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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 06.11.2002
Aktenzeichen: 2 Wx 59/02
Rechtsgebiete: GVG, FGG, BGB, WEG, KostO
Vorschriften:
GVG § 17 a | |
GVG § 17 a Abs. 4 S. 3 | |
FGG § 12 | |
FGG § 27 | |
FGG § 29 | |
BGB § 2213 | |
WEG § 43 | |
WEG § 43 Abs. 1 | |
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1 | |
WEG § 43 Abs. 1 S. 1 | |
WEG § 45 Abs. 1 | |
WEG § 46 Abs. 1 | |
WEG § 47 S. 1 | |
WEG § 47 S. 2 | |
WEG § 48 Abs. 3 | |
KostO § 31 Abs. 1 S. 2 |
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß
In dem Rechtsstreit
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 6. November 2002 durch die Richter Dr. Lassen, Puls, Albrecht
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 1. Juli 2002 und der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, Abt. 102 c, vom 26. April 2002 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass zur Entscheidung über das Antragsbegehren das für die Wohnungseigentumssache zuständige Amtsgericht Hamburg berufen ist, das nach den Regeln der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu verfahren hat.
Die Gerichtskosten haben die Beteiligten je zur Hälfte zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Die Geschäftswerte des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht werden auf 500,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft, weil der Beschluss des Amtsgerichts, das Verfahren entsprechend §§ 46 Abs. 1 WEG, 17 a GVG an das Prozessgericht abzugeben (vgl. BGHZ 130, 159, 162 ff.), eine abschließende Entscheidung darstellt, die analog § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG gegen die bestätigende Entscheidung des Beschwerdgerichts die sofortige weitere Beschwerde gem. §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 1 WEG, 27, 29 FGG eröffnet (BayObLG NJW-RR 1996, 334; 1999, 11; Staudinger/Wenzel BGB 12. Aufl. § 46 WEG Rn 12, 10). Das Rechtsmittel ist auch zulässig, denn es ist form- und fristgemäß (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 S. 1 WEG, 27, 29 FGG) eingereicht worden.
Die sofortige weitere Beschwerde ist begründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 27 FGG).
Die Verweisung der Sache an das für den Wohnsitz der Antragsgegnerin zuständige allgemeine Prozessgericht in Plön ist zu Unrecht erfolgt. Die Antragstellerin als Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft Hansaplatz 1 in Hamburg hat ihren Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen Beschädigung von Gemeinschaftseigentum gegen die Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des verstorbenen Eigentümers Norbert Walter der Wohnung Nr. 7 der Wohnungseigentumsanlage zu Recht vor dem örtlich zuständigen Wohnungseigentumsgericht Hamburg geltend gemacht, denn es handelt sich um eine Angelegenheit im Sinne des § 43 WEG, für die das Wohnungseigentumsgericht und nicht eine Prozessabteilung beim Amtsgericht zuständig ist. Hätte die Antragstellerin nicht die Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des verstorbenen Wohnungseigentümers, sondern die Erben des Verstorbenen in Anspruch genommen, wäre die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts zweifelsfrei gegeben, da der Erbe kraft Gesetzes in die Rechtstellung des Erblassers und damit in die eines Wohnungseigentümers einrückt (§ 1922 BGB). An dieser Zuständigkeit ändert sich nichts dadurch, dass die Antragstellerin die Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des verstorbenen Wohnungseigentümers anstelle des Erben/der Erben in Anspruch nimmt. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 26. September 2002 (Az.: V ZB 24/02) ausgeführt, dass der Zuständigkeitsregelung in § 43 Abs. 1 WEG das Bestreben des Gesetzgebers zugrundeliege, Streitfälle innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft in möglichst weitgehendem Umfang dem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Hierfür maßgebend waren ausschließlich Zweckmäßigkeitserwägungen. Über die Rechte und Pflichten, die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergeben, soll vor allem deshalb im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden werden, weil dieses im Vergleich zum Zivilprozess einfacher, freier, elastischer, rascher und damit für Streitigkeiten mit einer häufig großen Zahl von Beteiligten besser geeignet ist. Dementsprechend ist die Zuständigkeitsbestimmung des § 43 Abs. 1 WEG weit auszulegen und es spricht im Zweifel eine Vermutung für die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte bei allen gemeinschaftsbezogenen Verfahrensgegenständen.
Der Bundesgerichtshof will deshalb nicht mehr am Wortlaut des § 43 WEG haften, wonach die Zuständigkeitsregel ein Streitverhältnis zwischen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft voraussetzt. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zu einem enggefassten Zuständigkeitsverständnis der Wohnungseigentumsgerichte aufgegeben und dem mit § 43 WEG verfolgten Zweck Rechnung getragen, indem er für die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte maßgebend sein läßt, dass das von einem Wohnungseigentümer bzw. Konkurs- oder Insolvenzverwalter oder einem Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gesamtverhältnis der Wohnungseigentümer oder aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erwachsen ist. Die hiernach für die Verfahrenszuständigkeit entscheidende Gemeinschaftsbezogenheit bei Entstehen eines Anspruchs geht aber nicht dadurch verloren, dass einzelne Beteiligte vor Rechtshängigkeit aus der Gemeinschaft ausgeschieden sind. Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, weil sie bei der Abgrenzung der gerichtlichen Zuständigkeitsbereiche zu unauflösbaren Wertungswidersprüchen führt, auf die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in den Rechtsmittelbegründungen ebenfalls hingewiesen hat. Hinzukommt, dass es nicht sachgerecht wäre, dass die mit der Zuständigkeit des Prozessgerichts oder des Wohnungseigentumsgerichts verknüpfte Verfahrensweise nach den Regeln der Zivilprozessordnung oder denen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit mit möglicherweise jeweils unterschiedlichen Ergebnissen davon abhängt, ob bei angeordneter Testamentsvollstreckung der Erbe bereits bekannt ist. Wäre der Erbe unbekannt im Zeitpunkt der Geltendmachung des wohnungseigentumsbezogenen Anspruchs, hätten die Wohnungseigentümer bzw. der von ihnen legitimierte Verwalter keine Chance, die Vorzüge des Verfahrens der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, etwa die der Amtsmaxime gem. § 12 FGG, zu nutzen, weil die Antragsteller gezwungen wären, den Testamentsvollstrecker vor dem Prozessgericht in Anspruch zu nehmen, wo der Beibringungsgrundsatz gilt.
Der Bundesgerichtshof hat zwar im erwähnten Beschluss vom 26. September 2002 keine direkte Aussage dazu getroffen, ob auch ein Testamentsvollstrecker über das Vermögen eines verstorbenen Wohnungseigentümers wegen einer § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG unterfallenden Streitigkeit, die der Verwalter im eigenen Namen für die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich geltend machen darf, vor dem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht verklagt werden kann. Indessen ergibt sich die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte in solchen Fällen zwanglos aus der Begründung der Entscheidung, wonach das Wohnungseigentumsgericht stets dann zuständig ist, wenn der verfolgte Anspruch seine Grundlage im Gemeinschaftseigentum hat und die an die Stelle des Wohnungseigentümers getretene Partei kraft Amtes - erwähnt sind im Beschluss des Bundesgerichtshofs Konkurs- und Insolvenzverwalter - Aktiv- oder Passivprozesse führt. Für den Testamentsvollstrecker, der die Rechtsstellung eines Treuhänders gemäß dem letzten Willen des verstorbenen Wohnungseigentümers als Inhaber eines privaten Amtes inne hat und ebenfalls Partei kraft Amtes ist, kann nichts anderes gelten, zumal die Handlungen des Testamentsvollstreckers - ausgenommen unerlaubte Handlungen - in ihren Wirkungen den Erben treffen (vgl. §§ 2206, 2213 BGB, 327, 782 ZPO).
Dem Argument des Landgerichts, dass die der Testamentsvollstreckerin möglicherweise zustehenden Einwendungen und Einreden nach Maßgabe der erbrechtlichen Regelungen in den streitigen Prozess gehören, kann kein Gewicht zukommen, denn die Erben des verstorbenen Wohnungseigentümers könnten, hätte die Antragstellerin sie gem. § 2213 BGB anstelle der Testamentsvollstreckerin in Anspruch genommen, die entsprechenden Einreden und Einwendungen ebenfalls vor dem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht im Rahmen des Verfahrens nach den Regeln der Freiwilligen Gerichtsbarkeit geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 S. 1 und 2 WEG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Zuständigkeitsfrage in Literatur und Rechtsprechung bis zur erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt und die erst nach Einlegung der Rechtsbeschwerde ergangen ist, umstritten war und es angemessen erscheint, dass die Beteiligten die Gerichtskosten hälftig tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, wäre unter diesen Umständen ebenfalls nicht sachgerecht, zumal in Wohnungseigentumssachen grundsätzlich jeder Beteiligte die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst tragen muss (BGH WM 84, 1254).
Bei der Festsetzung des Geschäftswerts gem. § 48 Abs. 3 WEG hat der Senat entsprechend der erwähnten Entscheidung des BGH vom 26. September 2002 etwa 1/5 des Werts der Hauptsache angesetzt. Hinsichtlich des vom Landgericht festgesetzten Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren hat der Senat von der durch § 31 Abs. 1 S. 2 KostO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Ende der Entscheidung
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