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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 01.07.2004
Aktenzeichen: 3 U 188/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 322
Lehnt das Landgericht per Beschluss den Erlass einer auf die konkrete Beanstandungsform gerichteten einstweiligen Verfügung ab, so steht die (beschränkte) materielle Rechtskraft dieses Beschlusses einem weiteren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegen, der zwar ein abstrahierendes Verbot begehrt, jedoch das Charakteristische der Beanstandungsform des ursprünglichen Antrags beinhaltet.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 188/03

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 1. Juli 2004

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter nach der am 10. Juni 2004 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 19. September 2003 (315 O 422/03), wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

A.

Die Parteien strahlen im Fernsehen Quizsendungen aus, bei denen Wissens- und Geschicklichkeitsfragen gestellt werden, die Fernsehzuschauer innerhalb eines Zeitfensters beim Sender über eine Mehrwert-Servicenummer anrufen können und ein Anrufer jeweils ausgewählt und in die Sendung gestellt wird, wo er die Frage beantworten und Geld gewinnen kann. Es gibt zwei Modi, mit denen derjenige Zuschauer ausgewählt wird, welcher ins Studio geschaltet wird. Zum einen den "Anrufbeantwortermodus", zum anderen den "Hot-Button"-Modus. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Spielmodi wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 3 f. des Urteilsumdrucks) Bezug genommen.

Das Programm der Antragstellerin ist über Kabel, das der Antragsgegnerin nur über Satellit zu empfangen.

Die Antragstellerin begann im Oktober 2002 mit der Ausstrahlung ihrer Quizsendungen der für den hiesigen Rechtsstreit maßgebenden Art, die Antragsgegnerin startete ihre von der Antragstellerin angegriffenen Sendungen am 9.6.2003, nachdem zuvor (2.6.2003) der ehemalige stellvertretende Programmdirektor der Antragstellerin als Programmdirektor zur Antragsgegnerin gewechselt war.

Die Sendungen der Antragsgegnerin verwenden ebenfalls die von der Antragstellerin zuvor eingesetzten Spielmodi, allerdings nennt sie den "Hot-Button" in ihren Sendungen "Prack". Auch Inhalt und Aufbau der Sendungen ähneln denen der Antragstellerin stark. Auf die Gegenüberstellungen von Bildschirmausdrucken in den Anlagen EVK 7-22, den dazugehöriger Moderationstext (Bl. 11 ff. d.A.) sowie die Gegenüberstellung gemäß Anlage EVK 22 a wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen.

Am 24.6.2003 stellte die Antragstellerin beim Landgericht Köln Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Anlage AG 22). Sie beantragte dort, es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,

"im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die am 16.06.2003 in der Sendung "Sehtest" am 18.00 Uhr, in der Sendung "Glücklicht" ab 20.00 Uhr und in der Sendung "Wortsport" ab 21.00 Uhr über den Sender BTV 4 aus der dem Verfügungsantrag als Anlage EVK 23 beigefügten Videokassette ersichtlichen Fernseh-Quizspiele auszustrahlen und/oder ausstrahlen zu lassen".

Als Streitwert schlug die Antragstellerin 1 Mio Euro vor.

Zur Begründung stellte die Antragstellerin - ebenso wie im hier streitbefangenen Antrag - detailliert die von ihr benutzten Spielmodi "Anrufbeantworter" und "Hot-Button" vor (AG 22, Seite 4 ff.) und warf der Antragsgegnerin u.a. sklavische Nachahmung dieser Spielmodi (AG 22, Seite 8 ff.), exakte Übernahme der Spielmodi (AG 22, S. 22) sowie ein Abkupfern der Spielmodi vor (AG 22, S. 26) und begründete ihren Anspruch gemäß § 1 UWG mit der wettbewerblichen Eigenart der besonderen Ausgestaltung der Gewinnspiele (AG 22, S. 24 f.). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage AG 22 verwiesen.

Mit Beschluss vom 6.8.2003 wies das Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück und ging in der Begründung auch auf die Übernahme der Spielmodi/Sendekonzepte ein. So heißt es dort u.a. (Anlage AG 22):

"Auch die Übernahme der Spielmodi begründet eine solche Gefahr (Anm.: der Herkunftstäuschung) nicht, da Ausgestaltung und Ablauf der Sendungen hinreichende Unterschiede aufweisen."

Dieser Beschluss blieb unangefochten.

Mit Datum des folgenden Tages, dem 7.8.2003, wurde der hier streitgegenständliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gefertigt (Bl. 1 d.A.), und zwar mit dem Antrag, es der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken interaktive Mitmachspiele mit Gewinnchancen auszustrahlen und/oder ausstrahlen zu lassen, wenn folgende Merkmale vorliegen:

- Dem Zuschauer wird eine Wissens- und/oder Geschicklichkeitsfrage gestellt;

- Die Wissens- und/oder Geschicklichkeitsfrage ist in einem zuvor festgelegten Zeitrahmen (Zeitfenster) zu beantworten;

- Nach dem Stellen der Aufgabe durch den Moderator läuft in der Bildschirmmaske sichtbar das Zeitfenster ab;

- Innerhalb des Zeitfensters wird dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben, unter einer eingeblendeten Telefonnummer anzurufen;

- Alle eingehenden Anrufe werden auf ein System geleitet, das in der Reihenfolge der ankommenden Anrufe nach einem vorgegebenen Vorzählfaktor einen Teil der Anrufe auf eine Ansage steuert, die diesen Anrufern mitteilt, dass sie dieses Mal nicht zum Zuge kommen;

- Der verbleibende Teil der Anrufer wird auf eine Plattform verbunden, auf der diese Anrufer ihren Namen und Telefonnummer auf einem Rechensystem hinterlassen können, um einen Rückruf zu erhalten;

- Nach Ablauf des Zeitfensters wird außerhalb des Einflussbereichs des Senders eine beliebige Reihenfolge der auf dem Rechensystem hinterlassenen Nachrichten erstellt;

- Anschließend wird auf den sendungsspezifischen Rechensystem-Bereich zugegriffen und die Daten des ersten dort gespeicherten Anrufers abgefragt;

- Der so ausgewählte Zuschauer wird in die Sendung des Senders gestellt und hat die Möglichkeit, durch die richtige Beantwortung der Frage den Gewinn zu erhalten.

oder

- Dem Zuschauer wird eine Wissens- und/oder Geschicklichkeitsfrage gestellt;

- Dem Zuschauer wird die Möglichkeit gegeben, unter einer eingeblendeten Telefonnummer innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens (Zeitfenster) anzurufen, wobei er in der Sendung darauf hingewiesen wird, dass innerhalb des Zeitfensters zu einem variablen Zeitpunkt der Zuschlag ausgelöst wird;

- Die Zuseher können sich während des Laufs des Zeitfensters bis zum Zuschlag per Telefon unter der eingeblendeten Telefonnummer auf einen Server einwählen;

- Während des eingeblendeten Ablaufs des festgelegten Zeitrahmens wird der Zuschlag zu einem variablen Zeitpunkt ausgelöst;

- Die Auswahl der durchgestellten Leitung ist auf einen Auswahlmechanismus verlagert, auf den der Sender keinen Einfluss hat;

- Der in dem Moment des Zuschlags anrufende und so ausgewählte Zuschauer wird in die Sendung des Senders gestellt und hat die Möglichkeit, durch die richtige Beantwortung der gestellten Frage den ausgelobten Gewinn zu erhalten.

Das Landgericht erließ am 14.8.2003 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung, und zwar - wie beantragt - unter Festsetzung des Streitwerts auf wiederum 1 Mio Euro.

In der Widerspruchsverhandlung am 10.9.03 hat die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen und den Widerspruch zurückzuweisen,

hilfsweise:

Die einstweilige Verfügung der 15. Zivilkammer vom 14.08.2003 unter Zurückweisung des Widerspruchs der Antragsgegnerin mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es nach "interaktive Mitmachspiele mit Gewinnchancen" heißt: "wie aus den Videokassetten gemäß Anlage EVK 23 und Anlagenkonvolut EVK 37 ersichtlich auszustrahlen und/oder ausstrahlen zu lassen".

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Im Hinblick auf den Hauptantrag fehle es an der für einen Anspruch aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes erforderlichen "wettbewerblichen Eigenart", weil die wesentlichen Gestaltungsmerkmale des "Anrufbeantworter"-Modus und des "Hot-Button"-Modus vorbekannt und üblich seien und auch die Kombination nicht eigenartig sei.

Der Hilfsantrag sei jedenfalls teilweise wegen entgegenstehender Rechtskraft des Beschlusses des Landgerichts Köln unzulässig, da der Streitgegenstand dort Sendungen der "Machart" der im Antrag konkret benannten Sendungen betreffe. Jedenfalls fehle es an einem Verfügungsanspruch. Der Antrag sei auf den Schutz der konkreten Gestaltung der Sendungen, der Fernsehformate, gerichtet. Auch die konkrete Gestaltung sei jedoch nicht eigenartig bzw. herkunftshinweisend. Eine Herkunftstäuschung scheitere zudem an der Sendereinblendung.

Gegen das Urteil wendet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie macht geltend:

Die im Hauptantrag dokumentierten Quizkonzepte seien jedenfalls in der Kombination der Einzelelemente und unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre, hier also der Bekanntheit der Sendungen der Antragstellerin und der identischen Übernahmen, wettbewerblich eigenartig. Das beantragte Verbot rechtfertige sich aus den Gesichtspunkten der vermeidbaren Herkunftstäuschung, unlauteren Behinderung und Rufausbeutung.

Eine entgegenstehende Rechtskraft des Beschlusses des Landgerichts Köln sei nicht gegeben. Der Antrag an das Landgericht Köln habe sich ausschließlich auf ein Verbot ganz konkreter Fernseh-Quizspiele bezogen, die durch den Tag sowie die Uhrzeit konkretisiert worden seien. Dort sei mithin die konkrete Verletzungsform zum Antragsgegenstand gemacht worden. Dagegen beinhalte der hiesige Verfügungsantrag von der konkreten Verletzungsform abstrahierend die Merkmale der Spielmodi. Dem Verfahren liege jeweils ein anderer Antrag sowie ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Antragstellervertreter erklärt, dass der Hilfsantrag nicht weiterverfolgt werden soll.

Die Antragstellerin beantragt:

das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 19.09.2003 mit dem Aktenzeichen 315 O 422/03 abzuändern und der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken interaktive Mitmachspiele mit Gewinnchancen auszustrahlen und/oder ausstrahlen zu lassen, wenn folgende Merkmale vorliegen:

- Dem Zuschauer wird eine Wissens- und/oder Geschicklichkeitsfrage gestellt;

- Die Wissens- und/oder Geschicklichkeitsfrage ist in einem zuvor festgelegten Zeitrahmen (Zeitfenster) zu beantworten;

- Nach dem Stellen der Aufgabe durch den Moderator läuft in der Bildschirmmaske sichtbar das Zeitfenster ab;

- Innerhalb des Zeitfensters wird dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben, unter einer eingeblendeten Telefonnummer anzurufen;

- Alle eingehenden Anrufe werden auf ein System geleitet, das in der Reihenfolge der ankommenden Anrufe nach einem vorgegebenen Vorzählfaktor einen Teil der Anrufe auf eine Ansage steuert, die diesen Anrufern mitteilt, dass sie dieses Mal nicht zum Zuge kommen;

- Der verbleibende Teil der Anrufer wird auf eine Plattform verbunden, auf der diese Anrufer ihren Namen und Telefonnummer auf einem Rechensystem hinterlassen können, um einen Rückruf zu erhalten;

- Nach Ablauf des Zeitfensters wird außerhalb des Einflussbereichs des Senders eine beliebige Reihenfolge der auf dem Rechensystem hinterlassenen Nachrichten erstellt;

- Anschließend wird auf den sendungsspezifischen Rechensystem-Bereich zugegriffen und die Daten des ersten dort gespeicherten Anrufers abgefragt;

- Der so ausgewählte Zuschauer wird in die Sendung des Senders gestellt und hat die Möglichkeit, durch die richtige Beantwortung der Frage den Gewinn zu erhalten.

oder

- Dem Zuschauer wird eine Wissens- und/oder Geschicklichkeitsfrage gestellt;

- Dem Zuschauer wird die Möglichkeit gegeben, unter einer eingeblendeten Telefonnummer innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens (Zeitfenster) anzurufen, wobei er in der Sendung darauf hingewiesen wird, dass innerhalb des Zeitfensters zu einem variablen Zeitpunkt der Zuschlag ausgelöst wird;

- Die Zuseher können sich während des Laufs des Zeitfensters bis zum Zuschlag per Telefon unter der eingeblendeten Telefonnummer auf einen Server einwählen;

- Während des eingeblendeten Ablaufs des festgelegten Zeitrahmens wird der Zuschlag zu einem variablen Zeitpunkt ausgelöst;

- Die Auswahl der durchgestellten Leitung ist auf einen Auswahlmechanismus verlagert, auf den der Sender keinen Einfluss hat;

- Der in dem Moment des Zuschlags anrufende und so ausgewählte Zuschauer wird in die Sendung des Senders gestellt und hat die Möglichkeit, durch die richtige Beantwortung der gestellten Frage den ausgelobten Gewinn zu erhalten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beide Anträge seien wegen entgegenstehender Rechtskraft des Beschlusses des Landgerichts Köln unzulässig. Es fehle zudem an der Dringlichkeit. Jedenfalls sei eine wettbewerbliche Eigenart der zum Gegenstand des Hauptantrags gemachten Spielmodi sowie der zum Gegenstand des Hilfsantrags gemachten Fernsehformate nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

I.

1. Gegenstand des Hauptantrags ist das Verbot der Ausstrahlung von interaktiven Mitmachspielen mit Gewinnchancen im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, wenn die im Antrag im Einzelnen genannten Merkmale, nämlich diejenigen, mit denen die Antragstellerin die Spielmodi "Anrufbeantworter" oder "Hot-Button/Prack" beschreibt, vorliegen.

2. Der Antrag ist unzulässig

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH und allgemeiner Meinung im Schrifttum verbietet die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand (BGH GRUR 1993, 157, 158 Dauernd Billig m.w.N.)

Nach § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil insoweit rechtskräftig, als darin über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden ist. Maßgebend für den Umfang der Rechtskraft ist somit der Streitgegenstand. Dieser wird von dem Grund des zur Entscheidung gestellten Anspruchs und von dem zugehörigen Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem dieser Anspruch hergeleitet wird. Dabei sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen, ergänzend heranzuziehen, wenn die Urteilsformel, wie insbesondere bei einem klageabweisenden Urteil, den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht erkennen lässt. Unterscheidet sich der Streitgegenstand des neuen Prozesses von dem des Vorprozesses, wird also ein seinem Wesen nach anderer Sachverhalt vorgetragen, steht der neuen Klage - auch wenn das Klageziel äußerlich unverändert bleibt - die materielle Rechtskraft des Urteils im früheren Rechtsstreit nicht entgegen. Stellt der Kläger dagegen im neuen Prozess denselben prozessualen Anspruch zur Entscheidung, handelt es sich also um den Streitgegenstand des Vorprozesses, ist das Gericht durch die Rechtskraft des früheren Urteils an einer Sachentscheidung gehindert (vgl. zum Ganzen BGH GRUR 1993, 157, 158 - Dauernd Billig m.w.N.). Der (beschränkten) materiellen Rechtskraft ist auch der ablehnende Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren zugänglich (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 23. Aufl. 2002, Vor § 916 Rn. 13).

b) Nach diesen Grundsätzen steht die materielle Rechtskraft des nicht durch eine sofortige Beschwerde (§§ 567 I Nr. 2, 569 ZPO) angefochtenen ablehnenden Beschlusses des Landgericht Köln einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren entgegen.

aa) Zur Auslegung des zurückweisenden Beschlusses ist auf das beantragte Verbot abzustellen. Gegenstand des Antrags an das Landgericht Köln war das Verbot,

"im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die am 16.06.2003 in der Sendung "Sehtest" am 18.00 Uhr, in der Sendung "Glücklicht" ab 20.00 Uhr und in der Sendung "Wortsport" ab 21.00 Uhr über den Sender BTV 4 aus der dem Verfügungsantrag als Anlage EVK 23 beigefügten Videokassette ersichtlichen Fernseh-Quizspiele auszustrahlen und/oder ausstrahlen zu lassen".

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bezog sich das mit dem Antrag an das Landgericht Köln erstrebte Verbot nicht lediglich auf das Verbot der im Antrag konkret nach Tag und Uhrzeit benannten Fernseh-Quizspiele.

Der Umfang eines Unterlassungstitels (und damit eines Unterlassungsantrags) ist nicht auf Verletzungsfälle beschränkt, die mit der verbotenen Form identisch sind, sondern erstreckt sich auch auf solche Handlungen, die von der Verbotsform nur unbedeutend abweichen oder deren Abweichungen den Kern der Verletzungshandlung bzw. das Charakteristische derselben unberührt lassen und damit schon (implizit) Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren waren (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. 2002, Kap. 57 Rn. 12). Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch die Präklusion eines erneuten Verfahrens, und zwar auch im Hinblick auf einen Titel im Verfügungsverfahren (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. 2002, Kap. 57 Rn. 16 a m.w.N.; vgl. auch Urt. des Senats vom 29.1.2003 - 3 U 109/03-24-Stunden wirksame Antiemese, Seite 9 ff. ). Erfasst der Anspruch des Gläubigers von vornherein alle kerngleichen Formen, so ist - wenn er ohne eindeutige Beschränkung des Klagebegehrens (durch zulässigen Ausschluss der Einbeziehung anderer Formen als der konkreten) geltend gemacht worden ist - mit dem Urteil auch das Gebot der Unterlassung aller kerngleichen Formen ausgesprochen und deren Geltendmachung in einem Zweitverfahren grundsätzlich präkludiert (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. 2002, Kap. 57 Rn. 16 a).

So liegt der Fall auch hier. Die Antragstellerin hat ihren Antrag in Köln auf § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes gestützt und zur Begründung auf die von ihr benutzten Spielmodi "Anrufbeantworter" und "Hot-Button" abgestellt (Seite 4 ff. der Anlage AG 22). Die Antragstellerin warf der Antragsgegnerin sklavische Nachahmung, exakte Übernahme und Abkupfern dieser Spielemodi vor und stützte ihren Anspruch auf die angebliche wettbewerbliche Eigenart der Spielmodi (Seiten 22 ff., S. 25 der Anl. AG 22). Damit ergibt sich aus der Begründung des Antrags, dass die Antragstellerin das Charakteristische der im Antrag konkret benannten Verletzungsformen, also der Sendungen vom 16.6.03, in der Übernahme u.a. der im Antrag konkret beschriebenen Spielmodi "Anrufbeantworter" und "Hot-Button" sah. Entsprechend der Begründung des Verfügungsantrags hat auch das Landgericht Köln in der Begründung des zurückweisenden Beschlusses vom 6.8.2003 die Übernahme der Spielmodi erörtert, hat mithin die Frage der Übernahme der Modi zum Gegenstand der zurückweisenden Entscheidung gemacht.

bb) Gegenstand des Antrags im vorliegenden Verfahren ist das Verbot der Ausstrahlung von interaktiven Mitmachspielen mit Gewinnchancen im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, wenn die im Antrag im Einzelnen genannten Merkmale (Beschreibung Spielmodus "Anrufbeantworter" oder Spielmodus "Hot-Button") vorliegen. Bei diesem Antrag handelt es sich um ein Verbot, welches abstrahierend im Antrag diejenigen Merkmale der Spielmodi ausdrücklich benennt, welche vor dem Landgericht Köln zwar lediglich als Begründungselemente des Antrags, dennoch aber streitgegenstandsbildend als Umschreibung des charakteristischen Kerns des dort beantragten konkreten Verbots bereits vollständig geltend gemacht worden waren. In Köln betraf der Antrag die konkrete Verletzungsform, die Begründung stellte auf die Übernahme der Spielmodi ab. Hier umschreibt der Antrag die Merkmale der übernommenen Spielmodi und damit den über die konkrete Verletzungsform der Sendungen vom 16.6.2003 hinausgehenden Verbotskern. Die Begründung hier wie auch im Kölner Verfahren nimmt auf die in beiden Anträgen übereinstimmend vorgetragenen Sendungen vom 16.6.2003 Bezug.

Zu beachten ist auch, dass die Antragstellerin sowohl im Kölner als auch im hiesigen Verfahren einen Streitwert von 1 Mio Euro vorgeschlagen hat. Eine solche Gleichbewertung wäre nicht zu rechtfertigen, wenn es ihr in Köln nur um 3 einzelne, konkrete Sendungen und nicht darüber hinaus um kerngleich verletzende Sendungen ginge, im vorliegenden Verfahren aber um das gesamte Sendungskonzept unter Verwendung der beiden Spielmodi.

Auch die von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommene Entscheidung BGH - "TCM-Zentrum" (GRUR 2001, 453) stützt die Auffassung der Antragstellerin nicht. Diese Entscheidung verhält sich zu der Frage der Bestimmtheit von Unterlassungsanträgen und führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages in der Regel unproblematisch ist, wenn der Kläger lediglich das Verbot einer Handlung begehrt so, wie sie begangen worden ist (a.a.O. S. 454). Ausführungen, die den oben gemachten Ausführungen zur entgegenstehenden materiellen Rechtskraft entgegenstehen, finden sich in der Entscheidung nicht.

c) Über den von der Antragstellerin im Berufungsrechtszug nicht mehr gestellten Hilfsantrag war nicht mehr zu entscheiden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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