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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 3 U 127/06
Rechtsgebiete: UWG, AMG, HWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
AMG § 21
AMG § 21 Abs. 2 Nr. 1
HWG § 3a
1. Mit der Formulierung "Herstellung im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs" i.S. des § 21 II Nr. 1 AMG wird auch nach der Änderungen dieser Vorschrift durch die 14. AMG Novelle zum Ausdruck gebracht, dass die Ausnahme vom Grundsatz der Zulassungspflicht von Arzneimitteln nur für verlängerte Rezepturen gilt, die in einem regional begrenzten Gebiet, nämlich im üblichen Versorgungs- und Einzugsbereich der Apotheke, vertrieben werden.

2. Dieser Auslegung stehen die gesetzlichen Regelungen zur Zulässigkeit des Versandhandels durch Apotheken nicht entgegen.

3. Ein Bestellformular, mit dem Ärzte bei einer Apotheke verlängerte Rezepturen ordern können, erfüllt jedenfalls dann den grundsätzlich weit zu verstehenden Begriff der Werbung i.S. des § 3a HWG, wenn dort konkrete Bestellanreize (hier: Lieferung von 8 Dosen ohne Berechnung) gegeben werden.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftszeichen: 3 U 127/06

Verkündet am: 11. Oktober 2007

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter, nach der am 13.9.2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15 vom 2. Februar 2006 (315 O 347/05), wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten im Tenor zu I. a) verboten wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Arzneimittel "GT", mit der Zusammensetzung wie in der Gebrauchsinformation (Anl. K 2) beschrieben, ohne dass der Hauptbestandteil des Präparats Macrogol vom Beklagten in seiner Apotheke selbst synthetisiert wird, zur Verbreitung außerhalb des Versorgungsbereichs der Stadt Kiel ohne Zulassung gemäß § 21 I AMG in den Verkehr zu bringen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 112.000,- abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien vertreiben Präparate zur Darmreinigung vor diagnostischen Untersuchungen, z.B. zur Vorbereitung einer Koloskopie.

Die Klägerin bringt das arzneimittelrechtlich zugelassene Präparat "Klean-Prep" (Anlage K 1) in den Verkehr.

Der Beklagte, ein Fachapotheker für Krankenhauspharmazie und Apotheker für Offizin-Pharmazie, betreibt unter der Firma "SteffenŽs K-Apotheke" eine in Kiel ansässige Apotheke. Er bringt unter der als Marke geschützten Bezeichnung "GT" ohne arzneimittelrechtliche Zulassung gem. § 21 I AMG ein Präparat in den Verkehr, welches gemäß der "Gebrauchsinformation" (Anlage K 2) für folgendes "Anwendungsgebiet" vorgesehen ist:

"A) Zur Darmreinigung vor diagnostischer Untersuchung (Koloskopie) und vor operativem Eingriff im Darmbereich.

B) Zur Darmreinigung vor Beginn einer Fastenwoche."

"GT" ist eine Pulvermischung, die mittels Zugabe von Wasser eine trinkfertige Lösung ergibt. Die Pulvermischung enthält als wirksame Bestandteile (Anlage K 2):

- Macrogol 4000

- Natriumsulfat wasserfrei

- Natriumhydrogencarbonat

- Natriumchlorid reinst

- Kaliumchlorid reinst

Das Rezept zur Herstellung der Pulvermischung ist in das "Deutsche Arzneibuch DDR" als "Pulver für Darmspülung SR" aufgenommen worden (Anlage B 1). Der arzneilich wirksame Hauptbestandteil ist Macrogol. Macrogole haben die Eigenschaft, Wasser mittels Wasserstoffbrücken zu binden, womit sie in der Lage sind, eine definierte oral zugeführte Menge Wasser in den Darm zu transportieren. Dadurch wird der Stuhl hydratisiert und nimmt an Volumen zu. Die Volumenvergrößerung bewirkt einen Druck auf die Darmwand, welche wiederum mit dem Defäktionsreflex reagiert. Die in der Rezeptur enthaltenen Salze dienen dazu, eine plasmaisoosmolare Lösung herzustellen, also eine Lösung, die dieselbe Konzentration an Ionen aufweist wie das Blutplasma. Dadurch wird einer Mangelversorgung des Patienten an diesen Ionen vorgebeugt. Eine Mangelversorgung könnten ansonsten Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Muskelkrämpfe und Blutdruckprobleme auslösen. Auch der Beklagte geht im vorliegenden Verfahren davon aus, dass die Art, die Menge und das Verhältnis der Salze zueinander in der Rezeptur dazu führen, dass es trotz der Abführwirkung nicht zu einer Belastung des Salzhaushalts des Körpers kommt. Auf dieser Basis ist zwischen den Parteien jedenfalls für dieses Verfahren unstreitig geworden, dass die Rezeptur kein Medizinprodukt ist, sondern den Arzneimittelbegriff erfüllt.

Zur Geschmacksverbesserung wird von dem Beklagten seit 1990 nach Versuchen mit anderen Geschmackszutaten je nach individueller Bestellung durch die Ärzte u.a. ein Karotten-Orangen-Aprikosen-Extrakt bzw. Kirsch-Aroma, Lemon-Zitrone oder Vanille Aroma zugesetzt. Die geschmackliche Komponente ist für die Akzeptanz des Getränks durch den Patienten, der eine große Menge der aus dem Pulver herzustellenden Flüssigkeit zu sich nehmen muss, wichtig. Diese Akzeptanz beim Patienten wiederum ist für den Arzt von erheblicher Bedeutung für die Verschreibungsentscheidung.

Der Beklagte bezieht zur Herstellung der Pulvermischung geprüfte Arzneibuch-Rohstoffe mit Analysezertifikat im Pharma-Fachhandel. Nach der vom Beklagten im Berufungsverfahren zuletzt gegebenen Darstellung erfolgt die Herstellung von "GT" in den Räumen der K-Apotheke in folgenden Herstellungsschritten:

Die angelieferten Salze werden nach Identitätsprüfung mit Prüfprotokoll in einem Apothekenmörser zunächst pulverisiert und anschließend gesiebt, bis eine bestimmte einheitliche Korngröße erreicht ist. Ggf. wird eine weitere Mörserung durchgeführt. Anderenfalls würden sich die Salze später nicht gleichmäßig mischen lassen.

Die gesiebten Pulver werden sodann in den Pflugscharmischer eingewogen und nach definierten Vorgaben gemischt.

Erst nach Prüfung des Pulvers im Apothekenlabor durch den zuständigen Apotheker (Bestimmungen der Einzelsalze im Gemisch) und der dann schriftlich erfolgenden Freigabe erfolge die Abfüllung nach Gewicht in die Einzelbeutel, wobei wiederum auf die zulässigen Toleranzen gemäß Arzneibuch sowie das Verhalten der staubförmigen Anteile zu achten ist.

Der gesamte Prozess einschließlich der Qualitätskontrolle der Eingangsstoffe sowie des Endproduktes erfordert pharmazeutische Fachkenntnisse und Erfahrung eines Apothekers.

Der Beklagte stellt "GT" nicht allein auf ausdrückliche Anforderung nach dem Rezept eines Arztes her und gibt sie in der Apotheke an Einzelkunden ab, sondern stellt das Mittel auch ohne eine solche Anforderung in einer Größenordnung von jedenfalls 100 Beuteln pro Tag her. Ob in der Apotheke des Beklagten auch mehr als 100 Beutel pro Tag hergestellt werden, ist zwischen den Parteien streitig. Die derart hergestellten Beutel gibt der Beklagte nach Vorlage einer ärztlichen Verschreibung auf Rezept für den persönlichen Sprechstundenbedarf an Ärzte ab.

Die Verschreibungsinitiative geht i.d.R. von den Ärzten aus. Die Ärzte schreiben auf das Rezept lediglich den Namen der Rezeptur "GT" und deklarieren die Auflistung der einzelnen Inhaltsstoffe nicht. Auf das Anlagenkonvolut B 5 wird Bezug genommen.

Der Beklagte erhält individuelle Rezepturaufträge jedenfalls aus den Bundesländern Schleswig-Holstein und Hamburg, in die er auch liefert. Die Abgabe von "GT" auf Einzelrezept an Kunden und per Sprechstundenbedarfsrezept an die Ärzte erfolgt ausschließlich in bzw. aus den Räumen der K-Apotheke an die Ärzte selbst durch Versand per GLS. Der Beklagte nimmt weiter für sich in Anspruch, bundesweit versenden zu dürfen. Er hat insoweit in der Berufungsverhandlung erklärt, dass diese Äußerung nicht ausschließlich zum Zwecke der Rechtsverteidigung zu verstehen sei.

In jedenfalls einem Fall hat der Beklagte auf Anforderung das aus der Anlage K 4 ersichtliche und dem landgerichtlichen Urteil beiliegende Bestellformular versandt. Darin wird erklärt, wie ein Sprechstundenbedarfsrezept vom Arzt auszufüllen ist. Weiter heißt es dort u.a.:

"BESTELLUNG für 100 mal 4 Btl.= 400 Beutel "GT" (r)

WIR LIEFERN: 100 Dosen "GT" (r) mit je 4 Beuteln + 8 DOSEN ohne Berechnung ..."

Auf die Anlage K 4 wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Die Klägerin hat den Beklagten abgemahnt (Anlage B 4), der Beklagte hat keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, sondern wie aus Anlage K 5 ersichtlich am 18.2.2005 geantwortet.

Am 30.11.2005 wurde dem Beklagten von der Apothekerkammer Schleswig-Holstein der Aufbau und die Dokumentation eines "Qualitätsmanagementsystems für Apotheken" nach der Norm DIN EN ISO 9001:2000 zertifiziert (Anlage B 7).

Am 12.12.2005 ist dem Beklagten vom Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit des Landes Schleswig-Holstein eine Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichten Arzneimitteln gem. § 11 a ApoG, § 43 I 1 AMG erteilt worden (Anlage B 6).

Der Kläger hat geltend gemacht:

Die Klage wende sich nicht dagegen, dass der Beklagte "GT" als Einzelrezeptur auf ausdrückliche Verschreibung eines Arztes in seiner Apotheke herstellt und abgibt. Auch eine defekturmäßige Herstellung im Rahmen des § 21 II Nr. 1 AMG wolle die Klägerin nicht verbieten lassen. Vielmehr gehe es der Klägerin darum, den Beklagten beim Vertrieb von "GT" in die Schranken zu weisen, soweit er dieses Präparat außerhalb des Rahmens von § 21 II Nr. 1 AMG vermarkte.

Das Präparat "GT" sei ein gem. § 21 I AMG zulassungspflichtiges Arzneimittel.

Der Vertrieb von "GT" sei auch nicht ausnahmsweise ohne Zulassung zulässig.

Es liege keine Einzelrezeptur vor, da der Beklagte "GT" in großem Maßstab herstelle und im Industriemaßstab mit (zumindest) 100 Beuteln vertreibe.

Eine Zulassungsfreiheit ergebe sich auch nicht aus § 21 II Nr. 1 AMG.

So werde "GT" nicht "im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs" hergestellt und abgegeben, weil der Beklagte das Präparat nicht nur für Ärzte und Kunden herstelle, die in seinem zu versorgenden räumlichen Einzugsbereich, nämlich Kiel wohnten und praktizierten. Ihr, der Klägerin, sei bekannt, dass der Beklagte "GT" auch nach Nordrhein-Westfalen liefere. Ferner berühme sich der Beklagte - was zwischen den Parteien unstreitig ist - in seinem Prozessvortrag selbst, "GT" in jedes Bundesland liefern zu dürfen.

Die Regelung des Versandhandels gem. § 11 a ApoG und eine eventuelle Versandhandelserlaubnis des Beklagten änderten an einer solchen restriktiven Auslegung des § 21 II Nr. 1 AMG nichts.

Es sei angesichts der Angaben auf dem Bestellzettel K 4 weiter zweifelhaft, ob der Beklagte die 100ér Regel des § 21 II Nr. 1 AMG befolge. Bereits ausweislich der vom Beklagten im Prozess eingereichten Rezepte belaufe sich sein Gesamtumsatz im Jahr 2005 für die Vermarktung von GT auf EUR 93.000,-. Dies spreche eindeutig für eine eher industrielle Fertigung, denn für eine ausnahmsweise Einzelanfertigung im Rahmen des individuellen Apothekenbetriebs.

"GT" werde auch nicht in den "wesentlichen Herstellungsschritten" vom Beklagten hergestellt. Hierfür sei Voraussetzung, dass ein Arzneimittel auch vom Apotheker synthetisiert werde, was - auch dies ist zwischen den Parteien unstreitig - bei der Herstellung von "GT" nicht erfolge.

Weiter habe der Beklagte auch nicht nachgewiesen, dass ihm häufige ärztliche Verschreibungen vorliegen würden. Hierfür reiche es nicht, wenn die Ärzte lediglich "GT" auf ein Rezept schrieben und der Beklagte dann selber die Rezeptur auf dem Verordnungsformular eintrage. Der Beklagte habe auch nicht vorgetragen und nachgewiesen, dass ihm mehrfach täglich oder jedenfalls täglich Rezepturaufträge von Ärzten für "GT" in seiner Apotheke vorgelegt würden.

Bei "GT" handele es sich vielmehr um eine zulassungspflichtige so genannte Hausspezialität des Beklagten. Solche Fertigarzneimittel, die in Apotheken hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an den Verbraucher abgegeben würden, bedürften eindeutig einer AM-Zulassung i.S. des 21 I AMG. Dies ergebe sich ausdrücklich aus § 21 III 2 AMG. Es liege gerade kein Rezeptur-Arzneimittel vor, da es insoweit Sache des Arztes sei, genau zu bestimmen, wie das individuelle Rezeptur-Arzneimittel zusammengesetzt, wie es dosiert und wie es abgepackt werden solle.

Die Voraussetzungen eines Arzneimittels und nicht etwa eines Medizinprodukts lägen vor. "GT" wirke nicht rein mechanisch, sondern werde wegen seiner metabolischen und pharmakologischen Wirkungen eingesetzt. Selbst wenn "GT" als Medizinprodukt anzusehen wäre, wäre es gem. § 6 MPG nicht verkehrsfähig, weil es - was zwischen den Parteien unstreitig ist - nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehen sei. Dies rechtfertige jedenfalls den Hilfsantrag zu 1 a).

Der Antrag zu 1 b) rechtfertige sich aus § 3 a HWG. Das Bestellschreiben gemäß Anlage K 4 sei als Werbung anzusehen.

Der mit dem Antrag zu 2. geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergebe sich aus §§ 3, 9 UWG.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,

a) das Arzneimittel "GT" ohne Zulassung gemäß § 21 I AMG in den Verkehr zu bringen, so lange das Präparat nicht in den wesentlichen Herstellungsschritten in der Apotheke des Beklagten und/oder im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes hergestellt wird und/oder zur Abgabe in seiner Apotheke bestimmt ist,

hilfsweise,

"GT" nicht ohne CE-Kennzeichnung nach dem Medizinproduktegesetz in den Verkehr zu bringen;

b) für den Bezug von "GT" mit dem als Anlage beigefügten Bestellschreiben zu werben;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der aus Handlungen gemäß der vorstehenden Ziffer 1 entstanden ist oder noch entstehen wird.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

Der Beklagte hat geltend gemacht:

Er erfülle mit seiner Rezepturherstellung die Voraussetzungen von § 21 II Nr. 1 AMG, so dass es keiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfe.

Die Rezeptur-/Defekturherstellung von "GT" in den Räumen der K-Apotheke sei als schriftliche ärztliche Individualanforderung als Arzneibuchrezeptur zur Herstellung der bekannten "goli-teli"-Rezeptur nicht zu beanstanden. Die Arzneibuchvorschrift gebe vor, welche Inhaltsstoffe in "GT" enthalten seien.

Es sei übliche Verschreibungspraxis, dass die Ärzte auf dem Rezept lediglich den Namen der Rezeptur "GT" schrieben und die Auflistung der einzelnen Inhaltsstoffe nicht deklarierten. Der Arzt setze zu Recht voraus, dass der Apotheker die Rezepturen aus den einschlägigen Rezeptbüchern oder der Literatur kenne. Gastroenterologen kennten selbstverständlich die seit Jahrzehnten bekannte "goli-teli"-Rezeptur.

Er, der Beklagte, erhalte zurzeit Sprechstundenbedarfsrezepte von einer überschaubaren Anzahl von Ärzten, und zwar durchaus "häufig" i.S. des § 21 II Nr. 1 AMG. Die Mengen, die ausgeliefert würden, seien solche, die abgefordert würden. Dies mögen einmal mehr und einmal weniger sein, d.h. unter einer abgabefertigen Packung verstehe er, der Beklagte, die Menge, die normalerweise vom Arzt bestellt und so dem Arzt zugeschickt werde. Diese seien in der Regel 29,6 kg, aufgeteilt in 432 Beutel. Der Beklagte verweist insoweit auf 73 ärztliche Verschreibungen aus dem Jahr 2005 (Anlage B 5). Für 2004 habe eine vergleichbare Anzahl ärztlicher Verschreibungen vorgelegen.

Der Versand von "GT" erfolge rechtmäßig im Rahmen des § 11 a ApoG, dessen Voraussetzungen würden sämtlich erfüllt.

Spätestens seit Einführung des § 11 a ApoG und der grundsätzlichen Erlaubnis des Versandhandels durch Apotheker könne das Merkmal "im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs" i.S. des § 21 II Nr. 1 AMG nicht mehr i.S. einer örtliche Einschränkung gelesen werden.

Die Synthese von Arzneistoffen des Europäischen Arzneibuchs durch den Apotheker sei nicht verlangt. Die Stoffe müssten lediglich den Qualitätsanforderungen des Europäischen Arzneibuchs entsprechen, was durch das Analysezertifikat des Herstellers und das Eingangsprüfzertifikat des Apothekers selbst gewährleistet sei. Das gelte sowohl in einer Apotheke als auch in der Industrie.

Der übliche Betrieb der K-Apotheke werde aufgrund der persönlichen und sachlichen Ausstattung durch die Herstellung von "GT" nicht wesentlich berührt. Die Defekturherstellungen der als "einfach" anzusehenden "GT"-Rezeptur erfolgten daher im "Rahmen der üblichen Apothekenbetriebes".

Der Versorgungs- und Einzugsbereich für das Rezeptur-/Defekturprodukt "GT" erstrecke sich seit Jahren auf die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg. Aber auch die schriftlichen Rezepturbestellungen für den Sprechstundenbedarf von Ärzten aus anderen Bundesländern würde die K-Apotheke erfüllen dürfen und müssen.

Der Beklagte habe eine Herstellungserlaubnis gem. §§ 12, 14 AMG und prüfe deshalb die Voraussetzungen zur Großherstellung seines Arzeimittelbuchproduktes "GT"-Pulver für Darmspüllösung SR (§ 9 ApoBetrO).

§ 21 III AMG sei schon deshalb nicht anzuwenden, weil des sich bei GT nicht um ein Fertigarzneimittel, sondern um ein Rezepturarzneimittel handele.

Die Zusendung des Faxbogens gem. Anlage K 4 bei Anfragen des Arztes, wie die Verschreibung auf dem Rezept erfolgen könne (Sprechstundenbedarfsrezept), finde seit Anfang des Jahres (2005) mangels Bedarfs nicht mehr statt. Werbung für "GT" erfolge grundsätzlich durch Mundpropaganda von Arzt zu Arzt

Das Landgericht hat den Beklagten nach den Hauptanträgen antragsgemäß verurteilt. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, die er form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag erster Instanz. Ergänzend macht er geltend:

Der Klageantrag zu 1 a) sei eine unzulässige Wiederholung des Gesetzestextes.

Ein Versandhandel sei Teil des "üblichen Apothekenbetriebs". Das Tatbestandsmerkmal sei normativ auszulegen, insbesondere seit Änderung des Gesetzes am 1.12.2005. Das Merkmal stelle auf die "Herstellung" ab, was mit dem "Vertrieb" nichts zu tun habe. Es sei dem Verfassungsrecht Rechnung zu tragen.

Auch Sinn und Zweck sowie systematische Erwägungen sprächen für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals.

Er, der Beklagte, habe weder im Internet noch durch Werbebriefe noch überhaupt geworben. Das Fax gem. Anlage K 4 sei nur anfragenden Ärzten zugesandt worden, und das auch seit Anfang 2005 nicht mehr. Die Faxantworten dienten ausschließlich der Erläuterung für entsprechende Nachfragen zum "handling", aber keinerlei Marktansprache. Anlage K 4 sei nicht als "Werbung" anzusehen; das Interesse des Arztes habe nicht geweckt zu werden brauchen, der Arzt habe die Anlage K 4 nur zugefaxt bekommen, wenn er angefragt habe, was er nur getan haben werde, wenn er das Rezept ohnehin schon habe ausstellen wollen. Es sei im Übrigen nur ein einziger Arzt gewesen, der um die Übersendung eines Hinweises gebeten habe. Für diese Anfrage sei die Anlage K 4 erstellt worden. Die Ärzte würden im Übrigen die Rezeptur vorgeben.

Für die regionale Herkunft der Rezepte stelle § 21 II Nr. 1 AMG keine Anforderungen auf. Tatsächlich sei es in der Praxis so, dass Apotheken sehr wohl von Ärzten aus anderen Bundesländern Rezepte erhielten und für diese Arzneien herstellten, das liege in der Natur der Spezialisierung der Apotheken und Ärzten.

Der Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das landgerichtliche Urteil zu Ziffer I. a und 2. nach folgender Maßgabe verteidigt werden soll:

Dem Beklagten wird verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Arzneimittel "GT", mit der Zusammensetzung wie in der Gebrauchsinformation (Anl. K 2) beschrieben, ohne dass der Hauptbestandteil des Präparats Macrogol vom Beklagten in seiner Apotheke selbst synthetisiert wird, zur Verbreitung außerhalb des Versorgungsbereichs der Stadt Kiel ohne Zulassung gemäß § 21 I AMG in den Verkehr zu bringen.

Im Hinblick auf die Überarbeitung des Antrags hat die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung sowie schriftsätzlich ausgeführt, dass der Antrag so zu verstehen sei, dass das Inverkehrgabeverbot ergehen möge, wenn entweder der Hauptbestandteil des Präparats Macrogol nicht vom Beklagten in seiner Apotheke synthetisiert werde oder er das Präparat außerhalb des Versorgungsbereichs der Stadt Kiel verbreite.

Im Übrigen verteidigt die Klägerin das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz. Ergänzend macht sie geltend:

Aus den als Anlage B 5 eingereichten Rezepten werde deutlich, dass durchgehend nicht der Arzt GT in seiner Zusammensetzung rezeptiert habe, sondern der Beklagte die Rezeptur vorgebe und die betreffenden Ärzte das Präparat wie ein industriell gefertigtes Fertigarzneimittel bestellten. Anders ausgedrückt gehe es bei der streitgegenständlichen Herstellung von "GT" nicht darum, dass durch die Zusammenfassung von häufigen ärztlichen Verschreibungen die Herstellungsqualität des Arzneimittels erhöht werde. Vielmehr biete der Beklagte Ärzten die Lieferung eines von ihm selbst designten Arzneimittels an und zwar unter einer von ihm gehaltenen Marke.

Erstinstanzlich habe der Beklagte auch eingeräumt, dass die Verschreibungsinitiative allenfalls "in der Regel" von Ärzten ausgehe. Hieraus ist zu folgern, dass in einer Vielzahl von Fällen der Beklagte auch die Rezeptur vorgäbe.

Auch der Umstand, dass das streitgegenständliche Präparat unter der Bezeichnung "GT" markenrechtlich geschützt sei, zeige, dass allein der Beklagte bestimme, wie die Zusammensetzung seines macrogolhaltigen Präparats erfolge. Denn unter "GT" könne nur die von ihm designte Darmspüllösung bezogen werden.

Bei dem hier zu beurteilenden Produkt beziehe der Beklagte alle Einsatzprodukte aus dem Pharmahandel und mische diese lediglich zusammen und wiege sie ab. Es erfolge weder eine Synthese der arzneilich wirksamen Bestandteile, noch seien irgendwelche aufwändigen Prozesse bei der Herstellung von "GT" notwendig. Wenn - wie im vorliegenden Fall - der gebrauchsfertige Wirkstoff Macrogol nicht mehr in irgendeiner Form verändert werde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass den Einsatzstoffen eine lediglich untergeordnete Bedeutung für die Herstellung von "GT" zukomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

I. Der Hauptantrag zu I a) ist in der von der Klägerin in der Berufungsinstanz geltend gemachten Fassung zulässig und begründet.

1. Gegenstand dieses Antrags ist das Verbot, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Arzneimittel "GT", mit der Zusammensetzung wie in der Gebrauchsinformation (Anl. K 2) beschrieben, ohne dass der Hauptbestandteil des Präparats Macrogol vom Beklagten in seiner Apotheke selbst synthetisiert wird, zur Verbreitung außerhalb des Versorgungsbereichs der Stadt Kiel ohne Zulassung gemäß § 21 I AMG in den Verkehr zu bringen.

Die Klägerin hat insoweit klargestellt, dass der Antrag dahin zu verstehen ist, dass das Verbot des Inverkehrbringens von "GT" ergehen soll, wenn entweder der Hauptbestandteil Macrogol nicht vom Beklagten in seiner Apotheke synthetisiert wird oder er das Präparat außerhalb des Versorgungsbereichs der Stadt Kiel verbreitet.

Jedenfalls unter Zuhilfenahme der Antragsbegründung der Klägerin sind sämtliche Merkmale des Antrags hinreichend bestimmt, eine unzulässige Verlagerung von Zweifelsfragen in das Vollstreckungsverfahren ist nicht zu besorgen.

2. Die notwendige Begehungsgefahr für diesen Antrag ergibt sich insoweit aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, als der Beklagte "GT" unstreitig nicht nur im Versorgungsbereich der Stadt Kiel abgegeben hat, sondern auch an Ärzte in Schleswig-Holstein insgesamt und in Hamburg. Im Übrigen hat sich der Beklagte ausdrücklich berühmt, das Präparat auch bundesweit versenden zu dürfen, so dass jedenfalls Erstbegehungsgefahr vorliegt.

3. Der geltend gemachte Antrag rechtfertigt sich aus §§ 3, 4 Nr. 11, 21 AMG.

Gem. § 21 I AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel i.S. des § 2 I oder II Nr. 1 AMG sind, grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind.

a) Das streitgegenständliche Präparat "GT" ist ein Stoff bzw. eine Zubereitung aus Stoffen, dazu bestimmt, die Beschaffenheit und Zustand des Körpers erkennen zu lassen (§ 2 I Nr. 2 AMG), denn es dient u.a. zur Vorbereitung der Koloskopie, mithin der Erkennung u.a. von Darmkrebs.

Die Arzneimitteleigenschaft ist auch nicht gem. § 2 III Nr. 7 AMG ausgeschlossen. Denn "GT" ist kein Medizinprodukt i.S. § 3 MPG.

Die Parteien gehen für dieses Verfahren übereinstimmend davon aus, dass es sich bei "GT" um ein Arzneimittel handelt. Diese Einigkeit in der rechtlichen Bewertung beinhaltet hier auch eine Einigkeit über die pharmakologische bzw. metabolische Wirkung. Zum einen hat die Klägerin vorgetragen, dass die in dem Pulver enthaltenen Salze einer Mangelversorgung des Patienten an Ionen vorbeugen und damit die Symptome einer Unterversorgung vermeiden. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestätigt, indem der in seinem Berufungsvorbringen davon ausgeht, dass die Wirkung aller 5 Bestandteile zusammengenommen die eigentliche Funktion des Arzneimittels ausmache; es gehe auch um die Art, die Menge und das Verhältnis der Salze zueinander, welche dazu führten, dass es trotz der Abführwirkung nicht zu einer Belastung des Salzhaushaltes des Körpers komme. Hinreichende Anhaltspunkte, die eine Einordnung von "GT" als Medizinprodukt rechtfertigen könnten, hat der Beklagte nicht vorgetragen.

b) "GT" ist auch ein "Fertigarzeimittel" i.S. des § 4 I AMG, denn es wird unstreitig auch im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht. Denn jede Dose bzw. jeder Plastikbeutel enthält je 4 Beutel des Pulvers, also die für die empfohlene Trinkmenge von 4 Litern dosierte Menge (vgl. Gebrauchsinformation gem. Anlage K 2).

Insoweit ist es unerheblich, dass nach dem Vortrag des Beklagten die Versendung an Ärzte zur Deckung von Sprechstundenbedarf erfolgt. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Ärzte das Pulver vor Abgabe an den Patienten in der Praxis noch einmal umpacken.

c) Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig, dass für das Inverkehrbringen von "GT" weder eine Zulassung noch eine Genehmigung i.S. des § 21 I 1 AMG vorliegt.

d) Es besteht auch keine Zulassungsfreiheit gem. § 21 II Nr. 1 AMG.

Danach bedarf es keiner Zulassung für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind und auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind.

aa) Es fehlt jedenfalls an der Voraussetzung, wonach das Arzneimittel im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird.

Nach der bislang herrschenden Meinung wird mit der Formulierung "Herstellung im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs" i.S. des § 21 II Nr. 1 AMG zum Ausdruck gebracht, dass die Ausnahmeregelung für ein regional begrenztes Gebiet, nämlich für den üblichen Versorgungs- und Einzugsbereich einer Apotheke gilt (Kloesel/Cyran, AMG, § 21 Anm. 31; Rehmann, AMG, § 21 Rn. 4; dem hat sich die Rechtsprechung angeschlossen, vgl. LG Hamburg, Urt. v. 14.2.02, S. 12, 315 O 402/01 - 13-C-Harnstoff; LG Koblenz, Urt. v. 28.6.02, S. 8, 8 O 254/01).

Dieser Auffassung ist zu folgen.

(1) Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift. Denn die Wendung "üblicher Apothekenbetrieb" beinhaltet keine normative, sondern eine empirisch-traditionelle Komponente. Es ist zwischen den Parteien unstreitig und auch den Mitgliedern des Senats bekannt, dass Apotheken jedenfalls herkömmlich jahrzehntelang Arzneimittel ausschließlich in ihrem Versorgungs- und Einzugsbereich abgegeben haben, nämlich regelmäßig in der Apotheke selbst. Nichts anderes gilt für sog. verlängerte Rezepturen i.S. des § 21 II Nr. 1 AMG.

Allerdings geht das Gesetz von der "Herstellung" im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs aus, während die Frage des räumlichen Versorgungsbereichs auf den ersten Blick eher die Frage des Vertriebs und nicht die der Herstellung zu betreffen scheint. Eine solche Sichtweise lässt jedoch den funktionalen Zusammenhang zwischen Herstellung und Vertrieb außer Acht, denn jede Herstellung erfolgt mit dem Zweck der späteren Abgabe. Beides lässt sich nicht trennen.

Dies kam auch in der alten Fassung der Vorschrift zum Ausdruck, nämlich in der Voraussetzung "... zur Abgabe in dieser Apotheke". Die Neufassung des Gesetzes durch die 14. AMG Novelle dahin, dass das Arzneimittel nunmehr "zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt" sein muss, ändert daran inhaltlich nichts. Denn der Gesetzgeber wollte durch die Änderung des Gesetzestextes nicht das bis dahin herrschende räumlich-begrenzende Verständnis der Vorschrift aufgeben, sondern allein dem Umstand Rechnung tragen, dass nach geänderter Gesetzeslage mit einer Apothekenbetriebserlaubnis nunmehr bis zu vier Apotheken betrieben werden dürfen. Es sollte erlaubt werden, dass die in der Hauptapotheke hergestellten Defekturarzneimittel nunmehr auch an die Filialapotheken abgegeben werden dürfen (vgl. BT-Drs 15/5316, Anlage K 12).

(2) Für die vom Senat für richtig gehaltene Auslegung spricht weiter der Sinn und Zweck des Gesetzes.

Zweck des zentralen Zulassungserfordernisses des § 21 I AMG ist die Arzneimittelsicherheit (vgl. z.B. Rehmann, AMG, vor § 21 Rn. 2). Der Vertrieb von nicht im Rahmen des strengen Zulassungsverfahrens geprüfter Arzneimittel ist potentiell risikobehaftet. Deshalb ist die Ausnahmeregelung des § 21 II Nr. 1 AMG restriktiv auszulegen (Kloesel/Cyran, AMG, § 21 Anm. 31; Rehmann, AMG, § 21 Rn. 4), es gilt, das Risiko der breiten Streuung potentiell risikobelasteter Arzneimittel überschaubar und einschätzbar zu halten (Kloesel/Cyran, AMG, § 21 Anm. 31). Dementsprechend geht auch der BGH davon aus, dass der Gesetzgeber die Ausnahme des § 21 II Nr. 1 AMG "ersichtlich auf die traditionelle `verlängerte RezepturŽ beschränken und die industrielle Fertigung ausschließen wollte (GRUR 2005, 778, 779 - Atemtest).

(3) Soweit der Beklage aus seiner Versandhandelserlaubnis sowie den gesetzlichen Vorschriften zur Zulässigkeit des Versandhandels durch Apotheken eine andere Auslegung ableiten will, steht dies nach Auffassung des Senats weder mit der Systematik des Gesetzes noch mit teleologischen Erwägungen im Einklang.

(aa) Bereits im systematischen Ansatzpunkt ist die Frage der Zulässigkeit des Versandhandels von Apotheken mit Arzneimitteln, also die grundsätzliche Problematik der Zulässigkeit dieser Vertriebsart für Apotheken von der hier interessierenden Problematik der Frage der Zulassungsfreiheit des Inverkehrbringens von als verlängerte Rezeptur hergestellten Arzneimitteln durch Apotheken zu trennen. Insbesondere bedeutet die hier vertretene Auffassung, das Merkmal "üblicher Apothekenbetrieb" räumlich-eingrenzend auszulegen, kein Leerlaufen einer Versandhandelserlaubnis des Apothekers. Denn selbstverständlich ist ein Apotheker, der eine Versandhandelserlaubnis besitzt, nicht gehindert, die von ihm im Rahmen der verlängerten Rezeptur hergestellten Arzneimittel i.S. des § 21 II Nr. 1 AMG, also solche, die für den räumlichen Einzugs- und Versorgungsbereich hergestellt wurden, auch in diesem Einzugs- und Versorgungsbereich zu versenden. Maßgebend für dieses auf die Herstellung abstellende Merkmal ist eben nicht die generelle Frage der zulässigen Vertriebsform (Abgabe in der Apotheke selbst oder Versendung an Empfänger), sondern der Gesichtspunkt, dass das vom Apotheker hergestellte Arzneimittel aus Gründen der Minimierung von Risiken für die Arzneimittelsicherheit nur für den räumlichen Versorgungsbereich hergestellt und in diesem Bereich abgegeben werden darf, in welcher Vertriebsform auch immer.

Damit ist es auch unerheblich, dass der Gesetzgeber die verlängerte Rezeptur nicht vom zulässigen Arzneimittelversand ausgenommen hat.

Dagegen ist relevant, dass der Gesetzgeber nicht zugleich mit der Regelung der Vorschriften über den Versand von Arzneimitteln das Erfordernis der Herstellung "im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs" abgeschafft oder neu gefasst hat. Dies kann nur bedeuten, dass der Gesetzgeber für die Frage der Zulassungsfreiheit der verlängerten Rezeptur unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines Versandhandels am Kriterium des räumlichen Versorgungs- und Einzugsbereichs festhalten wollte. Es ist nicht ersichtlich, welche eigenständige Bedeutung das Merkmal der Herstellung "im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs" noch hätte, wenn die Auffassung des Beklagten richtig wäre, wonach die Zulässigkeit des (bundesweiten) Versandhandels zugleich die Zulassungsfreiheit von zur bundesweiten Abgabe hergestellten verlängerten Rezepturen nach sich ziehen muss.

(bb) Zu Unrecht stützt der Beklagte sich schließlich auf Entscheidungen des VG Regensburg (Beschluss vom 21.4.2004, RO 5 S 04.646) und des OVG Niedersachsen (Urt. vom 16.5.2006, 11 LC 265/05). Diese verwaltungsgerichtlichen Urteile verhalten sich nicht zu § 21 II Nr. 1 AMG, also der hier interessierenden Frage, ob das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ausnahmsweise keiner Zulassung bedarf, sondern zu § 13 AMG, in dem es um das Erfordernis einer Herstellungserlaubnis geht.

Dass der Versand im Übrigen vom Gesetzgeber offenbar nicht dem "üblichen Apothekenbetrieb" zugerechnet wird, ergibt sich aus § 11 a Nr. 1 ApoG, der im Hinblick auf die Anforderungen für einen zulässigen Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln gerade den "Versand" von dem "üblichen Apothekenbetrieb" unterscheidet.

(cc) Auch der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Es ist nicht ersichtlich, dass die grundrechtlich abgesicherten Freiheitsrechte des Beklagten, insbesondere Art. 2 I GG und Art. 12 I GG, es gebieten, die räumlich-restriktive Auslegung von § 21 II Nr. 1 AMG aufzugeben. Es wurde bereits dargelegt, dass gewichtige Gründe der Arzneimittelsicherheit es gerechtfertigt erscheinen lassen, die Frage der Zulassungsfreiheit der verlängerten Rezeptur restriktiv dahingehend zu beantworten, dass der Verzicht einer zentralen Zulassung einschließlich der insoweit vorzunehmenden strengen Überprüfung von Wirkungen und Risiken eines Arzneimittels nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn die Risiken regional begrenzt werden können. Dem steht nicht entgegen, dass eine Versandhandelserlaubnis gem. § 11 a ApoG ebenfalls von einer Reihe von Voraussetzungen abhängt, die der Arzneimittelsicherheit dienen. Es handelt sich insoweit ersichtlich um Vorschriften, die zum Ziel haben, speziell diejenigen Risiken einzugrenzen, welche zusätzlich zu den generellen Risiken von Arzneimitteln, wie sie Gegenstand der Zulassung sind, bei der Vertriebsform "Versand" auftreten. Soweit der Beklagte geltend macht, dass die Arzneimittelsicherheit in der Praxis durch die Vorschrift des § 11 a ApoG effektiver gesichert wird als bei einer Abgabe einer verlängerten Rezeptur in der Apotheke selbst, ist eine Frage angesprochen, die ggf. den Gesetzgeber veranlassen könnte, den § 21 II Nr. 1 AMG entsprechend zu reformieren. Der Senat sieht sich allerdings gehindert, allein aufgrund dieser Erwägung und ohne eine Änderung des Gesetzes die dargestellten teleologischen und systematischen Gegenargumente zu verwerfen und zudem den Wortlaut des § 21 I Nr. 1 AMG zu ignorieren.

bb) Nach dem hier maßgebenden Streitgegenstand können die weiteren zwischen den Parteien streitigen Fragen dahinstehen, insbesondere die Problematik, ob die Synthetisierung von Macrogol zu den wesentlichen Herstellungsschritten i.S. des § 21 II Nr. 1 AMG zu zählen ist.

II. Auch der Antrag zu I b) ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag ist auf die konkrete Verletzungsform K 4 bezogen und hinreichend bestimmt.

Begehungsgefahr folgt unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr daraus, dass der Beklagte das Bestellformular gem. Anlage K 4 unstreitig zumindest einmal an einen Arzt versandt hat. Ob dies, wie der Beklagte vermutet, von der Klägerin initiiert war, ist unerheblich.

2. Der Antrag ist auch gerechtfertigt aus § 3 a HWG. Danach ist eine Werbung für Arzneimittel unzulässig, die der Pflicht der Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten.

Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei dem Präparat "GT" um ein zulassungspflichtiges, aber nicht zugelassenes Arzneimittel.

Die Anlage K 4 ist auch "Werbung" i.S. des § 3 a HWG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Einklang mit der zutreffenden herrschenden Meinung ist der heilmittelrechtliche Werbebegriff weit zu verstehen. Eine heilmittelrechtlich relevante Werbung sind alle informationsvermittelnden oder meinungsbildenden Aussagen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit des Adressaten zu erwecken und deren Entschlüsse mit dem Ziel der Förderung des Warenabsatzes zu beeinflussen (vgl. u.a. Urt. v. 23.11.2006, 3 U 43/05; Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 1 HWG, Rz. 9-11 m. w. Nw.). Vorliegend sind diese Voraussetzungen bereits deswegen gegeben, weil in dem Bestellformular u.a. eine zusätzliche Lieferung von 8 Dosen ohne Berechnung versprochen wird, mithin nicht lediglich formelle Anweisungen zur Ausfüllung eines Rezeptes durch einen bereits abschließend zur Bestellung entschlossenen Arztes, sondern konkrete Bestellanreize gegeben werden.

III. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht rechtfertigt sich aus §§ 9, 3, 4 Nr. 11 UWG. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Änderung des Antrags in der Berufungsinstanz führt zu keiner Kostentragungspflicht der Klägerin. Die Änderung erfolgte zur Klarstellung und hat den Streitgegenstand, wie er sich ersichtlich bereits aus der Klagebegründung ergab, nicht verändert.

Eine Zulassung der Revision erfolgt aus dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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