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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 30.08.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 190/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56a
StGB § 56b
StGB § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 3
StGB § 56f Abs. 2 S. 1 Nr. 2
Die Bewährungszeit kann trotz der unterschiedlichen Zwecke von Auflagenerteilung Bemessung der Bewährungszeit auch dann gemäß § 56f Abs. 2 StGB verlängert werden, wenn Grund für den Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 StGB der Verstoß gegen eine Auflage ist, die der Verurteilte nachträglich vollständig erfüllt hat.
Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss

2 Ws 190/04

In der Strafsache

hier betreffend Widerruf der Strafaussetzung

hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 30. August 2004 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Harder den Richter am Amtsgericht Dr. Schwarz den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Büchel

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 5, vom 20. Juli 2004 dahin geändert, dass

- die Bewährungszeit betreffend die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 16. Juni 2003, Gesch.-Nr.: 3 Ds 703 Js 2/03 (45/03), um sechs Monate verlängert wird und

- der Antrag der Staatsanwaltschaft Lüneburg auf Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung zurückgewiesen wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat am 16. Juni 2003 gegen den Verurteilten wegen "vorsätzlichen Vergehens nach der Gewerbeordnung" (gemeint: vorsätzliche wiederholte Zuwiderhandlung gegen Anordnung der Gewerbeuntersagung) auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt und deren "Vollzug" (gemeint: Vollstreckung) zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss vom 16. Juni 2003 hat das Amtsgericht die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt sowie dem Verurteilten die Weisung, jeden Wohnungs- oder Aufenthaltswechsel mitzuteilen, und die Auflage, Euro 500,-- in monatlichen Raten von Euro 50,-- bis zum 15. jeden Monats, erstmalig an dem auf die Rechtskraft des Urteils (24. Juni 2003) folgenden Zahlungstermin, an die Landeskasse zu zahlen, erteilt.

Die wegen einer anderen Bewährungsaufsicht zuständig gewordene Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg hat dem Verurteilten mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 mitgeteilt, er könne die erste Rate am 1. Dezember 2003 zahlen. Nachdem der Verurteilte nur einmalig Euro 50,-- am 21. November 2003 gezahlt hatte und Mahnungen erfolglos geblieben waren, hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 20. Juli 2004 die Strafaussetzung wegen Auflagenverstoßes widerrufen. Gegen den ihm am 23. Juli 2004 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte durch seinen Verteidiger am 30. Juli 2004 sofortige Beschwerde mit dem Antrag, vom Widerruf abzusehen, eingelegt. Am 4. August 2004 hat er die restlichen Euro 450,-- an die Staatskasse gezahlt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig (§§ 453 Abs. 2 S. 3, 311 Abs. 2 StPO) und teilweise begründet. Sie führt zur Verlängerung der Bewährungszeit anstelle des Widerrufes der Strafaussetzung.

1. Die Formalien des Widerrufsverfahrens sind gewahrt. Insbesondere war die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg zuständig (§ 462 a Abs. 1, Abs. 4 StPO) und genügt deren Schreiben an den Verurteilten, er könne sich schriftlich äußern oder nach vorheriger telefonischer Anmeldung in einer Anhörung mündlich Stellung zu dem erwogenen Widerruf nehmen, den Anforderungen des § 453 Abs. 1 S. 3 StPO (vgl. Senat in NStE Nr. 12 zu § 453 StPO).

2. Es besteht der Widerrufsgrund des gröblichen Auflagenverstoßes (§ 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB).

a) Dem Verurteilten war gemäß § 56 b Abs. 2 S. 1 Nr. 4 StGB auferlegt, einen Geldbetrag von Euro 500,-- in monatlichen Raten von Euro 50,-- zu zahlen. Der Verstoß gegen eine Auflage kann den Widerruf der Strafaussetzung nur tragen, wenn die Auflage rechtmäßig erteilt war (vgl. OLG Zweibrücken in NStZ 1993, 510 m.w.N.); das gilt jedenfalls dann, wenn der die Auflage enthaltende Beschluss - wie hier gemäß §§ 305 a Abs. 1 S. 1, 453 Abs. 2 S. 1 StPO in Ermangelung der Statthaftigkeit eines befristeten Rechtsmittels - nicht rechtskraftfähig ist. Vorliegend ist die Auflage zur Zahlung des Geldbetrages jedenfalls in der durch die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 2. Oktober 2003 bestimmten Modalität rechtmäßig.

aa) Ob die Zahlungsauflage bei Erteilung durch den gemäß § 268 a Abs. 1 StPO ergangenen Bewährungsbeschluss am 16. Juni 2003 rechtmäßig war, erscheint zumindest zweifelhaft.

Gemäß § 56 b Abs. 1 S. 2 StGB dürfen durch eine Auflage an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Insbesondere darf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht überfordert werden.

Die wirtschaftliche Lage des Verurteilten zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung und für die absehbare Folgezeit bleibt unklar. Die wegen eingetretener Rechtskraft abgekürzten Urteilsgründe enthalten in Missbrauch des durch § 267 Abs. 4 S. 2 StPO eingeräumten Ermessens keine Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten, obwohl diesen ersichtlich Bedeutung für die zukünftige Bewährungsüberwachung zukam (vgl. Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 267 Rdn. 128 m.w.N.). Dem Sachprotokoll der Hauptverhandlung zufolge hat der 1965 geborene Verurteilte am 16. Juni 2003 angegeben, er sei zuvor Trockenbauer gewesen, zurzeit "nicht tätig" und lebe von seiner Freundin; die Unterhaltspflicht gegenüber seinen beiden Kindern könne er zurzeit nicht erfüllen. Den bei den Hauptakten befindlichen behördlichen Bescheiden und Auskünften sowie Ermittlungsberichten zufolge hatte der Verurteilte 1996 die eidesstattliche Versicherung abgelegt, hatten sich seine rückständigen Einkommen- und Umsatzsteuern 1996 auf DM 30.610,82 belaufen, war im Juli 2000 ein Insolvenzantrag abgewiesen worden, war im Juni 2001 ein neuerlicher Vollstreckungsversuch des Finanzamtes erfolglos geblieben, hatten sich im September 2002 rückständige Sozialversicherungsbeiträge auf Euro 10.072,02 belaufen und wiesen sichergestellte Rechnungen für das Jahr 2002 einen Umsatz von rund Euro 108.000,-- aus der (wegen Unzuverlässigkeit untersagten) gewerb-lichen Tätigkeit aus.

Hieraus ergibt sich in der Gesamtschau kein eindeutiges Bild dazu, ob die Zahlung von Euro 500,-- in monatlichen Raten von Euro 50,-- ab 15. Juli 2003 dem Verurteilten möglich und zumutbar war.

bb) Durch Entscheidung vom 2. Oktober 2003 hat die Strafvollstreckungskammer die Auflage dahin neu bestimmt, dass der Verurteilte Euro 500,-- in monatlichen Raten von Euro 50,-- ab nunmehr Dezember 2003 zu zahlen habe. Diese Entscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 56 e StGB; ohne Bedeutung bleibt, dass sie statt in der gebotenen Beschlussform (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., Einl. Rdn. 121) durch ein richterlich verfügtes Schreiben ergangen ist (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einl. Rdn. 122, § 296 Rdn. 11 f m.w.N.). Die Änderung war rechtmäßig. Mit ihr wurde die Auflage den wechselnden Verhältnissen des Verurteilten angepasst, wie es der Funktion des § 56 e StGB (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 56 e Rdn. 1) entspricht. Der Verurteilte hatte nach voraufgegangenen Mahnungen am 1. Oktober 2003 der Strafvollstreckungskammer mitgeteilt, er verdiene gegenwärtig aus angestellter Tätigkeit (monatlich) ca. Euro 800,--, verfüge über genügend Aufträge und wolle in etwa sechs Wochen sein Gewerbe wieder anmelden; er hatte Zahlungsaufschub um zwei Monate beantragt. Damit war dem Verurteilten bei Neufassung der Auflage am 2. Oktober 2003 nicht unzumutbar, ab Dezember 2003 monatlich Euro 50,-- zu zahlen. Die seinerzeit bestehende Leistungsfähigkeit wird dadurch unterstrichen, dass der Verurteilte auch tatsächlich - sogar noch vor Fälligkeit - am 21. November 2003 Euro 50,-- geleistet hat.

b) Der Verurteilte hat gegen die modifizierte Auflage verstoßen, indem er bis zu dem angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 20. Juli 2004 keine weiteren Zahlungen erbracht hat. Der Verstoß war jedenfalls in den Monaten Juni und Juli 2004 gröblich.

Gröblich im Sinne des § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB ist ein Auflagenverstoß, wenn er objektiv und subjektiv schwer wiegt (vgl. Gribbohm in Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 56 f Rdn. 24). Für die subjektive Erheblichkeit reicht Fahrlässigkeit aus (vgl. Horn in SK-StGB, § 56 f Rdn. 17). Auf den Verstoß gegen die Auflage zur Geldzahlung kann ein Widerruf nicht gestützt werden, wenn der Verurteilte zum Zeitpunkt des Verstoßes nicht leistungsfähig ist, wobei seine Zahlungsfähigkeit positiv feststehen muss (vgl. OLG Düsseldorf in StV 1995, 595; Horn, a.a.O., Rdn. 24). Deckt die Leistungsfähigkeit nicht den vollen auferlegten Zahlungsbetrag bzw. die volle Rate, aber einen geringeren Teilbetrag und wird auch dieser nicht erbracht, ist der Widerruf der Strafaussetzung nicht gehindert (vgl. Gribbohm, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben bleiben Zweifel, ob es dem Verurteilten in den Monaten Januar bis Mai 2004 möglich und zumutbar war, monatlich Euro 50,-- zu zahlen. Dem Beschwerdevorbringen zufolge erzielte der Verurteilte in diesem Zeitraum "ein nur sehr geringes Einkommen" und blieb mehrere Wochen hindurch wegen Insolvenz eines Schuldners ohne Einnahmen. Ermittlungsansätze zu einer Widerlegung dieser Behauptung sind nicht ersichtlich; insbesondere scheidet eine Durchsuchung bei dem Verurteilten nach Urteilsrechtskraft im Bewährungsaufsichtsverfahren aus (vgl. KG in NJW 1999, 2979; Meyer-Goßner, a.a.O., § 102 Rdn. 1).

Hingegen war der Verurteilte jedenfalls in den Monaten Juni und Juli 2004 zumutbarerweise in der Lage, je Euro 50,-- zu zahlen. Das ergibt sich schon aus seinem insoweit glaubhaften Beschwerdevorbringen, in diesen Monaten habe sich seine wirtschaftliche Situation verbessert, er habe es jedoch "versäumt", die "bisher aufgelaufenen Raten nachzuentrichten". Folglich reichten die verfügbaren Mittel sogar aus, Euro 250,-- (aus der Sicht der Beschwerdebegründung aufgelaufene fünf Raten à Euro 50,-- für Januar bis Mai 2004) zu zahlen; erst recht war es dem Verurteilten möglich und zumutbar, - nur - die zum 15. Juni und 15. Juli 2004 fälligen Raten für Juni und Juli 2004 zu erbringen.

Die Nichterfüllung der Auflage im Juni und Juli 2004 wiegt objektiv und subjektiv schwer. Der bereits in der Hauptverhandlung gemäß § 268 a Abs. 3 StPO belehrte Verurteilte hat trotz zahlreicher voraufgegangener Erinnerungen an die dem Grunde nach fortbestehende Zahlungspflicht nach nunmehr einem Jahr seit Urteilsrechtskraft die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienenden Zahlungen nicht (wieder) aufgenommen. Erst kurz zuvor war ihm am 15. Mai 2004 der erneute Hinweis, bei andauernder Nichtzahlung werde das Widerrufsverfahren eingeleitet werden, zugestellt worden. Auch das ihm am 26. Juni 2004 zugestellte Anhörschreiben wegen erwogenen Widerrufes nahm der Verurteilte nicht zum Anlass, nunmehr zu zahlen.

Von weiteren Voraussetzungen als dem festgestellten gröblichen Auflagenverstoß hängt der Widerruf der Strafaussetzung nicht ab (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 f Rdn. 12). Damit berührt die nach dem Widerrufsbeschluss vom 20. Juli 2004 erfolgte nachträgliche Zahlung am 4. August 2004 nicht den Widerrufsgrund im Sinne des § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB.

3. Jedoch reicht als gegenüber dem Widerruf mildere Maßnahme die Verlängerung der Bewährungszeit um sechs Monate aus (§ 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB).

a) Da die dem Verurteilten zu stellende Legalprognose sich durch den Auflagenverstoß nicht verschlechtert hat, scheiden die Erteilung weiterer Weisungen nach § 56 c StGB (zu deren spezialpräventiver Bedeutung vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 c Rdn. 1 a) und die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers nach § 56 d StGB als mildere Reaktionen im Sinne des § 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB von vornherein aus. Auch ist die Erteilung einer weiteren Auflage (§§ 56 b, 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) zur Genugtuung für das begangene Unrecht nicht veranlasst, zumal der Verurteilte inzwischen den gesamten auferlegten Geldbetrag von Euro 500,-- entrichtet hat, davon teilweise vor Fälligkeit der letzten Raten.

b) Als milderes Mittel verbleibt somit allein die Verlängerung der Bewährungszeit.

aa) Eine solche Verlängerung ist bei der vorliegenden Widerrufskonstellation auch dann zulässig, wenn sie weder zu spezialpräventiven Zwecken noch zu dem Zweck, die Ratenzahlung auf eine noch unerfüllte Auflage innerhalb der Bewährungszeit zu ermöglichen, erfolgt.

Auflagen dienen der Genugtuung für das begangene Unrecht (§ 56 b Abs. 1 S. 1 StGB). Sie verfolgen grundsätzlich keine spezialpräventive Zielsetzung (vgl. Gribbohm, a.a.O., § 56 b Rdn. 1; siehe auch OLG Frankfurt/Main in MDR 1994, 498, 499). Demgegenüber bemisst sich die Bestimmung der Bewährungszeit (§ 56 a Abs. 1 StGB) danach, wie lange der Verurteilte der Bewährungsaufsicht bedarf, um sich künftig straffrei zu führen (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 a Rdn. 1; Horn, a.a.O., § 56 a Rdn. 3; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl., Rdn. 170), ist also spezialpräventiv bestimmt. Die Verknüpfung von Bewährungszeit und Auflage dergestalt, dass die Erfüllung der letzteren nur innerhalb des Bewährungszeitraumes verlangt werden kann und deshalb die Bewährungszeit auch vom Auflagenumfang abhängig gemacht werden kann (vgl. OLG Düsseldorf in NStE Nr. 1 zu § 56 a StGB), ist vorliegend wegen inzwischen vollständiger Zahlung nicht mehr betroffen und lässt die unterschiedlichen Institutszwecke unberührt. Trotz des funktionalen Unterschiedes kann auf den Verstoß gegen eine inzwischen erledigte Auflage mit einer Verlängerung der Bewährungszeit reagiert werden (im Ergebnis ebenso OLG Koblenz in NStZ 1981, 101 -Leitsatz-; a.A. Horn, a.a.O., § 56 f Rdn. 25):

Das folgt zunächst aus Wortlaut und Systematik des § 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB, der die Verlängerung der Bewährungszeit unterschiedslos als Reaktion auf die Verwirklichung eines Widerrufsgrundes zur Verfügung stellt, ohne nach die Spezialprävention (§ 56 f Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 2 StGB) und den Unrechtsausgleich (§ 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB) betreffenden Widerrufsgründen zu differenzieren.

Ein der Verlängerung der Bewährungszeit auch bei Verstoß gegen inzwischen erledigte Auflagen entgegenstehender Wille des Gesetzgebers ist nicht feststellbar. Allerdings hatte ursprünglich der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform die Verlängerung der Bewährungszeit, die Erteilung weiterer Auflagen oder Weisungen und die Anordnung der Bewährungshilfe anstelle des Widerrufes der Strafaussetzung - nur - damit begründet, solche milderen Maßnahmen könnten ausreichen, um "die günstige Sozialprognose aufrechtzuerhalten" (Ausschussbericht in BT-Drs. V/4094, S. 13 zu § 25 als Vorläufervorschrift zum heutigen § 56 f StGB). Jedoch ist bei der späteren Beratung zu Überarbeitungen des § 56 f Abs. 2 StGB die Verlängerung der Bewährungszeit unterschiedslos für alle Bewährungsfälle ohne Ausschluss einzelner Widerrufsgründe des § 56 f Abs. 1 StGB in den Blick genommen worden (siehe nur Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines 17. StrÄndG in BT-Drs. VIII/3857, S. 11 f).

Der beim Vergleich der Zielrichtungen von Auflagenerteilung und Bewährungszeitbemessung bestehenden dogmatischen Dysfunktion steht der dogmatische Geltungsgrund des § 56 f Abs. 2 StGB gegenüber. Die Möglichkeit des Absehens vom nach § 56 f Abs. 1 StGB verwirkten Widerruf der Strafaussetzung ist kodifizierter Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. OLG Düsseldorf in StV 1991, 29, 30; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 56 f Rdn. 9; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 56 f Rdn. 9 m.w.N.). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommt als Teil des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG Verfassungsrang zu (vgl. BVerfG in NJW 1986, 767, 769; Herzog in Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rdn. VII 72). Damit tritt bei durch den Wortlaut der Vorschrift ermöglichter und durch das Übermaßverbot geforderter bloßer Verlängerung der Bewährungszeit der eigentliche Geltungsgrund für die Bemessung der Bewährungszeit zurück.

bb) Eine Verlängerung der Bewährungszeit um sechs Monate reicht hier aus. Der Verurteilte hat nachträglich die Genugtuung für das begangene Unrecht in dem vollen vom erkennenden Amtsgericht für erforderlich erachteten Umfang geleistet. Der Auflagenverstoß war nicht ausschließbar lediglich fahrlässig erfolgt. Die Nachzahlung ist am 4. August 2004 zeitnah zur Verwirklichung des Widerrufsgrundes in zudem die bis dahin fälligen Teile übertreffender Höhe bewirkt worden. Andere neue Gesichtspunkte, die für die Genugtuung im Sinne des § 56 b Abs. 1 S. 1 StGB von Bedeutung sein könnten, sind nicht ersichtlich. Damit wäre ein Widerruf der Strafaussetzung unverhältnismäßig und reicht eine Verlängerung der Bewährungszeit aus, ohne dass dieses als mit der Genugtuungsfunktion der missachteten Auflage unvereinbares Nachgeben gegenüber dem Rechtsbrecher (hierzu vgl. Schäfer, a.a.O., Rdn. 200) verstanden würde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Der Verurteilte hat mit der Ersetzung des Widerrufes der Strafaussetzung durch die Verlängerung der Bewährungszeit keinen Teilerfolg im Sinne des § 473 Abs. 4 StPO erzielt.

Ein Rechtsmittel ist grundsätzlich erfolgreich, wenn der Rechtsmittelführer das angestrebte Ziel vollständig oder im Wesentlichen erreicht (vgl. Franke in KK-StPO, 5. Aufl., § 473 Rdn. 4 m.w.N.); entsprechend definiert sich ein Teilerfolg des Rechtsmittels (vgl. Franke, a.a.O., m.w.N.). Der Erfolg bestimmt sich aus dem Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit dem Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens (vgl. Franke, a.a.O, m.w.N.). Beruht jedoch die Milderung der Anordnung auf Tatsachen, die erst nach der erstinstanzlichen Entscheidung eingetreten sind und die zwar das Beschwerdegericht berücksichtigen musste, die Vorinstanz aber noch nicht berücksichtigen konnte, liegt kein Erfolg vor, weil der Vorinstanz kein Rechtsfehler unterlaufen ist und auch das Beschwerdegericht dieselben Tatsachen, die der Vorinstanz bereits bekannt waren oder hätten bekannt sein können, nicht anders gewürdigt hat (vgl. HansOLG Hamburg in MDR 1977, 72 und Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2001, Az.: 2 Ws 262/01; OLG Düsseldorf in NStZ 1985, 380 mit näherer Begründung; OLG Zweibrücken in NStZ 1991, 602; Franke, a.a.O., Rdn. 4; a.A. Paulus in KMR, StPO, § 473 Rdn. 21 mit Überblick zum Meinungsstand; siehe auch HansOLG Hamburg, 1. Strafsenat, Beschluss vom 13. Januar 2003, Az.: 1 Ws 268/02). Nach verbreiteter Auffassung genügt es, dass die nachträgliche Tatsachenentwicklung für die Abänderung der Entscheidung mitursächlich geworden ist (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.).

Vorliegend ist alleiniger Grund für das Absehen vom Widerruf bei unverändert fortbestehendem Widerrufsgrund die nach dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer erfolgte Zahlung.

Ende der Entscheidung

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