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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 2 Wx 10/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
FGG § 27
FGG § 29
WEG § 45
WEG § 47
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1
WEG § 43 Abs. 4 Nr. 1
WEG § 10 Abs. 1 S. 2
WEG § 14 Abs. 1
WEG § 7 Abs. 3
WEG § 48 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 10/01

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 26. Februar 2002 durch die Richter Dr. Lassen, Puls, Stöger

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 5. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf € 23.000,00 festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten sind Wohnungs- bzw. Teileigentümer der Wohnungseigentumsanlage im M. in Hamburg. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der im ersten Stock rechts befindlichen Wohnung. Der Antragsgegner ist Eigentümer der darunter liegenden Räume. Er hat gemäß der Anlage zur Teilungserklärung das Sondereigentum Nr. 6 an den Räumen, die in der Teilungserklärung als Laden bzw. Ladengeschoss bezeichnet sind (Bl. 27 d.A.). Das Teileigentum ist an die Firma Show-room Hamburg! Textil-Handels GmbH vermietet. Die Mieter betreiben in den Räumen, die sich über drei Etagen erstrecken, in den oberen beiden Geschossen eine Boutique. Auf der unteren Ebene, die Zugang zur Straße hat, befindet sich ein Cafe. Dieses wird von den Mietern regelmäßig innerhalb der Ladenöffnungszeiten betrieben.

Die beteiligten Wohnungseigentümer streiten über die Nutzung der vermieteten Räumlichkeiten. Die Antragstellerin hat vorgetragen, die Nutzung halte sich nicht an die Zweckbestimmung. Es seien in den Sommermonaten Parties auch außerhalb der Öffnungszeiten veranstaltet worden. Zudem sei eine Erweiterung des Bistrobetriebes in der Weise, dass dieser auch außerhalb der allgemeinen Ladenschlusszeiten stattfindet, geplant.

Die Antragstellerin hat beantragt,

den Antragsgegner zu verurteilen, bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von DM 500.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss eines Fortsetzungszusammenhanges es zu unterlassen, die im Teileigentum des Antragsgegners stehenden Ladenflächen, gelegen im Ladengeschoss des Hochparterre rechts außen im Mittelweg 30, 20148 Hamburg mit einer Grundfläche von ca. 199 qm, Eigentumsnummer gem. Anl. 1 zur Teilungserklärung der WEG Mittelweg 29 a, 29, 30, Heimweg 1-4, 6, 8, 10 Nr. 6 als Gaststätte, Bar, Imbissstube oder zum gewerblichen Verabreichen von Speisen und/oder Getränken zu nutzen oder entsprechende Nutzung durch Mieter oder Pächter oder sonstige Dritte zu dulden.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Das Amtsgericht hat den Antrag nach Einnahme des Augenscheins mit Beschluss vom 17. Mai 1999 zurückgewiesen (Bl. 73 f. d.A.). Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 5. Januar 2000 zurückgewiesen (Bl. 97 f. d.A.). Das Landgericht hat im Beschluss unter Bezugnahme auf den ebenfalls von ihm eingeholten Augenschein (vgl. Protokoll Bl. 104 f. d.A.) zur Sache ausgeführt, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Teileigentums als Cafe habe. Es handele sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungcharakter. Die Nutzung liege nicht im Rahmen der Zweckbestimmung, sei aber dennoch zulässig, da sie nicht mehr störe als eine zweckentsprechende Nutzung. Der normale Geschäftsbetrieb finde nur innerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten statt. Lärm- und Geruchsemissionen seien gering. Beachtlich sei auch, dass sich die Wohnungseigentumsanlage nicht in einem reinen Wohngebiet befinde. Selbst wenn außerhalb der Ladenöffnungszeiten Parties veranstaltet worden seien, spiele dies für das vorliegenden Verfahren keine Rolle. Für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch wegen zweckwidriger Nutzung gehe es allein um die Frage, ob die Nutzung generell außerhalb der Zweckbestimmung liege. Wegen einzelner ruhestörender Beeinträchtigungen wie sommerliche Parties habe die Antragstellerin gegebenenfalls einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB. Selbst wenn geplant sei, in Zukunft das Bistro über die allgemeinen Ladenschlusszeiten hinaus zu betreiben, führe dies nicht zur Begründetheit des Antrags, da die gegenwärtige Sachlage entscheidend sei. Für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch fehle konkreter Vortrag der Antragstellerin.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Antragstellerin, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft entschieden. Maßgeblich für die Frage, welche Nutzung möglich ist, sei allein die Teilungserklärung. Jede andere als die dort genannte Nutzung sei unzulässig. Im übrigen sei nach der vorzunehmende typisierenden Betrachtung eine Gaststätte stets störender als ein Laden. Darüber hinaus liege ein Rechtsfehler darin, dass das Landgericht es unterlassen habe, Beweis darüber zu erheben, ob das Bistro auch außerhalb der Ladensschlusszeiten betrieben werde.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er meint, der Beschluss des Landgerichts sei frei von Rechtsfehlern. Er trägt vor, es handele sich trotz des Bistrobetriebes um eine Boutique. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Amts- und des Landgerichts und trägt vor, dass der Bistrobetrieb nicht mehr störe als ein Laden.

Die Antragstellerin nimmt in einem weiteren Verfahren (328 O 346/98 Landgericht Hamburg) auch die Mieter des Antragsgegners in Anspruch. Dieses Verfahren ist ausgesetzt worden bis zur Entscheidung über den vorliegenden WEG-Antrag.

II. Das gem. §§ 45, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, 27, 29 FGG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel der Antragstellerin ist unbegründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den hin der Senat die angefochtene Entscheidung allein überprüfen darf (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

1) Soweit das Landgericht die gem. § 43 Abs. 4 Nr. 1 WEG an dem Verfahren zu beteiligenden übrigen Wohnungseigentümer im Rubrum des Beschlusses vom 5. Januar 2001 nicht aufgeführt und den Beschluss zunächst auch der Verwalterin nicht zugestellt hat, sind diese Verfahrensfehler geheilt. Das Landgericht hat den Beschluss jedenfalls nachträglich zugestellt, der Senat hat den übrigen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben, was deshalb ausreichend und im Rechtsbeschwerdeverfahren möglich war, weil eine weitere Sachaufklärung weder notwendig noch zu erwarten war und nur rechtliches Gehör gewährt werden musste.

2) In der Sache haben die Vorinstanzen den in der Teilungserklärung enthaltenen Begriff "Laden" zutreffend als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne der §§ 10 Abs. 1 S. 2, 14 Abs. 1 WEG aufgefasst. Der Senat ist befugt und verpflichtet, die Teilungserklärung selbständig auszulegen, denn sie gehört nach § 10 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 WEG zum Inhalt des Grundbuchs und ist deshalb - wie jede Grundbucherklärung - auch von dem Rechtsbeschwerdegericht selbständig auszulegen; dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie dieser sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (allgem. Meinung, vgl. z. B. Senat MDR 1998, 1156, 1157). Der Beschreibung des Teileigentums als "Laden" ist eine Nutzungsbeschränkung jedenfalls dahingehend zu entnehmen, dass die Räume grundsätzlich nur als Laden während der normalen (gegenwärtig allerdings in Ausweitung begriffenen) Ladenöffnungszeiten genutzt werden dürfen und demzufolge etwa ein Gaststättenbetrieb mit Publikumsverkehr außerhalb der gewöhnlichen Ladenschlusszeiten ausscheidet; beim Umfang der zulässigen Nutzung ist ferner auf den Charakter der Wohnanlage und ihrer näheren Umgebung abzustellen (vgl. zum Vorstehenden KG MDR 1999, 991, 992; BayObLG WuM 1993, 558; 1993, 697). Hiernach ist in einem Laden jede gewerbliche Nutzung zulässig, die der Zweckbestimmung nicht widerspricht und für die übrigen Wohnungseigentümer keine konkrete Beeinträchtigung verursacht, die die mit dem gewöhnlichen Betrieb eines Ladens regelmäßig verbundenen Beeinträchtigungen überschreitet (vgl. z.B. KG MDR 1999, 991, 992 m.w.N.; BayObLG ZMR 2000, 775, 776; vgl. auch Müller, Prakt. Fragen d. WE, 3. Aufl., RN 127).

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und damit für den Senat verbindlichen Feststellungen des Landgerichts aufgrund einer Augenscheinseinnahme sind die von der Erdgeschosswohnung als Bistro ausgehenden Störungen nicht gravierender als die, die bei einer typisierenden, verallgemeinernden Betrachtungsweise (dazu BayObLG NJW-RR 2000, 1323) von einem Laden ausgehen. Die Mieter des Antragsgegners halten sich generell an die Ladenöffnungszeiten, die Lärm- und Geruchsemissionen sind gering, schon in der obersten Etage der Boutique hatte sich bei der Ortsbesichtigung durch Amts- und Landgericht der Essensgeruch fast vollständig verflüchtigt, die Musik war dort nur deutlich unterhalb normaler Zimmerlautstärke hörbar. Hinzukommt, dass die Wohnungseigentumsanlage sich nicht in einem reinen Wohngebiet befindet, sondern an dem sehr belebten Mittelweg liegt und in der Wohnanlage selbst zwei Gaststätten zulässigerweise betrieben werden (Teileigentume Nr. 5 und Nr. 7).

3) Das Landgericht hat auch nicht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es unterlassen hat, Beweis zum Vortrag der Antragstellerin zu erheben, es seien während der Sommermonate gelegentlich Parties außerhalb der normalen Öffnungszeiten veranstaltet worden. Das Landgericht hat dazu ohne Rechtsverstoß ausgeführt, Verfahrensgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei die Frage, ob dem Antragsgegner eine vereinbarungswidrige Nutzung des Teileigentums, also der regelmäßig Betrieb der als Gaststätte, Bar, Imbissstube oder zum gewerblichen Verabreichen von Speisen und/oder Getränken generell untersagt werden könne. Gegen nur gelegentliche Störungen, die auch bei einer reinen Ladennutzung vorkommen können, kann die Antragstellerin gem. § 1004 BGB jeweils vorgehen. Im vorliegenden Verfahren geht es um den regelmäßigen Betrieb, also letztlich um die Frage des "ob" (welche Nutzung ist generell erlaubt) und nicht um das "wie" (welche Abwehransprüche ergeben sich bei gelegentlicher Überschreitung der zulässigen Nutzung).

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG; eine Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten erscheint dem Senat in diesem Verfahren nicht angezeigt. Der Geschäftswert wird in Anlehnung an die Festsetzung der Vorinstanzen gem. § 48 Abs. 3 WEG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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