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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.05.2000
Aktenzeichen: 14 U 243/99
Rechtsgebiete: BGB, StVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 852
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 823
BGB § 852 Abs. 1
BGB § 209 Abs. 1
StVG § 7
StVG § 8 a
ZPO § 527
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

14 U 243/99 331 O 235/98

Verkündet am: 19. Mai 2000

Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 14. Zivilsenat, durch die Richter

Ficus, Gehlhar, Wapenhensch

nach der am 7. April 2000 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 31, vom 10. September 1999 (331 O 235/98) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 14.321,31 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage, mit der die Klägerin Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 7. November 1992 begehrt, abgewiesen mit der Begründung, die Ansprüche der Klägerin seien bei Klagerhebung (5. Januar 1999 - Bl. 18 d. A. -) bereits verjährt gewesen. Dieser Auffassung ist zu folgen.

Das Landgericht nimmt an, die 3-jährige Verjährungsfrist des § 852 BGB habe gemäß § 187 Abs. 1 BGB am Tage nach dem Unfall, also am 8. November 1992 begonnen. Dazu ist festzustellen, daß die Klägerin als griechische, in der Bundesrepublik tätige Rechtsanwältin den Unfall als Insassin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Opel-Kadett-Pkw erlitten hat. Nach ihrer Zeugenaussage vom 24. Juni 1994 vor dem Rechtshilfegericht in Köln (Anlage BF 3) ist die Klägerin zunächst auf ihrem Platz hinter dem Beifahrersitz kurz eingeschlafen und wachgeworden, als der Wagen angehalten hat und der neben der Klägerin sitzende Fahrgast ausgestiegen ist, um sich über den Weg zu orientieren. Nachdem dieser dann wieder im Wagen Platz genommen hatte, soll es zu dem Unfall dadurch gekommen sein, daß ein anderer Wagen auf den Kadett-Pkw aufgefahren ist. Die Klägerin will angenommen haben, daß der Kadett zu dieser Zeit gestanden hat.

Diese Schilderung zeigt, daß von einem sofortigen Verjährungsbeginn auszugehen ist. Die Klägerin hat das Unfallgeschehen im wachen Zustand miterlebt. Der Fahrer des Kadett-Pkw ist ihr bekannt gewesen; die Personalien von dessen Unfallgegner hat sie ohne weiteres erfahren können. In der Tat hat die Klägerin sogleich persönlich Schadensersatzansprüche gegenüber dessen Haftpflichtversicherung, der A..........., geltend gemacht, wie ihr Schreiben vom 7. Juli 1993 (Anlage 2) ergibt, in dem sie auf ein vorangegangenes Schreiben vom 8. Dezember 1992 verweist.

Die von den Beklagten bestrittene Behauptung der Klägerin, sie sei davon ausgegangen, daß der Kadett im Unfallzeitpunkt gestanden habe, führt selbst dann zu keiner abweichenden Bewertung, wenn man von dieser Annahme der Klägerin auszugehen hätte. Zwar kann nicht dem Landgericht gefolgt werden, daß auch gegen die beiden Beklagten des vorliegenden Verfahrens Ersatzansprüche über § 7 StVG in Betracht gekommen sind, so daß sich die Beklagten hätten entlasten müssen. Die Klägerin ist offensichtlich unentgeltlich im Kadett-Pkw mitgefahren, so daß eine Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz gemäß § 8 a StVG ausscheidet und die Ersatzpflicht des Fahrers an die Voraussetzungen der Verschuldenshaftung des § 823 BGB gebunden gewesen ist. Aber für die Kenntnis der haftungsbegründenden Umstände i. S. des § 852 Abs. 1 BGB ist es nicht erforderlich gewesen, daß die Klägerin alle Einzelheiten des Geschehens gekannt hat; es hat vielmehr ausgereicht, daß sie um die Grundzüge des Unfallgeschehens gewußt hat und gegen die ihr bekannten beteiligten Fahrer gerichtlich hätte vorgehen können (BGH NJW 63, 1103/1104). Das ist hier der Fall gewesen. Wenn die Klägerin die Unfallsituation tatsächlich nicht hätte voll aufklären können, hätte sie beide Fahrer und die hinter ihnen stehenden Haftpflichtversicherer zugleich - ggf. als Gesamtschuldner - in Anspruch nehmen können. Im übrigen gilt, daß die erforderliche Kenntnis i. S. des § 852 Abs. 1 BGB auch dann vorhanden ist, wenn der Geschädigte irrtümlich den "falschen" Beteiligten für den eigentlichen Unfallverantwortlichen hält (BGH NZV 90, 114/115).

Selbst wenn man der hier dargestellten Auffassung nicht folgen würde, wäre jedenfalls festzustellen, daß auch eine spätere Kenntniserlangung i. S. des § 852 BGB zum Verjährungseintritt bei Klagerhebung geführt hatte.

Zunächst spricht vieles dafür, daß sich die Klägerin bei ihrer Einsichtnahme in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten am 4. Oktober 1993 die notwendigen Informationen hätte beschaffen können. Die von den Beklagten bestrittene Behauptung der Klägerin, sie habe sich lediglich die den Beklagten zu 1. und den Unfallgegner betreffenden Einstellungsverfügungen angesehen, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Unterstellt man diese Angabe als richtig, dann ist trotzdem von einer Kenntnis i. S. des § 852 BGB auszugehen, weil die Klägerin sich durch Akteneinsicht diese Kenntnis in zumutbarer Weise und ohne nennenswerte Mühe und Kosten hätte beschaffen können, also trotz ihres Berufes als Rechtsanwältin hier auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht genutzt hat (vgl. dazu BGH VersR 2000/503 ff.; Palandt/Thomas, 59. Aufl., § 852 BGB, Rnr. 4 m.w.N.). Die weitere Behauptung der Klägerin, bei Einsichtnahme wäre in der Ermittlungsakte die Aussage des unbeteiligten Zeugen K......... nicht vorhanden gewesen, überrascht bereits deshalb, weil die Klägerin in die Akte insoweit nicht hineingeschaut haben will. Im übrigen haben die Beklagten entgegnet, die Aussage habe sich auf Blatt 11 jener Akten befunden.

Es mag im Rahmen dieser Entscheidung offenbleiben, welchen Inhalt die Ermittlungsakten im Zeitpunkt der Einsichtnahme der Klägerin gehabt haben. Denn die Klägerin hat, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 6. April 2000 selbst eingeräumt hat, sich durch ihre Einsicht in die Akten des Prozesses R....... gegen die beiden Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits beim Amtsgericht Hamburg-Altona (319 a C 1057/93) am 22. November 1994 die für eine Inanspruchnahme der Beklagten benötigten Informationen beschaffen können. Eine in diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzte Verjährungsfrist wäre am 22. November 1997 und damit knappe 10 Monate vor Klagerhebung abgelaufen gewesen.

Die Auffassung der Klägerin, diese Verjährung sei durch die Erhebung der Feststellungsklage vom 3. April 1997 unterbrochen worden, ist unzutreffend. Diese Feststellungsklage ist deshalb nicht zu dieser Verjährungsunterbrechung geeignet gewesen, weil sie lediglich auf die Feststellung gerichtet gewesen ist, daß Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus dem Unfall nicht verjährt sind. Es hat sich mithin nicht um eine Klage gehandelt, die, wie § 209 Abs. 1 BGB insoweit verlangt, auf Befriedigung oder auf Feststellung des streitigen Anspruchs gerichtet gewesen ist. Selbst die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses, von dem der geltend zu machende Anspruch abhängt, führt nicht zur Verjährungsunterbrechung, selbst wenn das Bestehen des Rechtsverhältnisses die einzige streitige Voraussetzung des Anspruchs ist (vgl. Staudinger/Peters, 1995, § 209 BGB, Rnr. 24).

Der weitere Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 6. April 2000, der Beklagte zu 1. habe die Ansprüche der Klägerin anerkannt, vermag ihrem Klagbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Klägerin ein Anerkenntnis schlüssig vorgetragen hat. Denn der Beklagte zu 1. soll sich nach Erhebung der Feststellungsklage lediglich dahin geäußert haben, daß er die Begründetheit der Ansprüche der Klägerin zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt habe, einen entsprechenden Schriftsatz an das Amtsgericht Hamburg-Altona senden wolle und mit einem Vergleich von ca. 7.000,00 DM einverstanden sei und dieses auch von dem Beklagten zu 2. hoffe. Auffallend ist jedenfalls, daß der Beklagte sein - angebliches - Versprechen nicht eingehalten hat, einen Schriftsatz mit einem Anerkenntnis beim Amtsgericht einzureichen. Selbst wenn man aber von einem Anerkenntnis auszugehen hätte, könnte dieses im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden, weil der Vortrag der Klägerin insoweit gemäß § 527 ZPO als verspätet anzusehen ist. Die Klägerin hätte dieses Anerkenntnis bereits in erster Instanz einführen können, jedenfalls aber in ihrer Berufungsrechtfertigung vortragen müssen. Ihr Vorbringen über das Anerkenntnis ist bestritten worden, so daß seine Berücksichtigung einer Beweisaufnahme bedürfte, die die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.

Entsprechendes gilt für den Vortrag der Klägerin im vorgenannten Schriftsatz, der Beklagte zu 1. habe aus eigenem Antrieb eine Schadensmeldung der Klägerin bei dem Beklagten zu 2. eingereicht. Welchen Inhalt diese angebliche Schadensmeldung gehabt haben soll, teilt die Klägerin nicht mit. Das Schreiben des Rechtsanwalt E vom 10. November 1992 (Anl. K 11), auf das die Klägerin in diesem Zusammenhang verweist, richtet sich nicht an den Beklagten zu 2., sondern an die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners des Beklagten zu 1.. Im übrigen wäre dieser Vortrag, wäre er erheblich, ebenfalls gemäß § 527 ZPO als verspätet zurückzuweisen.

Es spricht auch nichts dafür, d aß die Erhebung der Verjährungseinrede der Beklagten gegen Treu und Glauben verstoßen könnte, so daß die Berufung der Klägerin mit den prozessualen Nebenfolgen der §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. ZPO zurückzuweisen ist.

Ende der Entscheidung

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