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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: 3 U 193/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Die Werbung eines Mobilfunknetzbetreibers mit den Worten "Get more" wird, wenn der Kontext ihnen keinen anderen Sinn verleiht, vom Verkehr dahin verstanden, daß das Unternehmen mehr als andere Netzbetreiber bietet. Sie ist irreführend, wenn sich das Angebot im Hinblick auf Netzabdeckung, Sprachqualität, Tarife und Service nicht von den Leistungen unterscheidet, die auch bei anderen Anbietern zu bekommen sind, selbst wenn der werbende Anbieter über mehr Kunden verfügt als seine Wettbewerber.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 193/02

Verkündet am: 26. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter

Gärtner, v. Franqué, Dr. Löffler

nach der am 12. Juni 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 03. Juli 2002 abgeändert. Die einstweilige Verfügung vom 26. April 2002 wird zu lit. c. aufgehoben und der ihr zugrunde liegende Antrag zurückgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Antragstellerin 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin betreibt das Mobilfunknetz D2, die Antragsgegnerin das Netz D1. Beide Parteien nehmen mit deutlich über 20 Mio. Kunden auf diesem Markt eine führende Stellung ein. Die Antragsgegnerin verwendet in ihrer Werbung - zum Teil hervorgehoben - die Worte "Get more". Das Landgericht hat ihr verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die Erbringung von Mobilfunkleistungen mit der Angabe "Get more" zu werben, wenn dies

a) in Verbindung mit der Bezeichnung "der deutsche Marktführer" und/oder

b) in Verbindung mit der Angabe "1. Platz connect Mobilfunk-Netzbetreiber des Jahres 2002" und/oder

c) durch die Aussage "Die Marke T-Mobile steht für 'Get more' - mehr Funktionen, mehr Wert, mehr Service" geschieht.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO). Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihren Berufungsanträgen. Die Antragstellerin hat als Anlage Ast. 12 Zeitungsmeldungen vom Januar 2003 zu den Kundenzahlen der Parteien vorgelegt.

Ergänzend wird auf die vorbereitenden Schriftsätze mit ihren Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat nur zum Teil Erfolg.

1. Streitgegenstand ist nicht das Verbot, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die Erbringung von Mobilfunkleistungen mit der Angabe "Get more" zu werben. So war zwar der Antrag formuliert, denn der Konditionalsatz war mit einem "insbesondere" eingeleitet, was nach allgemeinem Sprachgebrauch vom generellen Verbot im Obersatz umfaßte Unterfälle kennzeichnet. Das Landgericht hat den Antrag aber dahin verstanden, daß die unter lit. a - c genannten Modalitäten jeweils selbständig angegriffen werden sollten, denn es hat das "insbesondere" ersatzlos gestrichen, ohne der Antragstellerin wegen des nicht erlassenen allgemeinen Verbotes Kosten aufzuerlegen. Es geht also nicht um die "Get more-Kampagne" der Antragsgegnerin, sondern um drei einzelne Anträge. Die ebenfalls beantragten Verbote der kumulativen Verwendung haben keine selbständige Bedeutung, denn sie sind von den drei alternativen Einzelanträgen erfaßt.

2. Das beantragte Verbot, für die Erbringung von Mobilfunkleistungen mit der Angabe "Get more" in Verbindung mit der Bezeichnung "der deutsche Marktführer" zu werben, stellt ebenfalls eine Verallgemeinerung dar, denn sie sieht von dem konkreten Text ab. Gleichwohl ist damit das Charakteristische der konkreten Verletzungsform getroffen, wie die Anzeige Anlage Ast 6 sie bietet, denn die weiteren Informationen, die der Betrachter dem Text entnehmen kann, geben keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Worte "Get more" anders verstanden werden können, als wenn sie allein neben der Information, das werbende Unternehmen sei deutscher Marktführer, zu lesen wären.

Zu Recht hat das Landgericht diese Werbung als irreführend (§ 3 UWG) angesehen Der durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige Verbraucher, wie ihn die neuere Rechtsprechung zum Leitbild nimmt, versteht dies als Aufforderung, sich von der Antragsgegnerin als Marktführer mehr geben zu lassen, und sucht selbstverständlich nach dem tertium comparationis, also der gemeinsamen Grundlage für den Vergleich, und das können, da er als Verbraucher angesprochen wird, nur die Leistungen aller Wettbewerber auf dem Markt für Mobilfunknetze sein.

Jeder, der ein Grundwissen der englischen Sprache besitzt oder sich den Ausdruck von jemandem, der über ein solches verfügt, übersetzen läßt, versteht "get more" als Aufforderung, sich mehr geben zu lassen. Da ein Subjekt fehlt, kann es sich nur um einen Imperativ handeln, die wörtliche Übersetzung "bekomme mehr" entspricht so wenig dem deutschen Sprachgefühl, daß man es mit dem Ausdruck "lass" dir mehr geben" übersetzen würde. Wer dieses Mehr geben soll, versteht sich von allein, es kann nur das werbende Unternehmen sein, das mit dem Hinweis auf seine Marktführerschaft auch eine Begründung dafür gibt, warum der Verkehr bei ihm besser bedient wird als bei den Wettbewerbern.

Es ist unstreitig, daß die Antragsgegnerin im Hinblick auf Netzabdeckung, Sprachqualität, Tarife und Service nicht wesentlich mehr zu bieten hat als beispielsweise die Antragstellerin, und deshalb verteidigt sie sich damit, daß ihre Werbung einen anderen Sinn habe, als vom Landgericht angenommen. Ihr Rückgriff auf die "Fülle von Bedeutungsmöglichkeiten" des Verbs "to get" im Englischen liegt in zweifacher Hinsicht neben der Sache. Zum einen be herrschen nur Bruchteile der angesprochenen Verkehrskreise die englische Sprache so perfekt, daß sie alle Bedeutungsmöglichkeit in Rechnung stellen können, zum anderen ergibt sich diese Bedeutungsfülle jeweils aus dem sprachlichen Kontext. In der angegriffenen Werbung stehen die beiden Wörter aber allein als Abschluß eines deutschen Textes, in dem sich die Antragsgegnerin als Marktführer bezeichnet. Der Verkehr hat keinen Anhaltspunkt dafür, daß der englische Ausdruck irgendwie "nuanciert" werden soll. Er versteht das "Get more" so, wie es sich isoliert darbietet.

Anders als die Antragsgegnerin glaubt, bezieht der Verkehr die Marktführerschaft nicht nur auf die Zahl der Kunden, auch wenn sie ihm genannt wird; er kann deshalb den Worten "Get more" unter diesem Gesichtspunkt keinen anderen Sinn entnehmen. Ausgangspunkt für das Verständnis ist die Gewißheit, daß sich die Antragsgegnerin mit der Aussage empfehlen will. Sie soll den Empfängern die Botschaft vermitteln, daß es sich lohnt, Kunde zu werden oder zu bleiben. Deshalb geht der angesprochene Verkehr davon aus, daß ihm etwas mitgeteilt wird, was für seine Entscheidung bedeutsam ist, und er wird nicht glauben, die Aussage solle sich in einer Angabe zu Quantitäten erschöpfen, die für sein Interesse unerheblich sind. Es ist für ihn im Grunde gleichgültig, wen die Antragsgegnerin neben ihm als Kunden hat, seine Lage wird nicht davon beeinflußt, ob es fünf, zehn oder zwanzig Millionen sind. Ihm kommt es vielmehr darauf an, was die Antragsgegnerin ihm bietet und wie leistungsfähig sie ist, und erst unter diesem Gesichtspunkt gewinnt beispielsweise die Zahl der Kunden ihre Bedeutung, denn regelmäßig erlaubt die Zahl der Kunden Rückschlüsse auf die Güte des Angebotes, weil der Verkehr von einem Zusammenhang beider Kriterien ausgeht.

"Marktführerschaft" der Antragsgegnerin ist dem Verkehr Maßstab für ihre Bedeutung und ohne eine qualitative Komponente nicht einleuchtend. Aus diesem Grunde erwartet der Verkehr, darauf aufmerksam gemacht zu werden, wenn die "Marktführerschaft" ausnahmsweise nur einen quantitativen Sinn haben soll, weil sie sich allein auf die genannte Zahl der Kunden bezieht. Ohne einen solchen Hinweise geht er davon aus, daß der Regelfall gegeben ist und er aus der Zahl der Kunden auf die Güte des Angebotes schließen soll. Auf Grund der Aussage, T-Mobile sei Marktführer, erwarten viele Verbraucher darum nicht nur, daß die Antragsgegnerin mit ihrem Netz unter den Mobilfunknetzen Deutschlands die meisten Kunden hat, sondern daß T-Mobile im wesentlichen in allen Bereichen, in denen es möglich ist, auf dem Markt führt.

Deshalb kommt es auf den wiederholt angesprochenen Gedanken, wer sich der Marktführerschaft berühme, müsse diese Position mit einer gewissen Stetigkeit und Dauer einnehmen, nicht mehr an. Selbst wenn dies im Hinblick auf die Kundenzahlen auf die Antragsgegnerin zuträfe, bliebe der dem Verkehr suggerierte Schluß, wer über die meisten Kunden verfüge, biete auch die besten Leistungen, nach dem unstreitigen Sachverhalt falsch.

3. Auch das beantragte Verbot, für die Erbringung von Mobilfunkleistungen mit der Angabe "Get more" in Verbindung mit der Angabe "1. Platz connect Mobilfunk-Netzbetreiber des Jahres 2002" zu werben, stellt eine Verallgemeinerung dar, die das Charakteristische der Verletzungsform in der Anlage Ast 9 trifft.

Auch hier steht das "Get more" als Abschluß eines deutschen Textes, der dem Betrachter nicht nahelegt, es könne etwas anderes gemeint sein, als es bei isolierter Verwendung von "Get more" der Fall wäre. Im Fließtext wird der "liebe T-Mobile Kunde" lediglich davon unterrichtet, daß es T-Mobile nunmehr auch in drei weiteren europäischen Ländern gebe, daß er auch dort auf den gewohnt guten Service von T-Mobile zählen könne, daß im nächsten Jahr in den USA aus Voicestream T-Mobile werde und dies erst der Anfang sei, die Welt näher zusammenrücken zu lassen. Daß der Kunde T-Mobile "an immer mehr Orten dieser Welt" finden kann, bedeutet im wesentlichen, daß auch andere Kunden, nämlich die im Ausland, mit T-Mobile telephonieren können. Wenn die Welt zusammenrückt und man auch im Ausland auf den gewohnt guten Service zählen kann, erhält der deutsche Kunde kaum mehr, als er schon vorher hatte.

Da der Fließtext dem Verkehr keine plausible Erklärung für das "Get more" bietet, wird der darin steckende Vergleich zwanglos durch den Hinweis auf den ersten Platz als Mobilfunknetzbetreiber des Jahres 2002 vervollständigt und führt zu dem Verständnis, bei dem Anbieter, der diesen ersten Platz besetzt hat, bekomme man mehr als bei anderen Anbietern, denen das nicht gelungen ist. Wie bereits oben ausgeführt, trifft das nicht zu, so daß eine Werbung mit "Get more" in Verbindung mit dem Hinweis irreführend ist. 4. Diese Erwägungen lassen sich nicht auf das beantragte Verbot übertragen, für die Erbringung von Mobilfunkleistungen mit der Angabe "Get more" zu werben, wenn dies durch die Aussage "Die Marke T-Mobile steht für 'Get more' - mehr Funktionen, mehr Wert, mehr Service" geschieht.

Anders als bei den Anlage Ast 6 und Ast 9 kann der Verkehr die zum Gegenstand des Antrages gemachte Aussage nicht isoliert betrachten. "Get more" steht nicht als einzelner englischer Ausdruck hinter einem deutschen Text, der für seinen unmittelbaren Sinn unergiebig ist. Vielmehr gibt der begleitende Kontext auf der Internetseite der Anlage Ast 8 dem Satz einen bestimmten Inhalt, so daß mit der Vereinzelung im Antrag nicht mehr das Charakteristische der Verletzungsform getroffen ist. Die von der Antragstellerin gewählte Verallgemeinerung geht zu weit. Die Aussage könnte nur so, wie sie im begleitenden Umfeld verstanden wird, das heißt unter Einbeziehung dieses Umfeldes in der konkreten Internet-Seite, verboten werden.

Dieser Inhalt ist indessen nicht irreführend.

Unter der Überschrift "T-Mobile - eine starke Marke in Europa" wird zunächst berichtet, daß sich T-Mobile International mit Tochtergesellschaften in Großbritannien, Österreich und Tschechien auf drei weitere europäische Märkte ausgedehnt habe und was das für die Muttergesellschaft, die Deutsche Telekom AG, bedeute. Nach wörtlicher Wiedergabe einer Äußerung, wonach T-Mobile International etwa ein Zehntel der Weltbevölkerung versorgen könne, folgt der Absatz:

"Im Rahmen der 'Get More'-Philosophie verpflichtet sich T-Mobile zu hoher Qualität und einer breiten Angebotspalette an Sprach- und Datendiensten sowie leistungsstarken Services. Die Marke T-Mobile steht für 'Get more' - mehr Funktionen, mehr Wert, mehr Service. Darüber hinaus wird T-Mobile durch beständige Qualität international einen wichtigen Meilenstein setzen."

Sodann werden Einführungsangebote und die damit für die Kunden verbundenen Vorteile vorgestellt.

Anders als in den beiden voraus behandelten Fällen, muß sich der Betrachter das tertium comparationis nicht selbst erschließen. Es wird ihm genannt, denn es ist von den Verhältnissen und Leistungen der Antragsgegnerin die Rede, die miteinander verglichen werden. Zunächst wird dem Betrachter die Expansion des Unternehmens und seine Bedeutung vor Augen geführt. Aber nicht nur diese Veränderung bei T-Mobile selbst, sondern auch Einzelheiten der Einführungsangebote werden dargelegt. Veränderungen bei der Antragsgegnerin selbst werden verglichen, es geht um ihre Leistungen vor der Expansion und nach ihr, um die Änderungen bei den Angeboten. Der Verkehr hat keinen Anlaß, an das Leistungsangebot der Wettbewerber zu denken.

Es kommt hinzu, daß mit den angegriffenen Worten die "Get more"-Philosopie erläutert wird. Das kann nur die Philosophie des Unternehmens sein, von dem die Rede ist. Damit richtet sich die Aufforderung "Get more" in dem konkreten Zusammenhang an das Unternehmen selbst und gewinnt so zwanglos den Sinn, ständig mehr zu bieten sollen und sich zu immer mehr an Qualität, Breite des Angebots und Service zu verpflichten. Wegen dieser Verpflichtung steht die Marke T-Mobile für "Get more" - mehr Funktionen, mehr Wert, mehr Service, denn das sind die Leistungen, um deren Steigerung sich das Unternehmen bemühen will.

Es gibt nur einen Hinweis auf die Leistungen der Wettbewerber, wenn das Vorstandsmitglied R mit dem Satz zitiert wird: "T-Mobile ist noch immer der einzige Mobilfunkanbieter, der seinen Kunden nahtlosen transatlantischen Service zur Verfügung stellt." Dieser Satz, zudem ein Zitat, steht am Anfang des vorausgehenden Absatzes. Er kennzeichnet eine einzelne Leistung im Gesamtangebot der Antragsgegnerin, ohne angesichts der gesamten Umstände dem Betrachter die Annahme nahezulegen, mit "Get more" solle auf die Leistungen der Wettbewerber Bezug genommen werden.

Es mag das Ziel der Antragsgegnerin sein, "Get more" in dem Sinne zu popularisieren, wie er in den beiden zum Gegenstand der Verbote zu lit. a. und b. gemachten Fällen verstanden wird, und "der wirtschaftlichen Intention (entsprechen), die die Antragsgegnerin mit der groß angelegten "Get more"-Kampagne verfolgt hat und auch weiterverfolgen möchte," wie die Antragstellerin in der Berufungserwiderung schreibt. Nur ist, wie bereits ausgeführt, die "Get more"- Kampagne nicht Streitgegenstand.

Die Kosten des Rechtsstreits waren nach §§ 91, 92, 97 ZPO zu verteilen.

Ende der Entscheidung

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