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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: 3 U 104/01
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14
MarkenG § 24 Abs. 1
Mit Übergabe der Ware an eine Transportperson bringt der Inhaber der Marke die Ware nur dann im Sinne des § 24 Abs. 1 MarkenG in den Verkehr, wenn er sich ihrer so entäußert, daß sie seinem Einfluß nicht mehr unterliegt. Das ist nicht der Fall, wenn ihm die Verfügungsgewalt trotz Aushändigung der Ware an den Transporteur erhalten bleibt.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 104/01

Verkündet am: 29. November 2001

In dem Rechtsstreit

Parfümeriewaren

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 25. Oktober 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 6. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für die Rechtsmittelinstanz auf 150.000 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Antragstellerin, eines der führenden französischen Parfumhäuser, ist Inhaberin von verschiedenen Marken für Parfümeriewaren. Sie hatte mit der Firma M Ltd. einen im Jahre 1996 erneuerten Exklusiv-Vertriebsvertrag für Polen geschlossen. Nach Ziffer 2.6 gingen Eigentum und Gefahr an der bestellten Ware bei Übergabe an den ersten Transporteur auf den Vertragspartner über. Anfang 1999 wurde eine Firma M Distribution Ltd. gegründet.

Am 18.06.1999 kündigte die Antragstellerin den Vertriebsvertrag mit der Firma M Ltd. mit Wirkung zum 31.12.1999. Ohne daß ein neuer Vertriebsvertrag unterzeichnet worden war, lieferte die Antragstellerin im Jahre 2000 eine Partie ihrer Markenware an M. Die Anschrift auf der Rechnung vom 22.06.2000 lautete auf die Firma M Distribution Ltd., Warschau, zu liefern war die Ware an die Firma M Ltd., Blonie. Die Rechnung enthielt einen Eigentumsvorbehalt und Angaben zum Gefahrübergang. Die Antragstellerin beauftragte die Spedition D mit der Beförderung, nach ihrer Behauptung zu cif-Bedingungen.

Die Firma M Distribution Ltd. verkaufte die Ware mit Rechnung vom 12.07.2000 an die Antragsgegnerin, ein deutsches Importhandelsunternehmen, und versicherte, keinen Bindungen hinsichtlich der Ware zu unterliegen. Die Ware wurde vom Hauptzollamt Hamburg/St. Annen beschlagnahmt.

Die Antragstellerin erwirkte eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, durch die der Antragsgegnerin verboten wurde, Duftwässer, die mit dem Zeichen "P" und/oder "P" und/oder "XS" gekennzeichnet sind, aus Polen in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen, sofern die Waren nicht schon zuvor mit Einwilligung der Antragstellerin innerhalb der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden sind.

Ihr wurde ferner aufgegeben,

die vom Hauptzollamt Hamburg/St. Annen - Zollamt Oberelbe - in dem Verfahren SV 1204 B - OE 20 (1 GB 100371) am 10. August 2000 beschlagnahmten Duftwässer (7.776 Stück) im Besitz des Hauptzollamts Hamburg als Sequester zu belassen.

Gegen diese im Widerspruchsverfahren bestätigte Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht, auf dessen Ausführungen ergänzend Bezug genommen wird, den Anträgen auf Unterlassen und Sequestration stattgegeben. Der Antragstellerin stehen die Rechte aus § 14 MarkenG, der auch für Originalware gilt, uneingeschränkt zu, denn es ist nicht erkennbar, daß die Rechte der Antragstellerin an den Marken nach § 24 Abs. 1 MarkenG erschöpft sind.

1. Die Antragstellerin hat das Recht, der Antragsgegnerin die Benutzung ihrer Marken für die aus Polen eingeführten Waren zu untersagen, denn sie hat diese Waren nicht im europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht (§ 24 Abs. 1 MarkenG).

a. Wann Waren im Sinne des § 24 Abs. 1 MarkenG in den Verkehr gebracht sind, ist umstritten. Fezer (Markenrecht, 2. Auflage, 1999, § 24, Rn. 7d am Ende) will die Erschöpfung verneinen, wenn im Rahmen eines Vertriebssystems die Ware in den außereuropäischen Wirtschaftsraum geliefert wird. Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Es kann nicht darauf ankommen, ob der Markeninhaber die Ware an einen "gebundenen" oder einen "ungebundenen" Käufer überläßt, denn das würde bedeuten, daß der Begriff des "Inverkehrbringens" bei völlig identischen Vorgängen von Kriterien abhinge, die mit dem Vorgang selbst wenig zu tun haben.

Zum Teil wird - wie für das Patentrecht (vgl. Benkard/Bruchhausen, PatentG, 9. Auflage, 1993, § 9 Rn. 43) - die Auffassung vertreten, es genüge die körperliche Übergabe der Ware an den Spediteur, ohne daß es auf den Übergang der rechtlichen Verfügungsgewalt oder des Eigentums ankomme (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 24, Rn. 7). Danach wäre die Ware von der Antragstellerin in den Verkehr gebracht worden, als sie sie der Firma D ausgehändigt hat. Dem wird man sicherlich im Hinblick auf den Eigentumsübergang folgen müssen, denn ein Eigentumsvorbehalt ist ein Sicherungsinstrument, das den Warenverkehr unberührt läßt.

Hingegen erscheint es dem Senat nicht einleuchtend, daß es auf den Übergang der Verfügungsgewalt nicht ankommen soll. Litten ("Inverkehrbringen" und "Erschöpfung" im neuen Markenrecht, WRP 1997, 678, 684) will das "Inverkehrbringen" davon abhängig machen, wer Auftraggeber der Transportperson sei, weil diese nicht im eigenen Interesse, sondern für den Auftraggeber besitze. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat darauf abgestellt, ob nach den beförderungsrechtlichen Vorschriften der Empfänger über die Ware verfügen könne (OLG Stuttgart, NJW-RR 1998, 482, 483). Für Lieferungen außerhalb eines Vertriebsbindungssystems vertritt eine entsprechende Meinung auch Fezer, denn solange der Warenempfänger vom Willen des Markeninhabers abhängig sei und seinen Weisungen unterliege, diene die Übergabe an den Spediteur oder Frachtführer nur dazu, den Vollzug des Handelsgeschäftes vorzubereiten (a.a.O., S. 1006).

Diesen Auffassungen schließt sich der Senat insoweit an, als sie auf die Verfügungsgewalt über die Ware abstellen. Bedenkt man, daß der Zeicheninhaber mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eine Entscheidung über seine Markenrechte trifft, die endgültig sein muß, weil die Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs weitere Eingriffsrechte des Markeninhabers nicht rechtfertigen können (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 24, Rn. 5), dann muß sein Wille, die Ware in den Verkehr zu entlassen, zum Ausgangspunkt genommen werden.

Es darf nicht entscheidend darauf abgestellt werden, wer Auftraggeber des Transportgeschäftes ist. Zwar dürfte dieser im Regelfall mit der Übernahme der Ware durch den Transporteur die Verfügungsgewalt als mittelbarer Besitzer erlangen oder behalten. Das muß aber nicht so sein. Nach Ziffer 12 Abs. 1 CMR kann der Absender über das Gut verfügen und insbesondere verlangen, daß der Frachtführer das Gut nicht weiterbefördert, den für die Ablieferung vorgesehenen Ort ändert oder das Gut einem anderen als dem auf dem Frachtbrief angegebenen Empfänger abliefert. Nach Abs. 3 steht dieses Verfügungsrecht aber allein dem Empfänger zu, wenn dies auf dem Frachtbrief entsprechend vermerkt wird, ohne daß der Empfänger deshalb Auftraggeber wäre. Mit der Übergabe der Ware an die Transportperson wird die Ware nur dann in den Verkehr gebracht, wenn dabei zum Ausdruck kommt, daß der Markeninhaber von seinem Bestimmungsrecht über das erstmalige Inverkehrbringen Gebrauch macht, indem er sich ihrer wirklich entäußert und sie aus seiner Sphäre entläßt, so daß sie seinem Einfluß nicht mehr unterliegt. Das ist nicht der Fall, wenn ihm die Verfügungsgewalt trotz Aushändigung der Ware an den Transporteur erhalten bleibt.

b. Unstreitig hat die Antragstellerin die Ware der Spedition D übergeben. Die zugehörigen Frachtpapiere haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vorgelegen. Die Antragstellerin behauptet, es sei zu cif-Bedingungen befördert worden. Das steht möglicherweise nicht ganz im Einklang mit dem mit der polnischen Seite geschlossenen Rahmenvertrag, den sie als Grundlage der Lieferung ansieht, denn dort heißt es:

2.5. Les Produits commandés seront emballés sous la résponsabilité du Concédant, en vue de leur acheminement vers les destinations désignées par le Distributeur, lequel mandate le Concédant à l'effet de contracter en vue de leur transport et de leur assurance, pour le compte et aux frais du Distributeur.

2.6 La livraison des Produits commandés, ainsi que le transfert de la propriété et des risques y afférents, s'opéreront au moment de leur enlèvement à l'usine du Concédant par le premier transporteur.

Danach war der Verkauf von Seiten der Antragstellerin (Concédant) mit der Übernahme ab Werk durch die erste Transportperson (l'enlèvement à l'usine du Concédant par le premier transporteur) vollendet. Die Antragstellerin hatte das Mandat, für Rechnung und auf Kosten des polnischen Vertragspartners Verträge über Transport und Versicherung abzuschließen (contracter en vue de leur transport et de leur assurance, pour le compte et aux frais du Distributeur). Gefahr- und Kostentragung haben mit der Verfügungsgewalt nichts zu tun. Für diese ist entscheidend, wer D gegenüber als Auftraggeber auftrat. Das konnte durchaus auch M sein, weil die Antragstellerin insoweit nach Ziffer 2.5 über ein "Mandat" des Distributeurs verfügte. Ausdrücklich vorgetragen wird es aber von keiner Seite.

Wie es damit im einzelnen steht, kann aber auf sich beruhen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluß v. 11.5.2000 - Stüssy - I ZR 193/97, WRP 2000, 1280) hat derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich auf die Erschöpfung beruft. Deshalb müßte die Antragsgegnerin darlegen, daß mit Übergabe der Ware an Danzas die Verfügungsgewalt auf M übergegangen ist. Das hat sie nicht getan. Die Tatsache allein, daß die Antragstellerin nach dem Vertrag berechtigt gewesen wäre, den Transportauftrag im Namen der polnischen Bestellerin zu erteilen und dies im Regelfall bedeutet hätte, daß diese auch die Verfügungsgewalt über die Ware erlangt, zwingt nicht zu dem Schluß, daß es sich auch wirklich so verhalten hat.

Selbst wenn man weitergehend fordert, daß der Markeninhaber zunächst schlüssig darzulegen habe, daß sein Markenrecht nicht erschöpft sei, so hätte die Antragstellerin auch dem entsprochen, denn unstreitig hat sie D beauftragt, und es wäre Sache der Antragsgegnerin darzulegen, daß im Gegensatz zum Regelfall die Antragstellerin damit ausnahmsweise die Verfügungsgewalt über die Ware verloren hat.

2. Ebensowenig hat die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, daß die Waren später mit Einwilligung der Antragstellerin innerhalb der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden sind.

Die Antragstellerin hat die Waren auf der Grundlage des mit der M Ltd. geschlossenen Vertriebsvertrages auf den Weg gebracht. Dies ergibt sich, wenn diese Firma die Bestellerin war, als übereinstimmender Wille beider vertragschließenden Parteien. Auch auf Seiten der M Ltd. konnte kein Zweifel bestehen, daß die Antragstellerin ihre Waren nur im Rahmen einer Vertriebsbindung für den polnischen Markt abgeben wollte, denn so hatten es diese Vertragsparteien schon seit mehreren Jahren gehalten und die Firma M Ltd. besaß keine Anhaltspunkte dafür, daß sich daran etwas geändert haben könnte. Auch die Kündigung vom 18.06.1999 ging davon aus, daß das Vertragsverhältnis zu geänderten Bedingungen erneuert und nicht abgebrochen werden sollte. Daraus ergibt sich der für die Gegenseite erkennbare stillschweigende Wille beider Seiten, solange Vertragsänderungen nicht ausgehandelt sein würden, ihren weiteren Geschäftsbeziehungen den bisherigen Vertriebsvertrag zugrunde zu legen.

Sollte die Firma M Distribution Ltd. die Bestellung aufgegeben haben, gilt nichts anderes, denn da - wie durch die eidesstattliche Versicherung des Zeugen E glaubhaft gemacht worden ist - die polnische Seite der Antragstellerin in keiner Form zu verstehen gegeben hat, daß dort irgendwelche Änderungen eingetreten seien, ergab sich aus den Umständen eindeutig, daß die Bestellung für die Firma M Ltd. erfolgte (§ 164 Abs. 1 BGB). Von keiner Seite wird vorgetragen, daß sich aus dem französischen Recht, das nach Ziffer 9.9 des Vertrages anzuwenden ist, etwas anderes ergäbe.

Zwar soll die M Ltd. nach Angabe der Antragsgegnerin "längst" erloschen sein. Es wird aber nicht vorgetragen, daß dies schon bei Lieferung der Ware der Fall war. Im übrigen würden selbst dann nach den gesamten Umständen die Bedingungen des Vertriebsvertrages mit der M Ltd. gelten.

Daran ändert der Umstand nichts, daß die Antragstellerin mittlerweile einen anderen Vertriebshändler für Polen ausgewählt hatte, der einer exklusiven Bindung unterliegt. Selbst wenn das der Bestellerin bekannt gewesen sein sollte, als sie die Lieferung mit der Antragstellerin vereinbarte (präzise hat das die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen), konnte sie ohne einen ausdrücklichen Hinweis nicht davon ausgehen, die Antragstellerin sei damit einverstanden, daß die Ware außerhalb Polens auf den Markt komme. Der für die polnische Bestellerin eindeutige Wille der Antragstellerin, nur für einen Absatz in Polen zu liefern, wird nicht davon berührt, ob sie auch anderen erlaubt, ihre Erzeugnisse in Polen abzusetzen.

Das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 20.11.2001 (Davidoff pp., C - 414, 415, 416/99) anzuordnen, wie die Antragsgegnerin anregt, kommt nicht in Betracht. Es würde nicht dem Wesen des einstweiligen Rechtsschutzes entsprechen. Im übrigen geht es dort um die Frage, ob eine Zustimmung des Markeninhabers vorliegt, wenn er bei Vertragsschluß nicht ausdrücklich erklärt hat, daß er mit einer Weiterlieferung der Ware in den europäischen Wirtschaftsraum nicht einverstanden ist. Hier liegt der Fall anders, denn die polnische Bestellerin wußte aus der bisherigen Vertragsbeziehung, daß die Antragstellerin nur für den polnischen Markt liefern wollte. Im übrigen hat der EuGH mittlerweile bestätigt, daß nicht auf eine konkludente Zustimmung geschlossen werden kann, wenn der Markeninhaber es unterläßt, den Verkauf im europäischen Wirtschaftsraum ausdrücklich zu untersagen.

Die von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 31.10.2001 und von der Antragsgegnerin in den Schriftsätzen vom 6.11. und 26.11.2001 vorgetragenen neuen Tatsachen können im einstweiligen Verfahren nicht berücksichtigt werden.

Die Kosten hat die Antragsgegnerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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