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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 13 AR 06/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Abs. 2
ZPO § 281 Abs. 2
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
ZPO § 797 Abs. 5
ZPO § 800 Abs. 3
ZPO § 802
1. Ein Verweisungsbeschluss, der auf fehlerhafter Erfassung des Klagebegehrens beruht, ist nicht bindend gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.

2. Im Konkurrenzfall der beiden ausschließlichen Gerichtsstände des § 797 Abs. 5 ZPO und § 800 Abs. 3 ZPO geht der dingliche Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO vor. Das gilt auch bezüglich eines zugleich streitgegenständlichen persönlichen Anspruchs.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

In der Rechtssache

Geschäftszeichen: 13 AR 06/03

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 13. Zivilsenat, am 19.3.2003 durch die Richter Westphalen, Happ-Göring, Pocken

beschlossen:

Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Hamburg bestimmt.

Gründe:

I.

Im Rahmen eines mit Hilfe der Beklagten finanzierten Immobilienerwerbs haben die Kläger bei der Beklagten ein Darlehn aufgenommen (Vertrag: Anl. K 1) und der Beklagten zur Sicherheit eine Grundschuld bestellt. In der notariellen Urkunde vom 23.1.1996 über die Grundschuldbestellung (Anl. K 8) heißt es u.a.:

"III.

Wegen des Grundschuldkapitals und der Zinsen unterwirft sich der Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in den belasteten Grundbesitz in der Weise, dass die Zwangsvollstreckung auch gegen den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundbesitzes zulässig sein soll.

V.

Für die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen übernehmen [die Kläger] als Gesamtschuldner die persönliche Haftung und unterwerfen sich wegen dieser persönlichen Haftung der Gläubigerin gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das gesamte Vermögen."

Die Kläger fühlen sich beim Immobilienerwerb betrogen, haben den Darlehnsvertrag angefochten und beantragen im Wege der Vollstreckungsgegenklage, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde [Anl. K 8] für unzulässig zu erklären. Die Kläger wohnen im Bezirk des Landgerichts Frankfurt/Oder. Das mit der Grundschuld belastete Grundstück befindet sich im Bezirk des Landgerichts Hamburg. Die dort erhobene Klage hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 23.1.2003 nach Anhörung der Parteien unter Hinweis auf § 797 Abs. 5 ZPO an das Landgericht Frankfurt/Oder verwiesen. Jenes hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12.2.2003 an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen, das die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt hat.

II.

1. Die Entscheidung des Zuständigkeitskonflikts obliegt gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, in dessen Bezirk sich das zuerst mit der Sache befasste Landgericht Hamburg befindet. Jenes hat seine Zuständigkeit mit rechtskräftigem (zu dieser Voraussetzung: BGHZ 144, 21, 24) Beschluss vom 23.1.2003 verneint. Durch den Beschluss vom 12.2.2003 über die Zurückverweisung an das Landgericht Hamburg hat auch das Landgericht Frankfurt/Oder rechtskräftig seine Unzuständigkeit erklärt.

2. Für die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage ist das Landgericht Hamburg zuständig. Das ergibt sich aus §§ 800 Abs. 3, 802 ZPO. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Hamburg ist nicht bindend.

a) Zu dem Verhältnis der beiden - nach § 802 ZPO jeweils ausschließlichen -Gerichtsstände des § 797 Abs. 5 und § 800 Abs. 3 ZPO werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (dazu sogleich b)). Der Verweisungsbeschluss eines Gerichts, das sich begründet für eine der in Literatur oder Rechtsprechung vertretenen Auffassungen entscheidet oder das mit nachvollziehbaren Gründen eine eigene Auffassung entwickelt, ist bindend gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Darauf, ob die Rechtsmeinung, die dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegt, "herrschend" ist und ob sie von dem Gericht, an das verwiesen wurde, geteilt wird, kommt es in einem solchen Fall nicht an.

Anders ist es im vorliegenden Fall. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Hamburg geht von falschen Voraussetzungen aus und ist deshalb nicht bindend, sondern "willkürlich" im Sinne der zu § 281 Abs. 2 entwickelten Rechtsprechung (zu dem Fall der falschen Sachverhaltserfassung: KG, MDR 1999, 56; vgl. auch BayObLG NJW-RR 2002, 1295, 1296).

Das Landgericht Hamburg hat zwar in seinem Verweisungsbeschluss den Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO erwähnt. Es hat die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aber nicht aus rechtlichen Gründen verneint, sondern aufgrund der Annahme, die Kläger wendeten sich vorliegend "gegen eine ... Vollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs der Beklagten aus dem Darlehnsvertrag". Es ist nicht erkennbar, wie das Landgericht Hamburg zu dieser Annahme gelangt.

Der Streitgegenstand wird zunächst durch das Klagebegehren bestimmt, das in dem Klagantrag zum Ausdruck kommt (vgl. KG, NJW-RR 1989, 1407, 1408). In dem Klagantrag ist von dem Darlehnsvertrag (Anl. K 1) nicht die Rede. In der Begründung der Klage werden allerdings in erster Linie Einwendungen gegen den Darlehnsvertrag erhoben. Verhindert werden soll aber die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 23.1.1996 (Anl. K 8). Dort findet sich die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in den Abschnitten III. und V. Dabei sichert Abschnitt III. den dinglichen Anspruch und Abschnitt V. einen persönlichen Anspruch, dessen Grundlage -mangels Erwähnung des Darlehnsvertrages - ein in Abschnitt III. enthaltenes abstraktes Schuldversprechen sein dürfte. Der Klagantrag ist nicht auf die Verhinderung der Zwangsvollstreckung aus einem der beiden Abschnitte beschränkt. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Zwangsvollstreckung in das Grundstück unmöglich wäre. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, der der Entscheidung des Kammergerichts vom 16.9.1989 (aaO.) zugrunde gelegen hat: Dort war die Zwangsvollstreckung in das Grundstück bereits abgeschlossen und für die Zukunft nur noch ein Vorgehen aus der persönlichen Forderung möglich.

Möglicherweise liegt dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts Hamburg die Auffassung zugrunde, der dingliche Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO sei schon dann nicht einschlägig, wenn jedenfalls auch die Vollstreckung aus einem persönlichen Anspruch abgewehrt werden soll. Eine solche Auffassung, wonach die ausschließliche Zuständigkeit des § 797 Abs. 5 ZPO (am Schuldnerwohnsitz) dann auch für die Vollstreckung aus dem dinglichen Anspruch gegeben sei, wird - soweit ersichtlich - nirgends vertreten und auch vom Landgericht Hamburg nicht begründet.

b) Als örtlich zuständig war das Landgericht Hamburg zu bestimmen, und zwar auch soweit es die Vollstreckung wegen des persönlichen Anspruchs betrifft.

In der Kommentarliteratur wird teilweise angenommen, die in § 802 ZPO bestimmte Ausschließlichkeit der Gerichtsstände des § 797 Abs. 5 ZPO und des § 800 Abs. 3 ZPO führe im Konkurrenzfall zu einer gespaltenen Zuständigkeit (Paulus in: Wiczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 1999, § 800 Rn. 13 ff.; Wolfsteiner in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 800 Rn. 42; Lackmann in: Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 800 Rn. 10). Danach wäre eine Vollstreckungsgegenklage gegen die Inanspruchnahme aus dem dinglichen Anspruch am Gerichtsstand des § 800 Abs. 3 ZPO zu erheben, während die Verteidigung gegen die persönliche Inanspruchnahme am Gerichtsstand des § 797 Abs. 5 ZPO erfolgen müsste; selbst wenn die jeweilige Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in derselben Urkunde erklärt ist. Diese Auffassung überzeugt nicht. Bei § 800 Abs. 3 ZPO handelt es sich um die speziellere Norm, die sich im Konkurrenzfall durchsetzt (BayObLG, NJW-RR 2002, 1295; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2001, 1728; tendenziell auch KG, NJW-RR 1989, 1407, 1408; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 800 Rn. 10; Stöber in: Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 800 Rn. 18; Hartmann in: Baumbach u.a., ZPO, 61. Aufl. 2003, § 800 Rn. 10; auch Paulus, aaO. Rn. 12). Eine Aufspaltung der Zuständigkeiten je nach der Rechtsnatur des zugrunde liegenden Anspruchs würde die Intention des Gesetzgebers vereiteln, Verfahren gerade durch die Anordnung ausschließlicher Zuständigkeiten zu konzentrieren. Eine gespaltene Zuständigkeit würde im übrigen nicht nur dem Grundsatz der Prozessökonomie widersprechen, sondern auch beiden Parteien die Prozessführung erschweren (so z.B. Paulus, aaO. Rn. 13, unter Hinweis auf die Schwierigkeiten einer Widerklage wegen § 33 Abs. 2 ZPO).

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