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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 3 U 151/06
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8
1. Die herausgestellte Werbeangabe: "Überlebensvorteil in der Adjuvans" für ein Arzneimittel zur Brustkrebstherapie wird mangels erkennbarer inhaltliche Einschränkung vom Referenzverbraucher (Fachkreise) generalisierend verstanden und damit auch im Sinne eines Gesamtüberlebensvorteil gegenüber dem bisherigen adjuvanten Therapie-Angebot nach der Chemotherapie oder Operation. In diesem Fall relativiert der über ein Sternchenvermerk hinzugefügte Hinweis auf eine Meta-Analyse zu einer speziellen Umstellungsvariante (nach 2-3jähriger Vorbehandlung) das Verständnis nicht.

2. Wird dagegen ausdrücklich mit dem Ergebnis einer Meta-Analyse zu deren speziellen Umstellungsvariante geworben, so wird auch der dazu gegebene Hinweis "Signifikant verbessertes Gesamtüberleben" nur hierauf bezogen.

3. Deckt sich die Werbeaussage mit dem Ergebnis einer zitierten und als "Meta-Analyse" bezeichneten Studie und hat diese zu einer entsprechenden Ergänzung in der Arzneimittelzulassung geführt, so kann die Werbeaussage nicht allein deswegen als wissenschaftlich unzureichend gesichert angegriffen werden, weil sie sich auf die Meta-Studie stützt. In welchen Fällen in der Werbung verdeutlicht werden muss, dass die Aussage "nur" auf einer Meta-Studie beruht, kann vorliegend offen bleiben.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 151/06

Verkündet am: 14. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 16. November 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 6. Juni 2006 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufungen tragen die Antragstellerin 9/15 und die Antragsgegnerin 6/15.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 750.000 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Arzneimittelhersteller und stehen miteinander im Wettbewerb, und zwar insbesondere beim Vertrieb von Präparaten zur Brustkrebs-Behandlung zur sog. adjuvanten Therapie im Anschluss an eine Chemotherapie oder Operation.

Für das von der Antragsgegnerin vertriebene Arzneimittel mi_oooo hat diese mit dem vierseitigen Werbefolder "mi_oooo. Überlebensvorteil in der Adjuvans" (Anlage ASt 3) geworben.

Die Antragstellerin beanstandet mehrere Angaben aus dem Werbefolder als unlauter und nimmt die Antragsgegnerin vorliegend im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin vertreibt das Präparat rara_yy (Wirkstoff: Letrozol), es war zur Zeit des Erlassverfahrens u. a. zugelassen für die "erweiterte adjuvante Therapie des hormonabhängigen primären Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen nach vorheriger adjuvanter Standardtherapie mit Tamoxifen über 5 Jahre" (Anlage ASt 1).

Das Arzneimittel mi_oooo der Antragsgegnerin (Wirkstoff: Anastrozol) war zur Zeit des Erlassverfahrens u. a. zugelassen für die "adjuvante Behandlung postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptor-positivem, nicht fortgeschrittenem, invasivem Mammakarzinom" (Anlage ASt 2); die Zulassung war demgemäß - anders als zunächst rara_yy - nicht auf die erweiterte adjuvante Therapie im Anschluss an eine Tamoxifen-Behandlung beschränkt.

Der Zulassungsstatus von mi_oooo ist inzwischen ergänzt worden, das Arzneimittel ist nunmehr (Bl. 127) ausdrücklich auch zugelassen für die "adjuvante Behandlung postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptor-positivem, nicht fortgeschrittenem Mammakarzinom, die bereits 2 bis 3 Jahre eine adjuvante Behandlung mit Tamoxifen erhalten haben" (Anlage AGG 3).

Die Unterlassungsanträge gemäß lit. a) bis lit. d) der ergangenen Beschlussverfügung enthalten jeweils eine Verbotsanlage (Anlagen A bis D "zum Tenor"), es sind auszugsweise Ablichtungen aus dem Folder der Antragsgegnerin (Anlage ASt 4).

Im Berufungsrechtszug geht es um die Unterlassungsanträge gemäß lit. a), lit. b) und lit. d) der Beschlussverfügung mit den Verbotsanlagen A, B und D.

Die 1. Seite des Folders (Deckblatt - dazu Verbots-Anlage A) zeigt die Abbildung einer Großmutter mit ihrem Enkelkind mit der handgeschriebenen Aufschrift: "Mein Leben hat einen neuen Mittelpunkt und der heißt nicht mehr Brustkrebs". In der Verbots-Anlage A sind diese Abbildung und diese Aufschrift abgedeckt, die Anlage A gibt die Angaben unterhalb der Abbildung wieder, sie lauten:

mi_oooo (r).

Überlebensvorteil in der Adjuvans. *

Das Sternchen ist am unteren Rand der 1. Seite des Folders (ebenso in der Anlage A) folgendermaßen erläutert:

* Meta-Analyse ARNO 95, ABCSG 8 und ITA: Postmenopausale Patientinnen mit hormonrezeptor-positivem, nicht fortgeschrittenem Mammakarzinom, die nach 2-3-jähriger Tamoxifen-Therapie auf mi_oooo(r) umgestellt werden, haben im Vergleich zu denen, die 5 Jahre mit Tamoxifen behandelt werden, eine um 29% signifikant erhöhte Überlebenschance. (Quelle: Jonat et al., Breast Cancer Res. Treat., Vol. 94 (2005), Suppl 1, Abstr. 18, S11; mod. nach Präsentation von Jonat, 28th Annual San Antonio Breast Cancer Symposium, 8-11.12.2005, Abstr. 18) mi_oooo(r) ist zugelassen für die adjuvante Behandlung postmenopausaler Frauen mit hormonrezeptor-positivem, nicht fortgeschrittenem, invasivem Mammakarzinom.

Die 2. Seite des Folders (Innenseite links - dazu Verbots-Anlagen B und C) ist überschrieben mit der Angabe:

Signifikant verbessertes Gesamtüberleben

dank mi_oooo (r) *

Unter der Überschrift ist eine eingerahmte Graphik abgebildet, dazu steht unter der Graphik der Hinweis:

Patientinnen, die nach 2-3 Jahren von Tamoxifen auf mi_oooo(r) umgestellt werden, haben die Chance auf ein längeres Leben.

In der unteren Hälfte der 2. Seite des Folders ist eine schematische Bild-Darstellung von 4 Frauen (drei in dunkelblau, eine in rot) zu sehen, unter der Bild-Darstellung steht der Hinweis:

Im Vergleich zu einer 5-jährigen Tamoxifen-Therapie kann ein Wechsel auf mi_oooo(r) jeder 4. Frau das Leben retten. *

Die beiden Sternchen dieser 2. Seite des Folders werden mit demselben, oben wiedergegebenen Sternchenhinweis am unteren Rand der 2. Seite des Folders erläutert.

Die Verbots-Anlage B zeigt die 2.Seite des Folders mit der Überschrift ("Signifikant..."), der eingerahmten Graphik und mit dem Hinweis darunter ("Patientinnen..."), die Bild-Darstellung nebst weiteren Hinweis sind abgeblendet, am unteren Rand ist die Sternchenauflösung zu sehen.

Die Verbots-Anlage C ist ein weiterer Auszug aus der 2.Seite des Folders, sie beginnt oben mit der Überschrift ("Signifikant..."), die eingerahmte Graphik und der Hinweis darunter ("Patientinnen...") sind abgeblendet. Wiedergegeben ist die schematische Bild-Darstellung von 4 Frauen mit dem Hinweis ("Im Vergleich zu...") darunter sowie am unteren Rand die Sternchenauflösung.

Die 3. Seite des Folders (Innenseite rechts - dazu Verbots-Anlage D) ist überschrieben mit der Angabe:

Starke Wirksamkeit von mi_oooo(r).

Unter der Überschrift steht:

Im Vergleich zu einer 5-jährigen Tamoxifen-Therapie kann ein Wechsel auf mi_oooo(r)...*

 4...jeder 4.Patientin das Leben retten.(1)
3...bei jeder 3.Patientin Fernmetastasen verhindern.(2)
2...nahezu jeder 2.Patientin ein Rezidiv ersparen.(3)
1...nach 2-3 Jahren Tamoxifen für jede Patientin eine überlebenswichtige Entscheidung sein. *

In der unteren Hälfte der 3. Seite des Folders ist eine eingerahmte Graphik zu den Stichworten

Krankheitsfreies Überleben

Gesamtüberleben(1)

Zeit bis zum Rezidiv(2)

Zeit bis zur Fernmetastasierung(3)

abgebildet. Die hochgestellten Bezugsziffern (1-3) sind nicht erläutert. Die beiden Sternchen dieser 3. Seite des Folders werden mit demselben, oben wiedergegebenen Sternchenhinweis am unteren Rand der 3. Seite des Folders erläutert.

Die Verbots-Anlage D ist der Auszug aus der 3.Seite des Folders, sie zeigt diese Seite mit der Überschrift ("Starke...") und den Angaben in der Aufstellung darunter ("4, 3, 2, 1") sowie am unteren Rand die Sternchenauflösung, abgeblendet ist die eingerahmte Graphik in der unteren Hälfe der Seite.

Das Landgericht hat antragsgemäß mit seiner Beschlussverfügung vom 2. März 2006 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten, für das Präparat mi_oooo zu werben mit

a) " mi_oooo. Überlebensvorteil in der Adjuvans" wenn dies geschieht wie aus Anlage A zum Tenor ersichtlich;

und/oder

b) "Signifikant verbessertes Gesamtüberleben dank mi_oooo", wenn dies geschieht wie aus Anlage B zum Tenor ersichtlich;

und/oder

c) "Im Vergleich zu einer 5-jährigen Tamoxifen-Therapie kann ein Wechsel auf mi_oooo jeder 4. Frau das Leben retten", wenn dies geschieht wie aus Anlage C zum Tenor ersichtlich;

und/oder

d) "Im Vergleich zu einer 5-jährigen Tamoxifen-Therapie kann ein Wechsel auf mi_oooo .... nach 2-3 Jahren Tamoxifen für jede Patientin eine überlebenswichtige Entscheidung sein", wenn dies geschieht wie aus Anlage D zum Tenor ersichtlich.

Durch Urteil vom 6. Juni 2006 hat das Landgericht die Beschlussverfügung zu lit. a) bestätigt. Im Übrigen hat das Landgericht die Beschlussverfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung, die sie jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet haben.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung zu lit. b) und lit. d) erneut zu erlassen; sowie die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung zu lit. a) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen;

sowie die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.

B.

Die zulässigen Berufungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sind jeweils nicht begründet. Sie sind daher zurückzuweisen.

I.

Der Gegenstand der Berufung der Antragstellerin sind die Verfügungsanträge gemäß lit. b) und lit. d) der Beschlussverfügung, die das Landgericht unter Aufhebung der Beschlussverfügung insoweit zurückgewiesen hat.

Die Berufung der Antragsgegnerin betrifft den Verfügungsantrag zu lit. a); insoweit hat das Landgericht seine Beschlussverfügung bestätigt.

Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Verfügungsantrag gemäß lit. c) der Beschlussverfügung. Insoweit ist das Urteil des Landgerichts, das diesen Verfügungsantrag unter Aufhebung der Beschlussverfügung insoweit zurückgewiesen hat, rechtskräftig.

Der Gegenstand der Unterlassungsanträge zu lit. a), lit. b) und lit. d) ist jeweils das Werben für das Präparat mi_oooo mit den im Tenor jeweils aufgeführten Aussagen in der konkreten Verletzungsform, bezogen auf die Verbots-Anlagen A, B bzw. D. Diese sind ihrerseits Auszüge aus dem streitgegenständlichen Werbefolder gemäß Anlage ASt 3; hierauf hat bereits das Landgericht zutreffend und unbeanstandet abgestellt (Umdruck des landgerichtlichen Urteils Seite 7).

II.

Der mit dem Antrag gemäß lit. a) der Beschlussverfügung geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nach Auffassung des Senats begründet (§ 3 HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG).

1.) Der Unterlassungsantrag betrifft das Werben für mi_oooo mit der Angabe: "mi_oooo. Überlebensvorteil in der Adjuvans", wenn dies geschieht wie aus Verbots-Anlage A ersichtlich.

Die konkrete Verletzungsform, auf die die Verbots-Anlage A Bezug nimmt, ist dadurch gekennzeichnet, dass die Angabe "mi_oooo. Überlebensvorteil in der Adjuvans" schlagzeilenartig hervorgehoben gedruckt ist und nur aus dieser Zeile besteht, dass die Angabe ein Sternchen aufweist und dass die dort wiedergegebene Sternchenauflösung auf derselben Seite unten in der aus der Verbots-Anlage A ersichtlichen, sehr kleinen Schriftgröße gehalten ist.

Allerdings nimmt der Unterlassungsantrag gegenüber dem Werbefolder (Anlage ASt 3) eine Verallgemeinerung dahingehend vor, dass die streitgegenständliche Titelseite mit der Schlagzeile unabhängig vom Inhalt der Seiten 2-4 des Folders verboten sein soll.

2.) Die zwischen den Parteien und dem Senat in der Berufungsverhandlung kontrovers diskutierte Bewertung des durch die schlagzeilenartig aufgemachten Angabe "mi_oooo. Überlebensvorteil in der Adjuvans" hervorgerufenen Eindrucks bei den angesprochenen Referenzverbrauchern muss nach Auffassung des Senats doch im Sinne der Antragstellerin entschieden werden. An der vom Senat zunächst geäußerten gegenteiligen Einschätzung war nach erneuter Überprüfung aller in der Berufungsverhandlung angesprochenen Argumente der Parteien nicht festzuhalten.

3.) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin enthält die angegriffene Angabe für sich gesehen keine erkennbare inhaltliche Einschränkung, auf die sich der ausgelobte "Überlebensvorteil in der Adjuvans" durch das Mittel der Antragsgegnerin nur beziehen könnte.

(a) Die Lebenserfahrung stützt daher die Annahme, dass der Durchschnittsverbraucher (aus dem Bereich der Gynäkologen) die plakativ gehaltene Schlagzeile generalisierend und insoweit auch selbstverständlich als wissenschaftlich gesichert verstehen wird, und zwar gerade auch im Sinne eines Gesamtüberlebensvorteil gegenüber dem bisherigen Therapieangebot der in Rede stehenden adjuvanten Therapie im Anschluss an eine Chemotherapie oder Operation. Die Gesamtüberlebenszeit ist insoweit gegenüber anderen Endpunkten wie "krankheitsfreies Überleben usw." unstreitig ein ganz wesentlicher und im Vordergrund stehender Parameter. Und es steht in dieser Schlagzeile nichts von einem bestimmten Überlebensvorteil und erst recht nichts von einem Gesamtüberlebensvorteil nur in einem bestimmten Ausschnitt der mi_oooo-Anwendung.

(b) Auch für diejenigen Referenzverbraucher, denen die Zulassung des Arzneimittels mi_oooo geläufig ist, besteht keinerlei Anhalt, die beanstandete Angabe irgendwie eingeschränkt zu verstehen.

Denn gerade wenn der Durchschnittsverbraucher davon ausgeht, mi_oooo sei für die adjuvante Behandlung von Anfang an (statt mit Tamoxifen), aber auch für eine kombinierte Behandlung zunächst mit Tamoxifen und dann (als "switch") statt dessen mit mi_oooo indiziert (vgl. dazu die Fachinformation: Anlage ASt 2), besteht kein Grund für ein von vornherein eingeschränktes Verständnis der Schlagzeile, etwa bezogen nur auf einen bestimmten "switch" auf mi_oooo.

Und auch soweit dem Durchschnittsverbraucher der in der Fachinformation angesprochene Umstand geläufig ist, dass mi_oooo in der Gesamtüberlebenszeit jedenfalls bisher noch keine statistisch signifikanten Vorteile gegenüber Tamoxifen gezeigt hat (vgl. dazu Ziffer 5.1 der Fachinformation: Anlage ASt 2), ist das Verständnis der Schlagzeile nicht etwa irgendwie eingeschränkt, sondern geht gerade in die Richtung, dass der vermeintliche "Überlebensvorteil" im Gesamtüberleben nunmehr belegt sei.

4.) Das nach alledem uneingeschränkte, im oben dargestellten Sinne ausgelegte Verkehrsverständnis von der Schlagzeile selbst wird durch das Sternchen im Anschluss an die Angabe und durch die Sternchen-Auflösung nicht hinreichend deutlich korrigiert. Das gilt wegen der vermeintlich generalisierenden Aussage auch dann, wenn man die Schriftgröße des Sternchenhinweises (gerade) noch als ausreichend "groß" gedruckt bewertet.

Die Sternchen-Auflösung zitiert die JONAT-Meta-Analyse ("Jonat et al.": Anlagen ASt 5-6) und betrifft nur einen ganz bestimmten "switch", und zwar die Umstellung auf mi_oooo nach 2-3-jähriger Tamoxifen-Therapie. Dass die beanstandete Schlagzeile aber nur im Hinblick auf diesen Teilbereich der zugelassenen Indikationen von mi_oooo zu verstehen sein soll, wird dem Durchschnittsverbraucher nicht klar. Eine solche Gewissheit kann erst durch zusätzliche Informationen entstehen, hierauf ist aber für die Bewertung einer Angabe als irreführend im Sinne des § 3 HWG nicht abzustellen.

5.) Dass das Verständnis der beanstandeten Angabe in ihrem streitgegenständlichen Äußerungsumfeld unrichtig ist, verkennt auch die Antragsgegnerin nicht.

Denn die Aussage trifft nur für die Umstellung nach 2-3 Jahren von Tamoxifen auf mi_oooo zu, ist aber nicht belegt z. B. für die Therapie mit mi_oooo von Anfang an an Stelle von Tamoxifen.

Die Ergebnisse der ATAC-Studie (Anlage ASt 4) betraf den Therapie-Vergleich zwischen Tamoxifen einerseits mit Anastrozol (mi_oooo) andererseits. Die mittlere Beobachtungszeit betrug 68 Monate, also jeweils 5 Jahre Behandlung mit einem der Mittel und weitere 8 Monate ohne Behandlung. Das "Gesamtüberleben" (overall survival) war bei mi_oooo nicht verbessert (Bl. 5).

6.) Nach alledem ist auch nach Auffassung des Senats die Werbeangabe in ihrem beanstandeten Umfeld irreführend.

Inwieweit die Angriffe der Antragstellerin betreffend die werbliche Verwertung von Meta-Studien generell und im vorliegenden Fall wegen der unterschiedlichen Designs der ausgewerteten drei Studien ARNO 95, ABCSG 8 und ITA durchgreifend sind, kann demgemäß insoweit dahingestellt bleiben.

7.) Auch die weiteren Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs sind gegeben. Der Antrag erfasst die konkrete Verletzungsform, obwohl er - wie ausgeführt - nicht die weiteren Seiten 2-4 des Folders einbezieht.

Die Seite 2 ist zwar im Hinblick auf den von der Antragstellerin herangezogenen Gesichtspunkt - wie noch ausgeführt wird - nicht zu beanstanden, gleichwohl wird aber der irreführende Eindruck der Titelseite nicht etwa durch die Seite 2 des Werbefolders ausreichend korrigiert. Eine so verspätet erfolgende Erläuterung ist nach den Grundsätzen der Blickfangwerbung überdies zur zuverlässigen Beseitigung einer relevanten Fehlvorstellung nicht geeignet und daher unbeachtlich.

III.

Der mit dem Antrag gemäß lit. b) der Beschlussverfügung geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nach Auffassung des Senats nicht begründet (§ 3 HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG).

1.) Der Unterlassungsanspruch betrifft das Werben für mi_oooo mit der Angabe: "Signifikant verbessertes Gesamtüberleben dank mi_oooo", wenn dies geschieht wie aus Verbots-Anlage B ersichtlich.

2.) Auch nach Auffassung des Senats ist die angegriffene Werbung mit der Verbots-Anlage B nicht irreführend, weil die JONAT-Meta-Analyse (Anlagen ASt 5-6) die Aussage stützt.

Die Angabe ("Signifikant verbessertes Gesamtüberleben dank mi_oooo") wird durch die eingerahmte Graphik mit der hervorgehoben gedruckten Unterüberschrift ("Patientinnen, die nach 2-3 Jahren von Tamoxifen auf mi_oooo umgestellt werden, haben die Chance auf ein längeres Leben") dahingehend erläutert, dass es um das deutlich in ihrer speziellen Aussage geschilderte Ergebnis der im Sternchenvermerk zitierten JONAT-Meta-Analyse geht. Damit ist insgesamt aber klar, dass inhaltlich nur diese Aussage gemeint ist.

Demgemäß kann nicht davon ausgegangen werden, dass gleichwohl der Durchschnittsverbraucher andere Vorstellungen gewinnt, für ein generalisierendes Verständnis im oben unter Ziffer II. aufgezeigten Sinne oder im Sinne eines sonstigen Vergleichs mit anderen Mitteln und/oder Therapien ist schon nach der Lebenserfahrung kein Raum.

3.) Mit dem Landgericht kann auch nach Auffassung des Senats das Verbot der Werbung nicht auf das von der Antragstellerin in den Vordergrund geschobene Argument gestützt werden, die JONAT-Meta-Analyse sei wegen der zugrunde liegenden (unterschiedlichen) drei Studien ARNO 95, ABCSG 8 und ITA zu beanstanden, und zwar auch nicht im Hinblick darauf, dass nur eine der drei Studien für sich gesehen signifikante Vorteile erbracht hätte und dass dieser Umstand in der Werbung nicht erwähnt worden sei.

(a) Ob und gegebenenfalls wie bei Vorliegen "nur" einer Meta-Analyse in der Werbung auf diesen Umstand - unabhängig vom Studienergebnis - hingewiesen werden muss, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die JONAT-Meta-Analyse ist zutreffend zitiert und dass es sich um eine Meta-Studie handelt, ist ebenfalls angegeben. Und eben diese Meta-Studie hat zu der - oben geschilderten - Änderung der arzneimittelrechtlichen Zulassung von mi_oooo geführt, die speziell den "switch" auf mi_oooo nach 2-3 Jahren Behandlung mit Tamoxifen betrifft (Anlage AGG 3).

Jedenfalls nach dem geänderten Zulassungsstatus von mi_oooo kann ein relevanter "Makel" einer "Nur"-Meta-Analyse (einen solchen unterstellt) nicht angenommen werden. Im Übrigen hat die Antragstellerin nichts Durchgreifendes dafür vorgetragen, dass bzw. aus welchen Gründen die JONAT-Meta-Analyse nicht zum Beleg des Überlebensvorteils tauglich sein soll.

(b) Deswegen greift auch der Hinweis der Antragstellerin auf das Vorliegen einer "ungeplanten" bzw. retrospektiven Meta-Analyse nicht durch. Dass die Werbebehauptung deswegen nicht hinreichend wissenschaftlich absichert wäre, ergibt sich aus der Meta-Analyse im Grundsätzlichen bzw. wegen der Unterschiedlichkeit der Studiendesigns im Speziellen vorliegend nicht. Denn für die Richtigkeit der Werbebehauptung streitet insoweit die geänderte Zulassung von mi_oooo (Anlage AGG 3).

Bei der JONAT-Meta-Analyse geht es allerdings um eine statistische Nachuntersuchung von drei Studien ARNO 95, ABCSG 8 und ITA. Bei diesen drei Studien wurde jeweils zunächst zwei (bzw. 2-3) Jahre Tamoxifen gegeben und dann jeweils in dem einen Studienarm weiter mit Tamoxifen und in dem anderen Studienarm statt dessen mit Anastrozol (mi_oooo) behandelt (Bl. 5). Die drei Studien sind nicht identisch angelegt. Die Ergebnisse der JONAT-Meta-Analyse sind in den Anlagen ASt 5-6 zusammengefasst, es wird ausgeführt, die drei Studien (ARNO 95, ABCSG 8 und ITA) seien relativ gleich angelegt gewesen und erlaubten eine Meta-Analyse bezogen auf das "beschwerdefreie Überleben" und auf das "Gesamtüberleben" (vgl. auch Bl. 5-9).

Jedenfalls bezieht sich die JONAT-Meta-Analyse auf Studien, bei denen ein Wechsel zu Anastrozol nach zwei bzw. 2-3 Jahren Tamoxifen-Behandlung untersucht wurde.

IV.

Der mit dem Antrag gemäß lit. d) der Beschlussverfügung geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nach Auffassung des Senats nicht begründet (§ 3 HWG, §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG).

1.) Der Unterlassungsantrag betrifft das Werben für mi_oooo mit der Angabe: "Im Vergleich zu einer 5-jährigen Tamoxifen-Therapie kann ein Wechsel auf mi_oooo .... nach 2-3 Jahren Tamoxifen für jede Patientin eine überlebenswichtige Entscheidung sein", wenn dies geschieht wie aus Verbots-Anlage D ersichtlich.

2.) Zu Recht hat das Landgericht das Vorliegen einer Irreführung verneint.

Auf der 3. Seite des Folders steht die Aussage in einer Aufstellung mehrerer Behauptungen, die eingeleitet sind - wie oben ausgeführt - mit der Angabe: "Im Vergleich ...kann ein Wechsel auf mi_oooo ...". Es geht in dem Gesamtzusammenhang um einen Wechsel nach 2-3 Tamoxifen-Behandlung auf mi_oooo.

Der Durchschnittsverbraucher wird nicht - so aber die Antragstellerin - wegen der Unterstreichung ("für jede Patientin") die Vorstellung gewinnen, es seien auch hormonrezeptor-negative Patientinnen mitgemeint. Entsprechendes gilt für die Vorstellung, es gehe auch um junge (nicht postmenopausale) Frauen. Derartige Besonderheiten in den Patientengruppen sind werblich nicht angesprochen.

Vielmehr ist das Verständnis nahe liegend und zwanglos, dass die Unterstreichung ("für jede Patientin") den Abschluss der vorangehenden Aufzählung "jede 4., jede 3. und jede 2. Frau" versprachlicht und eben nun "jede" ausdrücken soll, aber selbstverständlich nur innerhalb des ohnehin angesprochenen Patientenbereichs.

Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen unter III. entsprechend Bezug genommen.

V.

Nach alledem waren die beiden Berufungen der Parteien als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die vom Landgericht vorgenommene Kostenquotelung ist nicht zu beanstanden, sie bewertet den Streitwert der einzelnen Verfügungsanträge angemessen.

Ende der Entscheidung

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