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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 13 U 87/99
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 13 Nr. 5
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2
VOB/B § 13 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 87/99 417 O 118/96

In dem Rechtsstreit

Pi

Verkündet am: 10. Januar 2001

Klägerin, Berufungsklägerin

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Beklagte, Berufungsbeklagte

Prozeßbevollmächtigte:

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 13. Zivilsenat, durch die Richter Rapp, Westphalen, Lauenstein nach der am 29. November 2000 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 17 für Handelssachen, vom 22. September 1999 - 417 O 118/96 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 18.000,- abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt DM 60.000,- .

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Aufwendungsersatz und Auslagenvorschuß für Mängelbeseitigung.

Die Klägerin beauftragte 1989 vier verschiedene Firmen mit der Durchführung von Putzarbeiten in ihrem Neubau. Die Beklagte führte die Arbeiten in den westlichen Schiffen des Neubaus aus. Die Putzarbeiten in den übrigen Bereichen leisteten die Firma K. (östliche Schiffe) sowie die Firmen B. und S.

1991 erfolgte die Schlußabnahme; dabei wurde die Gewährleistungszeit auf fünf Jahre festgelegt .

Im Juni 1994 brachen die ersten Gipsteile aus dem Deckenputz heraus. Betroffen waren hiervon die von der Beklagten und der Firma K. verputzten Flächen und in geringerem Ausmaß auch der von den Firmen B. und S. hergestellte Deckenputz.

Das von der Klägerin daraufhin beauftragte Institut für Bauphysik und Bauchemie kam in seinem Gutachten vom 26.Juli 1994 zu dem Ergebnis, daß "Zugspannungen" zu den Putzablösungen geführt hätten (Anlage K 7).

Im November 1994 leiteten die Beklagte und die Firma K. gemeinschaftlich ein selbstständiges Beweisverfahren ein (405 OH 2/94); der Sachverständige H. stellte als Ursachen für die Putzablösungen ein "mangelhaftes Aufrühren des Haftanstrichs" sowie "eine frühjahrsbedingte Feuchtigkeitsbelastung" fest.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, daß aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen H. feststehe, daß die Beklagte ihre Werkleistung mangelhaft erbracht habe. Einen Teil der kalkulierten Sanierungskosten mache sie als Vorschuß geltend.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 635.400,- nebst 4% Zinsen seit dem 11. Mai 1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, ihre Arbeiten seien für die festgestellten Schäden nicht ursächlich. Hierfür spreche bereits das identische Schadensbild bei allen von den vier Putzfirmen hergestellten Decken.

Das Landgericht hat entsprechend dem Beweisbeschluß vom 23. November 1995 Beweis erhoben über die Ursachen der Putzablösungen durch Einholung eines Ergänzungsgutachten des im selbständigen Beweisverfahren tätigen Sachverständigen H. Desweiteren hat das Landgericht Beweis erhoben entsprechend seinem Beschluß vom 31. Juli 1996 durch Einholung eines weiteren Sachverstänigengutachtens (Dr. B. ). Wegen des Ergebnisses des Beweisaufnahme wird auf die Gutachten der Sachverständigen H. und Dr. B. verwiesen (Bl. 79 d.A.; Sonderband). Beide Sachverständige haben ihre Ergebnisse mündlich erläutert (Sitzungsniederschriften vom 27. Juni 1996 und 21. April 1999).

Das Landgericht hat desweiteren die Akte zum selbstständigen Beweisverfahren beigezogen (405 OH 2/94).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht, daß das Abplatzen des Putzes auf eine objektiven Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen sei. Ein Anscheinsbeweis greife zugunsten der Klägerin schon deshalb nicht ein, weil das Schadensbild im Bereich aller vier Putzfirmen gleich sei.

Gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am 28. September 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Oktober 1999 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 23. Dezember 1999 begründet.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Klage trotz der nunmehr feststehenden Unaufklärbarkeit der Ursache der Putzablösungen begündet sei, da die Beklagte hinsichtlich der Vertragsgemäßheit ihrer Leistung beweisbelastet sei. Dies ergebe sich schon aus der sogenannten "Symptomrechtsprechung" des Bundesgerichtshofes. Im übrigen beruhe das Urteil des Landgerichts auf einer unzutreffenden Auslegung des Begriffes "vertragswidrige Leistung" in § 13 Nr. 5 VOB/B. Das Landgericht habe verkannt, daß der Werkunternehmer einen Leistungserfolg und nicht bloß eine Leistungshandlung schulde. Daher meine §13 Nr. 5 VOB/B den vertragswidrigen Leistungserfolg.

Die Klägerin macht nunmehr hauptsächlich Aufwendungsersatz geltend, da sie zwischenzeitlich einen Großteil der schadhaften Putzdecken hat nacharbeiten lassen.

Insoweit trägt sie vor, daß sie für die Nachbesserung der die Beklagte betreffenden Flächen DM 822.603,54 aufgewendet habe. Wegen der noch ausstehenden Arbeiten werde ein Vorschuß von lediglich noch DM 50.000,- geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung von DM 872.603,54 nebst 4 % Zinsen auf DM 635.400,00 für die Zeit vom 8. Mai 1995 bis zum 21. November 2000 und auf DM 872.603,54 ab dem 22. November 2000 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, daß allein die Tatsache des Herabfallens des Gipses nicht zu ihrer Verantwortlichkeit führe. Vielmehr müsse eine objektive Pflichtverletzung hinzutreten, die die Klägerin aufgrund der zuvor erfolgten Abnahme zu beweisen habe. Da der Klägerin dies nicht möglich sei, habe das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der Klägerin steht weder ein Kostenerstattungs- noch ein Kostenvorschußanspruch gemäß § 13 Nr. 5 Abs.2 VOB/B zu.

Die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme hat nicht ergeben, auf welche Ursache die teilweise Ablösung des von der Beklagten aufgebrachten Deckenputzes zurückzuführen ist. Da die Klägerin als Auftraggeberin nach erfolgter Abnahme hinsichtlich der gemäß 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B erforderlichen Vertragswidrigkeit der Leistung beweisbelastet ist und die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins zugunsten der Klägerin nicht eingreifen, kann die Klägerin die Beklagte nicht im Rahmen der bestehenden Gewährleistung in Anspruch nehmen. Im Einzelnen ist folgendes zur Sach- und Rechtslage auszuführen:

Die vom Landgericht im Rahmen des selbständigen Beweisverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen H. und Dr. B. kommen zu keiner übereinstimmenden Bewertung der Ursachen für die Putzablösungen.

Der Sachverständige H. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 26. Juni 1995 ausgeführt, die Putzablösungen beruhten auf der mangelnden Hafteigenschaft der Haftbrücke im Zwischenfeld Haftbrücke/Putz. In seinem Ergänzungsgutachten vom 1. April 1996 hat der Sachverständige erklärt, daß das nachträgliche Einsetzen der Sprinkleranlage als Schadensursache "nahezu auszuschließen sei". Auch die nach den Putzarbeiten eingedrungene Niederschlagsfeuchtigkeit sei als Ursache auszuschließen, da die festgestellten Salze Anzeiger über die Bauteilfeuchte zum Zeitpunkt des Putzauftrages seien; im übrigen gehörten Feuchtigkeitsbelastungen nach der Erhärtung der Putzschale zur Regelbeanspruchung von Bauteilen und führten in der Regel nicht zum Abplatzen von Putzschalen.

Die Annahme des Sachverständigen H., die Schäden seien auf eine unzureichende Hafteigenschaft der Haftbrücke zurückzuführen, wird weder durch das Gutachten des Instituts für Bauphysik und Bauchemie noch durch den Sachverständigen Dr. B. bestätigt. Vielmehr hat Dr. B. in seinem Gutachten festgestellt, daß an keine der Probenahmestellen die Haftbrücke gefehlt habe. Auch hat Dr. B. nicht feststellen können, daß eine erhöhte Kernfeuchte der Stahlbetondecken im Zeitpunkt des Putzauftrages vorgelegen hat. Diese Feststellungen kommt erhebliches Gewicht zu, da der Sachverständige den Putzdecken insgesamt 48 Proben zu Prüfungszwecken entnommen hat.

Bei seiner ergänzenden mündlichen Anhörung hat der Sachverständige Dr. B. bestätigt, daß er bei seiner Untersuchung weder Be- oder Verarbeitungsfehler noch Fehler am Material habe feststellen können. Als mögliche andere Schadensursachen hat der Sachverständige nachträgliche Feuchtigkeitseinwirkungen, eine im Laufe der Zeit beginnende Durchbiegung der Betondecke oder ein Abscheren des Putzes durch Längsverformungen der Baustoffe Beton und Gips genannt.

Bei dieser Sachlage geht das Gericht mit den Parteien davon aus, daß die Ursache für die Putzablösungen nicht feststeht und wegen der inzwischen durchgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten auch nicht mehr festgestellt werden kann; Beweisanträge sind insoweit von den Parteien im Berufungsverfahren auch nicht mehr gestellt worden.

Die Unaufklärbarkeit der Ursache der Putzabplatzungen wirkt sich zu Lasten der Klägerin aus. Nach allgemeiner Meinung trifft den Bauherrn nach Abnahme der Bauleistung die Beweislast dafür, daß der vorliegende Mangel auf einer objektiven Pflichtverletzung des Unternehmers beruht (BGH NJW RR 1997, 339; Ingenstau/Korbion, VOB, 12. Auflage, B § 13 Rdn.163; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Auflage, Rdn. 2691).

Der Meinung der Klägerin, aus der sog. "Symptomrechtsprechung" des Bundesgerichtshofes ergebe sich, daß die Beweislast bei den Unternehmern liege, kann nicht gefolgt werden. Aus dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14. Januar 1999 - Az. VII ZR 185/97 - ergibt sich lediglich, daß der Bundesgerichtshof keine überspannten Anforderungen an die Darlegung der Ursachen der Mängel stellt. In den Fällen der "Symptomrechtsprechung" war von den Oberlandesgerichten kein Beweis erhoben worden mit der Begründung, der Vortrag sei unsubstantiiert, da sich aus dem Vortrag nicht die Pflichtwidrigkeit ergebe. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, mit einer hinreichend genauen Bezeichnung der Mangelerscheinungen könne der Mangel selbst, d.h. die wirklichen Ursachen der Symptome bezeichnet werden. Hieraus kann nicht gefolgert werden, daß diese verkürzte Darlegungslast zu einer Umkehr der Beweislast führt. Mit seiner Rechtsprechung bezweckt der Bundesgerichtshof lediglich, dem Bauherren die Last zu ersparen, vorprozessual kostenaufwendig die Ursachen der Symptome zu ermitteln, d.h. der Bundesgerichtshof hält es für zulässig, die Tatsachen für die Ursachen des Symtoms erst durch ein gerichtliches Gutachten zu "erforschen". Diese verkürzte Darlegungslast führt aber nicht zu einer Umkehr der Beweislast.

Das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung kann auch nicht anhand der Regeln über den Beweis des ersten Anscheins festgestellt werden. Eine solche Beweisführung käme dann in Betracht, wenn außerhalb des Verantwortungsbereichs der Beklagten liegende Schadensursachen nicht ersichtlich wären (vgl. etwa LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 1989, 1106; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, Rdn. 2604). Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. mehrere Schadensursachen in Betracht kommen, für die die Beklagte nicht einzustehen hätte.

Es kommt hinzu, daß ein etwaiger Anschein des Inhalts, daß sich lösender Putz regelmäßig auf einen Bearbeitungs- oder Materialfehler zurückzuführen ist, vorliegend dadurch nachhaltig erschüttert wäre, daß es im Arbeitsbereich aller vier Putzfimen zu Putzablösungen gekommen ist. Der von der Klägerin in der Berufungsbegründung angeführte "Systemfehler, den die mit den Putzarbeiten beauftragten Firmen in diesem Fall noch nicht herausgefunden haben", führt nicht weiter, da die Gutachter einen solchen Fehler gerade nicht erkannt haben.

Die Beklagte ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht allein deshalb gewährleistungsverpflichtet, weil sich der Gipsputz fünf Jahre nach seiner Herstellung teilweise von den Betondecken gelöst hat. Die werkvertragliche Erfolgshaftung der Beklagten geht nicht soweit, daß sie für einen Gipsputz zu sorgen hat, der - so die Klägerin - "zuverlässig nicht herunterfällt". Nach § 13 Abs. 1 VOB/B hat ein Auftragnehmer dafür einzustehen, daß seine Leistung zur Zeit der Abnahme die vertraglich zugesicherten Eigenschaften hat, den anerkannten Regeln der Technik entspricht und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.

Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß aufgrund der vom Gesetzgeber im Werkvertragsrecht vorgenommenen Risikoverteilung auch dann die Gewährleistungspflicht des Auftragnehmers greifen kann, wenn das ihm vom Auftraggeber aufgegebene Leistungsziel nicht erreichbar ist, obwohl die anerkannten Regeln der Technik im Einzelfall eingehalten worden sind (BGH BauR 1984, 510, 512 für den Fall der Unbrauchbarkeit eines Wärmeschutzverbundsystems; BauR 1985, 567, 568 für den Fall von Korrosionsfehlern bei Aluminiumheizkörpern). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da das Leistungsziel bei Beachtung der anerkannten Regeln der Technik erreichbar war und lediglich nicht feststellbar ist, auf welche Ursache das Lösen der verputzten Deckenflächen zurückzuführen ist. Die Erfolgshaftung eines Werkunternehmers geht nicht soweit, daß er für eine Mangelerscheinung auch dann einzustehen hat, wenn nicht feststeht, daß sie ihm nicht zuzurechnen ist (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, B §13 Rdn. 156; Weise; Baurecht 1991, 19, 22 m.w.N.).

Mithin war die Berufung vollen Umfangs zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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