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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 15.03.2001
Aktenzeichen: 2 Wx 88/97
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO, BGB, HaBauO


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
WEG § 48
WEG § 15 Abs. 3
FGG § 27 ff.
FGG § 27 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 550
ZPO § 561
BGB § 1004 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 2
BGB § 242
HaBauO § 10
HaBauO § 10 Abs. 8
HaBauO § 48 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 88/97 318 T 150/96

In der Wohnungseigentümersache

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 15. März 2001 durch die Richter Dr. Lassen, Stöger, Wings

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin vom 8. Oktober 1997 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 17. September 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 10.000 DM.

Gründe

Die gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27 ff. FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht vollen Umfangs stand, §§ 27 Abs.1 Satz 2 FGG, 550, 561 ZPO.

Zutreffend hat das Landgericht zunächst einen Anspruch des Antragstellers gegenüber die Antragsgegnerin gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der errichteten Terrasse bejaht, soweit diese einschließlich der Betontraversen und der Holzlamellenelemente entgegen der Teilungserklärung auf Flächen errichtet wurde, die im Lageplan zur Teilungserklärung vom 30. August 1994 als KFZ-Stellplatz-Sondernutzungsflächen A,B,C, Grünstreifen und Kleinkinderspielplatz bezeichnet sind. Die auf diese Weise durchgeführte Überbauung stellt eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums dar, welches der Antragsgegnerin nicht zur alleinigen Benutzung zugewiesen ist.

Die angefochtene Entscheidung weist jedoch Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsgegnerin auf, soweit das Landgericht eine Pflicht des Antragstellers zur Duldung der vollständigen Überbauung nach dem zu Grunde gelegten Sachverhalt ausgeschlossen hat, § 1004 Abs. 2 BGB.

Zwar hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht eine Duldungspflicht des Antragstellers gemäß § 242 BGB entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verneint, soweit diese rügt, der Antragsteller habe sein Wohneigentum erworben wie es "steht und liegt". Aus den Erörterungen zwischen dem Vater der Antragsgegnerin und dem Antragsteller sei diesem bekannt gewesen, dass die gemeinschaftliche Fläche zwischen dem Sondereigentum der Antragsgegnerin und der Straße kleiner ausfallen würde. Die Antragsgegnerin räumt selbst ein, dem Antragsteller sei die Abweichung nicht genau "vorgemessen" worden. Es kann als richtig unterstellt werden, dass der Antragsteller die genaue Abweichung der Bauausführung erkennen konnte. Die Antragsgegnerin durfte dennoch nicht darauf vertrauen, dass der Antragsteller auch diese Erkenntnis hatte und ungeachtet dessen den Fortschritt der Arbeiten an dem seinerzeit im Kellerausbau befindlichen Dreifamilienhaus nicht untersagte.

Ferner lässt die angefochtene Entscheidung Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsgegnerin auch nicht erkennen, soweit sie rügt, es sei gemäß § 242 BGB treuwidrig, wenn sich der Antragsteller darauf berufe, der Kaufvertrag regele lediglich die Rechtsbeziehungen zu der Verkäuferin, nicht hingegen zu der Antragsgegnerin. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass für die Rechtsbeziehungen zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes sowie die unter den Wohnungseigentümern getroffenen bzw. bestehenden vertraglichen Vereinbarungen maßgeblich sind. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Die Rechtsbeschwerde rügt auch zu Unrecht, das Landgericht habe bei zutreffender Anwendung des § 15 Abs. 3 WEG den Beseitigungsanspruch des Antragstellers als unbegründet erachten müssen. Die Antragsgegnerin verkennt, dass § 15 Abs. 3 WEG eine Rangfolge der Kriterien vorgibt, an denen der Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums zu messen ist. Danach kann sie sich hinsichtlich des Gebrauchs der gemeinschaftlichen Grundstücksfläche erst auf billiges Ermessen im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer berufen, soweit sich aus dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen hieraus nichts ergibt. Tatsächlich regelt aber die Teilungserklärung in Verbindung mit dem Lageplan die Nutzung derjenigen im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstücksfläche, welche die Antragsgegnerin mit der von ihr errichteten Terrasse überbaute. An die Regelung der Teilungserklärung ist auch das erkennende Gericht gebunden.

Der Antragsgegnerin ist es jedoch entgegen der Ansicht des Landgerichts rechtlich nicht verwehrt, sich grundsätzlich auf einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung zu berufen, § 242 BGB. Sie vermag einen solchen Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung dem Beseitigungsanspruch des Antragstellers gemäß § 1004 Abs. 1 BGB einredeweise entgegenzusetzen.

Zwar weist das Landgerichts zutreffend darauf hin, dass sowohl nach der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte wie auch des Bundesgerichtshofs ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung einredeweise - im Beschlussanfechtungsverfahren - nicht geltend gemacht werden kann. Indessen betreffen - soweit dem Senat ersichtlich - alle jene Entscheidungen lediglich solche im Zusammenhang mit der Beurteilung der Angemessenheit streitiger Kostenverteilungsschlüssel (vgl. BGHZ 130, 304, 312 = BGH NJW 1995, 2791; OLG Düsseldorf NJW 1985, 2837;KG ZMR 1992, 509; Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 3. August 1996, 2 Wx 42/95). Begründet wird das jeweilige Ergebnis mit dem Interesse an einer klaren Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem die neue Regelung gilt (vgl. BGH a.a.O. mwN). Die Richtigkeit dieser Argumentation liegt bei der Frage der Angemessenheit streitiger Kostenverteilungsschlüssel auf der Hand. Das Erfordernis jährlicher Kostenabrechnung bedarf einer klaren Regelung, ab welchem Zeitpunkt welcher Verteilungsschlüssel der Abrechnung zu Grunde zu legen ist. Dazu bedarf es einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung. Dagegen besteht hier kein Bedürfnis, die rechtliche Position der Antragsgegnerin in der Weise einzuschränken, die einredeweise Geltendmachung eines Anspruch auf Abänderung der Teilungserklärung gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung gegenüber einem Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs.1 BGB nicht zu zulassen. Damit wird auch einer Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht vorgegriffen. Denn auf Grund der Haltung des Antragstellers, der das Verfahren mit seinem der landgerichtlichen Entscheidung entsprechenden Antrag in Gang gesetzt hat, ist davon auszugehen, dass seine notwendige Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung nicht zu erreichen sein wird.

Ob und in welchem Umfang die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung hat, steht nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen, welche die bauordnungsrechtliche Situation unberücksichtigt lassen, nicht fest und entzieht sich der abschließenden Beurteilung durch den Senat.

Unzutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Anpassung der Teilungserklärung an die jetzt tatsächlich bestehenden Verhältnisse - ungeachtet der bauordnungsrechtlichen Situation - nicht zusteht. Es sind nämlich außergewöhnliche Umstände nicht auszuschließen, die ein Festhalten an der ursprünglich geplanten Lage der Stellplätze, der Grünfläche und des Kinderspielplatzes als grob unbillig und damit als treuwidrig erscheinen lassen, § 242 BGB. Wäre es möglich, unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten die Terrasse zumindestens teilweise zu belassen und gleichzeitig unter Beachtung des Bauordnungsrechts Stellplätze, Grünfläche und Spielplatz - wenn auch in der Lage modifiziert - zu realisieren, würde es an einem schutzwürdigen Interesse des Antragstellers fehlen, die vollständige Beseitigung der Überbauung zu verlangen, die sich bei einem Anspruch der Antragsgegnerin auf Änderung der Teilungserklärung in diesem Umfang als nutzlos erweist.

Unstreitig ist, dass die Terrasse in einem Umfang erstellt wurde, der hinsichtlich ihrer Größe der ursprünglichen Planung und dem Lageplan entspricht. Das Interesse der Antragsgegnerin als Wohnungseigentümerin an einer Bauausführung mit einer Terrasse in dieser Größe ist grundsätzlich nicht geringer zu erachten, als das Interesse des Antragstellers an einer Nutzung des Gemeinschaftseigentums bezüglich der KFZ-Stellplätze, der Grünfläche und des Kinderspielplatzes entsprechend der Teilungserklärung in Verbindung mit dem Lageplan. Ein außergewöhnlicher Umstand besteht bereits in der von der ursprünglichen Planung abweichenden Erstellung des Dreifamilienhauses zu nah an der Straße R dergestalt, dass die Erstellung der Terrasse und die Erstellung der Stellplätze, der Grünfläche und des Kinderspielplatzes nach ursprünglicher Maßgabe nicht möglich ist. Andererseits hat die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch das Bezirksamt B ( Bauamt ), eine Möglichkeit aufgezeigt, die bei teilweisem Rückbau der Terrasse sowohl einen Grünstreifen mit einer Breite von 3 Metern wie auch Stellplätze in einer Tiefe von 5 und einer Breite von 2,50 Metern - wie vom Bauamt gefordert - sichert. Mit dieser Lösung, die der Senat in Bezug auf Stellplätze und Grünstreifen grundsätzlich für sachgerecht erachtet, ist dem Interesse des Antragstellers, dessen Sondereigentum sich auf der gegenüberliegenden Seite des Grundstücks befindet, hinreichend Rechnung getragen. Andererseits entfällt bei dieser Lösung die Notwendigkeit für die Antragsgegnerin, die vollständige Überbauung der nach Lageplan anderweitig zu nutzenden Gemeinschaftsflächen zu beseitigen. Dies allerdings ist ihr auch zumutbar, wie bereits das Amtsgericht in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 1996 zutreffend ausgeführt hat. Denn die Antragsgegnerin selbst veranlasste den Ausbau der Terrasse in der gegenwärtigen Ausführung.

Indessen ist eine abschließende Beurteilung des etwaigen Anspruchs der Antragsgegnerin auf Änderung der Teilungserklärung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, weil in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nicht geklärt ist, ob und inwieweit der ursprünglich vorgesehene Kleinkinderspielplatz realisiert werden kann und muss.

Die vom Bauordungsamt vorgeschlagene Lösung, die entsprechend der Entscheidung des Amtsgerichts einen Rückbau der Terrasse bis zu einer Distanz von 13 Metern zu der Straße R vorsieht, geht davon aus, dass der Kinderspielplatz nicht zu erstellen ist. Andererseits liegt der Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch das Bezirksamt B, vom 23.9.1996 vor, mit dem die Bauherrin aufgefordert wurde, den erforderlichen Kleinkinderspielplatz in einen Lageplan einzutragen zwecks Vorbereitung der gemeinsamen Fertigstellung mit den Außenanlagen. Ob und mit welchem Ergebnis nach unstreitig eingelegtem Widerspruch der Adressatin das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, oder ob möglicherweise die Freie und Hansestadt Hamburg eine Befreiung vom Erfordernis des § 10 HaBauO ausgesprochen hat, lässt der festgestellte Sachverhalt nicht erkennen. Feststellungen hierüber sind aber notwendig, um die Frage beurteilen zu können, in welchem Umfang gegebenenfalls die Terrasse zurückzubauen ist, um eine bauordnungsrechtlich nicht zu beanstandende Herrichtung der Gemeinschaftsfläche mit oder ohne Kinderspielplatz zu gewährleisten. Nur unter Berücksichtigung dieser bauordnungsrechtlichen Situation kann die Rechtsfrage entschieden werden, in welchem Umfang ggf. ein Anspruch der Antragsgegnerin auf Änderung der Teilungserklärung besteht und einredeweise dem Beseitigungsanspruch entgegengehalten werden kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Antragsteller selbst Kinder hat. Denn die Vorschrift des §10 HaBauO dient abstrakt den Belangen aller Wohnungseigentümer bzw. Bewohner der Wohnanlage, so auch dem Antragsteller. Ziel der Vorschrift ist es, sozialen Belangen gerecht zu werden und allen Kindern der auf dem Grundstück Wohnenden einen Bereich zu eröffnen, der ein kindgerechtes Spielen im Freien eröffnet. Damit korrespondiert die Verpflichtung der Eigentümer, allen auf dem Grundstück Wohnenden die Spielplatzfläche zweckgebunden offen zu halten ( vgl. Alexej-Haase-Grossmann, Hamburger Bauordnung, Rn1 zu § 10 ). Die Möglichkeit der Inanspruchnahme ist in diesem Zusammenhang ein abstrakte. Dies zeigt die Vorschrift des § 10 Abs. 8 HaBauO, welche vorgibt, dass ein Spielplatz erst dann nicht hergestellt werden muss, wenn die Art der Wohnung dies nicht erfordert. Von Belang in bauordnungsrechtlicher Hinsicht ist auch der Umstand, dass gemäß § 48 Abs. 3 HaBauO die Unterbringung des Kinderspielplatzes auf dem Grundstück der Wohnungseigentümer grundsätzlich den Vorrang hat vor den Stellplätzen für Kraftfahrzeuge. Konkurrieren Kinderspielplatz und Stellplätze wegen beengter Grundstücksverhältnisse, so ist als erstes die Kinderspielplatzfäche auf dem Grundstück unterzubringen ( so Alexej-Haase-Grossmann, Hamburger Bauordnung, Rn 5 zu § 10). Daraus folgt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Terrasse in einem Umfang zu entfernen, der notwendig ist, um einen bauordnungsrechtlich einwandfreien Zustand auch hinsichtlich des Kinderspielplatzes zu gewährleisten.

Die Festsetzung des Geschäftswert erfolgt gemäß § 48 WEG.

Ende der Entscheidung

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