002 hatte die Klägerin "im gegenwärtigen Stadium" nur Unterhalt für den Zeitraum vom 1.1. bis 10.4.2002 in Höhe von 1.022,57 € geltend gemacht. Auch wenn ihr Anwalt diesen Betrag als Rückstand deklariert hatte, handelte es sich doch um einen Teil des laufenden Unterhalts nach Anhängigkeit der Klage, die am 31.7.2001 eingetreten war. Mit Schriftsatz vom 15.10.2002 hatte die Klägerin die Klage erweitert, in dem sie für den Monat September 2002 153,39 € und ab 1.10.2002 mtl. 306,78 € verlangte. Soweit die gestellten Anträge hinter dem Antrag in der Klage vom 31.7.2001 zurückblieben, ist die Klage offensichtlich zurückgenommen worden. Für die Prozessgebühren kommt es nur auf die Anhängigkeit der erweiterten Klage an. Die weiteren Gebühren und auch die Festsetzung der Gebühren für den PKH-Anwalt setzen aber ein Prozessrechtsverhältnis und damit Rechtshängigkeit voraus.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Klage mit dem im Schriftsatz vom 15.10.2002 angekündigten Antrag rechtshängig geworden. Das Gericht konnte die Klage zwar nicht von Amts wegen zustellen, weil der Klägervertreter die beglaubigte Abschrift bereits vorab direkt an den Gegner über dessen Gerichtskasten bei der Annahmestelle gesandt hatte. Im Termin vom 21.10.2002 hat der Beklagtenvertreter bestätigt, dass er die Abschriften des Schriftsatzes vom 15.10.2002 direkt erhalten hat. Die Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin vom 21.10.2002 bezog sich auf den gesamten Rechtsstreit, in den der Vorsitzende nach dem Protokoll eingeführt hat und umfasste, da keine Einschränkung gemacht wurde, auch die Klageerweiterung vom 15.10.2002; denn nach § 195 Abs. 1 S. 2 ZPO in der ab 1.7.2002 geltenden Fassung können auch Klageerweiterungen wirksam von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl. § 195 Rn. 5 m. Nw.). Rechtshängigkeit ist daher eingetreten, ohne dass es nach § 189 ZPO n.F. darauf ankommt, ob wegen des möglicherweise fehlenden Zustellungswillens des Richters etwaige Zustellungsmängel geheilt werden konnten. Die Klage ist daher kurz vor dem Termin vom 21.10.2002 nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 15.10.2002 rechtshängig geworden.

Nach § 17 Abs. 1 S. 1 GKG kommt es auf den Unterhalt für die ersten 12 Monate nach Einreichung der Klage an. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass nur die jeweils ersten Monate gezählt werden, in denen Unterhalt verlangt wird. Vom 1.1. bis 10.4.2002 sind 1.022,57 € verlangt worden. Die Monate 8/01 bis 12/01 und 5/02 bis 8/02, für die kein Unterhalt mehr verlangt worden ist, sind daher für die weiteren Gebühren nicht auf den Jahresbetrag anzurechnen. Die Änderung des § 17 Abs. 1 GKG sollte nur regeln, dass es entgegen der bis dahin verbreiteten Ansicht nicht mehr auf die jeweils höchsten Unterhaltsbeträge ankommen sollte, sondern nur noch auf die zeitlich ersten. Zwischenmonate, in denen kein Unterhalt verlangt wird, sind bei der Streitwertberechnung auch nach der ab 1994 geltenden Gesetzesfassung nicht zu berücksichtigen. Der Jahresbetrag des § 17 Abs. 1 GKG setzt sich daher vorliegend zusammen aus den Beträgen für die Monate 1/02 bis 4/02 (1.022,57 €), 9/02 (153,39€) und 7 x 306,78 € ab 10/02 (2.147,46 €) und ergibt 3.323,42 €.

Ende der Entscheidung

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