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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 13 AR 6/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 29
ZPO § 35
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281 Abs. 2 S. 3
ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Beschluss

Tenor:

Das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.

Gründe:

Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Hamburg als auch das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt; ersteres hat sich durch den gem. § 281 Abs. 2 S. 3 ZPO unanfechtbaren Beschluss vom 30.1.2002 (AZ: 22B C 480/01) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) verwiesen und letzteres hat sich durch Beschluss vom 6.2.2002 (AZ: 8 C 98/01) ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem entscheidenden Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) zu bestimmen. Dort hat der Beklagten seinen Wohnsitz und damit seinen allgemeinen Gerichtsstand (§ 13 ZPO).

Offenbleiben kann, ob für die Honorarklage des Klägers daneben auch das Amtsgericht Hamburg nach § 29 ZPO (Kanzleisitz als Erfüllungsort) zuständig war mit der Folge, dass der Kläger sein Wahlrecht zwischen beiden Gerichten gem. § 35 ZPO verbindlich und unwiderruflich dadurch ausgeübt hat, dass er im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides das Amtsgericht Hamburg als das für das streitige Verfahren zuständige Gericht bezeichnet hat (§ 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Denn selbst wenn der Senat sich weiterhin (siehe Beschluss vom 6.12.2001, AZ: 13 AR 33/01) der herrschenden Meinung anschließen sollte, wonach für anwaltliche Honoraransprüche der Kanzleisitz Erfüllungsort ist (u.a. BGH NJW 1991, 3095, 3096; BGHZ 97, 79, 82; BayOLG MDR 1981, 233 f. und NJW-RR 1996, 52 f.; OLG Köln NJW-RR 1997, 825 f.; OLG Celle NJW 1990, 777; LG München I, 15. ZK, MDR 2001, 591; LG Hamburg MDR 1976, 318; Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 29 Rn. 25), wäre der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 30.1.2002 für das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) bindend gem. § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO a. F. bzw. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO n. F.. Eine Bindungswirkung entfällt - abgesehen von der hier nicht vorliegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs oder fehlenden Begründung - nur dann, wenn dem Verweisungsbeschluss jegliche Grundlage fehlt und er deshalb objektiv willkürlich erscheint (Zöller-Greger, a.a.O., § 281 Rn. 17 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsauffassung, Erfüllungsort sei der Wohnsitz des Beklagten, ist jedenfalls vertretbar (ebenso für einen vergleichbaren Fall OLG Frankfurt a. M. NJW 2001, 1583).

Das Amtsgericht Hamburg hat zur Begründung des Verweisungsbeschlusses auf seinen Hinweis vom 20.12.2001 verwiesen, in dem der Gerichtsstand des § 29 ZPO geprüft und ein gemeinsamer Erfüllungsort des Dienstberechtigten und des Dienstverpflichteten verneint wurde. Es hatte insoweit ausgeführt:

Erfüllungsort für Geldschulden sei gem. § 269 BGB grundsätzlich der Wohnsitz des Schuldners, es sei denn, dass sich aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses etwas anderes ergebe. Letzteres sei hier - bei einem Dienstvertrag der streitgegenständlichen Art - nicht der Fall. Es sei nämlich nicht zu erkennen, weshalb auch der Dienstberechtigte seine Zahlungsschuld an dem Ort erbringen solle, an dem der Dienstverpflichtete in der Regel seine Leistung erbringe. An diesem Ort den Schwerpunkt des Vertrages zu sehen und ihn zum gemeinsamen Erfüllungsort zu machen, würde den Dienstverpflichteten zu Unrecht privilegieren und den vom Gesetzgeber gewollten Schuldnerschutz in unzulässiger Weise unterlaufen.

Das Amtsgericht Hamburg hat ferner auf die Begründungen der Entscheidungen des Amtsgerichts Köln NJW-RR 1975, 185, und des Landgerichts Frankfurt a. M. NJW 2001, 2640 (= MDR 2001, 1257) Bezug genommen. Das Landgericht Frankfurt a. M. hat insbesondere angeführt:

Angesichts der gewandelten Anwaltstätigkeit sei kein Schwerpunkt des Anwaltsvertrages am Sitz der Kanzlei erkennbar. Aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen anwaltlicher Tätigkeit, wie der Wegfall der Zulassungsbeschränkung für Verfahren vor den Landgerichten, der Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten in überörtlichen Sozietäten und der modernen Kommunikationsmittel, müsse der Mandat nicht mehr zwangsläufig persönlich zum Beratungsgespräch in den Kanzleiräumen des Anwalts erscheinen und sei das Bild des Anwalts, der im wesentlichen in seinen Kanzleiräumen arbeite und Termine bei Gerichten wahrnehme, bei denen im Allgemeinen auch der für die betreffende Kanzlei zuständige Gerichtsstand begründet sei, überholt. Aus der Natur des Anwaltsvertrages könne daher kein einheitlicher Erfüllungsort hergeleitet werden.

Diese Argumente gegen die herrschende Meinung sind nachvollziehbar und vertretbar. Überdies stehen das Amtsgericht Hamburg, das Amtsgericht Köln und das Landgericht Frankfurt a. M. mit ihrer Auffassung nicht isoliert da. Ein gemeinsamer Erfüllungsort am Kanzleisitz des Rechtsanwalts wurde und wird mit weiteren beachtlichen Argumenten zunehmend abgelehnt in der Literatur (Prechtel NJW 1999, 3617 ff und MDR 2001, 591 ff.; Einsiedler NJW 2001, 1549 f.; Siemon, MDR 2002, 366 ff.;) und auch von den Gerichten, zunächst von Amtsgerichten (u.a. AG Halle-Saalkreis, Urt. v. 18.3.1996, AZ: 93 C 491/95; AG Spandau NJW 2000, 1654 f., AG Frankfurt a. M. NJW 2000, 1802 f.) und sodann - neben dem Landgericht Frankfurt a. M. - von Landgerichten (LG München I, 13. ZK, NJW-RR 2002, 206 f.; LG Berlin NJW-RR 2002, 207 für Steuerberater). Aufgrund dessen kann dem Verweisungsbeschluss die Bindungswirkung nicht abgesprochen werden (s. auch OLG Frankfurt a. M. NJW 2001, 1583).

Eine Vorlage der Sache an den BGH gem. § 36 Abs. 3 ZPO kam nicht in Betracht. Die Rechtsfrage, ob nach § 29 ZPO der Gerichtsstand für Honorarklagen der Kanzleisitz des Rechtsanwalts ist, hat der Senat nicht abweichend vom BGH entschieden, sondern offen gelassen. Sie ist für die Zuständigkeitsbestimmung auch nicht erheblich. Denn das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) ist unabhängig davon zuständig, ob der herrschenden Meinung oder der Gegenansicht gefolgt wird.

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