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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 12.05.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 362/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 a
StGB § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1
StGB § 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2
Ist die Bewährungszeit durch wirksamen, aber zu Unrecht ergangenen Beschluss verlängert worden, kann der Widerruf der Strafaussetzung jedenfalls dann, wenn der unangefochten gebliebene Verlängerungsbeschluss nicht rechtskraftfähig ist, nicht auf eine im dem Verlängerungszeitraum begangene neue Straftat gestützt werden. Der Widerruf ist jedoch nicht gehindert, wenn die Bewährungszeit durch einen zu Recht ergangenen weiteren Beschluss nochmals verlängert worden ist und der zweite Verlängerungszeitraum ohne die unrechtmäßige erste Verlängerung derart an die ursprüngliche Bewährungszeit angeschlossen hätte, dass die neue Straftat in ihn gefallen wäre.
2 Ws 361/03 2 Ws 362/03

Hanseatisches Oberlandesgericht

2. Strafsenat

Beschluss

613 StVK 1098/03 = 105 Js 3921/96. V 18 - Flensburg - 613 StVK 1099/03 = 64 Js 127/95 (3306) - Hamburg -

In der Strafsache

gegen

hier betreffend Widerruf der Strafaussetzungen

hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 12. Mai 2004 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Harder den Richter am Oberlandesgericht Dr. Augner die Richterin am Oberlandesgericht Schlage

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 13, vom 11. November 2003 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

I.

Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist der Widerruf zweier Strafaussetzungen wegen neuer, in den - auf Grund früherer neuer Straffälligkeit verlängerten - Bewährungszeiten begangener Straftaten vom 3. Oktober 2000 und 4. März 2001.

Erste Vollstreckungsgrundlage ist ein Berufungsurteil des Landgerichts Hamburg 10. Juli 1997, mit dem wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Diebstahls unter Einbeziehung der wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen ergangenen Einzelstrafen aus einem Berufungsurteil des Landgerichts Flensburg vom 15. August 1995 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zwei Monaten, ausgesetzt zur Bewährung für die Dauer von drei Jahren ab am 10. Juli 1997 eingetretener Rechtskraft, erkannt worden ist. Durch Beschluss vom 2. September 1998 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Bewährungszeit erstmals um ein Jahr bis zum 9. Juli 2001 verlängert. Verlängerungsanlass waren Taten vom 26. Februar 1996 und 3. Oktober 1996, die den Gegenstand der zweiten Vollstreckungsgrundlage bilden.

Zweite Vollstreckungsgrundlage ist ein rechtskräftiges Berufungsurteil des Landgerichts Flensburg vom 20. November 1997, mit dem wegen gewerbsmäßiges Diebstahls (Tatzeit 26. Februar 1996) unter Einbeziehung der Strafe aus dem wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeit 3. Oktober 1996) ergangenen Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 6. Oktober 1997 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten erkannt worden ist. Nach Teilverbüßung dieser Strafe hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg mit Anfang August 1998 rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 22. Juli 1998 die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 57 Abs. 1 StGB auf die Dauer von zwei Jahren ab am 29. Juli 1998 erfolgter Entlassung aus der Strafhaft zur Bewährung ausgesetzt.

Mit Beschluss vom 14. Januar 2000 hat die Strafvollstreckungskammer die Bewährungszeiten in beiden Sachen um je sechs Monate verlängert, und zwar bezüglich der ersten Vollstreckungsgrundlage bis zum 9. Januar 2002 und bezüglich der zweiten Vollstreckungsgrundlage bis zum 28. Januar 2001. Anlass für die Verlängerungen war ein Ladendiebstahl zum Nachteil der Firma Tatzeit 9. März 1999), dessentwegen das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 16. Juli 1999 auf eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à DM 20,-- erkannt hatte. Dem Verlängerungsbeschluss waren keine Anträge der Staatsanwaltschaften auf Widerruf der Strafaussetzungen voraufgegangen.

Das Amtsgericht Ludwigslust hat mit Urteil vom 20. Februar 2002 (rechtskräftig seit 5. Februar 2003) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässigem Führen eines nicht haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges und wegen Urkundenfälschung (Tatzeiten jeweils 3. Oktober 2000) sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeit 4. März 2001) gegen den Verurteilten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr vier Monaten erkannt. Wegen dieser neuen Taten hat die Strafvollstreckungskammer am 11. November 2003 die Strafaussetzungen für beide Vollstreckungsgrundlagen widerrufen. Gegen diesen ihm am 28. November 2003 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte am 3. Dezember 2003 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß §§ 453 Abs. 2 S. 3, 454 Abs. 4 S. 1, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzungen der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 1997 sowie der restlichen Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 20. November 1997 wegen erneuter Straftaten nach §§ 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 57 Abs. 3 S. 1 StGB widerrufen. Widerrufsgrund sind allerdings abweichend von der angefochtenen Entscheidung lediglich die Taten vom 3. Oktober 2000, während die weitere Tat vom 4. März 2001 hinsichtlich des Urteils des Landgerichts Flensburg vom 20. November 1997 nicht in die Bewährungszeit fällt und hinsichtlich des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 1997 aus Rechtsgründen so zu behandeln ist, als wäre sie nicht mehr in die verlängerte Bewährungszeit gefallen, sodass diese Tat nicht als widerrufsbegründend wirken kann.

1. Der Verurteilte hat schuldhaft neue Straftaten begangen.

Er hat am 3. Oktober 2000 in Kenntnis, dass er die notwendige Fahrerlaubnis seit Jahren nicht besaß, einen nicht haftpflichtversicherten Fiat-Kleintransporter in P auf der S Str. geführt, dort mit einer - nicht unfallursächlichen - Blutalkoholkonzentration von 0,76 Promille einen Verkehrsunfall verursacht und bei der Unfallaufnahme Polizeibeamten einen fremden Führerschein gezeigt, welcher durch Radieren und Überschreiben auf seinen Namen ausgestellt erschien. Am 4. März 2001 hat er wiederum im Wissen um das Fehlen einer Fahrerlaubnis den Fiat-Kleintransporter auf der Bundesstraße 106 in Lützow geführt.

Deshalb hat ihn das Amtsgericht Ludwigslust am 20. Februar 2002 rechtskräftig verurteilt. Die Begehung der neuen Straftaten ergibt sich zur Überzeugung auch des Senates aus dem in dem Urteil des Amtsgerichts Ludwigslust angeführten umfassenden Geständnis des Verurteilten. Im Widerrufsverfahren hat der Verurteilte die Taten nicht in Abrede gestellt, sondern sich lediglich auf seither veränderte Lebensumstände berufen.

2. Die neuen Straftaten hat der Verurteilte jedoch nur teilweise in einer Bewährungszeit oder einer Vorlaufzeit im Sinne des § 56 f Abs. 1, S. 2 StGB verwirklicht. Deshalb können nur die Taten vom 3. Oktober 2000 dem Widerruf der Strafaussetzungen zu Grunde gelegt werden.

a) Für die erste Vollstreckungsgrundlage folgt das daraus, dass die Taten vom 3. Oktober 2000 und 4. März 2001 nicht in die ursprüngliche, für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 1997 bis zum 9. Juli 2000 laufende Bewährungszeit fallen, jedoch in die Zeit der ersten Verlängerung bis zum 9. Juli 2001, die zwar auf Grund Rechtswidrigkeit der Verlängerungsanordnung vom 2. September 1998 für sich gesehen keinen Widerruf wegen in dem Verlängerungszeitraum begangener Taten zu tragen vermag (dazu nachstehend lit. aa)), indes bei gesetzeskonformer Handhabung die am 14. Januar 2000 angeordnete rechtmäßige zweite Verlängerung um sechs Monate den ersten Verlängerungszeitraum bis zum 9. Januar 2001 abgedeckt hätte (lit. bb)) mit der Folge, dass die neuen Taten vom 3. Oktober 2000, nicht jedoch diejenige vom

4. März 2001 für den hier anstehenden Aussetzungswiderruf berücksichtigt werden können.

aa) Die mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 2. September 1998 angeordnete Verlängerung der Bewährungszeit um ein Jahr vom 10. Juli 2000 bis zum 9. Juli 2001 ist zu Unrecht erfolgt. Sie konnte insbesondere nicht auf § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB gestützt werden, weil die zu Grunde gelegten Anlasstaten vom 26. Februar 1996 und 3. Oktober 1996 weder in die mit Rechtskraft des erst nachfolgenden Urteils des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 1997 in Lauf gesetzte Bewährungszeit noch in die Zeit zwischen Aussetzungsentscheidung und deren Rechtskraft (§ 56 f Abs. 1 S. 2 StGB) fielen. Dabei bleibt ohne Bedeutung, dass in das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 1997 gemäß § 55 StGB Einzelstrafen einbezogen waren, aus denen bereits am 26. Mai 1995 das Amtsgericht Flensburg und in der Berufungsinstanz am 15. August 1995 das Landgericht Flensburg eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hatten. Mit der Rechtskraft der nachträglichen Gesamtstrafenbildung und der damit verbundenen Sachentscheidung über die Strafaussetzung haben die in das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 1997 einbezogenen Einzelstrafen ihre selbständige Bedeutung verloren und ist die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung aus dem früheren Urteil gegenstandslos geworden, sodass sie als Grundlage für Entscheidungen nach § 56 f Abs. 1, Abs. 2 StGB auscheidet (vgl. Gribbohm in Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 56 f Rdn. 4 m.w.N.; zu § 460 StPO Senat, MDR 1982, 246).

Fällt eine neue Straftat in einen Bewährungszeitraum, der sich erst aus einer materiell rechtsfehlerhaften, wenngleich unangefochten gebliebenen Verlängerungsentscheidung ergibt, kann die neue Tat nicht zum Anlass eines Aussetzungswiderrufes nach § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB genommen werden (vgl. OLG Zweibrücken, NStZ 1993, 510 m.w.N.). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Verlängerungsentscheidung - in Ermangelung der Statthaftigkeit eines befristeten Rechtsmittels - nicht rechtskraftfähig ist. So verhält es sich hier. Da dem Verlängerungsbeschluss der Strafvollstreckungskammer vom 2. September 1998 kein Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft vorausgegangen war, stand lediglich die Beschwerde gemäß § 453 Abs. 2 S. 1 StPO, nicht jedoch die sofortige Beschwerde gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 StPO zur Verfügung (vgl. HansOLG Hamburg, MDR 1990, 564; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 453 Rdn. 13 m.w.N. zum Meinungsstand).

bb) Hingegen ist die durch weiteren Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 14. Januar 2000 angeordnete zweite Verlängerung der Bewährungszeit um sechs Monate rechtmäßig. Wegen Unrechtmäßigkeit der ersten Verlängerung führt sie dazu, den Verurteilten zu behandeln, als habe sie sich direkt an die ursprüngliche Bewährungszeit angeschlossen.

aaa) Zu Recht hatte die Strafvollstreckungskammer mit dem unangefochten gebliebenen, nicht rechtskräftigen Beschluss vom 14. Januar 2000 die Bewährungszeit verlängert, weil der Verurteilte am 9. März 1999, also innerhalb der ursprünglichen Bewährungszeit von drei Jahren ab 10. Juli 1997, einen Diebstahl zum Nachteil der Firma r D B GmbH & Co. KG begangen hatte, indem er in deren Verkaufsstätte in H, H Weg, ein Schloss im Verkaufswert von DM 20,84 in die Taschen seiner Kleidung gesteckt hatte, um es ohne Bezahlung für sich zu behalten.

Deshalb hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 16. Juli 1999 auf eine Geldstrafe gegen den Verurteilten erkannt. Die Tatbegehung steht zur Überzeugung auch des Senates fest. Der Verurteilte hatte nämlich ausweislich der Strafanzeige der Marktleitung des P-Bmarktes vom 9. März 1999 den am selben Tag begangenen Diebstahl des Schlosses zugegeben und die Entwendung durch seine Unterschrift ausdrücklich bestätigt. Zwar hat der Verurteilte in einer späteren schriftlichen Stellungnahme vom 29. März 1999 das Geschehen als einen Irrtum bezeichnet und behauptet, nicht gewusst zu haben, dass das ihm von seinem Bekannten übergebene Schloss aus dem Baumarkt gestammt habe. Diese Einlassung ist als bloße Schutzbehauptung zu werten, nachdem der zum Zeitpunkt der Tat 57 Jahre alte sowie langfristig und in erheblichem Maß gerichtserfahrene Verurteilte zuvor gegenüber der Marktleitung den Diebstahl sowie das Verstecken der Beute in den Taschen seiner Kleidung eingeräumt und dieses Geständnis mit seiner Unterschrift bestätigt hatte. Bei der sich in seinerzeit 26 Strafregistereintragungen niederschlagenden Gerichtserfahrung des Verurteilten ist davon auszugehen, dass er, sofern der Diebstahlsvorwurf unzutreffend gewesen wäre, zumindest seine Unterschrift verweigert hätte.

Durch die damals neue Tat vom 9. März 1999 hatte der Verurteilte gezeigt, dass die der Strafaussetzung zu Grunde gelegten Erwartungen sich nicht erfüllt hatten. Die Tat war im Vergleich zu dem vollstreckungsgegenständlichen Diebstahl einschlägig und weiterer Ausfluss einer bereits Ende der 50er Jahre begonnenen kriminellen Einschleifung. Nach dem 9. März 1999 waren keine neuen Umstände eingetreten, auf Grund derer eine trotz des Bewährungsversagens ausnahmsweise positive Legalprognose ermöglicht gewesen wäre. Vielmehr hat sich retrospektiv durch die noch späteren neuen Straffälligkeiten die negative Prognose bestätigt.

bbb) Die erste Verlängerung der Bewährungszeit ist nicht unwirksam (zu den engen Voraussetzungen der ausnahmsweisen Nichtigkeit einer fehlerhaften Entscheidung siehe Übersicht bei Meyer-Goßner, a.a.O., Einl. Rdn. 105). Ihre Unrechtmäßigkeit führt lediglich dazu, dass sie materiell nicht zur Grundlage einer darauf aufbauenden Widerrufsentscheidung herangezogen werden darf (vgl. im Ergebnis ebenso OLG Zweibrücken, a.a.O., m.w.N.). Daraus folgt, dass der Verurteilte so zu behandeln ist, als wäre rechtmäßig entschieden worden. Denkt man sich somit die unrechtmäßige erste Verlängerung hinweg, verbleibt die rechtmäßige zweite Verlängerung der Bewährungszeit um sechs Monate. Diese hätte bewirkt, dass die Bewährungszeit sich um den Zeitraum vom 10. Juli 2000 bis zum 9. Januar 2001 erweitert hätte, also die nunmehrigen Widerrufsanlasstaten vom 3. Oktober 2000 eingeschlossen hätte, nicht hingegen erst im Anschluss an den - wegen Unrechtmäßigkeit hinwegzudenkenden - ersten Verlängerungszeitraum vom 10. Juli 2000 bis 9. Juli 2001 begonnen hätte.

Ein Verlängerungszeitraum schließt nämlich unmittelbar an die bisherige Bewährungszeit an, nicht hingegen an den Zeitpunkt des Verlängerungs-beschlusses oder seiner Bestandskraft; auch kann ein solcher Beschluss nicht bestimmen, dass der Verlängerungszeitraum erst später beginnt. Eine Dreiteilung in eine ursprüngliche Bewährungszeit, eine sodann nachfolgende Phase der Unterbrechung - vorliegend die hinweggedachte erste Verlängerungszeit von einem Jahr - und eine sich endlich an diese anschließende neue Bewährungszeit (so Horn in NStZ 1986, 356 mit Überblick über Meinungsstand bei Verlängerung nach Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit) würde dem Wortsinn des Begriffs der Verlängerung der Bewährungszeit in §§ 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 56 a Abs. 2 S. 2 StGB nicht gerecht. Dieser impliziert vielmehr eine sich an die ursprüngliche Bewährungszeit nahtlos anschließende Verlängerungsphase (vgl. statt vieler OLG Celle, NStZ 1991, 206; Dölling, NStZ 1989, 345, 348). Zwar führt ein solches Verständnis des Verlängerungsbegriffes nach § 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB, wie teilweise in der Literatur zutreffend herausgearbeitet worden ist (vgl. Horn, a.a.O.), im Falle nachträglicher Verlängerungsbeschlüsse nach vorangegangenem Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit zu einer Aufspaltung der einheitlichen Bewährungszeit in Phasen mit verschiedener Wirkung, da nämlich in der Zeit zwischen Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit und dem nachträglichen Verlängerungsbeschluss bzw. dessen Bestandskraft begangene Straftaten allenfalls dann als Anlass für einen späteren Aussetzungswiderruf herangezogen werden können, wenn im Einzelfall der Verurteilte noch vor Begehung der jeweiligen neuen Straftat durch Hinweise auf eine mögliche Verlängerung der Bewährungszeit oder einen Widerruf der Strafaussetzung daran gehindert worden ist, ein dahingehendes Vertrauen zu bilden, ihm werde wegen des erfolgten Ablaufes der ursprünglichen Bewährungszeit die Strafe erlassen (vgl. BVerfG StV 1996, 160 f). Fehlt es an solchen einen Vertrauenstatbestand hindernden Hinweisen, können in die Zwischenzeit fallende Straftaten nicht verwertet werden, sodass der Verurteilte faktisch nicht unter Bewährung stand (vgl. Gribbohm, a.a.O., § 56 f Rdn. 43). Dass im Falle nachträglichen Verlängerungsbeschlusses die verlängerte Bewährungszeit sich in zwei Phasen mit verschiedenen Wirkungen aufspalten kann, ist jedoch hinzunehmen, da im Ergebnis allein eine sich an die ursprüngliche Bewährungszeit anschließende Verlängerungsphase mit dem Wortsinn des Begriffes der Verlängerung in § 56 f Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB vereinbar ist und diese Lösung im Übrigen überlangen Bewährungszeiten entgegenwirkt, wie sie im Falle der Unterbrechungslösung eintreten könnten (vgl. OLG Celle, a.a.O.).

Der vorliegende Fall ist zwar durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass es nicht um eine nach Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit beschlossene nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit geht, sondern die durch den Beschluss schon vom 14. Januar 2000 ausgesprochene Verlängerung "um 6 Monate" verbunden worden ist mit dem Ausspruch des neuen Bewährungszeitendes "9. Januar 2002" und damit an einen wegen Unrechtmäßigkeit der ersten bis zum 9. Juli 2001 bestimmten Verlängerung bei rechtmäßiger Alternativbehandlung nicht existenten Bewährungszeitraum vom 10. Juli 2000 bis 9. Juli 2001 anknüpft. Damit unterscheidet sich die Lage aber materiell nicht von der Anordnung, eine Verlängerung solle unter Belassung einer Zeitlücke erst nach Ende der ursprünglichen Bewährungszeit wirken. Eine solche nach den dargestellten Grundsätzen unzulässige Anordnung würde nicht hindern können, dass von Gesetzes wegen die Verlängerungsphase direkt an die ursprüngliche Bewährungszeit anschließt. Es liegen keine Gründe vor, die für die vorliegende Konstellation eine abweichende Behandlung erfordern bzw. rechtfertigen könnten.

Dem stehen insbesondere subjektive Belange des Verurteilten nicht entgegen. Wenn schon vorherige bloße Hinweise an einen Verurteilten, nach Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit könne die Strafaussetzung widerrufen oder die Bewährungszeit verlängert werden, den späteren Widerruf der Strafaussetzung wegen in der Lücke zwischen Ende der ursprünglichen Bewährungszeit und Verlängerungsbeschluss begangener Taten nicht hindern (vgl. BVerfG, a.a.O.), gilt dieses erst recht in der vorliegenden Verfahrenslage, in der zu der neuen Tatzeit formell eine (wenngleich materiell zu Unrecht beschlossene) verlängerte Bewährungszeit läuft und der Verurteilte nach Bekanntgabe eines solchen Verlängerungsbeschlusses subjektiv unter dem Eindruck steht, die Bewährungszeit dauere fort und er habe folglich sein Legalverhalten an den Anforderungen des § 56 f Abs. 1 StGB auszurichten.

cc) Nach allem hat der Verurteilte bei Begehung der Taten vom 3. Oktober 2000 nicht nur formell auf Grund des wirksamen, aber zu Unrecht ergangenen ersten Verlängerungsbeschlusses unter Bewährungsaufsicht gestanden, sondern waren bei Zugrundelegung rechtmäßiger Alternativbehandlung auch materiell durch die bei Hinwegdenken der ersten Verlängerung sich unmittelbar an das Ende der ursprünglichen Bewährungszeit anschließende zweite Verlängerung um ein halbes Jahr, mithin für die Zeit vom 10. Juli 2000 bis zum 9. Januar 2001, die Voraussetzungen rechtmäßiger Fortdauer der Bewährungsaufsicht erfüllt.

b) Für die zweite Vollstreckungsgrundlage (Urteil des Landgerichts Flensburg vom 20. November 1997) liegen die neuen Straftaten vom 3. Oktober 2000 zwar nicht in der durch den Strafaussetzungsbeschluss vom 22. Juli 1998 bestimmten Bewährungszeit von "2 Jahren ab Entlassung", also bis zum 28. Juli 2000, aber innerhalb des bis zum 28. Januar 2001 erstreckten Verlängerungszeitraumes. Diese mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 14. Januar 2000 beschlossene Verlängerung war rechtmäßig (siehe oben Ziff. II. 2. a) bb) aaa)). Hingegen liegt die weitere neue Straftat vom 4. März 2001 außerhalb der Bewährungszeit und scheidet als Widerrufsgrund im Sinne der §§ 57 Abs. 3 S. 1, 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB aus, wenngleich sie bei der wegen des Bewährungsversagens vom 3. Oktober 2000 veranlassten neuen Legalprognose (nachstehende Ziff. 3.) Berücksichtigung findet.

3. Der Verurteilte hat durch die den alleinigen Widerrufsanlass bildenden Taten vom 3. Oktober 2000 gezeigt, dass die den Strafaussetzungen zu Grunde gelegten Erwartungen sich nicht erfüllt haben.

Das neuerliche vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis ist im Vergleich zu den vollstreckungsgegenständlichen mehrfachen Verkehrsstraftaten einschlägig. Hinzu tritt das Urkundendelikt, welches zusätzliches Gewicht dadurch gewinnt, dass der Verurteilte auch insoweit einschlägig vorbestraft ist. Insgesamt hat der seit bereits 1958 vielfach und dabei auch wiederkehrend einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getretene Verurteilte gezeigt, dass seine Neigung zur Begehung von Straftaten sich nochmals erheblich verfestigt hat. Bereits seit 1961 ist er mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Seither ihm immer wieder gewährte Strafaussetzungen bzw. Reststrafaussetzungen zur Bewährung haben ihn ersichtlich nicht beeindruckt. Die neuen Taten vom 3. Oktober 2000 liegen nach Art und Gewicht auf der Linie früherer Taten. Aus ihnen ergibt sich deshalb trotz des inzwischen erfolgten Zeitablaufes, dass der Verurteilte seine unterschiedliche Rechtsgüter verletzende kriminelle Lebensführung nicht grundsätzlich geändert hat, ohne dass es auf den Verdacht späterer weiterer neuer Straftaten (so unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln am 2. August 2001 - rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Lübeck vom 27. Dezember 2001 - und vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis am 2. November 2001 - Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Rostock vom 4. April 2002 -) noch ankäme.

Die ungünstige Legalprognose des Verurteilten wird auch nicht durch nach den neuen Taten vom 3. Oktober 2000 hinzu getretene weitere Umstände verbessert. Die vom Ver-urteilten in der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung einer völligen Veränderung seiner Lebensumstände reicht hierfür nicht aus. Diese Behauptung ist zu allgemein, um daraus auf konkrete die Legalprognose verbessernde Umstände zu schließen. Auch sonst ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der seit mehr als zehn Jahren, mit Ausnahme verschiedener sogenannter Nebenjobs, durchgehend arbeitslose Verurteilte nunmehr einer geregelten Erwerbsarbeit nachgehen würde; schon deshalb kann dahinstehen, ob wegen der Art der in Rede stehenden Delikte eine Erwerbstätigkeit überhaupt erwarten ließe, dass der Verurteilte nicht mehr straffällig werde. Die Beziehungen des Verurteilten zu wechselnden Freundinnen haben ihn schon in der Vergangenheit ebenso wenig wie die Tatsache, dass er Vater dreier inzwischen erwachsener Kinder war, von denen eines erst in jüngster Zeit verstorben ist, von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten.

4. Weniger einschneidende Maßnahmen als der Widerruf der Strafaussetzungen nach § 56 f Abs. 2 StGB kommen hier nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift mögliche mildere Mittel - Auflagen, Unterstellung unter einen Bewährungshelfer sowie Verlängerung der Bewährungszeit - sind in diesen sowie in vorangegangenen anderen Vollstreckungssachen bei dem Verurteilten bereits im Ergebnis immer wieder erfolglos erprobt worden.

5. Der zwischenzeitliche Ablauf der verlängerten Bewährungszeiten steht dem Widerruf nicht entgegen. Ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist auch nach Ablauf der Bewährungszeit möglich (vgl. OLG Celle, NStZ 1991, 206; Gribbohm, a.a.O., § 56 f Rdn. 47 m.w.N.). Vollstreckungsverjährung oder Straferlass sind hier zwischenzeitlich nicht eingetreten.

Auch ein sonstiger Vertrauenstatbestand ist nicht anzunehmen. Der Verurteilte ging davon aus, bis zum 9. Januar 2002 unter Bewährungsaufsicht zu stehen. Bereits mit ihm am 15. Februar 2002 und 16. April 2002 zugestellten Schreiben hat die Strafvollstreckungskammer ihn darauf hingewiesen, dass auch nach Ablauf einer Bewährungszeit noch deren Verlängerung oder ein Widerruf der Strafaussetzung möglich sind. Nach Eintritt der Rechtskraft des die Widerrufsanlasstaten betreffenden Urteils des Amtsgerichts Ludwigslust am 5. Februar 2003 stand der unbekannte Aufenthalt des Verurteilten einer zeitnahen Entscheidung entgegen. Seit dem 20. Oktober 2003 ist der Verurteilte in L gemeldet. Alsbald am 11. November 2003 ist der angefochtene Widerrufsbeschluss ergangen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.



Ende der Entscheidung

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