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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 08.01.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 344/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 b Abs. 2 S. 1 Nr. 1
StGB § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Die dem Verurteilten erteilte Bewährungsauflage, an einen Mittäter eine Geldzahlung zu erbringen, ist auch dann unzulässig, wenn sie dem Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich des vom Mittäter befriedigten Schadensersatzanspruches des durch die gemeinschaftliche Tat geschädigten Opfers dient. Wegen Verstoßes gegen eine solche unangefochten gebliebene Auflage zur "Schadenswiedergutmachung" kann die Aussetzung der Strafvollstreckung nicht widerrufen werden.
Hanseatisches Oberlandesgericht 2. Strafsenat Beschluss

Az. 2 Ws 344/03

Beschluss vom 8. Januar 2004

In der Strafsache

hat der Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht die Richterin am Oberlandesgericht

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 5, vom 23. September 2003 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Hamburg, Abteilung 136, hat am 16. November 2000 gegen den Verurteilten wegen Betruges in 13 Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Verurteilte zwischen dem 17. Juli und 24. August 1999 in dreizehn Fällen aufgrund gemeinsamen Tatplanes sowie bewussten und gewollten Zusammenwirkens mit einer anderweitig verfolgten U. ohne Zahlungsabsicht Telekommunikationsgeräte zum Preis von insgesamt DM 12.592,64 bei der D T AG bestellt, an die Anschrift U.s, unter der sowohl er als auch U. die Geräte entgegennahmen, ausliefern lassen, anderweitig für höchstens die Hälfte des Verkaufswertes veräußert sowie den daraus erzielten Gewinn überwiegend für sich behalten und nur zu einem "ganz begrenzten Teil" an U. abgeführt. Mit Beschluss vom 16. November 2000 hat das Amtsgericht die Bewährungszeit auf drei Jahre bestimmt und angeordnet: "Der durch die Tat verursachte Schaden ist in Höhe von DM 6.500,-- im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten nach besten Kräften wiedergutzumachen, mindestens jedoch in monatlichen Raten von DM 100,--, beginnend am 1. des auf die Rechtskraft folgenden Monats an N. U., H. Sparkasse, BLZ, Kto-Nr.:". Das Urteil ist am 16. November 2000 rechtskräftig geworden. Der Bewährungsbeschluss ist nicht angefochten worden.

Der Verurteilte hat trotz mehrfacher Mahnungen und Anhörungen durch die zuständig gewordene Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg die auferlegten Raten an U. nur für die Monate Dezember 2000 bis Juni 2002 sowie für November und Dezember 2002 gezahlt. Wegen Verstoßes gegen die Auflage zur Schadenswiedergutmachung hat die Strafvollstreckungskammer am 23. September 2003 die Strafaussetzung widerrufen. Gegen den ihm am 26. September 2003 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte durch seinen Verteidiger spätestens am 6. Oktober 2003 (Montag nach Tag der Deutschen Einheit und Wochenende) sofortige Beschwerde eingelegt und diese später mit seiner eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unter Zusage alsbaldiger Wiederaufnahme der Zahlungen begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Verwerfung des Rechtsmittels als unbegründet angetragen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig (§§ 453 Abs. 2 S. 3, 311 Abs. 2, 43 Abs. 1, Abs. 2 StPO) und begründet.

Da der Verurteilte weder eine neue Straftat begangen noch gegen erteilte Weisungen verstoßen hat, kommt als Widerrufsgrund nur ein gröblicher oder beharrlicher Auflagenverstoß in Betracht (§ 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB). Zwar hat der Verurteilte die Auflage zur Geldzahlung an U. nur teilweise erfüllt, doch kann hierauf ein Widerruf der Strafaussetzung nicht gestützt werden, weil die erteilte Auflage nicht rechtmäßig ist.

1. Ein Bewährungsbeschluss (§ 268 a Abs. 1 StPO) ist gemäß § 305 a Abs. 1 StPO mit der - einfachen - Beschwerde anfechtbar. Die in ihm getroffenen Anordnungen sind nicht der Rechtskraft fähig. Ihre Rechtmäßigkeit ist, jedenfalls wenn keine Beschwerdeentscheidung nach §§ 304 Abs. 1, 305 a StPO ergangen ist, von Amts wegen in einem späteren Widerrufsverfahren (§§ 453 Abs. 1 StPO, 56 f StGB) zu prüfen. Auf den Verstoß gegen eine unzulässige Auflage oder Weisung darf ein Widerruf der Strafaussetzung nicht gestützt werden (im Ergebnis ebenso BVerfG in NJW 1995, 2279, 2280; OLG Frankfurt/Main in NStZ-RR 1997, 2; Gribbohm in Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 56 f Rdn. 16; Horn in SK-StGB, § 56 f Rdn. 24).

2. Die vorliegend erteilte Auflage zur Wiedergutmachung des Schadens durch Geldzahlungen an U. ist unzulässig. Ihr fehlt die gesetzliche Grundlage.

a) Welche Auflagen das Gericht einem Verurteilten gemäß § 56 b StGB erteilen darf, ist - anders als bei Weisungen im Sinne des § 56 c StGB - in einem abschließenden gesetzlichen Katalog bestimmt, nämlich nach § 56 b Abs. 2 StGB (vgl. BVerfG in NStZ 1982, 67; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 56 b Rdn. 5; Gribbohm, a.a.O., § 56 b Rdn. 4 m.w.N.). Von den dort aufgelisteten Auflagen kommt hier allenfalls diejenige zur Schadenswiedergutmachung in Betracht (§ 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB).

b) Gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB kann das Gericht dem Verurteilten auferlegen, nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen. Hierzu zählt nicht die einem Mittäter aufgrund Inanspruchnahme seitens des Tatopfers entstandene oder drohende Einbuße.

aa) Nach den maßgeblichen Urteilsfeststellungen waren der Verurteilte und U. Mittäter der zum Nachteil der D. T. AG begangenen Betrügereien. Die Auflage zur Geldzahlung in Höhe von rund der Hälfte des Betrugsschadens an die Mittäterin U. ist durch das Amtsgericht nicht ausdrücklich begründet worden. Sie soll sich wohl damit erklären, dass die Mittäterin U. Schadensersatz an die geschädigte D. T. AG geleistet hat oder eine solche Inanspruchnahme droht; das Amtsgericht hat damit letztlich eine Ausgleichungspflicht zwischen Gesamtschuldnern (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB; § 426 Abs. 1 BGB) bzw. einen gesetzlichen Übergang der Forderung der Geschädigten gegen den Verurteilten auf die Mittäterin (§ 426 Abs. 2 BGB) mit seiner Auflage zur Schadenswiedergutmachung abgesichert.

bb) Nach in Rechtsprechung und Schrifttum vertretener Auffassung darf die Auflage nach § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB aber nur zum Ausgleich des dem unmittelbar geschädigten Tatopfer selbst entstandenen Schadens erteilt werden (vgl. OLG Hamm in NStZ 1997, 237 bei freiwillig leistenden Dritten wie Versicherern; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 56 b Rdn. 5; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 b Rdn. 6; zweifelnd bei mittelbar Geschädigten wie freiwillig leistenden Dritten: Lackner in Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 56 b Rdn. 3 a). Dem ist jedenfalls insoweit beizutreten, als ein Gesamtschuldnerausgleich unter Mittätern vom Anwendungsbereich des § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB ausgeschlossen ist.

Schon der Wortsinn ("den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen") legt eine solche Einschränkung nahe. Im systematischen Vergleich ist § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB enger als z.B. § 403 Abs. 1 StPO ("aus der Straftat erwachsener vermögensrechtlicher Anspruch") gefasst.

Die Einschränkung des Anwendungsbereiches der Schadenswiedergutmachungsauflage wird bestätigt durch den gesetzlichen Zweck von Auflagen. Gemäß § 56 b Abs. 1 StGB haben Auflagen der Genugtuung für das begangene Unrecht zu dienen. Die Auflage übernimmt einen Teil derjenigen Funktionen, die bei Nichtaussetzung zur Bewährung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zugedacht wären (Horn, a.a.O., § 56 b Rdn. 2). Dazu zählt nicht der Schutz von Mittätern. Deshalb kann dahinstehen, ob vom Ansatz her Schadenswiedergutmachungsauflagen bestehende zivilrechtliche Schadensersatzpflichten mittels drohenden Widerrufes der Strafaussetzung verstärken (vgl. Gribbohm, a.a.O., § 56 b Rdn. 5) oder über zivilrechtliche Verbindlichkeiten hinausgehende Zahlungspflichten begründen können (so Stree, a.a.O., § 56 b Rdn. 9). Soweit Schadenswiedergutmachungsauflagen dazu bestimmt sind, außer der Wiedergutmachung gegenüber dem Verletzten auch den Rechtsfrieden herzustellen (vgl. Gribbohm, a.a.O., § 56 b Rdn. 2), geschieht dieses - jedenfalls vorrangig - dadurch, dass das Opfer als Repräsentant der Rechtsgemeinschaft entschädigt wird (vgl. Horn, a.a.O.), nicht jedoch durch Ausgleich der auf Seiten der Täter entstandenen Folgen untereinander. Aus dem strafähnlichen Charakter der Auflage (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 b Rdn. 2 m.w.N.) kann schließlich auch nicht die Funktion hergeleitet werden zu verhindern, dass - aufgrund Schadensausgleiches allein durch den weiteren Täter - einem der Täter die wirtschaftlichen Vorteile der Tat verbleiben. Für die Abschöpfung des Tatvorteils sind vorrangig die Institute des Verfalls oder Verfalls von Wertersatz nach §§ 73 ff. StGB anstelle der Schadenswiedergutmachungsauflage nach § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB bestimmt (vgl. OLG Hamm in NStZ 1991, 583; Horn, a.a.O., § 56 b Rdn. 2 a m.w.N. zum Meinungsstand). Selbst wenn im Einzelfall eine Verfallsanordnung etwa aus dem Grunde des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ausscheidet, steht jedenfalls der die Strafvollstreckung ersetzende Institutszweck der Auflage einer mit den Mitteln des Strafrechts verstärkten Zahlungspflicht zum Gesamtschuldnerausgleich unter Mittätern entgegen. Ob in der letztgenannten Fallgestaltung ein (Teil-)Ausgleich für den Tatvorteil durch entsprechende Bemessung eines gemäß § 56 b Abs. 2 Nr. 4 StGB an die Staatskasse zu zahlenden Geldbetrages bewirkt werden dürfte, bedarf hier keiner Entscheidung, weil das Amtsgericht gerade keine Auflage zur Zahlung an die Staatskasse erteilt hat.

Wegen des aufgezeigten Zweckes der Auflage bleibt es ohne Bedeutung, dass im Fall des Forderungsüberganges nach § 426 Abs. 2 BGB Gegenstand der mit einem Mittel des Strafrechts abgesicherten Zahlungspflicht der ursprüngliche Anspruch des durch die Tat unmittelbar Geschädigten ist.

3. Die Anordnung von Zahlungen an die Mittäterin U. kann auch nicht als Weisung im Sinne des § 56 c Abs. 1 StGB behandelt und für einen Widerruf der Strafaussetzung nach § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB herangezogen werden. Weisungen werden gemäß § 56 c Abs. 1 S. 1 StGB erteilt, wenn der Verurteilte dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Mit der dadurch bezweckten spezialpräventiven Beeinflussung der Lebensführung des Verurteilten (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 56 c Rdn. 1 a) hat die Pflicht zur Geldzahlung an die Mittäterin nichts zu tun. Weisungen mit anderer Zielsetzung sind unzulässig (vgl. BGHSt 9, 365; Gribbohm, a.a.O., § 56 c Rdn. 3).

III.

1. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass nicht schon die Unzulässigkeit der erteilten Auflage eine Rückzahlungspflicht der Zahlungsempfängerin U. begründet.

2. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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