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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.03.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 4/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 69 Abs. 1 S. 1
StGB § 69 a Abs. 7
Grund zu der Annahme, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, kann sich nur aus neuen Tatsachen ergeben. Deshalb führen allein Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage des Zusammenhanges zwischen Straftat aus der allgemeinen Kriminalität und Führen eines Kraftfahrzeuges nicht zur vorzeitigen Aufhebung der Sperre nach § 69 a Abs. 1, Abs. 7 StGB.
Hanseatisches Oberlandesgericht 2. Strafsenat Beschluss

2 Ws 4/04

In der Strafsache

hier betreffend Aufhebung der Sperrfrist zur Erteilung einer Fahrerlaubnis

hat der 2. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 29. März 2004 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Harder den Richter am Oberlandesgericht Dr. Augner die Richterin am Oberlandesgericht Schlage

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 13, vom 4. Dezember 2003 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

I.

1. Das Amtsgericht Kronach hat am 18. Dezember 2002 durch seit dem 27. Januar 2003 rechtskräftiges Urteil gegen den Verurteilten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sechs Monaten erkannt, dem Verurteilten die Fahrerlaubnis entzogen und seinen Führerschein eingezogen; außerdem ist angeordnet worden, dass die Verwaltungsbehörde dem Verurteilten vor Ablauf von einem Jahr sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf.

Der Verurteilte hatte nach den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Kronach unter anderem am 14. September 2002 im Rahmen eines polizeilich kontrollierten Scheingeschäftes auf Bestellung eines Rauschgiftsüchtigen insgesamt 2,3 Kilogramm Haschisch - 2 Kilogramm mittlerer und 300 Gramm guter Qualität - von Hamburg nach Coburg verbracht, um das Rauschgift dort an den betäubungsmittelabhängigen Besteller zu verkaufen. Für den Transport des Rauschgiftes von Hamburg nach Coburg hatte der Verurteilte seinen Personenkraftwagen benutzt. Der Verurteilte wurde anlässlich dieses Betäubungsmittelgeschäftes vorläufig festgenommen und das Rauschgift sichergestellt. Das Haschisch hatte einen THC-Gehalt von 185,5 Gramm.

Der Verurteilte hat sich nach seiner am 14. September 2002 erfolgten Festnahme seit dem 15. September 2002 zunächst in der JVA B. in Untersuchungshaft und anschließend nach Rechtskrafteintritt dort in Strafhaft befunden; am 18. Februar 2003 ist er zur weiteren Strafverbüßung nach Hamburg verlegt worden. Seit dem 9. September 2003 befindet er sich hier im offenen Vollzug.

2. Mit Verteidigerschriftsatz unter dem 10. November 2003, eingegangen bei dem Landgericht Hamburg am 14. November 2003, hat der Verurteilte beantragt, die durch das Urteil des Amtsgerichts Kronach vom 18. Dezember 2002 festgesetzte Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis vorzeitig aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft Coburg hat beantragt, den Antrag abzulehnen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Hamburg, Strafvollstreckungskammer, den Antrag des Verurteilten auf vorzeitige Aufhebung der Sperre zurückgewiesen. Gegen diesen dem Verurteilten am 09. Dezember 2003 zugestellten Beschluss wendet sich dieser mit am 11. Dezember 2003 bei dem Landgericht Hamburg eingegangener sofortiger Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die nach den §§ 463 Abs. 5, 462 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag des Verurteilten auf vorzeitige Aufhebung der Sperre zurückgewiesen. Das Vorbringen der sofortigen Beschwerde führt zu keiner abweichenden Bewertung.

1. Das Verfahren der nach den §§ 463 Abs. 1, 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg weist Fehler nicht auf. Insbesondere ist die nach den §§ 463 Abs. 5, 462 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO erforderliche Anhörung von Staatsanwaltschaft und Verurteiltem erfolgt. Nach diesen Vorschriften trifft das Gericht die notwendig werdenden Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung. Der Verurteilte ist mit seinem Antrag und dessen Begründung schriftlich gehört worden. Ihn seinem Begehren gegenüber der Strafvollstreckungskammer gemäß abweichend vom Gesetzeswortlaut vor dieser mündlich anzuhören, bestand keine Veranlassung. Insbesondere stand von einer mündlichen Anhörung nach Sachlage, insbesondere auch angesichts der detaillierten Berichte der Hamburger Justizvollzugsanstalten, eine überlegene Sachaufklärung nicht zu erwarten.

2. Es ergibt sich schon kein Grund zu der Annahme, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, wie dies § 69 a Abs. 7 Satz 1 StGB für die vorzeitige Aufhebung einer Sperre voraussetzt. Deshalb bleibt dahingestellt, wie hier bei Wegfall des Eignungsmangels zu entscheiden wäre (§ 69 a Abs. 7 StGB: "kann ... vorzeitig aufheben").

a) Es fehlt an neuen Tatsachen, die eine von der Prognose des erkennenden Gerichtes abweichende Bewertung der Eignungsfrage tragen könnten.

aa) Nach nahezu einhelliger herrschender Meinung (LK-Geppert, StGB, 11. Aufl., § 69 a Rn. 83, 86 mit Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung; Schönke/Schröder-Stree, StGB, 26. Aufl., § 69 a Rn. 20; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 69 a Rn. 15 a; Lackner/Kühl-Lackner, StGB, 24. Aufl., § 69 a Rn. 7; SK-Horn, StGB, § 69 a Rn. 14; Hentschel, Trunkenheit-Fahrerlaubnisentziehung-Fahrverbot, 9. Aufl., Rn. 793 -; Janiszewski, Straßenverkehrsrecht, 5. Aufl., Rn. 734) kann eine vorläufige Aufhebung der Sperre nur auf (erhebliche) neue, d.h. auf solche Tatsachen gestützt werden, die bei der Urteilsfindung noch nicht bekannt waren und die zusammen mit den bei der Entziehung der Fahrerlaubnis zugrunde gelegten Umständen - soweit diese noch vorhanden sind - eine negative Prognose jetzt nicht mehr zu tragen vermögen. Es muss sich bei den neuen Tatsachen "um Tatsachen handeln, die eine andere Beurteilung der Eignungsfrage rechtfertigen, als sie nach den im Urteil festgestellten Tatsachen geboten war, denn alle im Zeitpunkt der Urteilsfindung bekannt gewesenen Tatsachen sind bereits im Urteil berücksichtigt worden und haben sich auf die Dauer der Sperrfrist ausgewirkt. Abzulehnen ist daher die in der Rechtsprechung teilweise vertretene Auffassung, es sei zu eng zu fordern, der Verurteilte müsse notwendig neue Tatsachen anführen, die eine andere Beurteilung seiner Persönlichkeit rechtfertig(t)en; es ließen sich voraussehbare Umstände denken, die mit dem Zeitablauf hinreichendes Gewicht für eine Abkürzung der Sperrfrist gewinnen könnten, ohne dass sie im strengen Sinn neu wären" (so Hentschel, a.a.O., gegen die Oberlandesgerichte Köln, NJW 1960, 2255 f. und Düsseldorf, VRS 63, 273 f. sowie VRS 66, 347-350, die "alte" Tatsachen, die bereits im Zeitpunkt der Urteilsfällung bekannt waren, auch ohne Hinzutreten neu eingetretener Tatsachen in die Bewertung einstellen wollen, wobei in den jeweiligen Entscheidungen richtiger Ansicht nach gleichfalls neue Tatsachen vorgelegen haben dürften; dazu Hentschel, a.a.O.).

Das Erfordernis neuer Tatsachen beruht nach zutreffender herrschender Meinung "auf der Überlegung, dass die Änderung einer rechtskräftigen Entscheidung dem erkennenden Gericht grundsätzlich versagt bleibt und eine zur Zeit der früheren Entscheidung bereits bekannte und bei Bemessung der Sperrfrist bereits berücksichtigte Tatsache demzufolge nicht noch einmal und vor allem nicht zur Korrektur einer rechtskräftig ausgesprochenen Rechtsfolge verwertet werden darf" (Geppert, a.a.O., Rn. 83). "Eine lediglich andere Beurteilung der bei Bemessung der Sperrfrist verwerteten Tatsachen rechtfertigt nicht die vorzeitige Aufhebung der Sperre, da sie eine unzulässige Urteilsberichtigung darstellt" (Stree, a.a.O). - Da § 69 a Abs. 7 StGB sich aus dem Wesen der richterlichen Prognose als einer nur vorausschauenden, künftige Entwicklungen naturgemäß nicht sicher vorhersehenden Beurteilung rechtfertigt (vgl. Geppert, a.a.O., Rn. 78 m.w.N.), liegt es nicht fern, vor dem Urteil entstandene, aber dem erkennenden Gericht noch nicht bekannt gewesene Umstände nicht als nach § 69 a Abs. 7 StGB beachtliche neue Tatsachen einzuordnen, sondern es insoweit bei der Anwendbarkeit der Wiederaufnahmevorschriften (§ 359 Nr. 5 a.E. StGB) bewenden zu lassen (siehe auch Senatsrechtsprechung zu § 67 d Abs. 2 StGB, u.a. Beschluss vom 3. Juni 1993, Az.: 2 Ws 210/93). Einer Entscheidung hierzu bedarf es nicht, weil vorliegend keine früheren, erst nach dem Urteil bekannt gewordenen Tatsachen in Rede stehen.

Beruhte der Eignungsmangel auf verkehrstypischem Verhalten, so können in der Regel während eines Straf- oder freiheitsentziehenden Maßregelvollzugs solche neuen Tatsachen überhaupt nicht eintreten; anders kann dies aber sein, wenn - wie hier - die Entziehung auf dem Einsatz eines Kraftfahrzeugs im Bereich "allgemeiner" Kriminalität beruhte (Tröndle/Fischer, a.a.O.). Weil nur neue Tatsachen eine Abkürzung der Sperrfrist rechtfertigen, ist die Bedeutung der dies ermöglichenden Vorschrift des § 69 a Abs. 7 StGB jedoch auch im Bereich charakterlicher Ungeeignetheit in der Praxis eher gering. Insbesondere reicht nach allgemeiner Ansicht der Umstand, dass seit Entziehung der Fahrerlaubnis bereits ein Großteil der festgesetzten Sperrzeit beanstandungsfrei verstrichen ist, für sich allein zu deren vorzeitiger Aufhebung in aller Regel ebenso wenig aus, wie eine zwischenzeitliche Strafverbüßung oder beruflich-wirtschaftliche Nachteile hierfür genügen; sofern diese Umstände bereits bei Anordnung der Maßregel bzw. Bemessung ihrer Dauer prognostisch berücksichtigt wurden, sind sie für das nachträgliche Abkürzungsverfahren verbraucht. "Zeitablauf als solcher kann somit selbst bei beanstandungsfreiem Verhalten allenfalls dann zu vorzeitiger Abkürzung der Sperre führen, wenn er mit substantiiert belegtem verändertem Verantwortungsbewusstsein des Verurteilten verbunden ist; ein solcher nachträglicher (!) Gesinnungswandel kann indiziell durch langjährige Straffreiheit und zwischenzeitlich vollzogene soziale Eingliederung...nachgewiesen werden.... Angesichts des Ausnahmecharakters der Vorschrift sind die Anforderungen der Rechtsprechung diesbezüglich zu Recht streng; allenfalls bei jahrelang straffreier Führung in Fällen lebenslanger Sperren erscheint eine weniger rigide Handhabung der Vorschrift angebracht. Auch dringende berufliche oder wirtschaftliche Interessen können eine vorzeitige Aufhebung der Sperre somit allenfalls dann rechtfertigen, wenn sich die Entziehung in der zurückliegenden Zeit für den Verurteilten schwerer als ursprünglich angenommen ausgewirkt hat. Zur vorzeitigen Aufhebung der Sperre kann insoweit auch die Aussicht eines Arbeitslosen auf eine Arbeitsstelle, für die ein Führerschein benötigt wird, führen, sofern davon nach Lage der Dinge positive Auswirkungen auf die Geeignetheit des Verurteilten zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erwarten sind.... Auch der Umstand, dass der Verurteilte wegen der Erwartung künftigen Wohlverhaltens nach § 57 (StGB) bedingt aus der Strafhaft entlassen wurde und sich seither eine nicht ganz unerhebliche Zeit beanstandungsfrei in Freiheit befindet, rechtfertigt für sich allein keine vorzeitige Aufhebung der Sperre" (Geppert, a.a.O., Rn. 86, 87; im Wesentlichen ebenso Stree, a.a.O.; Lackner, a.a.O.; Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 15 a-17; Horn, a.a.O.; Hentschel, a.a.O., Rn. 794-797 -; Janiszewski, a.a.O.).

bb) Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Der eingetretene Zeitablauf bleibt als solcher bedeutungslos (vgl. auch die Möglichkeit der Anordnung einer lebenslangen Sperre "für immer", § 69 a Abs. 1 Satz 2 StGB), ebenfalls als solche eine etwa günstige Prognose im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB - wie eine Sperre selbst bei gleichzeitiger Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung unter den gegenüber § 57 Abs. 1 StGB engeren Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB angeordnet werden kann (Hentschel, a.a.O., Rn. 797) -; ebenso bleiben berufliche und wirtschaftliche Interessen unberücksichtigt (wie sie auch beim Entzug der Fahrerlaubnis grundsätzlich keine Rolle spielen; Stree, a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung). Anders kann dies nur dann sein, wenn - wie vorstehend ausgeführt - ein substantiiert belegtes verändertes Verantwortungsbewusstsein beim Verurteilten vorliegt oder die wirtschaftlichen Auswirkungen als Warnung einen Wandel bei diesem bewirkt und den Eignungsmangel behoben haben.

Vorliegend wird ein solcher Einstellungswandel von dem Verurteilten zwar behauptet. Es ergibt sich möglicherweise auch eine günstige Kriminalprognose jedenfalls im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB. Das Vollzugsverhalten des Verurteilten ist ersichtlich beanstandungsfrei; es wird in den Berichten und Stellungnahmen der Vollzugsanstalten als positiv bezeichnet und bewertet. Auch scheinen allgemein Änderungen am Verantwortungsbewusstsein des Verurteilten eingetreten zu sein.

Gleichwohl fehlt es jedoch derzeit noch an den vorbezeichneten Voraussetzungen langjähriger Straffreiheit und zwischenzeitlich tatsächlich vollzogener sozialer Eingliederung als substantiierten Belegen der Nachhaltigkeit der Einstellungsänderung im charakterlichen Bereich. Dass möglicherweise - wovon im vorliegenden Zusammenhang zugunsten des Verurteilten ausgegangen wird - angesichts günstiger Sozialprognose die Voraussetzungen einer Reststrafenaussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB gegeben sind, ist im Hinblick auf die nach § 69 a Abs. 7 StGB gestellten strengeren Anforderungen nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Auch aus den Berichten und Stellungnahmen der Anstalten werden über § 57 Abs. 1 StGB hinausweisende dem Ausnahmecharakter des § 69 a Abs. 7 StGB genügende greifbare Tatsachen, welche die erforderte Nachhaltigkeit und Tiefe des inneren Einstellungswandels beim Verurteiltem zu belegen vermöchten, nicht ersichtlich. Vollends fehlt es an besonderen Belastungen, die sich für den Verurteilten nachträglich anders als vorhergesehen aus dem Entzug der Fahrerlaubnis ergeben hätten, als Ursache eines hinlänglich gesichert gefestigten inneren Einstellungswandels. Entsprechendes gilt bezüglich einer konkreten Aussicht auf eine Arbeitsstelle, für deren Wahrnehmung eine Fahrerlaubnis benötigt würde und aus der deshalb die erforderten gravierenden Auswirkungen auf die Geeignetheit möglicherweise zu erwarten wären. Für die von dem Verurteilten derzeit wahrgenommene und auch künftig wahrnehmbare Tätigkeit "in der Akquise" eines Tankschutzservice benötigt der Verurteilte eine Fahrerlaubnis ersichtlich nicht, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine vorzeitige Aufhebung der Sperre nicht in Betracht kommt.

b) Entgegen dem Antrags- und Beschwerdevorbringen bleiben die nach dem Urteil eingetretenen Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 1 StGB für die Frage der Aufhebung der Sperre nach § 69 a Abs. 7 StGB unbeachtlich, weil hierin keine neuen Tatsachen liegen.

In Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung verlangen mehrere Senate des Bundesgerichtshofes einen "spezifischen Zusammenhang zwischen Tat und Verkehrssicherheit", der nur dann vorliege, wenn aus der Tat konkrete Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (BGH, 4. Strafsenat, StV 2003, 69 und NStZ 2004, 86; 2. Strafsenat, NStZ 2004, 144; 5. Strafsenat, NStZ 2004, 148). Demgegenüber hält der 1. Strafsenat des BGH, NStZ 2003, 658 ff., ausdrücklich an der Rechtsprechung fest, wonach für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB wegen einer Straftat aus dem Bereich der sog. allgemeinen Kriminalität ein verkehrsspezifischer Gefahrzusammenhang nicht ausdrücklich festgestellt werden muss (NStZ 2003, 658; zu allem vgl. auch Hentschel, NZV 2004, 57, 60 f.).

Dass eine Änderung der Rechtsprechung eine Tatsache im rechtlichen Sinne nicht darstellt, ist allgemein anerkannt. Insbesondere kann deshalb auf "Rechtstatsachen", namentlich einen Wandel der Rechtsprechung, auch ein Wiederauf-nahmeantrag (§ 359 Nr. 5 StPO) nicht gestützt werden (BVerfGE 12, 338, 340; BGHSt 39, 75, 79; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 359 Rn. 24 m.w.N.). So entnimmt insbesondere das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) dem Gegenschluss aus § 79 Abs. 1 BVerfGG, wonach nur für den Fall, dass ein rechtskräftiges Strafurteil auf einer vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Norm des materiel-len Strafrechts beruht, in dieser Vorschrift ausnahmsweise kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein auf normativen Gründen - Nichtigerklärung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht - fußender Wiederaufnahmegrund geschaffen worden ist, dass unter dem Begriff der "neuen Tatsache" allgemein nicht die Änderung der Rechtsprechung über bestimmte Rechtsfragen zu verstehen ist.

Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht hiervon aus: "Fehlerhafte Rechtsanwendung für sich allein ist kein Wiederaufnahmegrund nach der Strafprozessordnung.... (D)ie auf falscher Rechtsauffassung beruhende `noch so falsche EntscheidungŽ (kann) im Wiederaufnahmeverfahren nur bei Unrichtigkeit des der fehlerhaften Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts beseitigt werden... Allein eine Veränderung der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts durch Wegfall oder Änderung des angewendeten Gesetzes oder durch einen Wandel der Rechtsprechung ist keine neue Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO" (BGH, a.a.O., m.w.N.).

Im Hinblick auf die Allgemeingültigkeit der vorgenannten Erwägungen zu Tatsachenbegriff und Wandel der Rechtsprechung, deren sachlicher Gehalt nicht auf den Bereich des Wiederaufnahmerechts beschränkt ist (vgl. auch das Bundesverfassungsgericht a.a.O. und die dortigen Ausführungen zu § 9 Abs. 1 RHilfeG), kommen folglich im Regelungszusammenhang des § 69 a Abs. 7 StGB als neue "Tatsachen" - zur Ausräumung der Ungeeignetheit des Täters in der Gesamtwürdigung - gleichfalls nur solche in Betracht, die außerhalb des rechtlich-normativen Bereichs gelegen sind. Dass es an derartigen "neuen" Tatsachen vorliegend fehlt, ist vorstehend a) bereits ausgeführt worden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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