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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: 3 U 121/05
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 5
UWG § 8
Die dreizeilige Werbeangabe "n ... wirkt sehr schonend, n ... kommt mit wenig Wirkstoff aus. Und: n ... ist gut verträglich" unter Hervorhebung der ersten Zeile ist in ihrer Gesamtheit nicht irreführend, sie betrifft allein das beworbene Schnupfenmittel in wertender Form. Ein Werbevergleich oder eine Spitzenstellungswerbung ist nicht gegeben; so werden auch nicht verschiedene Wirkstoffe bzw. deren Wirkstoffmenge oder deren Potenz verglichen. Der Eindruck eines Fehlens jeglicher Nebenwirkungen und/oder Konservierungsstoffe bzw. systemischer Effekte entsteht nicht.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 121/05

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 9. Februar 2006

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 19. Januar 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 26. Januar 2005 abgeändert.

Die Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg vom 14. Juli 2004 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag in der in der Berufungsverhandlung gestellten Fassung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Gründe:

A.

Die Parteien sind pharmazeutische Unternehmen und stehen miteinander im Wettbewerb beim Vertrieb von Fertigarzneimitteln, und zwar u. a. zur Behandlung von Schnupfen (Rhinitis).

Die Antragsgegnerin vertreibt n_ooo-Arzneimittel mit dem Wirkstoff Oxymetazolinhydrochlorid (Anlage ASt EV 2). Hierfür hat sie u. a. mit einer Anzeige in der x-Zeitung vom 13. Mai 2004 geworben (Anlage ASt EV 4).

Die Antragstellerin beanstandet die Werbung als irreführend. Sie nimmt deswegen die Antragsgegnerin vorliegend im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

In der Werbeanzeige der Antragsgegnerin (Anlage ASt EV 4) heißt es unter der Überschrift: "Nase dicht - nichts geht mehr? Die AKUT-Hilfe bei Heuschnupfen" in einem zweispaltigen Fließtext mit fettgedruckten Zwischenüberschriften u. a.:

"n_ooo wirkt sehr schnell.

Schon nach wenigen Sekunden ist die Nase wieder frei!

n_ooo wirkt sehr lange.

n_ooo hat eine Wirkdauer von bis zu 12 Stunden!

n_ooo wirkt sehr schonend.

n_ooo kommt mit wenig Wirkstoff aus.

Und: n_ooo ist gut verträglich.

Kein Wunder, dass n_ooo das bekannteste Schnupfenmittel Deutschlands ist!..."

Die tr_iii-Präparate der Antragstellerin zur Schnupfenbehandlung enthalten den Wirkstoff Xylometazolin (Anlage ASt EV 1). Dieser Wirkstoff und der Wirkstoff Oxymetazolinhydrochlorid (n_ooo) stammen aus der Gruppe der sog. Alphasympathomimetika, die eine Engstellung der Gefäße bewirken (Anlage ASt EV 3). Die Anwendung der Alphasympathomimetika hat aufgrund ihrer spezifischen Wirkung am Rezeptor den Nachteil, dass es bei Langzeitanwendung zu Rhinitis medicamentosa (d. h. zur relativen, durch Medikamente verursachten Entzündung der Nasenschleimhäute) und nachfolgender Gefahr der Schädigung des Schleimhautepithels mit Rhinitis sicca (d. h. zur Nasenschleimhautschädigung mit Borkenbildung) kommen kann (Anlage ASt EV 3).

Die Antragstellerin vertreibt folgende tr_iii-Arzneimittel (Anlage ASt EV 1 - Wirkstoff: Xylometazolin):

- tr_iii(r) gegen Schnupfen 0,1% (für Erwachsene und Schulkinder bestimmt),

- tr_iii(r) gegen Schnupfen 0,1% Dosierspray ohne Konservierungsstoffe (für Erwachsene und Schulkinder bestimmt),

- tr_iii(r) gegen Schnupfen 0,05% (für Kinder zwischen 2 und 6 Jahren bestimmt),

- tr_iii(r) gegen Schnupfen 0,05% Dosierspray ohne Konservierungsstoffe (für Kinder zwischen 2 und 6 Jahren bestimmt),

- tr_iii(r) gegen Schnupfen 0,025% (für Säuglinge bestimmt).

Die Antragsgegnerin vertreibt folgende n_ooo-Arzneimittel (Anlage ASt EV 2 - Wirkstoff: Oxymetazolinhydrochlorid):

- n_ooo(r) Nasentropfen/Spray/Dosierspray für Erwachsene und Schulkinder (Wirkstoffkonzentration 0,05%),

- n_ooo(r) sanft Dosierspray für Erwachsene und Schulkinder (Wirkstoffkonzentration 0,05%),

- n_ooo(r) sanft Dosierspray für Kleinkinder (Wirkstoffkonzentration 0,025%),

- n_ooo(r) sanft Dosiertropfer für Babys (Wirkstoffkonzentration 0,01%).

Das Landgericht hat mit seiner Beschlussverfügung vom 14. Juli 2004 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für n_ooo(r)-Arzneimittel wie folgt zu werben:

"n_ooo wirkt sehr schonend.

n_ooo kommt mit wenig Wirkstoff aus.

Und: n_ooo ist gut verträglich."

Durch Urteil vom 26. Januar 2005 hat das Landgericht seine Beschlussverfügung bestätigt. Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung vom 14. Juli 2004 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin bittet um Zurückweisung der Berufung, und zwar mit der Maßgabe, dass die Beschlussverfügung des Landgerichts im Verbotsausspruch unter Androhung von Ordnungsmitteln wie folgt bestätigt wird:

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für n_ooo(r)-Arzneimittel wie folgt zu werben:

"n_ooo wirkt sehr schonend.

n_ooo kommt mit wenig Wirkstoff aus.

Und: n_ooo ist gut verträglich."

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg. Demgemäß ist unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung vom 14. Juli 2004 aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag in der Fassung, wie in der Berufungsverhandlung gestellt, zurückzuweisen.

I.

Der Gegenstand des mit dem Verfügungsantrag geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ist das Werben für n_ooo-Arzneimittel in folgender Weise:

"n_ooo wirkt sehr schonend.

n_ooo kommt mit wenig Wirkstoff aus.

Und: n_ooo ist gut verträglich."

Die Antragstellerin hat in der Berufungsverhandlung klarstellen lassen, dass sie mit dieser Maßgabe das landgerichtliche Urteil verteidigt. Es geht um die werbliche Verwendung der einen - aus den drei Zeilen bestehenden - Aussage insgesamt, und zwar in der graphischen Darstellung, dass die erste Angaben-Zeile fettgedruckt ist und die nachfolgenden zwei Zeilen normal gedruckt sind.

Das ist der Sache nach keine Klageänderung, sondern nur eine Berichtigung. Die Antragstellerin hatte schon in der Antragsschrift diese besondere Antragsfassung mit dem Fettdruck in der ersten Angaben-Zeile gewählt. Demgegenüber ist die Beschlussverfügung des Landgerichts abweichend vom Antrag so ergangen, dass - wie oben ausgeführt - auch die erste Angaben-Zeile normal (nicht fett) gedruckt ist.

Die Antragstellerin beanstandet die werbliche Verwendung der dreizeiligen Aussage mit der fettgedruckten ersten Zeile in mehrfacher Hinsicht als irreführend. Diese Argumentationen bestimmen den auf Irreführung gestützten Unterlassungsantrag streitgegenständlich mit (BGH WRP 2001, 28 - dentalästhetika, GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten, WRP 2003, 1428 - Einkaufsgutschein).

Der Gegenstand des Unterlassungsanspruchs ist dagegen nicht die Verwendung der Werbeanzeige gemäß Anlage ASt EV 4.

II.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nach Auffassung des Senats nicht begründet (§§ 8, 3, 4 Nr. 11, 5 UWG; § 3 HWG).

1.) Die beanstandete dreizeilige Textstelle mit der fettgedruckten ersten Zeile ist in ihrer Gesamtheit nicht irreführend im Sinne der in der Antragsschrift dargelegten ersten Argumentation (Bl. 2) der Antragstellerin.

(a) Diese Argumentation geht dahin, die Werbeaussage der Antragsgegnerin sei ohne wissenschaftliche Grundlage und deswegen irreführend, weil behauptet werde, die n_ooo-Schnupfenpräparate seien "sehr schonend" bzw. "gut verträglich", und zwar mit der Begründung hierfür in der Werbeaussage, ihre Präparate kämen mit "wenig" Wirkstoff aus. Diese Werbebehauptung sei - so die Antragstellerin weiter - wissenschaftlich ohne Grundlage, weil tatsächlich nicht die Wirkstoffmenge, sondern die Potenz des verabreichten Arzneimittels eine entscheidende Rolle für dessen Verträglichkeit spiele.

(b) Nach Auffassung des Senats gewinnt der angesprochene Durchschnittsverbraucher - hierzu gehört wegen der Publikumswerbung gerade auch das breite Publikum - aus der beanstandeten dreizeiligen Werbeaussage mit der fettgedruckten ersten Zeile den Eindruck, dass die dort geschilderten vorteilhaften Eigenschaften für das Arzneimittel n_ooo bestehen. Die oben dargestellte Argumentation der Antragstellerin greift das aber nicht an, sondern setzt weiter voraus, dass der Verkehr die oben aufgezeigten Schlussfolgerungen zieht. Davon kann aber nicht ausgegangen werden.

(aa) Die Aussage der ersten Zeile ("n_ooo wirkt sehr schonend") verhält sich entgegen dem Landgericht nicht direkt zu Konkurrenzprodukten. Der Verkehr erkennt vielmehr schon an der insoweit eindeutigen Wortwahl, dass die Aussage eine Bewertung enthält und dass damit kein bestimmtes Maß an schonender Wirkung gleichsam als Obergrenze behauptet wird. Dazu ist die Angabe erkennbar zu ungenau.

Wegen des Fettdrucks in der ersten Zeile wird der Verkehr noch annehmen, dass die dort ausgelobte Aussage eine gewisse Bedeutung hat, es bleibt trotz der darin liegenden Betonung erkennbar eine Bewertung des eigenen Arzneimittels.

Es handelt sich entgegen dem Landgericht weder um vergleichende Werbung, noch um eine Spitzenstellungswerbung. Nach dem maßgeblichen Wortsinn bedeutet die erste Zeile nur, dass das Arzneimittel sehr schonend wirkt. Damit wird - anders als etwa bei der Werbung mit einem Komparativ - nicht generell eine mehr schonende Wirkung gegenüber anderen Arzneimitteln behauptet, sondern nur dieser Vorteil in Bezug auf das Arzneimittel selbst gesetzt.

Der Referenzverbraucher weiß, dass jede Werbung es bezweckt, die Vorzüge des eigenen Produkts herauszustellen, um deren Absatz zu fördern. Allein aus der eigenen Anpreisung wird aber der Verbraucher nicht schlussfolgern, diese Eigenschaften fehlten bei anderen Konkurrenzprodukten. Das gilt entgegen dem Landgericht auch im Hinblick darauf, dass dem Verkehr geläufig sein wird, dass das beworbene Arzneimittel der Antragsgegnerin nicht allein auf dem Markt ist.

Um dieses Verständnis geht es der Antragstellerin hierbei auch nicht.

(bb) Die Aussagen der zweiten und dritten Zeile - zunächst jeweils isoliert betrachtet - sind ebenfalls Angaben nur zu den Eigenschaften des so ausgelobten Arzneimittels selbst. Beide Aussagen verhalten sich nicht zu anderen Arzneimitteln.

Die Aussage: "n_ooo kommt mit wenig Wirkstoff aus" ist ebenfalls keine vergleichende Werbung oder irgendeine Spitzenstellungsberühmung, sondern erkennbar eine unscharfe Bewertung ("wenig"). Entsprechendes gilt für die Aussage: "Und: n_ooo ist gut verträglich". Beide Aussagen sind wiederum erkennbar Bewertungen.

(cc) Die Textstelle kann - über die drei Einzelaussagen in den drei Zeilen hinaus - aufgrund ihrer Anordnung vom Verkehr weiter dahin verstanden werden, dass die Zeilen inhaltlich in irgendeiner Beziehung zueinander stehen. So steht die zweite Zeile ("n_ooo kommt mit wenig Wirkstoff aus") unmittelbar unter der fett gedruckten ersten Zeile und sie kann gleichsam als Ergänzung oder Erläuterung der ersten, wie eine Überschrift wirkenden Zeile aufgefasst werden.

Der verständige Durchschnittsverbraucher wird aus dieser Anordnung nur schlussfolgern, dass das: "wirkt sehr schonend" etwas mit der Eigenschaft: "kommt mit wenig Wirkstoff aus" zu tun haben kann. Es steht dort gerade nicht eine logische Verknüpfung im Sinne von "weil" oder "nur weil". Selbst wenn man ein "weil" ergänzt, bleibt das Verständnis vom Zusammenhang zwischen "sehr schonend" und "wenig" gleichsam bei dem Mittel selbst. Der Verkehr gewinnt bei unbefangener Betrachtung nur die Vorstellung, unterstellt es müsste mehr Wirkstoff genommen werden, dann wäre das Mittel nicht so sehr schonend.

Dagegen liegt es für den Verkehr außerhalb seiner Vorstellung von den beiden ersten Zeilen der Werbeaussage, es ginge um einen Vergleich zwischen verschiedenen Wirkstoffen bzw. Arzneimitteln mit unterschiedlicher Potenz einerseits und der Wirkstoffmenge im Sinne der Maßangaben der Dosierung andererseits und überdies noch weiter um den Eindruck, allein die Wirkstoffmenge sei maßgeblich für die Eigenschaft "wirkt sehr schonend", und zwar losgelöst von der betreffenden Potenz des verabreichten Arzneimittels.

Solche Überlegungen sind nicht nahe liegend. Es steht in den Zeilen der Werbeaussage nichts von verschiedenen Arzneimitteln bzw. verschiedenen Potenzen, es ist auch nicht von der Wirkstoffmenge im Sinne von einer abstrakten Zahlenhöhe die Rede.

Die Behauptung der Antragstellerin, die Potenz des verabreichten Arzneimittels spiele eine entscheidende Rolle für dessen Verträglichkeit, trifft unstreitig zu. Sie belegt aber nicht, dass bei einer gleich bleibenden Potenz die jeweils eingesetzte Wirkstoffmenge für die Verträglichkeit keine Rolle spielte. Vielmehr räumt die Antragstellerin im anderen Zusammenhang es als "selbstverständlich" ein, dass ein Mehr desselben Wirkstoffs (mit eben dessen Potenz) weniger schonend wirken wird, als bei einer Dosierung mit einer geringeren Menge des Wirkstoffs. Die Annahme, dass der Verkehr das Selbstverständliche und demgemäß Nahe liegende gerade nicht in seine Vorstellungen einbeziehen soll, widerspricht schon der Lebenserfahrung. Einen durchgreifenden Grund zeigt die Antragstellerin für ihre gegenteilige Schlussfolgerung nicht auf, sie liegt fern.

(dd) Die Textstelle wird auch nicht im oben dargestellten Sinne der Antragstellerin verstanden, wenn man die dritte Zeile ("Und: n_ooo ist gut verträglich") im Zusammenhang mit der ersten und zweiten Zeile mitliest. Deswegen kann offen bleiben, ob das Herausschneiden der drei Zeilen aus der Anzeige der Antragsgegnerin (Anlage ASt EV 4) überhaupt die konkrete Verletzungsform trifft, weil dort der Text nach der dritten Zeile keine Zäsur erfährt, sondern sich in der vierten Zeile ("Kein Wunder ...") einen weitere Aussage macht.

Dass ein "gut verträgliches" Arzneimittel "sehr schonend wirkt", weist auf Eigenschaften des beworbenen Arzneimittels hin, die durchaus zusammen passen und auch eine Beziehung zueinander haben können. Aber auch insoweit hat der Verkehr keinen Anhalt für die Annahme, es gehe dabei nur um die Wirkstoffmenge, und zwar auch dann, wenn die Arzneimittel bzw. deren Potenz verschieden sein sollten. Auch das liegt entsprechend den obigen Ausführungen fern.

2.) Die angegriffene Textstelle ist in ihrer Gesamtheit ist auch nicht irreführend im Sinne der zweiten und dritten Argumentation (Bl. 5-6) der Antragstellerin.

Die Argumentationskette beginnt wie die erste, begründet aber die Unrichtigkeit der vermeintlichen Verkehrsvorstellung damit, es ließe sich tatsächlich aus der Menge des benötigten Wirkstoffs kein Schluss auf die Verträglichkeit eines Arzneimittels ziehen bzw. es bestehe kein solcher Zusammenhang. Wie oben ausgeführt, entsteht der von der Antragstellerin vorausgesetzte Eindruck beim Durchschnittsverbraucher nicht. Zudem kann es auch nicht richtig sein, dass die Wirkstoffmenge ganz ohne Einfluss auf die Verträglichkeit ist. Vielmehr ist es unstreitig, dass eine solcher Einfluss bestehen kann, wenn derselbe Wirkstoff bzw. dasselbe Arzneimittel, aber jeweils ein Mehr oder ein Weniger der Menge (Dosierung) in Rede steht.

3.) Die dreizeilige Textstelle insgesamt nicht irreführend im Sinne der vierten Argumentation (Bl. 6-7) der Antragstellerin.

Diese Argumentationskette entspricht der ersten oben dargestellten, vorliegend aber mit dem vermeintlichen Ursachenzusammenhang zwischen der numerisch geringen Wirkstoffmenge und der angeblichen "sehr schonenden" Wirkung bzw. "guten Verträglichkeit" von n_ooo.

Soweit die Antragstellerin weiter dazu vorträgt, die Aussage sei falsch, denn aus einer numerisch geringen Wirkstoffmenge könne nicht per se eine geringe Wirkstoffbelastung und somit auch keine "sehr schonende" Wirkung bzw. "gute Verträglichkeit" der n_ooo-Arzneimittel abgeleitet werden, da vor allem die Potenz des verabreichten Wirkstoffes eine entscheidende Rolle bei der Wirkstoffbelastung spiele, und noch erläutert, es könne ein potenter Wirkstoff in niedriger Dosierung (geringe Menge) den Organismus im selben oder stärkeren Maße belasten wie ein wenig potenter Wirkstoff in hoher Dosierung (größere Menge), so muss dem nicht widersprochen werden.

Die angegriffene Textstelle behauptet das ausdrücklich nicht und wird auch nicht so verstanden. Von der Dosierung im Sinne einer absoluten Zahl bzw. einer "numerisch geringen Wirkstoffmenge" ist an keiner Stelle die Rede. Der Verkehr hat zu so einem speziellen Verständnis keinen Anhalt.

4.) Der Unterlassungsantrag ist auch nicht begründet im Hinblick auf die von der Antragstellerin herangezogenen Nebenwirkungen von n_ooo.

Hier argumentiert die Antragstellerin damit, die "sehr schonende" Wirkung von n_ooo sei wegen der Nebenwirkungen nicht belegt. Sie hat aber nicht etwa dargelegt, dass der Verkehr eine ganz bestimmte Vorstellung von einer "sehr schonenden Wirkung" hätte, die n_ooo nicht einlösen würde; entsprechendes gilt für das Auskommen "mit wenig Wirkstoff" und/oder für die "gute" Verträglichkeit.

Der Durchschnittverbraucher stellt auch bei einem Arzneimittel, das "sehr schonend wirkt" in Rechnung, dass es unter bestimmten Voraussetzungen zu Nebenwirkungen kommen kann, insbesondere wenn das Arzneimittel länger oder gar dauernd gebraucht wird. Auf solche möglichen Nebenwirkungen weist die Fachinformation hin (Anlage ASt EV 2). Dass das der Verkehrsvorstellung infolge der Werbeaussage widerspricht, ist nicht aufgezeigt.

5.) Entsprechendes gilt für das Argument der Antragstellerin im Hinblick auf die Konservierungsstoffe in Teilen der Produktpalette von n_ooo.

Die Arzneimittel "n_ooo sanft" haben keine Konservierungsstoffe, anders dagegen die übrigen n_ooo-Arzneimittel. Gleichwohl ist keine Irreführung aufgezeigt. Auch ein Arzneimittel mit Konservierungsstoffen kann sehr schonend wirken; entsprechendes gilt für das Auskommen "mit wenig Wirkstoff" und/oder für die "gute" Verträglichkeit.

6.) Soweit die Antragstellerin noch einwendet, sie (die Antragstellerin) werde durch den werblich herausgestellten, vermeintlichen "Vorteil" von n_ooo mit wenig Wirkstoff diskriminiert, weil dem die doppelte Menge eines anderen Wirkstoffs bei tr_iii gegenüberstehe, greift das nicht durch. Es handelt sich nicht um eine vergleichende Werbung und erst recht nicht um eine solche mit nur dem herausgestellten Nachteil bei tr_iii wegen der höheren Wirkstoffmenge. Um ein "schiefes Bild" eines Werbevergleichs geht es vorliegend nicht.

7.) Schließlich ergibt sich auch keine Irreführung im Hinblick darauf, dass "systemische Effekte" bei n_ooo zu erwarten sind (so die Antragstellerin) oder nicht (so die Antragsgegnerin).

Selbst wenn man zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt, dass nach der Fachinformation von n_ooo bei Anwendung des Arzneimittels mit gewissen systemischen Wirkungen zu rechnen ist, ergibt das Vorbringen der Antragstellerin mangels näherer Bestimmung damit noch keine Irreführung. Denn die mit der sehr schonenden Wirkung von n_ooo geweckte Vorstellung muss damit noch nicht unrichtig sein.

III.

Nach alledem war die Berufung begründet und das landgerichtliche Urteil abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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