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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 13 AR 60/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 33
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 145 Abs. 2
ZPO § 281
ZPO § 281 Abs. 1 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Landgericht Bückeburg ist für die Entscheidung des Rechtsstreits (Klage und Widerklage) örtlich zuständig.

Gründe:

Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen vor. Sowohl das Landgericht Hamburg (Geschäftssitz der Klägerin) als auch das Landgericht Bückeburg (allgemeiner Wohnsitzgerichtsstand des Beklagten) haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Landgericht Hamburg, bei dem die Klägerin ihre Klage gegen den Beklagten und dieser sodann Widerklage gegen die Klägerin erhoben haben, hat sich mit Beschluss vom 24.1.2005 für örtlich unzuständig erklärt und auf Antrag der Klägerin und Widerbeklagten den Rechtsstreit an das Landgericht Bückeburg verwiesen. Letzteres hat sich wiederum mit Beschluss vom 8.11.2005 unter Verweigerung der Übernahme des Verfahrens für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit zurück an das Landgericht Hamburg verwiesen.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits (Klage und Widerklage) ist das Landgericht Bückeburg örtlich zuständig. Dieses ist an den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Hamburg gem. § 281 Abs. 1 S. 4 ZPO gebunden.

Dem Verweisungsbeschluss käme nur dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, weil er - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der Verletzung rechtlichen Gehörs - jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich deshalb als willkürlich erweist (BGH NJW 1978, 1163; BGH, NJW-RR 1992, 383; BGH, NJW-RR 2002, 1498; BGH, NJW 2002, 3634, 3635; BGH NJW 2003, 3201, 3201 f.). Das trifft hier jedoch nicht zu. Entgegen der Ansicht des Landgerichts Bückeburg liegt keine willkürliche Verweisung des Rechtsstreits vor, und zwar weder bezüglich der Klage (1.) noch hinsichtlich der Widerklage (2.).

1. Das Landgericht Hamburg hat für die Klage zu Recht seine örtliche Zuständigkeit verneint und die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bückeburg angenommen. Dort hat der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand des Wohnsitzes (§§ 12, 13 ZPO). Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung bezüglich des Landgerichts Hamburg lag nicht vor. Zur Begründung wird auf die zutreffenden und vom Landgericht Bückeburg nicht in Frage gestellten Ausführungen des Landgerichts Hamburg im Verweisungsbeschluss vom 24.1.2005 Bezug genommen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts Bückeburg ist durch die Erhebung der Widerklage nicht zugleich in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 33 ZPO für die Klage die Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg begründet worden. Zwar ist für die Widerklage an sich das Landgericht Hamburg örtlich zuständig, weil die Klägerin dort ihren Geschäftssitz hat (§ 17 ZPO) und die Klage dort rechtshängig war (besonderer Gerichtsstand der Widerklage nach § 33 ZPO). Jedoch kann der weiteren Argumentation des Landgerichts Bückeburg, da Klage und Widerklage letztendlich gegenläufige Klagen seien, die in demselben Verfahren verhandelt und entschieden werden, stelle sich die Klage in der Sache unabhängig davon, ob Klage oder Widerklage zuerst eingereicht worden sei und welche der beiden Klagen deshalb als "Klage" und welche als "Widerklage" zu bezeichnen sei, als eine Widerklage zu der hier erhobenen Widerklage dar, nicht gefolgt werden.

Die Frage, welcher Verfahrensantrag rechtlich als Klage oder Widerklage zu werten ist, ist nicht nach dem beliebigen Standpunkt des jeweiligen Betrachters oder nach einem spiegelbildlichen Umkehrschluss zu beurteilen, sondern richtet sich ausschließlich und allein nach § 33 ZPO. Nach dem klaren, unmissverständlichen und deshalb nicht analogiefähigen Wortlaut dieser Vorschrift kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden. Maßgebend ist damit allein die zeitliche Reihenfolge der tatsächlichen Anträge; eine Widerklage ist die während der Rechtshängigkeit einer Streitsache von dem Beklagten (dem Widerkläger) - i. d. R. - gegen den Kläger (den Widerbeklagten) bei demselben Gericht in dem Verfahren über die Vorklage erhobene Gegenklage (Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 33 Rn. 6).

Überdies verkennt das Landgericht Bückeburg die Bedeutung des § 33 ZPO. Diese Vorschrift gewährt lediglich einen zusätzlichen besonderen Gerichtsstand für die Widerklage. Ein Beklagter kann unter den Voraussetzungen des § 33 ZPO Widerklage vor einem Gericht erheben, das nach den sonstigen Gerichtsstandsvorschriften an sich örtlich nicht zuständig wäre und vor dem er denselben Anspruch als eigenständige isolierte Hauptklage nicht anhängig machen könnte (Stein/Jonas-Roth, ZPO, 22. Aufl., § 33 Rn. 2.). Dadurch wird allein der Beklagte privilegiert (Stein/Jonas-Roth, a.a.O., § 33 Rn. 1). Ein Grund, in entsprechender Anwendung des § 33 ZPO auch den bei einem unzuständigen Gericht klagenden Kläger allein aufgrund einer zufällig erhobenen Widerklage zu begünstigen, ist nicht ersichtlich.

2. Die Verweisung auch der Widerklage, für die an sich das Landgericht Hamburg zuständig ist (s. o.), an das für sie nicht örtlich zuständige Landgericht Bückeburg ist nicht sachlich unrichtig, jedenfalls aber nicht willkürlich.

Eine Verweisung nur der Klage kam nicht in Betracht. Eine Abtrennung der Widerklage nach § 145 Abs. 2 ZPO war nicht möglich. Denn der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch (Vorlage eines Buchauszuges sowie Zahlung einer noch zu beziffernden restlichen Handelsvertreterprovision - Stufenklage - steht mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch (Rückzahlung überzahlter Handelsvertreterprovision) im rechtlichen Zusammenhang.

Ferner hat nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte und Widerkläger beantragt, "den Rechtsstreit" und damit auch die Widerklage an das für ihn zuständige Landgericht Bückeburg zu verweisen.

Die Verweisung lag auch im beiderseitigen Interesse, weil die Parteien nur an einem und nicht an zwei Gerichten prozessieren müssen. Insoweit spricht der - auch dem besonderen Gerichtsstand der Widerklage zugrunde liegende - Gedanke des Sachzusammenhangs für eine einheitliche Verweisung der Klage und Widerklage, weil diese eine einheitliche Verhandlung und Entscheidung von Zusammengehörigem ermöglicht, eine Vervielfältigung und Zersplitterung der Prozesse vermeidet und dadurch den Entscheidungseinklang fördert.

Schließlich ist der Verweisungsbeschluss auch nicht in prozessual unzulässiger Weise ergangen. Der Umstand, dass die Klägerin den Antrag auf Verweisung nur hilfsweise gestellt hat, erfordert keine mündliche Verhandlung vor einer Verweisung.

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