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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 3 U 123/03
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3
UWG § 1
1. Die Pharmawerbung unter Hinweis auf eine Auffassung der WHO zu "Äquivalenzdosen der Statine" ist irreführend (§ 3 HWG), wenn der angesprochene Verkehr annehmen muss, es gäbe entsprechende direkte Vergleichsstudien über Statine und wenn sich die WHO-Ergebnisse tatsächlich nur auf Verschreibungsgewohnheiten der Ärzte beziehen.

2. § 3 HWG ist eine Norm mit wettbewerbsrechtlicher Schutzfunktion, der Verstoß gegen diese Vorschrift ist zugleich unlauter im Sinne des § 1 UWG.

3. Der Verbotsantrag gibt die konkrete Verletzungsform nicht wieder, wenn in indirekter Rede der durch die Werbung erweckte Eindruck geschildert wird, statt die Werbung wegen des Eindrucks verbieten zu lassen.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 123/03

Verkündet am: 4. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler

nach der am 19. Februar 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 1. Juli 2003 abgeändert.

Die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 4. April 2003 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antragsgegnerin verboten wird, für ihr Arzneimittel OL-XXXX im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe zu werben:

"Das sagt die WHO zu Äquivalenzdosen der Statine: Der therapeutische Wert eines Statins ist nur anhand von Studien zu beurteilen. Trotzdem ergibt sich im klinischen Alltag bei Umstellungen die Frage nach Äquivalenzdosen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat folgende Äquivalenzdosen definiert: Simvastatin 15 mg, Atorvastatin 10 mg".

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Wettbewerber, sie vertreiben u. a. verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Senkung erhöhten Cholesteringehalts im Blut, die zur Gruppe der Statine (CSE-Hemmer = Cholesterin-Synthese-Enzym-Hemmer) gehören.

Die Antragstellerin produziert und vertreibt den CSE-Hemmer R-XXXX mit dem Wirkstoff Atorvastatin (Anlage AS 1). Die Antragsgegnerin vertreibt den CSE-Hemmer OL-XXXX mit dem Wirkstoff Simvastatin (Anlage AS 2), hierfür hat sie auf ihrer nur für Fachkreise erreichbaren Website geworben (Anlage AS 3).

Die Antragstellerin beanstandet die Internet-Werbung als irreführend und nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Auf der beanstandeten Internet-Seite der Antragsgegnerin ("H-xxx-Fettstoffwechsel") heißt es u. a.:

"... Dosis Die Dosis-Wirkungsbeziehung von Statinen ist nicht linear. Bereits mit einer Wirkdosis von 10 mg erhält man eine LDL-Senkung von ca. 70 % der jeweiligen 40-mg-Dosis.

In der CURVES-Studie wurden für 40 mg Simvastatin folgende Veränderungen der Lipid-Werte dokumentiert:

LDL-Cholesterin -41 %

HDL-Cholesterin +10 %

Triglyzeride -15 %

Das sagt die WHO zu Äquivalenzdosen der Statine

Der therapeutische Wert eines Statins ist nur anhand von Studien zu beurteilen.

Trotzdem ergibt sich im klinischen Alltag bei Umstellungen die Frage nach Äquivalenzdosen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat folgende Äquivalenzdosen definiert:

 Simvastatin15 mgLovastatin30 mg
 Atorvastatin10 mgFluvastatin40 mg
 Pravastatin20 mg 

Die DDD-Kosten (Defined Daily Dose) dienen als Grundlage des jährlich erscheinenden Arzneiverordnungs-Reports, der auf den Verordnungsdateien des wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) basiert." (Anlage AS 3).

Die auf der beanstandeten Internet-Seite der Antragsgegnerin erwähnten "DDD-Kosten" beziehen sich auf das sog. DDD-System der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die ihrerseits im Internet ihr "DDD-System" vorgestellt hat (Anlage AS 6). Dort heißt es u. a.:

"In order to measure drug use, it is important to have both a classification system und a unit of measurement. To deal with the objections against traditional units of measurement, NMD also developed a technical unit of measurement called the Defined Daily Dose (DDD) to be used in drug utilisation studies...

A major aim ot the Centre und Working Group is to maintain stable ATC codes and DDDs over time to allow trends in drug consumption to be studied without the complication of frequent changes to the system. There is a strong reluctance to make changes to classifications or DDDs where such changes are requested for reasons not directly related to drug consumption studies. For this reason the ATC/DDD system by itself is not suitable for guiding decisions about reimbursement, pricing and therapeutic substitution.

The classification of a substance in the ATC/DDD system ist not a recommendation for use, nor does it imply any judgements about efficacy or relative efficacy of drugs and groups of drugs..."

Wie die Antragsgegnerin nicht bestreitet, ergibt sich hieraus, dass das DDD-System der WHO ausschließlich dazu dient, ein Klassifikationssystem und eine Maßeinheit für die Zwecke der Erstellung von internationalen Studien über den Arzneimittelverbrauch zu schaffen. Zugleich wird von der WHO damit darauf hingewiesen, dass Sinn und Zweck dieses Maßstabes und die Art seiner Generierung es ausschließen, die für verschiedene Arzneimittel festgesetzten "Defined Daily Dose" unter anderen Aspekten miteinander zu vergleichen.

Das Landgericht hat mit seiner Beschlussverfügung vom 4. April 2003 der Antragsgegnerin unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel verboten, für ihr Arzneimittel OL-XXXX im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe zu werben, zwar lasse sich der therapeutische Wert eines Statins nur anhand von Studien beurteilen, im klinischen Alltag könne man sich aber an den von der WHO definierten Äquivalenzdosen orientieren, wonach 15 mg Simvastatin entsprächen 10 mg Atorvastatin.

Mit dem Urteil vom 1. Juli 2003 hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung mit der Maßgabe bestätigt, dass dem Verbotsausspruch folgendes beigefügt wird:

"..., ohne darauf hinzuweisen, dass die WHO die Äquivalenzdosen des DDD allgemein nicht als Grundlage für Substitutionsentscheidungen festgelegt hat und hierfür auch nicht geeignet hält".

Im Übrigen hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie hat beantragt (wegen der ursprünglich angekündigten Antragsfassung vgl. Bl. 57),

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beschlussverfügung des Landgerichts mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antragsgegnerin unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel verboten wird, für ihr Arzneimittel OL-XXXX im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe zu werben:

"Das sagt die WHO zu Äquivalenzdosen der Statine: Der therapeutische Wert eines Statins ist nur anhand von Studien zu beurteilen. Trotzdem ergibt sich im klinischen Alltag bei Umstellungen die Frage nach Äquivalenzdosen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat folgende Äquivalenzdosen definiert: Simvastatin 15 mg, Atorvastatin 10 mg".

Die Antragsgegnerin verteidigt das landgerichtliche Urteil.

B.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Die Beschlussverfügung ist demgemäß unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils nunmehr entsprechend dem in der Berufungsverhandlung von der Antragstellerin gestellten Verfügungsantrag zu bestätigen.

I.

Der Gegenstand des Unterlassungsantrages, wie er in der Berufungsverhandlung gestellt worden ist, ist das Werben für OL-XXXX mit der zitierten Äußerung, und zwar selbstverständlich nur innerhalb der Fachkreise.

Die beanstandeten Angaben sind zwar der Website der Antragsgegnerin gemäß Anlage AS 3 entnommen, die Internetseiten sind aber als solche nicht Streitgegenstand. Deswegen können Einzelheiten aus dieser Veröffentlichung, soweit sie nicht im Antrag aufgenommen worden sind, nicht zur Begründung des Verbots herangezogen werden.

II.

Der in der Berufungsverhandlung geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nach Auffassung des Senats aus § 3 HWG, § 1 UWG begründet.

1.) Die beanstandete Werbung richtet sich an die Fachkreise im Sinne des HWG, die Website der Antragsgegnerin (Anlage AS 3) ist unstreitig nur diesen zugänglich. Demgemäß ist für das Verständnis der beanstandeten Werbeangabe auf das des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Arztes (insbesondere des Allgemeinmediziners, Internisten und Klinikarztes) bzw. Apothekers abzustellen.

Der erkennende Senat kann auf Grund eigener Sachkunde über das Verkehrsverständnis der im Verfügungsantrag angegriffenen Aussage entscheiden, obwohl die Mitglieder des Senats nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Bei dem Werbehinweis geht es um Angaben des allgemeinen Sprachgebrauchs bzw. um nach normalen Grundsätzen des Äußerungszusammenhangs zu beurteilende Fragen der werblichen Darstellung. Durchgreifende Umstände, die wegen fachspezifischer Besonderheiten ein davon etwa abweichendes Verständnis in Fachkreisen erwarten lassen, sind nicht vorgetragen worden und sind auch sonst nicht ersichtlich.

2.) Die beanstandete Werbeaussage ist irreführend (§ 3 HWG), sie wird von beachtlichen Teilen des angesprochenen Publikums in einer den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Weise verstanden.

Es wird in dem Hinweis die Auffassung ("sagt") der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu "Äquivalenzdosen der Statine" zitiert und behauptet, die WHO habe (u. a.) die "Äquivalenzdosen" von "Simvastatin 15 mg, Atorvastatin 10 mg definiert" (Anlage AS 3). Das kann nur so verstanden werden, dass die WHO über Erkenntnisse verfügt, nach denen Simvastatin 15 mg mit Atorvastatin 10 mg äquivalent seien. Diese Aussage versteht der durchschnittliche Arzt bzw. Apotheker mangels gegenteiliger Angaben als Hinweis auf existierende Vergleichsstudien gerade auch zwischen Simvastatin 15 mg und Atorvastatin 10 mg, auf Grund derer die WHO diese Äquivalenzdosen vermeintlich "definiert" hat.

Zu dieser Annahme kommt der Arzt schon durch die einleitende Äußerung in der Werbung selbst; dort heißt es wiederum unter Hinweis auf die Aussage der WHO: "Der therapeutische Wert eines Statins ist nur anhand von Studien zu beurteilen". So wird der durchschnittliche Werbeadressat annehmen müssen, der WHO lägen solche (aussagekräftigen und gesicherten) Studien vor, auf Grund derer die WHO mit ihrer eigenen Autorität - die Weltgesundheitsorganisation ist eine supranationale Organisation der Vereinten Nationen - die aufgeführten Äquivalenzdosen "definiert".

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in dem angegriffenen Werbehinweis eingeschobenen Satz: "Trotzdem ergibt sich im klinischen Alltag bei Umstellungen die Frage nach Äquivalenzdosen". Denn das "trotzdem" wird nicht etwa als Gegensatz zu dem vorangestellten Hinweis auf die Studien verstanden, anhand derer nur der "therapeutischen Wert" eines Statins "zu beurteilen" ist, sondern als Hinweis auf eine Entscheidungshilfe für den Arzt im "klinischen Alltag" für Umstellungen von einem Statin auf andere durch die ausdrücklich sog. "Äquivalenzdosen", die - wie ausgeführt - als "definierte WHO-Äquivalenzdosen" anschließend genannt werden. Damit wird nicht etwa gesagt oder auch nur angedeutet, dass die "WHO-Äquivalenzdosen" etwas (ganz) anderes als Studienergebnisse zur therapeutischen Äquivalenz sein sollen.

In diesem Verständnis ist die beanstandete Äußerung unrichtig und demgemäß irreführend. Denn die vermeintlichen "WHO-Äquivalenzdosen" sind keine durch Studien gewonnenen Ergebnisse über Statine in ihrer therapeutischen Wirkung, sondern die sog. "Defined Daily Dose" (DDD) der WHO ist definiert als diejenige Menge, die die Ärzte weltweit von einem Arzneimittel durchschnittlich für die tägliche Anwendung verordnen (Anlage AS 8, Seite 4: "The DDD ist he assumed average maintenance dose per day for a drug used for ist main indication in adults"). Demgemäß dient, wie ausgeführt, das DDD-System der WHO ausschließlich dazu, für die Erstellung von internationalen Studien über den Arzneimittelverbrauch ein Klassifikationssystem und eine Maßeinheit zu schaffen (Anlage AS 6), und die WHO hat selbst darauf hingewiesen, dass damit gerade keine Aussage über den Nutzen oder den Vergleichsnutzen eines Wirkstoffs enthalten sei und dass dieses System nicht als Grundlage therapeutischer Substitutionsentscheidungen geeignet sei.

3.) Nach Auffassung des Senats kann es für die Frage eines Verstoßes gegen § 3 HWG nicht auf die Überlegungen des Landgerichts zu den fehlenden Vergleichsstudien einerseits und zu den ärztlichen Verschreibungsgewohnheiten gemäß dem DDD-System der WHO andererseits ankommen.

(a) Es geht nach dem Streitgegenstand nicht um die Frage, ob es Fälle geben kann, in denen eine Bezugnahme auf die DDD der WHO zur Orientierung der Ärzte bei Statinumstellungen zulässig, d. h. nicht irreführend wäre. Jedenfalls kann keine Irreführung gerechtfertigt sein etwa mit der Begründung, bisher gäbe es zwar keine direkten Vergleichsstudien, aber es - so das Landgericht - existierten auch keine gesicherten Erkenntnisse, dass die WHO-Äquivalenzdosen die therapeutische Äquivalenz der genannten Statine nicht richtig wiedergäben.

Zum einen übersieht das Landgericht, dass "Äquivalenzdosen" nur anhand der ärztlichen Verschreibungsgewohnheiten eine ganz andere Aussage bedeuten als solche auf Grund untersuchter therapeutischer Wirkungen. Denn wenn z. B. der Werbeaussage im Verbotsausspruch bezogen auf die DDD entnommen werden kann, dass weltweit Simvastatin mit täglich 15 mg verordnet wird, Atorvastatin dagegen mit 10 mg, dann sagt das nach Art des DDD-Systems nichts darüber aus, ob 15 mg Simvastatin auch dieselbe Wirkung wie 10 mg Atorvastatin haben. Es mag sein, dass die Verschreibungsgewohnheiten der Ärzte auf dem Bestreben beruhen, den bestmöglichen therapeutischen Nutzen für den Patienten zu erreichen. Doch dieser Umstand ändert nichts daran, dass die Aussage über die tatsächlichen Verschreibungsgewohnheiten etwas anderes ist als über eine (valide untersuchte) therapeutische Äquivalenz zweier Arzneimittel.

Zum anderen beruht die Irreführung der beanstandeten Aussage u. a. auch auf dem Umstand, dass der Äußerung der Antragsgegnerin nicht entnommen wird, dass es keine direkten Vergleichsstudien über die therapeutische Äquivalenz der Statine gibt. Denn wenn es heißt, dass der "therapeutische Wert eines Statins nur anhand von Studien zu beurteilen" ist, kommt man nicht zur der Annahme, dass es solche nicht gibt. Wenn in diesem Zusammenhang auf vermeintlich gesicherte WHO-Äquivalenzdosen verwiesen wird, beseitigt das - wie ausgeführt - die Fehlvorstellung nicht, sondern festigt sie vielmehr im oben dargestellten Sinne.

(b) Zudem kann der Umstand, dass es keine direkten Vergleichsstudien zur therapeutischen Äquivalenz gibt, keine Irreführung über die vermeintliche Existenz solcher Untersuchungen rechtfertigen, indem man den Arzt "statt dessen" auf die WHO-Ergebnisse ohne Nennung ihres eigentlichen - eben anderen - Aussageinhalts verweist. Eine richtige Wiedergabe der therapeutischen Äquivalenzdosen, von der das Landgericht bis zum Beleg des Gegenteils durch die WHO-Ergebnisse ausgehen möchte, würde im Übrigen auch dann nicht vorliegen, wenn diese Werte (zufällig) übereinstimmten. Denn für den Arzt ist es verständigerweise ein erheblicher Unterschied, ob er Ergebnisse von Wirkstoff-Vergleichsstudien oder solche nur von Verschreibungsgewohnheiten als Basis für sein eigenes Verordnungsverhalten heranzieht.

(c) Es mag sein, dass - wie die Antragsgegnerin insbesondere in der Berufungsverhandlung noch hat ausführen lassen - auf der Grundlage des auf dem deutschen Markt tatsächlich zu beobachtenden Verordnungsverhaltens auch gewisse Rückschlüsse auf die therapeutische Äquivalenz der in Rede stehenden Statine zulässig sind. Hierauf kommt es aber - entsprechend den obigen Ausführungen - nicht an. Denn auch in diesem Falle handelte es sich um (bloße) Schlussfolgerungen, nicht aber um tatsächlich durchgeführte Wirkstoff-Vergleichsuntersuchungen. Dem Arzt selbst muss bei seiner Verordnung klar sein, worauf er seine Entschließung stützt. Die beanstandete Äußerung führt hingegen den Werbeadressaten insoweit in die Irre.

4.) Das vom Landgericht noch herangezogene Argument der Antragsgegnerin, die in ihrer Internetveröffentlichung (Anlage AS 3) genannte CURVES-Studie sei keine hinreichend gesicherte Grundlage für eine therapeutische Äquivalenz-Aussage, greift nicht durch. Wenn die CURVES-Studie nicht aussagekräftig in dieser Hinsicht sein sollte, rechtfertigte das nicht die in Rede stehende Irreführung durch vermeintlich existierende WHO-Äquivalenzdosen im oben dargestellten Sinne.

5.) Der in der Berufungsverhandlung gestellte Verfügungsantrag beschreibt die konkrete Verletzungsform.

Die Antragsgegnerin hat sich in der beanstandeten Weise im Internet geäußert (Anlage AS 3). Der dort noch vorhandene Zusatz:

"Die DDD-Kosten (Defined Daily Dose) dienen als Grundlage des jährlich erscheinenden Arzneiverordnungs-Reports, der auf den Verordnungsdateien des wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) basiert."

ist nicht geeignet, der oben aufgezeigten Irreführung zu begegnen; insoweit ist es unschädlich, dass der Zusatz im Verbotsausspruch nicht enthalten ist. Insbesondere ist die angegriffene Angabe nicht etwa aus ihrem historischen Äußerungszusammenhang gerissen und erst dadurch irreführend:

Der Zusatz lässt nicht erkennen, dass die WHO nur die statistischen Ergebnisse zum weltweiten Verschreibungsverhalten der Ärzte unter ihrem DDD-System aufbereitet hat und dass die vermeintlich von der WHO definierten "'Äquivalenzdosen" gerade keine therapeutischen Äquivalenzaussagen sein sollen.

6.) Wegen des Verstoßes der Werbung der Antragsgegnerin gegen § 3 HWG ist auch ein Verstoß gegen § 1 UWG gegeben.

Nach der neueren BGH-Rechtsprechung kommt ein Anspruch aus § 1 UWG in Fällen, in denen ein Verhalten gegen ein Gesetz verstößt, allerdings nur dann in Betracht, wenn von dem Gesetzesverstoß zugleich eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem Markt ausgeht. Es muss an Hand einer am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den Gesetzesverstoß das Gepräge eines wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens bekommt. Der Gesetzesverstoß kann dazu allein nicht genügen, wenn die verletzte Norm nicht zumindest auch eine - entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG - auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat (BGH WRP 2004, 337 - Krankenkassenzulassung m. w. Nw.).

Dem § 3 HWG kommt eine solche wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zu. Die Vorschrift entspricht - unbeschadet ihrer Besonderheiten - dem § 3 UWG. Das Verbot irreführender Werbung hat per se eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion. Besonderheiten des konkreten Sachverhalts, die eine andere Betrachtungsweise angezeigt sein lassen könnten, sind nicht erkennbar.

III.

Nach alledem hatte die Berufung der Antragstellerin Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Neufassung des Verfügungsantrages in der Berufungsverhandlung ist nur eine redaktionelle Überarbeitung des ursprünglich begehrten Verbots. Der Verfügungsantrag der Antragstellerin gemäß der Beschlussverfügung des Landgerichts gab allerdings das tatsächlich gewollte Unterlassungsgebot nicht richtig wieder. Die Formulierung orientierte sich nicht an der konkreten Verletzungsform (den Angaben aus den Internetseiten gemäß Anlage AS 3) wegen des durch sie hervorgerufenen (irreführenden) Eindrucks, sondern übernahm den diesen in indirekter Rede so, als hätte sich die Antragsgegnerin ausdrücklich so geäußert. Dass dies aber der Fall gewesen wäre oder im Sinne der Erstbegehungsgefahr drohen könnte, hat die Antragstellerin aber zu keinem Zeitpunkt behauptet.

Die vom Landgericht abgewandelt bestätigte Verbotsfassung entsprach nicht dem Antrag der Antragstellerin und gab dem Unterlassungsgebot eine abweichende Zielrichtung. Diese Antragsfassung hat sich die Antragstellerin nicht, auch nicht hilfsweise, zu Eigen gemacht.

Ende der Entscheidung

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