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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 2 Wx 102/03
Rechtsgebiete: WEG, KostO, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

WEG § 48
WEG § 48 Abs. 3
KostO § 14 Abs. 3 S. 4
KostO § 31 Abs. 3
ZPO § 321 a
ZPO § 321 a Abs. 2 S. 2
BRAGO § 9 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 102/03

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 13. Januar 2004 durch die Richter

Dr. Lassen, Puls, Albrecht

beschlossen:

Tenor: Die Gegenvorstellung des Verfahrensbevollmächigten der Antragsgegnerin gegen die Festsetzung des Geschäftswerts im Senatsbeschluss vom 4. August 2003 wird zurückgewiesen. Gründe: I.

Die Beteiligten sind Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft . Auf einer Eigentümerversammlung im Dezember 2001 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, die hintere Fassade des Hauses und die Balkone zu sanieren. Amts- und Landgericht und schließlich auch der Senat haben die begehrte Aufhebung des Beschlusses zurückgewiesen. Amts- und Landgericht haben den Geschäftswert auf 4.000,- € festgesetzt und entschieden, dass die Kosten des jeweiligen Verfahrens von den Antragstellern zu tragen seien; die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin sollten von den Antragstellern nicht erstattet werden. Hiervon ist der Senat abgewichen, indem er vorsah, dass auch die im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin von den erfolglosen Antragstellern zu erstatten seien, weil die weitere Beschwerde offensichtlich aussichtslos gewesen sei. Im Anschluss an die vorinstanzlichen Entscheidungen hat der Senat den Geschäftswert auf 4.000,- € festgesetzt.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin begehren nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache die Anhebung des Geschäftswerts und beantragen unter Abänderung des Geschäftswertbeschlusses vom 4. August 2003 den Geschäftswert nunmehr auf 115.551,96 € festzusetzen. Zur Begründung führen sie aus, eine dahingehende Festsetzung sei sachgerecht, da sie dem Interesse der Parteien entspreche. Der angegriffene Tagesordnungspunkt 2.1 der Wohnungseigentümerversammlung vom 11. 12. 2001 weise ein Kostenvolumen von 115.551,96 € auf, welches mit dem Interesse der Parteien gleichzusetzen sei. Die Antragsteller beantragen

die Geschäftswertbeschwerde zurückzuweisen. Die beantragte Erhöhung des Geschäftswerts sei bereits deshalb zurückzuweisen, weil die Antragsteller lediglich einen Teil des Beschlusses zu TOP 2.1 angegriffen hätten. Im Übrigen sei die Kostenfestsetzung nach Maßgabe des § 48 Abs. 3 WEG nicht zu beanstanden, da die Festsetzung des Geschäftswerts mit 4.000,- € dem Interesse der Parteien entspreche. II.

Das als Geschäftswertbeschwerde bezeichnete Begehren ist als Gegenvorstellung zulässig, aber unbegründet. Für die Festsetzung des Geschäftswerts in WEG-Sachen gelten die Regelungen der Kostenordnung, die durch § 48 WEG teilweise modifiziert wird (vgl.Bärmann/Pick/Merle, 9.Aufl., RN 1 zu § 47 WEG). Eine Geschäftswertbeschwerde ist vorliegend nicht statthaft, da eine solche zu einem obersten Gericht des Bundes gem. §§ 31 Abs. 3, 14 Abs. 3 S. 4 KostO nicht stattfindet. Entscheidungen eines Oberlandesgerichts können insoweit nicht mit Beschwerden angegriffen werden, sondern sind allenfalls mit der nicht ausdrücklich geregelten Gegenvorstellung, die eine nochmalige Befassung des erkennenden Gerichts ermöglicht, entsprechend § 321 a ZPO analog überprüfbar (vgl. z. B. BGH NJW 2000,590; zur Gegenvorstellung z.B. Zöller-Gummer, 23. Aufl.,RN 22ff zu §567 ZPO). Der Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin war dementsprechend auszulegen, da sich ihr Begehren eindeutig aus dem gestellten Antrag entnehmen lässt. Die Gegenvorstellung kann als zulässig behandelt werden, insbesondere ist die zweiwöchige Notfrist analog. § 321 a Abs. 2 S. 2 ZPO eingehalten. Die Prozessbevollmächtigten können die auf Erhöhung des Geschäftswerts gerichtete Gegenvorstellung gem. § 9 Abs. 2 BRAGO auch im eigenen Namen geltend machen. Die Gegenvorstellung hat in der Sache aber keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

Die Festsetzung des Geschäftswerts auf 4.000,- € ist nach Maßgabe des § 48 Abs. 3 WEG nicht zu beanstanden. Das Kostenvolumen des angegriffenen TOP 2.1 der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.12. 2001 in Höhe von 115.551,96 € ist entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin nicht gleichzusetzen mit dem Geschäftswert. Nach § 48 Abs. 3 WEG setzt der Richter den Geschäftswert nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung fest. Der Geschäftswert ist niedriger festzusetzen, wenn die nach Satz 1 berechneten Kosten des Verfahrens zu dem Interesse eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Mit dieser Regelung ist klargestellt, dass es mit der aus dem Rechtsstaatprinzip folgenden Justizgewährungspflicht nicht vereinbar ist, den Rechtsuchenden durch Vorschriften über die Gerichts- und Anwaltsgebühren mit einem Kostenrisiko zu belasten, das außer Verhältnis zu dessen Interesse an dem Verfahren steht und die Anrufung des Gerichtes bei vernünftiger Abwägung als wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheinen lässt (BVerfG MDR 1992, 713 = NJW 1992, 1673). Dementsprechend ist bei der Bemessung des Geschäftswertes nicht nur das Interesse der Gemeinschaft an der Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen in Höhe der dadurch veranlassten Kosten, sondern das niedrigere subjektive Interesse der Antragsteller zu berücksichtigen, wenn im konkreten Fall der objektive Wert des Verfahrensgegenstandes zu einem Kostenrisiko führen würde, das zu dem persönlichen Interesse außer Verhältnis steht (Senat, 2 Wx 66/99, ZMR 2001, 379). Abzustellen ist stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalles. Als Kriterien für die Bemessung des Geschäftswert können die Kosten der beschlossenen Maßnahme (vgl. BayObLG, NZM 2002, 623 f.) sowie deren Auswirkungen auf den Nutzwert der Anlage (BayObLG, ZMR 2003, 48 f.) zugrunde gelegt werden. Bei der Bemessung des Geschäftswerts ist das Gericht nicht an den an sich angemessenen Streitwert gebunden (BayObLG, Beschluss vom 30. Juli 2003, Az. 2Z BR 143/03). Insoweit sind weder die Beseitigungs- noch die Vornahmekosten einer Maßnahme statisch zugrunde zu legen, sondern sie sind allenfalls als Anhaltspunkte für eine gerechte Interessenabwägung heranzuziehen (BayObLG, ZWE 2002, 407 = WuM 2002, 398 [Leitsatz]). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist schließlich das Kostenrisiko zum persönlichen Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers abzuwägen (Senat, ZMR 2001, 379), wobei, je nach dem Ergebnis der obigen Überlegungen, der Geschäftswert niedriger festgesetzt werden kann (vgl. bzgl. Grundstückswert BayObLG, ZWE 2001, 552 f.). Bei der Bemessung des Geschäftswerts kann der Umfang der beschlossenen Maßnahmen daher zwar als Indiz für die Interessen der Beteiligten herangezogen werden; er stellt jedoch unter Zugrundelegung der oben angeführten Gesichtspunkte keine bindende Größe dar. Die Festsetzung des Geschäftswerts auf 4.000,- €, was angesichts einer Beteiligung der Antragsteller von 157/1000 am Gemeinschaftseigentum einer Quote von etwa 22% an den Gesamtkosten der beschlossenen Maßnahmen entspricht (157/1000 von 115.551,96 € = 18.141,66 € ), hält sich im Rahmen der nach § 48 Abs. 3 WEG zulässigen Absenkung des Geschäftswerts, denn die Antragsteller weisen zu Recht daraufhin, dass ihr Individualinteresse nicht mit dem Gesamtumfang der angegriffenen Maßnahme gleichgesetzt werden kann, sondern sich auf den Erhalt der Balkone und Balkonbrüstungen beschränkt, während die Sanierung der Fassaden nicht beanstandet wurde. Dem Interesse der Beteiligten ist mit der beanstandeten Festsetzung des Geschäftswerts auf 4.000.-€ Genüge getan. Das Verfahren vor dem Senat ist analog gem. § 31 Abs. 4 S. 1 KostO gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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