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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 10.03.2004
Aktenzeichen: 2 Wx 144/01
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 3
WEG § 14
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 2
FGG § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 144/01

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 10. März 2004 durch die Richter

Dr. Lassen, Jahnke, Meyn

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 22. Oktober 2001, wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten der dritten Instanz.

Eine Erstattung der im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird auf 2.556,00 € (entsprechend 5000,00 DM) festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Ziff. 1 WEG, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG), aber sachlich unbegründet.

I. Das Beschwerdegericht hat - unter Aufhebung der stattgebenden Entscheidung des Amtsgerichts - den Antrag des Antragstellers, einen Beschluss der Wohnungseigentümer im Wege der Anfechtung für ungültig zu erklären, abgewiesen. Auf dem Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft, zu der 132 Wohnungen und 28 Läden gehören, befindet sich eine im Gemeinschaftseigentum stehende Fußgängerzone, gegen deren teilweise Vermietung durch die Gemeinschaft an einen Teileigentümer zwecks Untervermietung an dessen Gewerbemieter sich der Antragsteller wendet.

In der Eigentümerversammlung vom 14. Juli 1999 beschlossen die Eigentümer laut Protokoll vom 16. Juli 1999 unter dem Tagungsordnungspunkt 10

"Besprechung und Beschlußfassung über den Antrag der , dass der Gewerbemieter vor dem Laden eine Fläche von ca. 8 qm als Erweiterung der Nutzungsfläche anmietet"

mehrheitlich mit 20 Gegenstimmen:

"Nach reger Diskussion wurde der Beschluss gefasst, dass dem Gewerbenutzer gestattet wird ca. 8 qm Außenfläche anzumieten. Hierzu wird ein Mietvertrag mit der abgeschlossen, wobei ein Mietzins von DM 300,00 p.a. zu entrichten ist und die Kündigungsfrist für die Stellfläche 3 Monate beträgt."

Diesen Beschluss der Wohnungseigentümer hält der Antragsteller für unwirksam und meint, dem Teileigentümer sei damit ein Sondernutzungsrecht eingeräumt worden, was unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000 mehrheitlich nicht wirksam möglich sei.

Das Landgericht ist den Einwendungen des Antragstellers gegen den Beschluss nicht gefolgt, sondern hat im Wesentlichen ausgeführt: Nach zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH NJW 2000, 3211, 3212) handele es sich um eine Gebrauchsregelung im Sinne von § 15 Abs. 2 WEG, die grundsätzlich mehrheitlich beschlossen werden könne. Dass in die Rechtsposition eines oder mehrerer beteiligter Wohnungseigentümer durch die Vermietung des Gemeinschaftseigentums eingegriffen werde, lasse sich nicht feststellen. Dies gelte zunächst im Hinblick auf die Größenordnung der Vermietung (8 qm Mietfläche bei einer Gemeinschaftsfläche von 17.776 qm) und auch im Hinblick auf die Intensität und die Qualität der zuvor gegebenen Nutzungsmöglichkeiten. Auch insoweit sehe die Kammer keine relevante Rechtsbeeinträchtigung im Sinne von § 14 WEG. Nach dem zur Akte gereichten Fotomaterial stehe fest, dass infolge der Vermietung, d.h. durch die Art der Nutzung der Mietfläche zum Aufstellen von Blumengestellen, die Benutzung der dahinterliegenden "Ruheinsel" nicht unmittelbar beeinträchtigt werde. Die Benutzung der Rundbank unter der alten Linde sei vielmehr uneingeschränkt nach wie vor möglich. Lediglich in einem bestimmten Segment sei von dieser Rundbank aus der freie Blick auf den "Passantenstrom" durch die Blumengestelle verbaut, zumindest aber beeinträchtigt. Insbesondere werde allenfalls der Blick zur Seite des Blumenladens selbst durch die Blumengestelle auf der Mietfläche eingeschränkt, der Ausblick auf das Zentrum des "Dorfplatzes" sei in keiner Weise beeinträchtigt. Aus diesem Grunde werde die typische Gestaltung des Platzes durch die Blumengestelle vor dem Laden allenfalls in geringfügiger nach § 14 WEG zulässiger Weise tangiert.

II. Diese Entscheidung hält der dem Senat allein möglichen rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Beschwerdegericht hat zunächst die Zulässigkeit der Erstbeschwerde zu Recht bejaht. Auf die diesbezüglichen Ausführungen, die mit der weiteren Beschwerde auch nicht angegriffen worden sind, wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen.

Ohne Rechtsverstoß ist das Landgericht sodann zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschluss nicht wegen mangelnder Bestimmtheit nichtig oder anfechtbar ist, wobei die Kammer ihrer Prüfung zutreffend den rechtlichen Ausgangspunkt zugrunde gelegt hat, dass ein Eigentümerbeschluss nur dann gerichtlicher Überprüfung standhält, wenn er inhaltlich klar ist und eine bestimmte Regelung enthält (vgl. BayObLG ZMR 2002, 847; HansOLG ZMR 2001, 725, 726). Nicht entschieden zu werden braucht für den vorliegenden Fall, ob das Rechtsbeschwerdegericht die Auslegung des Eigentümerbeschlusses hier nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler hin überprüfen kann oder ob ihm eine eigene unbeschränkte Auslegung möglich ist. Denn der Senat kommt im Ergebnis bei eigener Prüfung nicht zu einer anderen Beurteilung.

Die Auslegung eines Eigentümerbeschlusses muss nach objektiven Maßstäben vorgenommen werden. Dabei können auch Begleitumstände herangezogen werden, die in der Versammlungsniederschrift zum Ausdruck gekommen sind. Umstände, die nicht für Jedermann erkennbar sind, können dagegen nicht berücksichtigt werden, wie aus der Regelung des § 10 Abs. 3 WEG folgt (BayObLG WuM 1992, 642). Die danach am Wortlaut des Protokolls zu orientierende Auslegung führt dazu, dass zwar die zu vermietende Fläche in dem Beschluss mit ihrer exakten Belegenheit im Außenbereich vor dem Laden nicht konkret bezeichnet wird, die Lage der 8 qm großen Fläche aber durch den von der hierzu ermächtigten Verwaltung abzuschließenden Mietvertrag konkretisiert werden sollte, was als Regelung hinreichend bestimmt ist. Diese Konkretisierung ist auch tatsächlich erfolgt, wie sich aus dem als Anlage AG 7 vorgelegten und für den Senat aufgrund der zulässigen Bezugnahme auf die eingereichten Unterlagen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses ohne weiteres verwertbaren Vertrag vom 21. Januar 2000 ergibt, da darin auf eine anliegende Zeichnung Bezug genommen wird.

Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch der weitere Ausgangspunkt in der angefochtenen Entscheidung, dass es entgegen der Ansicht des Antragstellers vorliegend nicht um die Einräumung eines Sondernutzungsrechts geht, sondern um eine Gebrauchsregelung, die grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss möglich ist. Die Kammer hat sich insoweit zu Recht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 2000, veröffentlicht in NJW 2000, 3211, gestützt, wonach über die Vermietbarkeit von im Gemeinschaftseigentum stehenden Räumen einer Wohnungseigentumsanlage im Wege der Gebrauchsregelung durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden kann, soweit nicht eine Vereinbarung entgegensteht und den Wohnungseigentümern kein Nachteil erwächst. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof angeführt, dass ein solcher Mehrheitsbeschluss über die Vermietung von Gemeinschaftseigentum den Wohnungseigentümern nicht das Recht zum Mitgebrauch entzieht, sondern es weiterhin voraussetzt und nur die Art und Weise der Ausübung regelt, indem er die Möglichkeit des unmittelbaren (Eigen-)Gebrauchs durch die des mittelbaren (fremd-Gebrauchs ersetzt und an die Stelle des unmittelbaren Gebrauchs den Anteil an der Mieteinnahme treten lässt (vgl. auch HansOLG ZMR 2003, 444). Diese Gründe müssen entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch dann gelten, wenn - wie hier - im Einzelfall bei einer großen Zahl von Eigentümern und einer nur zu einem relativ niedrigen Mietzins vermieteten kleinen Fläche der Anteil des einzelnen Eigentümers an der Mieteinnahme rechnerisch gering ausfällt und wirtschaftlich unbedeutend ist.

Dass vorliegend eine Vereinbarung entgegensteht, ist nicht ersichtlich und von dem Antragsteller auch nicht nachvollziehbar vorgetragen. Vielmehr hat die fragliche Vermietung einen ordnungsgemäßen Gebrauch zum Inhalt, so dass die Regelung nicht der Einstimmigkeit bedurfte. Der Teilungserklärung und dem eingereichten Aufteilungsplan lässt sich nicht entnehmen, dass bei der fraglichen Fläche die Nutzung als "Ruhezone" vereinbart worden ist. Da es sich um eine Fußgängerzone zwischen im Aufteilungsplan als solchen ausgewiesenen Läden handelt, liegt die Vermietung zum Zweck der Nutzung als Ausstellungsfläche für einen der Läden im Rahmen der nach den hier gegebenen konkreten Umständen zu berücksichtigenden Beschaffenheit und Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Vermietung von 8 qm Ausstellungsfläche gegenüber dem Schaufenster des Ladens "Blume 2000" ist bei Beachtung des Gebots der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen (vgl. BGH a.a.O.) auch nicht als nachteilig im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG anzusehen.

Die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, dass die Vermietung zum Zweck des Aufstellens von Blumengestellen weder der Beschaffenheit oder Zweckbestimmung des betroffenen Bereichs der Fußgängerzone widerspricht noch in Abwägung der allseitigen Interessen das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme verletzt, sondern - insbesondere im Hinblick auf den Wunsch, den gewerblichen Mieter zufrieden zu stellen und damit Leerstände zu vermeiden, - eine vertretbare Entscheidung darstellt, lässt im Rahmen der dem Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt möglichen Prüfung keinen Rechtsfehler erkennen. Das Beschwerdegericht konnte sich für die Beurteilung der Frage, ob ein Nachteil gegeben ist, auch mit den vorhandenen Plänen und Lichtbildern begnügen; einen unmittelbaren Augenschein in der Wohnanlage muss der Tatrichter nach § 12 FGG regelmäßig nur einnehmen, wenn - anders als hier - die vorgelegten Bilder nicht geeignet sind, einen ausreichenden Gesamteindruck von der Örtlichkeit und den vorgenommenen oder geplanten Änderungen und ihren Auswirkungen auf die Umgebung zu vermitteln (vgl. OLG Hamm WuM 1995, 220; BayObLG WuM 2004, 48, zit. nach juris). Die anhand der Fotos getroffene Feststellung der Kammer, die Benutzung der Rundbank unter der alten Linde sei nach wie vor uneingeschränkt möglich, der freie Blick auf den "Passantenstrom" von dieser Rundbank aus nur in einem bestimmten Segment, und zwar zur Seite des Blumenladens selbst eingeschränkt, was nicht als relevante Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 14 WEG anzusehen sei, ist frei von Verfahrensfehlern. Denn diese tatsächlichen Feststellungen sind auf der Grundlage der verwerteten Fotos nachvollziehbar, auf denen neben dem Blumengeschäft selbst und seiner unmittelbaren Umgebung insbesondere die Blumengestelle auf der fraglichen Fläche und ihre - den Kern des Streits bildende - Belegenheit in Bezug auf die Rundbank aus verschiedenen Blickwinkeln gut zu erkennen sind. Ob die tatsächlichen Folgerungen des Beschwerdegerichts die einzig möglichen sind oder eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte, braucht nicht erörtert zu werden, da dies mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht werden kann.

Neue Tatsachen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren ebenfalls nicht berücksichtigen, so dass sich Ausführungen zur rechtlichen Erheblichkeit der mit der weiteren Beschwerde unter Bezugnahme auf die Zeugen "X,Y und Z" vorgetragenen Behauptungen zum Gang der Diskussion bei der Eigentümerversammlung erübrigen.

Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 47 WEG die Gerichtskosten des Verfahrens zu tragen. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht der Senat auch für die dritte Instanz ab, da diese nicht durch den Gesichtspunkt der Billigkeit geboten ist, nachdem die Vorinstanzen in der Sache unterschiedlich entschieden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 WEG i.V.m. §§ 161 Satz 2 KostO, 30 Abs. 3 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 a.F. KostO.

Ende der Entscheidung

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