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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 07.04.2003
Aktenzeichen: 2 Wx 9/03
Rechtsgebiete: WEG, FGG


Vorschriften:

WEG § 18
WEG § 18 Abs. 1
WEG § 18 Abs. 3
WEG § 19
WEG § 45
FGG § 22
FGG § 27
FGG § 28 Abs. 2
FGG § 29
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 Wx 9/03

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 2. Zivilsenat, am 7. April 2003 durch die Richter

Dr. Lassen, Puls, Albrecht

beschlossen:

Tenor:

1) Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts, Zivilkammer 18, vom 6. Januar 2003 (Az.: 318 T 123/02) wird zurückgewiesen.

2) Der Antragsteller trägt die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens. Darüber hinaus hat der Antragsteller den Antragsgegnern die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3) Der Geschäftswert für das weitere Beschwerdeverfahren wird auf € 3.000,00 festgesetzt.

Gründe:

Die gem. §§ 45 WEG, 27, 29, 22 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einem Rechtsfehler (§ 27 FGG, § 546 ZPO).

I. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller von seinen verschiedenen ursprünglichen Begehren nur noch das Ziel weiter, die Ungültigkeit bzw. Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 11 auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 23. April 2002 (Anl. B 1) festzustellen (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG).

Auf dieser Versammlung haben die Anwesenden mit einer Mehrheit von 77 Ja-Stimmen gegenüber 8 Nein-Stimmen den Beschluss gefasst, wie er in der Anlage 5 zur Einladung formuliert ist:

"Die Gemeinschaft beschließt, den Wohnungseigentümer Herrn Dr. W. M wegen seiner ständigen Beleidigungen und persönlichen Verunglimpfungen in Schriftsätzen und Redebeiträgen abzumahnen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hält ein Zusammenleben und eine Zusammenarbeit mit Herrn Dr. M unter diesen Bedingungen für unmöglich.

Ferner überzieht Herr Dr. M die Wohnungseigentümergemeinschaft seit Jahren mit einer Vielzahl von kostenträchtigen Prozessen.

Diese Abmahnung umfasst gleichzeitig die Androhung, dass die Gemeinschaft bei weiteren Verstößen durch Herrn Dr. M Klage auf zwangsweise Entziehung des Wohnungseigentums erheben wird."

Der Antragsteller hat geltend gemacht, für einen derartigen Beschluss fehle der Wohnungseigentümergemeinschaft in Ansehung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000 (ZMR 2000, 771 f.) die Beschlusskompetenz schlechthin.

Im Übrigen sei der Versammlungsort wegen Fehlens eines übersichtlichen großen Saales ungeeignet gewesen und die Stimmenauszählung, bei der der Verwalter allein durch den Gang geschritten sei und die Ja- bzw. Nein-Stimmen gezählt habe, sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Eine Kontrolle habe nicht stattgefunden. Das Abstimmungsergebnis müsse deshalb angezweifelt werden.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 2. August 2002 den Antrag zurückgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, der Antragsteller habe die Feststellung der Beschlussfähigkeit der Versammlung nach Anteilen sowie die spätere Stimmenauszählung nach Köpfen nicht erschüttern können. Angesichts der deutlichen Stimmenmehrheit fehle es jedenfalls an der Kausalität.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 6. Januar 2003 zurückgewiesen.

Mit der hiergegen gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde wiederholt der Antragsteller seine Rechtsansicht, der Wohnungseigentümergemeinschaft fehle die Beschlusskompetenz. Es sei einem Wohnungseigentümer nicht zuzumuten, wegen unzutreffender Tatsachenbehauptungen abgemahnt zu werden. Der schriftliche Eigen-tümerbeschluss entfalte indizielle Wirkung und sei geeignet, die Persönlichkeitsrechte des Antragstellers zu beeinträchtigen. Angesichts der Tatsache, dass die Protokolle bei jedem Verkauf einer Wohnung dritten Personen zur Kenntnis gelangten, sei es geboten, dem Betroffenen die Möglichkeit einer Richtigstellung in jeder Hinsicht einzuräumen. Die Beweislage sei erschwert, wenn es unter Umständen Jahre später zum Einziehungsverfahren komme.

Im Übrigen seien formelle Mängel der Beschlussfassung mit Schriftsatz vom 25. Juli und 29. Juli 2002 durchaus gerügt worden. Eine ordnungsgemäße Auszählung der Stimmen habe nicht stattfinden können. Jedenfalls fehle es an der erforderlichen absoluten Mehrheit aller stimmberechtigten Eigentümer gem. § 18 Abs. 3 WEG.

Die Antragsgegner verteidigen die landgerichtliche Entscheidung. Insbesondere müsse der Antragsteller die Erwähnung der bloßen Tatsache einer Abmahnung im Protokoll hinnehmen, zumal ehrenrührige Behauptungen im Einzelnen nicht enthalten seien. Die späteren Beweisschwierigkeiten seien allein Sache der Antragsgegner. Eine absolute Mehrheit sei bei bloßen Abmahnungen nicht erforderlich, denn es handele sbh um einen normalen Beschlussgegenstand.

II. Die in der Beschwerdebegründung enthaltenen Gesichtspunkte vermögen die Annahme einer Rechtsverletzung nicht zu stützen. Die angegriffene landgerichtliche Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung vollen Umfangs stand.

1) Die ins Feld geführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann der Ansicht des Antragstellers nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Wenn die Wohnungseigentümer über das Veräußerungsverlangen gem. § 18 WEG beschließen können, folgt daraus ohne Weiteres das als Minus enthaltene Recht zu einem geringeren Eingriff, nämlich zu beschließen, als milderes Mittel zuvor den Betreffenden unter Androhung der Folgen des § 18 WEG abzumahnen. In diesem Sinne hat der Senat bereits in der den Parteien bekannten Entscheidung vom 18. Mai 1988 (2 W 57/87) sogar bezogen auf die hier betroffene Wohnungseigentümergemeinschaft entschieden und sieht auch heute keinen Anlass, davon abzuweichen. Vielmehr entspricht diese Auffassung der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BayObLG WE 1996, 115, 116 = NJW-RR 1996, 12, 13 = WuM 1995, 500, 501 = DWE 1995, 106, 107; Bärmann-Pick-Merle § 18 Rz 42 am Ende; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 3. Aufl., Rz 378).

2) Hinsichtlich des Kontrollumfangs in gerichtlichen Anfechtungsverfahren ist das Landgericht ebenfalls der zutreffenden herrschenden Meinung gefolgt, wonach der Abmahnungsbeschluss ebenso wie ein Entziehungsbeschluss gem. § 18 WEG vom Wohnungseigentumsgericht nur auf formelle Mängel überprüft werden darf. Dem liegt die unterschiedliche Kompetenzverteilung zugrunde, die das Wohnungseigentumsgericht in seiner Prüfungskompetenz einschränkt: Erst das Prozessgericht hat gem. § 51, § 19 WEG darüber zu entscheiden, ob ein die Entziehung rechtfertigender Grund vorliegt. Denn der Eigentümerbeschluss nach § 18 Abs. 3 WEG soll das Entziehungsverfahren in Gang bringen und stellt lediglich eine besondere Prozessvoraussetzung für die Klage dar (BayObLG WuM 1990, 95; NZM 1999, 578, 579; OLG Düsseldorf DWE 1995, 119, 120; OLG Köln WE 1998, 382, letzteres unter Hinweis auf die Prozessökonomie; Bärmann-Pick-Merle § 43 Rz 36).

Dem entsprechend hat das Prozeßgericht auch über die sachliche Berechtigung einer Abmahnung zu entscheiden. Dies gilt jedenfalls, wenn in der Abmahnung ein die Entziehung generell rechtfertigender Grund genannt wird (BayObLG a.a.O.; Bärmann-Pick-Merle § 18 Rz 42, § 43 Rz 37).

Die bisweilen als abweichende Ansicht zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (DWE 1995, 119, 120), die bereits aus dem Jahre 1991 stammt, dürfte überholt sein, weil sie noch auf eine ältere Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts Bezug nimmt (BayObLGZ 1985, 171, 175), die dieses mit der zitierten Entscheidung aus dem Jahre 1995 ausdrücklich aufgegeben hat. Darüber hinaus ging es in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf abweichend vom vorliegenden Fall um eine Sachverhaltskonstellation, bei der Zweifel bestanden, ob der gefasste Abmahnungsbeschluss ausreichend den Willen der Gemeinschaft erkennen ließ, das Rechtsverhältnis zum abzumahnenden Wohnungseigentümer in bestimmter Weise festzulegen. Dass das Wohnungseigentumsgericht den Abmahnungsbeschluss auch daraufhin zu untersuchen hat, welchen Inhalt er hat, entspricht jedoch der herrschenden Meinung. Insofern besteht unter keinem Gesichtspunkt Anlass zu einer Vorlage gem. § 28 Abs. 2 FGG.

Persönlichkeitsrechte des Antragstellers können an dieser Rechtslage nichts ändern. Jeder Wohnungseigentümer muss hinnehmen, dass die Tatsache von Streitigkeiten untereinander sich aus dem Protokoll ergibt. Die Behauptung einzelner, dem Antragsteller zugeschriebener Äußerungen wird damit Dritten nicht zugänglich gemacht. Indizielle Bedeutung kommt dem Abmahnungsbeschluss für das spätere Entziehungsverfahren nicht zu. Das Prozeßgericht muss selbst gegebenenfalls eine Beweisaufnahme durchführen und die Beweise würdigen. Das Problem der Beweislast trifft somit nicht den Antragsteller als Gegner eines solchen Verfahrens. Das Risiko einer Verschlechterung der Beweislage tragen die übrigen Wohnungseigentümer als Beweisverpflichtete.

3) Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht angenommen, der Antragsteller habe formelle Mängel in keiner Weise ausreichend vorgetragen.

a) Die Ungeeignetheit des Versammlungsortes hat er dahin umschrieben, es handele sich um das Vereinshaus des Kleingartenvereins E, das eher einem Gartenlokal ähnele und über keinen großen Versammlungsraum verfüge, sondern in verschiedene Nischen aufgeteilt sei, in die keine ungehinderte Einsicht bestehe. Die Wohnungseigentümer seien von anderen Besuchern nicht zu unterscheiden gewesen.

Die Kausalität der Örtlichkeit für einen Abstimmungsmangel ist damit nicht dargetan. Es war Aufgabe des Versammlungsleiters, die Anwesenheit festzustellen und die Stimmen später auszuzählen. Die Annahme des Antragstellers, dies könne nicht gelungen sein, verbleibt im rein Spekulativen. So hat der Antragsteller nicht etwa behauptet, bestimmte konkrete Personen seien vom Versammlungsleiter nicht wahrgenommen oder doppelt gezählt worden. Somit hat der Antragsteller tatsächlich keine begründeten Zweifel daran wecken können, dass der Versammlungsleiter sich erfolgreich beim Gehen durch die Gänge einen vollständigen Überblick verschafft hat.

b) Die Beschlussfähigkeit der Versammlung (§ 25 Abs. 3 WEG), wie im Protokoll vermerkt, bezweifelt der Antragsteller in seiner weiteren Beschwerde offenbar nicht mehr, sondern legt sie zugrunde. Die Ausführungen des Antragstellers im Schriftsatz vom 25. Juli 2002 hatten im Übrigen lediglich Vermutungen bezüglich Vollmachten und Geschäftsunfähigkeit einzelner Wohnungseigentümer enthalten. Die unterschiedliche Anzahl von Stimmen bei den verschiedenen Abstimmungen hatte bereits das Amtsgericht plausibel mit der zeitweisen Abwesenheit einzelner Wohnungseigentümer erklärt.

c) Absolute Mehrheit im Sinne von § 18 Abs. 3 WEG, d.h. die Mehrheit der stimmberechtigten Eigentümer, war für den Abmahnungsbeschluss nicht erforderlich.

§ 18 Abs. 3 WEG trifft eine Sonderregelung nur für das Einziehungsverfahren selbst gem. § 18 Abs. 1 WEG. Die bloße Abmahnung als vorbereitende Maßnahme unterfällt hingegen den allgemeinen Regelungen und konnte mit einfacher Mehrheit der Anwesenden beschlossen werden (§ 25 Abs. 1 WEG; Bärmann-Pick-Merle § 25 Rz 89).

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 47, 48 WEG. Angesichts zweier sorgfältig begründeter Entscheidung der Vorinstanzen entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsteller als Unterlegener nicht nur die Gerichtskosten trägt, sondern auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu erstatten hat.

Ende der Entscheidung

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