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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 02.06.2001
Aktenzeichen: 12 WF 44/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB VIII


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 1600e
BGB § 1685 Abs. 2
BGB § 1685
BGB § 1666
BGB § 1629 Abs. 2 Satz 3
BGB § 1632
SGB VIII § 33
SGB VIII §§ 44ff.
SGB VIII § 44 Abs. 1 Nr. 2
1. § 1600e BGB ist auf Großeltern, die die Feststellung der Vaterschaft ihres vrstorbenen Sohnes begehren, um ein Umgangsrecht mit ihrer Enkelin, mit der sie jahrelang in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, ausüben zu können, nicht entsprechend anwendbar.

2. Für die auf Feststellung der Vaterschaft des Sohnes gerichtete allgemeine Feststellungsklage besteht so lange kein Rechtsschutzinteresse, wie ein teilweiser Entzug des Sorgerechts der Mutter zur Durchführung des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens oder ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 2 BGB in Betracht kommt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

12 WF 44/01

In der Familiensache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Familiensenat, am 2. Juli 2001 durch die Richter Schultz, Huusmann, Dr. Koch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hamburg, Familiengericht, vom 6.3.2001 - 632 F 24/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die von den Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO.

1.

Die Antragsteller können ihren Antrag nicht auf § 1600e BGB stützen.

Das Familiengericht hat seine Entscheidung zu Recht damit begründet, daß der Kreis derjenigen, die berechtigt sind, Anträge im Statusverfahren nach § 1600e BGB zu stellen, auf die dort Genannten beschränkt ist. Die Großeltern eines Kindes sind dort nicht genannt, so daß sie nicht antragsberechtigt sind.

Zwar ist an eine analoge Anwendung des § 1600e BGB im Hinblick darauf zu denken, daß mit § 1685 BGB erstmals Großeltern ein gesetzliches Recht auf Umgang mit ihren Enkeln eingeräumt worden ist und die dadurch geschaffene Rechtslage es nahe gelegt hätte, dies Recht auch dann realisierbar zu machen, wenn der Status als Großeltern erst festgestellt werden muß.

Weil die Klärung von Abstammungsfragen jedoch in aller Regel mit einem Eingriff in höchstpersönliche Belange verbunden ist, hat der Gesetzgeber bewußt den Kreis der nach § 1600e BGB Antragsberechtigten auf der Kernbereich verwandtschaftlicher Beziehungen beschränkt (vgl. BT Drucks. 13/4899, S. 57). Ausgeführt wird dies zwar im Hinblick auf das Anfechtungsrecht, für das Feststellungsrecht kann aber nichts anderes gelten.

Eine Lücke im Gesetz ist damit nicht feststellbar. Deshalb kommt eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1600e BGB auf dort nicht Genannte durch analoge Anwendung des § 1600e BGB nicht in Betracht.

2.

In der Literatur wird jedoch vereinzelt die Auffassung vertreten, daß außerhalb des Statusverfahrens Dritten bei Vorliegen eines entsprechenden Rechtsschutzinteresses die allgemeine Feststellungsklage zur Verfügung stünde (vgl. Palandt-Diederichsen, 60. Aufl., Rdz. 2 zu § 1600e BGB; Staudinger-Rauscher, Neubearbeitung 2000, Rdz. 6 zu § 1600e BGB).

Ob dieser Auffassung angesichts des abschließenden und deshalb den Rückgriff auf die allgemeine Feststellungsklage möglicherweise ausschließenden Charakters des § 1600e BGB zugestimmt werden kann, kann dahingestellt bleiben.

Denn die Antragsteller haben das Bestehen eines entsprechenden Rechtsschutzinteresses nach dem derzeitigen Sachstand nicht in hinreichender Weise vorgetragen.

2.1

Soweit die Antragsteller darauf abstellen, daß sie eine Feststellung im Hinblick auf erbrechtliche Dispositionen begehren, tragen sie allgemein und ohne nähere Darlegung von Einzelheiten ihrer diesbezüglichen Lage und Vorstellungen vor.

Dem allgemeinen Interesse, die familienrechtlichen Beziehungen zwischen Vater und Kind und auf dieser Grundlage zwischen Großeltern und Enkeln geklärt zu wissen, trägt gesetzlich jedoch lediglich § 1600e BGB Rechnung, der, wie oben dargelegt, hier nicht anwendbar ist.

2.2

Ein Rechtsschutzinteresse ergibt sich auch nicht aus dem Bestreben der Antragsteller, Umgang mit Y. haben, was sie inzwischen in dem Verfahren 265 F 297/00 gerichtlich durchzusetzen versuchen.

2.2.1

Nicht auszuschließen ist nach dem bisherigen Sachstand zunächst, daß von Amts wegen der Mutter das Sorgerecht gemäß § 1666 BGB zum Teil entzogen und ein Pfleger zur Durchführung des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens bestellt wird.

Diese Möglichkeit ist vom Gesetzgeber im Zuge der Neufassung des § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB gerade für solche Fälle offengehalten worden, in denen eine Mutter das Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht betreibt, obwohl es aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 13/892, S. 16, S. 34; Palandt-Diederichsen, 60. Aufl., Rdz 40 zu § 1629 BGB ).

Es ist wahrscheinlich, daß die Antragsteller die leiblichen Großeltern von Y. sind.

In dem vorliegenden Verfahren haben sich weder die Antragsgegnerin - Y. - noch ihre Mutter geäußert. Der Senat hat die Akten 265 F 202/97 und 265 F 133/00 beigezogen. Die Mutter hat in dem Verfahren 265 F 202/97 nicht in Abrede genommen, daß es sich bei den Antragstellern um die Großeltern ihres Kindes handelt. In dem Verfahren der Vaterschaftsanfechtung 265 F 133/00 hat sie vielmehr erklärt, daß der Sohn der Antragsteller, Hakan Girgin, der Vater des Kindes sei.

Y. ist rechtlich gegenwärtig ohne Vater und damit auch ohne Großeltern väterlicherseits. Hinzukommt, daß das Kind über Jahre hinweg praktisch von den Antragstellern großgezogen worden ist. Es drängt sich daher die Vermutung auf, daß das Kindeswohl es dringend gebietet, festzustellen, wer Y. Vater ist, damit dadurch auch festgestellt werden kann, ob die Antragsteller in Rechtssinne ihre Großeltern sind.

Von daher wird von Amts wegen zu prüfen sein, ob ein entsprechendes Verfahren gegen die Mutter einzuleiten ist.

Für die Antragsteller hätte dies - vorausgesetzt, ihr Sohn ist tatsächlich der Vater von Y. - den großen Vorteil, daß seine Vaterschaft dann auch im Wege des Statusverfahrens mit seinen umfassenden Rechtsfolgen festgestellt sein würde.

2.2.2

Ein Umgangsrecht der Antragsteller käme darüber hinaus auch auf der Grundlage des § 1685 Abs. 2 BGB in Betracht.

Y. hat für längere Zeit bei den Antragstellern in Familienpflege gelebt. Sie hat sich von September 1994 bis Februar 2000 bei ihnen aufgehalten. Bis April 1998 war der Antragsteller zu 2) ihr Vormund.

Der Begriff der Familienpflege entspricht dem des § 1632 BGB, der sich an §§ 33, 44ff. SGB VIII orientiert (Staudinger-Rauscher, Neubearbeitung 2000, Rdz. 9 zu § 1685 BGB). Da die Antragsteller Y. außerhalb des Elternhauses in ihrer Familie regelmäßig betreut haben, handelte es sich um Familienpflege, für die sie gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII keine ausdrückliche behördliche Erlaubnis benötigten, weil der Antragsteller zu 2) ihr Vormund war.

Ende der Entscheidung

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