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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.08.2005
Aktenzeichen: 2 Wx 60/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 47
WEG § 48 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 60/05

In der Wohnungseigentumssache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 29. August 2005 durch die Richter Dr. Lassen, Puls, Jahnke

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 4. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert wird auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf € 3000,00 festgesetzt. Gründe: I. Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft in 22399 Hamburg. Die Antragstellerin verlangt von den Antragsgegnern, die Nutzung einer auf dem hinteren Grundstücksteil belegenen Garage mit angebautem Carport zu unterlassen. Die Rechte der Beteiligten bestimmen sich nach der Teilungserklärung vom 29. März 1983. Bestandteil der Teilungserklärung ist ein Lageplan, nach dem der gesamte hintere Grundstücksteil dem Sondernutzungsrecht der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, der vordere Grundstücksteil dem Sondernutzungsrecht des Antragsgegners zugewiesen ist. Auf dem hinteren Grundstücksteil befinden sich eine Doppelgarage und eine Einzelgarage, jeweils mit angebautem Carport. Die Einzelgarage nebst dort angebautem Carport wird seit 1978 von den Antragsgegnern genutzt. In der Teilungserklärung vom 29. März 1983 werden die Garagen und Carports nicht erwähnt. Lediglich in § 9 des notariellen Überlassungsvertrages vom 11. Juli 1989, mit dem die Antragstellerin von ihrer Mutter schenkweise das Wohnungseigentum erwirbt, findet sich der Absatz: "Der Erwerberin steht das alleinige Nutzungsrecht an den auf dem hinteren Teil des Grundstücks belegenen zwei Garagenstellplätzen zu. Der Erwerberin steht ferner das alleinige Nutzungsrecht an der hinteren Grundstücksfläche zu." Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Nutzung der auf dem Wohngrundstück Hamburg im hinteren Bereich aus der Sicht von der Straße rechts, an der Nachbargrenze gelegenen Garage und des links neben dieser Garage befindlichen Carports zu unterlassen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Hamburg-Barmbek mit Beschluss vom 15. Oktober 2004, auf den Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 4. Mai 2005, dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 18. Mai 2005, zurückgewiesen. Zur Begründung haben sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht ausgeführt, dass die Garage im Gemeinschaftseigentum stehe und die Antragstellerin kein Sondernutzungsrecht oder sonstiges Recht zum Besitz hinsichtlich der Garage und des Carports habe. Das in der Teilungsvereinbarung begründete Sondernutzungsrecht am hinteren Grundstücksteil umfasse mangels hinreichender Bestimmtheit nicht die Fahrzeugstellplätze. Das Landgericht hat darüber hinaus das Recht der Antragsgegner zum alleinigen Besitz und zur Nutzung der Einzelgarage aus einer durch schlüssiges Verhalten begründeten vertraglich vereinbarten Gebrauchsregelung hergeleitet, an die die Antragstellerin gebunden sei. In die ursprünglich zwischen der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin und den Antragsgegnern hierüber getroffene Vereinbarung sei die Antragstellerin später eingetreten. Gegen den Beschluss des Landgerichts wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde, die sie am 2. Juni 2005 eingelegt hat. Sie ist der Ansicht, dass das Landgericht zu Unrecht von einer vertraglichen Gebrauchsregelung hinsichtlich der Garage ausgehe. Auch habe sich die Antragstellerin zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt noch nicht abschließend äußern können, da das Landgericht in der mündlichen Verhandlung nur allgemein auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen habe; die Antragstellerin rügt insoweit die Verletzung rechtlichen Gehörs. Weiter macht sie geltend, dass die Antragsgegner die Garage selbst bei Vorliegen einer solchen Gebrauchsregelung nur zum Abstellen von Fahrzeugen, nicht aber als Werkstatt benutzen dürften, da dies eine nicht durch die Wohnungseigentümer gebilligte Nutzungsänderung darstelle. Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 04.05.2005 aufzuheben und entsprechend der erstinstanzlichen Antragstellung zu erkennen. Ferner beantragt sie hilfsweise,

die Antragsgegner zu verpflichten, die Nutzung der auf dem Wohngrundstück Hamburg, im hinteren Bereich aus der Sicht von der Straße rechts an der Nachbargrenze gelegenen Garage und des links neben der Garage befindlichen Carports als Werkstatt zu unterlassen. Die Antragsgegner beantragen,

die Anträge zurückzuweisen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 4. Mai 2005 ist zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 FGG), in der Sache aber unbegründet. Der Beschluss des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Das Landgericht kommt in fehlerfreier Rechtsanwendung zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin keinen Anspruch gegen die Antragsgegner auf Unterlassung der Nutzung der Einzelgarage und des Carports hat. Weder steht die auf dem hinteren Grundstücksteil befindliche Einzelgarage nebst dazugehörigem Carport im Sondereigentum der Antragstellerin, noch hat die Antragstellerin ein Sondernutzungsrecht oder einen Anspruch auf Einräumung von Besitz an der Garage, da die Antragsgegner kraft vertraglich vereinbarter Gebrauchsregelung ein Recht zum Alleinbesitz und zur Nutzung der Einzelgarage samt des dazugehörigen Carports haben (1.). Der hiermit begründete Beschluss des Landgerichts beruht auch nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin (2.). Dass die Antragsgegner die Garage nunmehr als Werkstatt nutzen, stellt keine Nutzungsänderung dar, die der Änderung der Gebrauchsregelung durch die Wohnungseigentümer bedarf (3.). . 1.

Ohne Rechtsfehler gelangt das Landgericht zu der Auffassung, dass die Einzelgarage und der dazugehörige Carport weder im Sondereigentum der Antragstellerin stehen, noch der Antragstellerin diesbezüglich ein Sondernutzungsrecht zusteht. Die Teilungserklärung vom 29. März 1983 trifft auch nach Ansicht des Senats, der als Rechtsbeschwerdegericht zur selbständigen Auslegung der Teilungserklärung befugt ist (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 45, Rn. 87 m.w.N.), keine Regelung über die auf dem hinteren Grundstücksteil belegenen Pkw-Stellplätze. Die in der Teilungserklärung vorgenommene Aufteilung in vorderen Grundstücksteil einerseits und hinteren Grundstücksteil andererseits lässt allein keinen Schluss dahingehend zu, dass die auf dem hinteren Grundstücksteil schon damals vorhandene Einzelgarage dem Sondernutzungsberechtigten dieses Grundstücksteils zur Nutzung zugewiesen ist. Dafür ist die Teilungserklärung, in der Stellplätze keine Erwähnung finden, zu unbestimmt. Vielmehr ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die seit dem Jahr 1978 praktizierte Nutzung auf der Grundlage einer stillschweigend vereinbarten Gebrauchsregelung auch nach dem Wirksamwerden der Teilungsvereinbarung so fortgeführt werden sollte, so dass den Antragsgegnern ein Recht zum Alleinbesitz und zur alleinigen Nutzung der Einzelgarage und des zugehörigen Carports zusteht. Das Landgericht hat hierzu in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Überlassungsvertrag vom 11. Juli 1989, mit dem die Antragstellerin von ihrer Mutter das Wohnungseigentum erworben hat, zur Auslegung herangezogen. In diesem Vertrag wird nämlich mit dem Wohnungseigentum auch nur die Nutzungsberechtigung hinsichtlich der beiden Garagenstellplätze der Doppelgarage auf die Antragstellerin übertragen. Der hieraus vom Landgericht gezogene Schluss, dass hinsichtlich der Einzelgarage eine anderweitige vertragliche Gebrauchsregelung zwischen der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin und den Antragsgegnern bestand, verletzt keine gesetzlichen Auslegungsregeln und hält sich in dem von Wortlaut und Denklogik vorgegebenen Rahmen. Die vom Landgericht gewonnene Auffassung ist bei Berücksichtigung dieses Überlassungsvertrages und der schon zuvor jahrelang dauernden Übung hinsichtlich der Nutzung der Einzelgarage auch naheliegend. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das Landgericht rechtsfehlerfrei von der Fortgeltung dieser Gebrauchsregelung kraft konkludent zwischen den Beteiligten zustande gekommener Vereinbarung ausgegangen. Auch wenn bloßes Schweigen in der Regel keine Willenserklärung darstellt, so kann ihm doch ein Erklärungswert zukommen, wenn der Schweigende verpflichtet gewesen wäre, seinen ablehnenden Willen zum Ausdruck zu bringen (Palandt-Heinrichs, 64. Aufl., vor § 116, Rn. 8). Eine solche Verpflichtung traf hier die Antragstellerin. Wie das Landgericht rechtlich einwandfrei ausgeführt hat, kommt der billigenden Inkaufnahme der schon vordem jahrelang praktizierten Garagennutzung ein solcher Erklärungswert zu. Der Antragstellerin war durch den von ihr akzeptierten Vertragstext des Überlassungsvertrags vom 11. Juli 1989 die Gebrauchsregelung hinsichtlich der Garagennutzung bekannt. Sie hätte sich rechtzeitig und unmissverständlich gegen die Fortführung dieser in dauernder Übung gefestigten Gebrauchsregelung verwahren müssen. 2.

Dass das Landgericht seine Entscheidung auf den rechtlichen Gesichtspunkt der vertraglich vereinbarten Gebrauchsregelung gestützt hat, geschah ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin. Ein Hinweis, dass das Gericht die durch schlüssiges Verhalten zustande gekommene Gebrauchsregelung für entscheidungserheblich hält, ist in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2005 ausweislich des Verhandlungsprotokolls erteilt worden. Die Antragstellerin und ihr Prozessbevollmächtigter hätten sich in der mündlichen Verhandlung dazu äußern können. Ist eine solche Äußerung in der mündlichen Verhandlung nicht möglich, obliegt es der betroffenen Partei auch im Wohnungseigentumsverfahren als einem echten Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte die Gewährung einer Schriftsatzfrist zwecks Vortrags zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu beantragen ( für den Zivilprozess vgl. Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 139, Rn. 33). Hinzukommt, dass versäumtes rechtliches Gehör zu Rechtsfragen (anders als zu tatsächlichen Fragen) in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt und ein etwaiger Verstoß dadurch geheilt werden kann (vgl Keidel-Schmidt RN 176 zu § 12 FGG). Die Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin in der Rechtsbeschwerde führt aber nach dem zuvor unter 1. Gesagten nicht zu einer von der Entscheidung des Landgerichts abweichenden Beurteilung . 3.

Die Antragstellerin kann von den Antragsgegnern auch nicht die Unterlassung der Nutzung von Garage und Carport als Werkstatt verlangen. Hinsichtlich des Carports fehlt schon das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin, da sie eine Nutzung des Carports als Werkstatt nicht behauptet. In Bezug auf die Nutzung der Garage als Werkstatt hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf eine Unterlassung dieser Nutzung. Die Änderung der Nutzung der Garage - nach Vortrag der Antragstellerin seit mindestens Frühjahr 2003 - berührt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten als Wohnungseigentümerin, zumal nur den Antragsgegnern ein Recht zur Nutzung der Einzelgarage zusteht. Die Antragstellerin hat keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass sie durch eine Nutzung der Garage als Werkstatt stärker beeinträchtigt werde als durch eine Garagennutzung. 4.

Die Gerichtskosten der Rechtsbeschwerdeinstanz hat nach § 47 WEG die Antragstellerin als Unterlegene zu tragen. Es besteht kein hinreichender Anlass, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner aufzuerlegen, weil es sich um eine typische Streitigkeit unter Wohnungseigentümern handelt. Die Festsetzung des Geschäftswerts auf € 3.000,00 folgt aus § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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