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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: 3-30/07 (Rev)
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 163
StPO § 163 f Abs. 1
StPO § 163 f Abs. 3
1. Eine längerfristige Observation gemäß § 163 f Abs. 1 StPO liegt nicht nur dann vor, wenn diese von vornherein auf eine Überschreitung der in § 163 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 StPO genannten Fristen gerichtet ist, sondern auch, wenn sich während einer zunächst kurzfristig angelegten Beobachtung herausstellt, dass die Fristen des § 163 f Abs. 1 StPO überschritten werden müssen. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft gemäß § 163 f Abs. 3 StPO ist einzuholen, sobald sich die Notwendigkeit der Fristüberschreitung ergibt.

2. Entsteht dagegen im Laufe eines Ermittlungsverfahrens in nicht vorhersehbarer Weise mehrfach die Notwendigkeit einer nur vorübergehenden und kurzfristigen Observation, so handelt es sich nicht um eine solche im Sinne des § 163 f StPO.

3. Eine unter Verstoß gegen das staatsanwaltliche Anordnungserfordernis gemäß § 163 f Abs. 3 StPO durchgeführte Observation hat nicht stets die Unverwertbarkeit der aus der Observation gewonnenen Erkenntnisse zur Folge. Ein Beweisverwertungsverbot stellt die Ausnahme dar und ist nur anzunehmen, wenn nach Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall der Verfahrensverstoß so schwer wiegt, dass das Interesse an der Wahrheitserforschung zurückzutreten hat.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT 3. Strafsenat Beschluss

3-30/07 (Rev)

1 Ss 90/07 707 Ns 85/06 6104 Js 513/05

In der Strafsache

gegen

hier betreffend die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 7, vom 08.01.07

hat der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 29.06.07 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Rühle, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Mohr, den Richter am Oberlandesgericht Sakuth

gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 7, vom 08.01.07 im Fall 2 des Urteils und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte wurde durch das angefochtene Urteil wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung zweier Einzelfreiheitsstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision.

II.

Sein mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründetes Rechtsmittel hat lediglich mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

1. Die Beweiswürdigung des Urteils stützt sich im Wesentlichen auf Zeugenaussagen von Polizeibeamten, die ihre Wahrnehmungen anlässlich von Observationen des Angeklagten gemacht hatten. Der Revisionsführer macht die Unverwertbarkeit dieser Angaben geltend, weil die Observationen unter Verletzung des § 163 f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StPO durchgeführt worden seien. Der zulässig erhobenen Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Anfang Mai 2005 erhielten Beamte des Polizeikommissariats durch den Hausmeister des Hauses Sch.-straße. 1 den Hinweis, dass die Wohnung des Angeklagten von ständig wechselnden Personen aufgesucht werde. Wegen des Verdachts des Betäubungsmittelhandels beobachteten am 08.05.05 Polizeibeamte des Polizeikommissariats in Zivil die über einen Laubengang erreichbare und damit von der Sch.-straße. aus gut einsehbare Wohnungstür des Angeklagten. Zwei Personen, die zuvor die Wohnung besucht hatten, wurden von den Polizeibeamten überprüft. Bei einer dieser Personen konnte ein Tütchen Marihuana sichergestellt werden. Bis Ende 2005 wurde der Eingang zur Wohnung des Angeklagten noch an 9 weiteren Tagen beobachtet, ohne dass eine staatsanwaltliche oder richterliche Anordnung bzw. Bestätigung eingeholt wurde. Die Observationen dauerten dabei regelmäßig 5 bis 30 Minuten, ausnahmsweise länger, einmal auch 2 Stunden. Die jeweiligen Polizeibeamten entschlossen sich jeweils spontan zur Observation, wenn es ihr Dienstplan im Rahmen des Streifendienstes, den sie zur Beobachtung der lokalen Drogenszene zu absolvieren hatten, zuließ. Beobachtungen, die zu keinen Erkenntnissen führten, wurden nicht dokumentiert, so dass lediglich die folgenden Beobachtungen zeitlich lokalisiert werden konnten:

Nach dem 08.05.05 und bis zum 01.08.05 wurde die Wohnungstür des Angeklagten noch an mindestens zwei weiteren Tagen beobachtet, ohne dass die Polizeibeamten weitere Feststellungen treffen konnten.

Am 01.08.05 (Fall 1 des Urteils) wurde die Wohnungstür des Angeklagten erneut von Polizeibeamten beobachtet, die dem Angeklagten folgten, als er die Wohnung verließ. Dabei beobachteten die Polizeibeamten, wie der Angeklagte die Person traf, bei der bereits am 08.05.05 Marihuana sichergestellt werden konnte. Die Beamten nahmen Austauschhandlungen zwischen beiden Personen wahr. Bei der anschließenden Überprüfung wurden beim Angeklagten 30,- € und bei der anderen Person 2 Tütchen Marihuana sichergestellt. Im Rahmen der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden 15,1 Gramm Marihuana und 77,4 Gramm Haschisch, die insgesamt 7,84 Gramm THC enthielten sowie eine Waage und Verpackungsmaterial gefunden.

Am 06.08.05 teilte der Hausmeister des Hauses Sch.-traße 1 den Polizeibeamten mit, dass der Angeklagte sich am gestrigen Tage in einem Kellerraum aufgehalten habe, der nicht zu seiner Wohnung gehöre. Wegen des Verdachts, dass dieser Kellerraum als Lagerraum für Betäubungsmittel genutzt worden sein könnte, entschlossen sich die Polizeibeamten noch am 06.08.05 zur erneuten Beobachtung der Wohnungstür des Angeklagten. Als der anderweitig verfolgte Beschuldigte D. die Wohnung verließ, folgten ihm die Beamten. Auch hier konnten sie Austauschhandlungen mit einer anderen Person beobachten. Die nachfolgende Überprüfung ergab, dass der D. dieser Person gegen Geld Haschisch verkauft hatte, von dem der D. behauptete, es aus der Wohnung des Angeklagten zu haben. Bei der anschließenden erneuten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden ca. 10 Gramm Haschisch sichergestellt. Diese Tat wurde in der Berufungshauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

Anlässlich einer erneuten Beobachtung der Wohnungstür des Angeklagten am 18.08.05 (Fall 2 des Urteils) wurde der Angeklagte von den Polizeibeamten wiederum mit dem Verlassen der Wohnung verfolgt. Hier konnte beobachtet werden wie dem Angeklagten eine "rauschgiftverdächtige Substanz" übergeben wurde.

Schließlich wurde der Angeklagte am 06.10.05 (Fall 3 des Urteils) beim Verlassen seiner Wohnung beobachtet und anschließend verfolgt. Anlässlich dieser Beobachtung konnte festgestellt werden, dass der Angeklagte einer Person einen Beutel mit 2,5 Gramm Marihuana verkaufte.

2. Die Observationen vom 01.08. und 06.10.05 wurden unter Verstoß gegen § 163 f Abs. 3 S. 1 StPO durchgeführt und sind deshalb rechtswidrig. Die Observation vom 18.08.05 war gemäß §§ 161 Abs. 163 Abs. 1 StPO zulässig und ist deshalb rechtmäßig erfolgt.

Nach der Legaldefinition des § 163 f Abs. 1 Nr. 2 StPO liegt u.a. eine längerfristige Observation vor, wenn eine planmäßig angelegte Beobachtung an mehr als zwei Tagen stattfinden soll. Damit dieser Alternative gegenüber § 163 f Abs. 1 Nr. 1 StPO ein selbständiger Anwendungsbereich zukommt, ist dabei die jeweilige Dauer der Observationsmaßnahme ohne Bedeutung (Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 163 f StPO Rdnr. 5).

Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist eine planmäßig angeordnete längerfristige Observation nicht nur dann gegeben, wenn diese von vornherein auf eine Überschreitung der in § 163 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 StPO genannten Fristen gerichtet ist, sondern auch, wenn sich im Laufe einer zunächst kurzfristig angelegten Beobachtung die Notwendigkeit der Fristüberschreitung ergibt (Rieß in Löwe/Rosenberg a.a.O. Rdnr. 4; HK-Krehl, StPO, 3. Aufl. § 163 f StPO Rndr. 1). In beiden Konstellationen ist die Eingriffsintensität der Maßnahme für den Betroffenen gleich und die Observation wird in beiden Konstellationen in Kenntnis der Notwendigkeit der Fristüberschreitung planmäßig fortgesetzt.

Entsteht dagegen im Laufe eines Ermittlungsverfahrens in nicht vorhersehbarer Weise mehrfach die Notwendigkeit einer nur vorübergehenden und kurzfristigen Observation, so handelt es sich nicht um eine solche im Sinne des § 163 f StPO. In diesen Fällen fehlt es nämlich am Merkmal der Planmäßigkeit (Rieß in Löwe/Rosenberg, a.a.O. Rdnr. 3).

a) An diesen Abgrenzungskriterien gemessen handelt es sich bei der Observation vom 01.08.05 (Fall 1) um eine längerfristige Observation, da der Angeklagte bereits am 01.08.05 am insgesamt 4. Tag aus demselben Anlass observiert wurde. Aus dem Vermerk der eingesetzten Polizeibeamten vom 01.08.05 geht hervor, dass auch bei dieser Observation die Anfang Mai gewonnen Erkenntnisse der Grund für die durchgeführte Maßnahme waren. Für die zwischenzeitlich durchgeführten, nicht dokumentierten Observationen wird deshalb kein anderer Grund ausschlaggebend gewesen sein. Da für die Observation vom 01.08.05 keine staatsanwaltliche Anordnung oder Bestätigung eingeholt wurde, ist diese Observation schon wegen des Verstoßes gegen § 163 f Abs. 3 S. 1 StPO rechtswidrig. Ohne Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, ob sich die Beobachtung auch auf andere Wohnungen in der Sch.-straße 1 bezog, deren Inhaber ebenfalls im Verdacht gestanden haben sollen, mit Betäubungsmitteln zu handeln. Die gleichzeitige zielgerichtete Beobachtung mehrerer Personen macht die Beobachtung des Angeklagten nicht zu einer unplanmäßen oder kurzfristigen.

Ob stattdessen sogar eine richterliche Anordnung gemäß § 163 f Abs. 4 S. 2 StPO erforderlich war, kann dagegen nicht festgestellt werden. Zwar liegt zwischen dem 08.05.05 und dem 01.08.05 ein Zeitraum von mehr als einem Monat. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Observation vom 08.05.05 und die ihr folgende zweite Observation noch unterhalb der Schwelle des § 163 f Abs. 1 Nr. 2 StPO stattfanden. Erst die dritte Observation bedurfte einer Anordnung gemäß § 163 f StPO. Da eine genauere zeitliche Einordnung dieser dritten Observation nicht möglich ist, kann nicht festgestellt werden, dass diese bereits vor dem 01.07.05 und damit mehr als einen Monat vor dem 01.08.05 veranlasst wurde.

b) Demgegenüber handelt es sich bei der Observation vom 06.08.05 um eine erneute kurzfristige Observation gem. § 163 Abs. 1 StPO. Für diese Einordnung ist ausschlaggebend, dass die Wohnung des Angeklagten bereits am 01.08.05 durchsucht und erhebliche Mengen von Betäubungsmitteln sichergestellt werden konnten. Der Angeklagte war nunmehr über den Tatvorwurf informiert. Die Notwendigkeit der Ermittlung weiterer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz ergab sich damit nicht mehr. Erst der Hinweis des Hausmeisters auf den Kellerraum ergab in nicht vorhersehbarer Weise die Notwendigkeit einer vorübergehenden erneuten kurzfristigen Observation, die noch am selben Tage durchgeführt wurde.

c) Da eine weitere Observation zwischen dem 06.08.05 und dem 18.08.05 nicht positiv festgestellt werden konnte, handelte es sich bei der Observation vom 18.08.05 (Fall 2) um die zweite gemäß § 163 Abs. 1 StPO zulässige Observation.

d) Demgegenüber handelte sich bei der Beobachtung vom 06.10.05 (Fall 3) um die zumindest dritte Observation, die deshalb einer staatsanwaltlichen Anordnung bzw. Bestätigung bedurft hätte. Diese Observation erfolgte offenbar aus dem gleichen Anlass wie die beiden vorhergehenden Observationen. Wegen Verstoßes gegen § 163 f Abs. 3 S. 1 StPO ist deshalb auch diese Maßnahme rechtswidrig.

3. Entgegen der vielfach in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung, führt der Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 163 f Abs. 3 S. 1 StPO nicht stets zu einem Verwertungsverbot der durch die Observation gewonnenen Erkenntnisse (so aber Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 163 f StPO Rdnr. 10; KMR-Plöd, StPO, Std. Okt. 2006, § 163 f StPO Rdnr. 9; SK-Wolter, StPO, Stand Okt. 2006, § 163 f StPO Rdnr. 12; Löwe/Rosenberg-Rieß, a.a.O., Rdnr. 23).

Dem Strafverfahren ist ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd. Vielmehr ist diese Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung "um jeden Preis" gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Maßgeblich mit beeinflusst wird das Ergebnis der demnach vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des infrage stehenden Verfahrensverstoßes. Dieses wird seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt (BVerfG, NStZ 2006, 46 f; BVerfG, NJW 2006, 2684 f; BGHSt 44, 243, 249; BGH, Urteil vom 18.04.07 - 5 StR 546/06 -, S. 10; BGHSt 37, 30, 31 f; BGHSt 42, 372, 377).

Im vorliegenden Fall ergibt die vorzunehmende Abwägung ein Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses. Deshalb ist ein Verwertungsverbot bezüglich der aus den Observationen vom 01.08.05 und 06.10.05 rechtswidrig gewonnenen Erkenntnisse abzulehnen.

Bei der vorzunehmenden Abwägung ist zwar einzubeziehen, dass § 163 f StPO dem Schutz eines Beschuldigten dient und dass das staatsanwaltliche Anordnungserfordernis der mit der Maßnahme verbundenen Intensität des Eingriffs in die Rechtsposition des Beschuldigten Rechnung tragen soll (BT-Drucks. 14/1484, S. 25). § 163 f StPO wurde geschaffen, um in der Folge der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur Volkszählung (BVerfGE 65, 1 ff) eine gesetzliche Grundlage für Eingriffe zu schaffen, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG betreffen (SK-Wolter a.a.O. Rdnr. 3). Dabei ist der Eingriff in dieses Grundrecht besonders intensiv, wenn die eingeleiteten Maßnahmen geeignet sind, ein umfassendes Persönlichkeitsbild einer Person zu gewinnen. Vorliegend nahmen die Observationen zwar jeweils an der Wohnungstür des Angeklagten ihren Ausgang, ohne dass damit zusätzlich ein Eingriff in Art. 13 Art. 1 GG vorliegt (vgl. BGH, StV 1998, S. 169 f). Sie waren aber regelmäßig von kürzerer Dauer. Der konkrete Anlass der über größere zeitliche Abstände geführten kurzzeitigen Beobachtungen orientierte sich an den personellen Möglichkeiten der eingesetzten Polizeibeamten. Damit waren die Maßnahmen von vornherein nicht geeignet, ein umfassendes Persönlichkeitsbild vom Angeklagten zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist der durch die Observationen verursachte Grundrechtseingriff als nicht besonders schwerwiegend anzusehen.

Auf der anderen Seite boten die Hinweise des Hausmeisters vom 08.05.05 Anhaltspunkte für einen gewerbsmäßigen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln und damit für die Begehung einer Straftat erheblicher Bedeutung. Neben dieser Voraussetzung für die Anordnung einer längerfristigen Observation lagen auch die Voraussetzungen der Subsidiaritätsklausel des § 163 f Abs. 1 S. 2 StPO ohne weiteres vor, so dass sich um einen rein formalen Verfahrensverstoß gegen § 163 f Abs. 3 S. 1 StPO handelt.

Vor diesem Hintergrund kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Polizeibeamten in bewusster Umgehung des staatsanwaltlichen Anordnungserfordernisses, dem problemlos hätte genügt werden können, handelten, sondern dass die Polizeibeamten vielmehr aus Unkenntnis von den Voraussetzungen einer längerfristigen Observation tätig wurden. So lässt sich dem Urteil entnehmen, dass die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten der Auffassung waren, eine planmäßige Beobachtung läge nur vor, wenn der Umfang von vornherein festgelegt wird und nicht, wenn sich die Beamten anlässlich ihres täglichen Streifendienstes spontan zur Wiederholung einer vorher als einmalig erachteten Beobachtung entschlossen.

Zwar handelte es sich bei der Observation vom 06.10.05 bereits um den zweiten Verstoß gegen § 163 f Abs. 3 S. 1 StPO. Bei dieser Observation kommt aber hinzu, dass die Wohnung des Angeklagten inzwischen durchsucht und dabei Betäubungsmittel in nicht geringer Menge gefunden wurden, die den Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 3 BtMG begründen. Trotz dieses Befundes verstieß der Angeklagte - wie sich aus den nach §§ 161, 163 Abs. 1 StPO zulässig durchgeführten Observationen vom 06.08 und 18.08.05 ergibt - weiter beharrlich gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Nach allem überwiegt das Strafverfolgungsinteresse des Staates. Die Verfahrensrüge ist damit unbegründet.

4. Die Sachrüge hat zum Schuldspruch des Falles 2 des Urteils Erfolg. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte am 18.08.05 Kokain mit einem Gesamtgewicht von 6,064 Gramm erworben. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist der Strafkammer ein revisionsrechtlicher Erörterungsmangel unterlaufen. Zwar wird im Obersatz zur Beweiswürdigung noch ausgeführt, dass die entsprechenden Feststellungen auf den Beobachtungen der eingesetzten Polizeibeamten beruhen. Bei der Wiedergabe von deren Bekundungen wird aber lediglich mitgeteilt, dass die Polizeibeamten drei Tränen mit "rauschgiftverdächtigen Substanzen" sichergestellt hätten. Weshalb aus diesen Bekundungen folgen soll, dass es sich bei den vom Angeklagten erworbenen Substanzen um Kokain gehandelt haben sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Hinzu kommt, dass das Rauschgift im Fall 2 des Urteils bei der Strafzumessung mehrfach im Widerspruch zur Beweiswürdigung und den Feststellungen als Crack bezeichnet wird (S. 25, 27 des Urteils).

5. Angesichts dieses Fehlers kann auch der Ausspruch zur Gesamtstrafenbildung keinen Bestand haben.

Zwar ist auch die Einzelstrafenzumessung zum Fall 3 des Urteils lückenhaft, indem dort eine Einzelstrafe von 3 Monaten festgesetzt wurde, ohne dass sich das Urteil zu den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB verhält. Die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe ist aber gemäß § 354 Abs. 1 a S. 1 StPO angemessen. Der Angeklagte ist seit 2002 mehrfach wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden. Im Jahre 2003 wurde bereits eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen verhängt, ohne dass dies den Angeklagten offenbar zu beeindrucken vermochte. Obwohl er vorliegend bereits im Fall 1 auf frischer Tat betroffen wurde, hielt ihn dies nicht davon ab mit dem Handel mit Betäubungsmitteln fortzufahren. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich ist.

6. Im Übrigen sind der Schuldspruch und die Strafzumessung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, die Revision des Angeklagten ist daher insoweit gemäß § 349 Abs. 2 StPO auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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