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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 3 U 149/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
1. Der unerläuterte Begriff "Anti-Schlapp-Kapsel" ist für ein Mittel irreführend, wenn sich damit nur eine Abgeschlagenheit beheben läßt, die auf einem Mangel an Vitaminen beruht.

2. Der Begriff "neue Energieformel" ist irreführend, wenn mit ihm ein Vitaminpräparat gekennzeichnet wird, das sich von vergleichbaren herkömmlichen Präparaten auf dem Markt nicht unterscheidet.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 149/01

Verkündet am: 22. November 2001

In dem Rechtsstreit

"Anti-Schlapp-Kapsel"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 1. November 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 19. Januar 2001 abgeändert. Das Verbot zu b) in der einstweiligen Verfügung vom 8. November 2000 wird eingeschränkt und der auf seinen Erlaß gerichtete Antrag insoweit zurückgewiesen. Es erhält die Fassung:

im geschäftlichen Verkehr für das sogenannte Mittel "L" im Blickfang zu werben: "Anti-Schlapp-Kapsel".

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt 1/20 von den Kosten der ersten und 1/8 von den Kosten der zweiten Instanz. Die übrigen Kosten trägt die Antragsgegnerin.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für die Rechtsmittelinstanz auf 15.000 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Antragsteller beansprucht, ein Verein im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu sein.

Die Antragsgegnerin bewirbt das von ihr vertriebene Mittel "L", das sie auf der Packung als "ergänzende bilanzierte Diät für Personen mit erhöhtem Nährstoffbedarf in der Regenerationsphase" und in der Werbung als "neue, spezielle Mischung von 22 natürlichen und sinnvollen Vitamin- und Mineralstoffen" bezeichnet, u.a. mit den Aussagen: "Jetzt ein Segen. Die Anti-Schlapp-Kapsel" und "Der Schauspieler T. B. ... schwört auf die neue Energieformel".

Der Antragsteller hält diese Aussagen zu einem üblichen Multivitaminpräparat für irreführend. Zudem werde es als Arzneimittel mit einem unzulässigen Wirkungsversprechen beworben, obwohl es nicht als solches zugelassen sei. Die Antragsgegnerin wehrt sich mit ihrer Berufung gegen das auf § 3 UWG gestützte landgerichtliche Verbot,

im geschäftlichen Verkehr für das sogenannte Mittel "L" zu werben:

a) "Jetzt ein Segen ... Die Anti-Schlapp-Kapsel",

b) "Anti-Schlapp-Kapsel",

...

e) "Der Schauspieler T. B. ... schwört auf die neue Energieformel ...".

Von der Darstellung weiterer Einzelheiten wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin hat nur zu einem kleinen Teil Erfolg, was der Senat in der Fassung des Verbotes zu b) nach § 938 Abs. 1 ZPO berücksichtigt hat.

1. Die Aktivlegitimation (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG) des Antragstellers im Pharmabereich wird von den Hamburger Gerichten in ständiger Rechtsprechung auch des Senats seit Jahren bejaht. Auch der Bundesgerichtshof, der dies unter dem Gesichtspunkt der von Amts wegen zu berücksichtigenden Prozeßführungsbefugnis zu prüfen hatte, hat das getan (GRUR 2000, 438 - L-Carnitin; GRUR 2001, 176 - Myalgien). Die Antragsgegnerin trägt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, daß sich an den tatsächlichen Grundlagen für diese Bewertung etwas geändert hätte. Es ist deshalb kein erheblicher Gesichtspunkt, daß sie selbst im Gegensatz zur Rechtsprechung die vom Antragsteller zu tragenden Risiken nicht für ausreichend abgesichert ansieht.

2. Soweit die angegriffenen Aussagen irreführend sind, ergibt sich ein Unterlassungsanspruch bereits aus § 3 UWG, so daß es nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller ausreichend dafür vorgetragen hat, daß "L" ein Arzneimittel sei oder jedenfalls als Arzneimittel beworben werde und die Werbung deshalb gegen §§ 3 a HWG, 17 Abs. 1 Nr. 5 c LMBG oder weitere Vorschriften verstößt.

a. Begründet ist das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das sogenannte Mittel "L" zu werben: "Jetzt ein Segen ... Die Anti-Schlapp-Kapsel".

Wie der Senat, dessen Mitglieder zum angesprochenen Verkehrskreis gehören, aus eigener Anschauung beurteilen kann, bedeutet die Aussage "Jetzt ein Segen ... Die Anti-Schlapp-Kapsel", daß mit dem beworbenen Präparat etwas angeboten wird, was es zuvor nicht gegeben hat. "Jetzt" steht im Gegensatz zu "vorher", "ein Segen" drückt aus, daß es mit der "Anti-Schlapp-Kapsel" nunmehr etwas Gutes, Segensreiches gibt, womit nur die Wirkungen dieses Mittels gemeint sein können. Diese Aussage ist falsch, denn es ist unstreitig, daß das Mittel "Long Life" ein Vitaminpräparat ist, wie es in vergleichbarer Form von vielen Wettbewerbern auf dem Markt angeboten wird. Demnach steht das Angebot nicht im Gegensatz zu dem, was früher auf dem Markt zu erwerben war.

Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, daß sie selbst ein solches Mittel früher nicht angeboten habe, zum Zeitpunkt der Werbung sei es also neu gewesen, deshalb treffe die Angabe zu. Damit gibt die Antragsgegnerin der Aussage einen Sinn, der nicht in ihr enthalten ist. Nichts spricht in der Aussage dafür, daß der Segen darin liege, daß man ein solches Mittel gerade von der Antragsgegnerin erwerben könne, denn dann hätte in irgendeiner Weise zum Ausdruck kommen müssen, worin ein solcher Vorteil liegt. Es ist in der Anzeige kein Gegensatz erkennbar, der es erlauben würde, den Segen von "L" gerade darin zu sehen, daß es von der Antragsgegnerin stammt. Der falsche Eindruck wird im Fließtext sogar intensiviert, denn dort ist von einer "neuen, speziellen Mischung" die Rede, also von etwas, was es vorher nicht gab, und daß Schlappheit und Müdigkeit "kein Problem mehr" seien. Deshalb durfte der Antragsteller die Aussage auch isoliert vom Umfeld zum Gegenstand des Verbotes machen, denn die begleitenden Umstände geben ihr keinen anderen Sinn, und die Aussage ist für sich genommen bereits falsch.

Es ist belanglos, ob der Antragsteller bereits in erster Instanz auf die unzulässige Neuheitswerbung abgestellt hat. Jetzt jedenfalls tut er es, denn er verteidigt das angefochtene Urteil auch in diesem Punkte. Eine "Verspätung" kann es im einstweiligen Verfahren nicht geben, weil das Gericht ad hoc nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden hat und deshalb Verzögerungen durch verspätetes Vorbringen nicht möglich sind. Die von der Antragsgegnerin herangezogenen Belegstellen betreffen die Frage, ob im einstweiligen Verfahren Schriftsätze nachgelassen werden können. Das ist allerdings zu verneinen, hat mit einem Ausschluß von Vorbringen wegen Verspätung aber nichts zu tun.

b. Mit Beschränkung auf eine Blickfangwerbung ist das Verbot begründet, im geschäftlichen Verkehr für das sogenannte Mittel "L" zu werben: "Anti-Schlapp-Kapsel".

Dem Begriff "Anti-Schlapp-Kapsel" entnimmt der Verkehr, daß er mit dem Mittel "Schlappheit" bekämpfen kann. Dieser Inhalt des Begriffs ist eindeutig. Er mag besonders publikumswirksam gewählt sein und damit eine eher umgangssprachliche Wendung darstellen. Das macht ihn aber nicht unklar und beeinflußt seine Bedeutung nicht, die nach keiner weiteren Erläuterung verlangt.

Welche Ursache diese Schlappheit hat, wird im Begriff nicht näher erläutert, so daß der Verkehr auch nicht erkennen kann, daß insofern Einschränkungen bestehen, er muß glauben, mit "L" jede Art von Abgeschlagenheit bekämpfen zu können. So kann er beispielsweise dem Mittel aufputschende Wirkung zuschreiben. Aus den eigenen Darlegungen der Antragsgegnerin ergibt sich aber, daß dies nicht zutrifft, denn sie stellt auf die "natürliche Wirkung" von Vitaminen und deren Bedeutung für den Stoffwechsel ab. Wer also in ausreichendem Maße Vitamine zu sich nimmt, braucht keine Abgeschlagenheit wegen fehlender Vitamine zu fürchten. Demnach kann "L" nur helfen, wenn die Schlappheit gerade auf einen solchen Mangel zurückgeht. Einer Abgeschlagenheit, die andere Ursachen hat wie beispielsweise Kummer oder Überlastung oder die als Begleiterscheinung einer Erkrankung auftritt, kann demnach mit "L" nicht begegnet werden.

Daraus folgt zugleich, daß es nicht irreführend ist, den Begriff "Anti-Schlapp-Kapsel" für das Mittel "L" zu verwenden, wenn dabei klargestellt wird, daß das Mittel nur als Abhilfe für eine Schlappheit als Folge von Vitaminmangel dienen soll. Ein allgemeines Verbot, wie es der Antragsteller anstrebt, ist danach nicht gerechtfertigt, denn der Begriff ist nicht unter allen Umständen irreführend. Eine solche Annahme läßt sich nicht damit begründen, daß nach den Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei dem weitaus größten Teil der angesprochenen Verkehrskreise kein Vitaminmangel herrscht, denn daraus folgt lediglich, daß eine ausreichend erläuterte Werbung für diese Mehrheit belanglos, nicht aber, daß sie falsch wäre.

Die Blickfangwerbung der Antragsgegnerin allerdings ist irreführend, denn dort wird der Begriff nicht sachgerecht erläutert. Es kommt nicht darauf an, ob in dem Hinweis des Fließtextes, daß "'L' die täglichen Vital- und Energiestoff-Defizite" ausgleiche, eine jede Irreführung ausschließende Erläuterung liegt, denn im Blickfang selbst wird auf diese Erklärung nicht hingewiesen. Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, daß ein Blickfang auch getrennt vom begleitenden Fließtext zur Kenntnis genommen wird, und solange der Betrachter keinen Anlaß hat, diesen Blickfang für erläuterungsbedürftig zu halten, wird er sich nicht gezwungen sehen, den übrigen Inhalt der Ankündigung zum Verständnis heranzuziehen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, 2001, § 3 UWG, Rdnr. 38). Das gilt selbstverständlich auch für den durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbraucher, wie ihn die neuere Rechtsprechung zum Leitbild nimmt, denn es kommt allein auf dessen Verständnis an. Ob er der in sich widerspruchsfreien und nicht weiter ergänzungsbedürftigen Aussage traut, ist keine Frage seines Verständnisses.

Anders könnte es sein, wenn der Begriff mehrdeutig wäre oder etwa durch ein Sternchen im Blickfang verdeutlicht würde, daß der Begriff nicht für sich allein betrachtet werden soll. So liegt der Fall hier aber nicht. Ein weiterführender Hinweis fehlt, und es wurde bereits oben ausgeführt, daß der Begriff einen eindeutigen Inhalt hat.

c. Begründet ist das Verbot, im geschäftlichen Verkehr für das sogenannte Mittel "L" zu werben: "Der Schauspieler T. B. ... schwört auf die neue Energieformel ...".

Der Verkehr versteht das dahin, daß in dem beworbenen Mittel eine "Energieformel" umgesetzt und diese Umsetzung "neu" ist, also ein Mittel mit dieser Umsetzung bisher nicht angeboten worden ist und er es deshalb mit etwas Neuartigem zu tun hat, das es früher nicht gab. Das ist nach dem oben Gesagten falsch, denn es gibt unstreitig bereits seit längerem Vitaminpräparate vergleichbarer Art auf dem Markt.

Deshalb kann ungeprüft bleiben, ob es gerechtfertigt ist, angesichts der Funktion, die die Vitamine bei Stoffwechselvorgängen zur Energiegewinnung haben, von einer "Energieformel" zu sprechen, obwohl die Vitamine selbst nicht das Substrat der Energiegewinnung darstellen. In keinem Fall ist die Aussage allerdings deshalb falsch, weil der Verbraucher, wie der Antragsteller anzunehmen scheint, glauben müsse, ihm werde mit dem beworbenen Mittel "neue Energie" zugeführt, denn nach den Sprachgesetzen bezieht sich "neu" nicht auf "Energie", sondern auf "Formel".

Der Hinweis auf die "Neuheit" der Energieformel ist in jedem Zusammenhang verfehlt, so daß der Antragsteller mit seiner Verallgemeinerung das Charakteristische der Verletzungsform getroffen hat. Die Irreführung beruht nicht auf Besonderheiten im weiteren Text der Anzeige. Irgendeiner Glaubhaftmachung, die die Antragsgegnerin vermißt, bedarf es nicht, denn die Irreführung ergibt sich aus der Formulierung selbst, wie der Senat aus eigener Sachkunde feststellen kann. Ob Teile der angesprochenen Verkehrskreise, und insbesondere "junge Verbraucher", umgangssprachlich "Formel" statt "Produkt" verwenden, wie die Antragsgegnerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz behauptet, ist unerheblich. Zum einen darf dieses tatsächliche Vorbringen nach Schluß der mündlichen Verhandlung ohnehin nicht verwertet werden. Zum anderen würde diese Tatsache nichts daran ändern, daß der Rest der Verbraucher eine solche Gleichsetzung nicht kennt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a, 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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