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Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: 3 U 193/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 93 |
Etwas anderes ergibt auch nicht die Ex-Post-Schau, wenn der Abgemahnte die spätere Abmahnung wegen der Printwerbung unbeantwortet lässt, weil ihm schon vor Ablauf der Abmahnfrist die Verbotsverfügung betreffend die Printwerbung zugestellt wurde, und gegen die einstweilige Verfügung nur noch Kostenwiderspruch einlegt.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
Verkündet am: 29. März 2007
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Terschlüssen nach der am 1. Februar 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen vom 28. Juli 2006, nachdem die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag gemäß dem 2. Teil des Verbots der Beschlussverfügung (nach "und/oder") des Landgerichts Hamburg (312 O 175/06) vom 14. März 2006 zurückgenommen hat, abgeändert.
Die Antragstellerin trägt die gesamten Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Soweit das Urteil des Landgerichts die Beschlussverfügung bestätigt und den Hilfs-Gegen-Verfügungsantrag als unzulässig verworfen hat, ist das Urteil des Landgerichts gegenstandslos.
und beschlossen:
Die Streitwertfestsetzungen des Landgerichts Hamburg in den Beschlüssen vom 14. März 2006 und vom 16. August 2006 sowie im Urteil vom 28. Juli 2006 werden wie folgt abgeändert und insgesamt neu gefasst:
Der Streitwert für das Erlassverfahren (2 Verfügungsanträge) wird auf 150.000 € festgesetzt. Der Streitwert für das Widerspruchsverfahren wird auf 76.046,25 € festgesetzt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren zunächst auf 76.046,25 € festgesetzt. Durch die Zurücknahme des Verfügungsantrages (2. Teil des Verbots) ermäßigt sich der Streitwert auf 1.046,25 €.
Die Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin (3 W 182/06) betreffend den Hilfs-Gegen-Verfügungsantrag hat sich erledigt.
Gründe:
A.
Die Parteien bieten gegenüber Endverbrauchern DSL-Internetzugangs-Dienstleistungen an und stehen miteinander im Wettbewerb.
Die Antragsgegnerin hat in der Computerzeitschrift "com!" Nr. 4/06 für Kopplungsangebote, die jeweils aus einem DSL-Anschluss und einem DSL-Internetzugangstarif bestehen, geworben (Anlage ASt AS 1).
Die Antragstellerin beanstandet die Werbung als unlauter und nimmt die Antragsgegnerin vorliegend im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragsgegnerin nimmt ihrerseits mit einem Hilfs-Gegen-Verfügungsantrag ("hilfswiderklagend") die Antragstellerin im Verfügungswege auf Unterlassung in Anspruch.
Das Landgericht Hamburg (Zivilkammer 12, 312 O 175/06), hat mit seiner Beschlussverfügung vom 14. März 2006 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten (Bezifferung durch den Senat), im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Printmedien für ein Kopplungsangebot, bestehend aus einem DSL-Anschluss und einem DSL-Internetzugangstarif, mit den Aussagen (1. Teil) Highspeed-Surfen und über DSL telefonieren mit den Kommunikationsprofis von Oxx - einfacher und günstiger geht's nicht!
und/oder
(2. Teil) Für die neuen blitzschnellen DSL-Anschlüsse ist Oxx der perfekte Partner. Unserer Kompetenz und jahrelangen Erfahrungen können Sie vertrauen. Mit unserem Netzwerk bieten wir Ihnen überlegene Produktqualität, erstklassigen Service und beste Optionen für die Zukunft. Und das bei dauerhaft günstigen Tiefstpreisen
zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie folgt (es folgt eine Schwarz-Weiß-Kopie der linken Hälfte der Werbeanzeige gemäß Anlage ASt AS 1: Bl. 15).
Durch Beschluss des Landgerichts vom 20. Juni 2006 hat sich die Zivilkammer 12 für funktionell unzuständig erklärt und antragsgemäß den Rechtsstreit an die zuständige Kammer für Handelssachen beim Landgericht Hamburg verwiesen.
In der Widerspruchsverhandlung vom 14. Juli 2006 vor dem Landgericht Hamburg (Kammer 6 für Handelssachen, 406 O 158/06) hatte die Antragsgegnerin - wie schriftsätzlich angekündigt - die Anträge zu ihrem "Kostenwiderspruch" im Umfang des 1. Teils des Verbots der Beschlussverfügung und zu ihrem "Vollwiderspruch" im Umfang des 2. Teils des Verbots der Beschlussverfügung gestellt.
Außerdem hatte die Antragsgegnerin beantragt,
im Wege der Hilfs-Gegen-Verfügung ("hilfs-widerklagend") der Antragstellerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Printmedien ein Kopplungsangebot, bestehend aus einem DSL-Anschluss und einem DSL-Internetzugangstarif mit den Aussagen:
"Jetzt dauerhaft: Kostenlos über die gesamte Laufzeit € 0,00 für dddflat-Tarif" und/oder
"Sensation im Netz: dddlat - dauerhaft kostenlos!"
zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, insbesondere wenn dies geschieht wie folgt (Titelseite und Seite 1 des Prospekts der Antragstellerin).
Durch Urteil vom 28. Juli 2006 hat das Landgericht die Beschlussverfügung bestätigt, "soweit sie mit dem Widerspruch angefochten wurde" und den Hilfs-Gegen-Verfügungsantrag der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2006 als unzulässig "verworfen". Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.
In der Berufungsverhandlung hat die Antragsgegnerin beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils nach den zuletzt in erster Instanz gestellten Anträgen zu erkennen;
und die Antragstellerin um Zurückweisung der Berufung gebeten.
Danach hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 7. März 2007 ihren Verfügungsantrag, "soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist", zurückgenommen (Bl. 190).
B.
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache, nachdem die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag gemäß dem 2. Teil des Verbots der Beschlussverfügung (nach "und/oder") des Landgerichts vom 14. März 2006 zurückgenommen hat, betreffend den nur noch anhängigen Kostenwiderspruch zum 1. Teil des Verbots der Beschlussverfügung Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist demgemäß mit der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Maßgabe abzuändern.
I.
1.) Der Gegenstand des Berufungsverfahrens war zunächst der Verfügungsantrag der Antragstellerin gemäß dem 2. Teil des Verbots der Beschlussverfügung, der Kostenwiderspruch betreffend den 1. Teil des Verbots der Beschlussverfügung sowie der Hilfs-Gegen-Verfügungsantrag der Antragsgegnerin.
2.) Mit der Zurücknahme des Verfügungsantrages der Antragstellerin gemäß dem 2. Teil des Verbots der Beschlussverfügung ist nicht nur dieser Verbotsteil der Beschlussverfügung gegenstandslos geworden, sondern auch die diesen Teil betreffende Bestätigung im landgerichtlichen Urteil (§ 269 Abs. 3 ZPO). Zugleich ist mit der Zurücknahme über den Hilfs-Gegen-Verfügungsantrag der Antragsgegnerin nicht mehr zu entscheiden, dessen Zurückweisung als unzulässig durch das Landgericht ist daher ebenfalls gegenstandslos geworden. Das war zum Zwecke der Klarstellung auszusprechen.
3.) Nach der Zurücknahme des Verfügungsantrages der Antragstellerin gemäß dem 2. Teil des Verbots der Beschlussverfügung beschränkt sich der Gegenstand der Berufung nunmehr auf den Kostenwiderspruch betreffend den 1. Teil des Verbots der Beschlussverfügung.
II.
Der Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin bezüglich des 1. Teils des Verbots der Beschlussverfügung ist nach Auffassung des Senats begründet. Insoweit hat die Antragstellerin die Kosten zu tragen.
1.) Die Antragsgegnerin hat entgegen dem Landgericht keine Veranlassung für das Verfügungsverfahren gegeben (§ 93 ZPO).
Das Landgericht hat auf den Umstand abgestellt, dass die Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 1. März 2006 (Anlage ASt AS 5) fruchtlos abgemahnt worden sei und Gegenstand der Abmahnung dieselbe Werbung der Antragsgegnerin gewesen sei. Das lotet den Sachverhalt nicht hinreichend aus.
(a) Allerdings war die Abmahnung vom 1. März 2006 bezogen auf die Aussage gemäß dem 1. Verbot der Beschlussverfügung fruchtlos gewesen, die Abmahnung bezog sich aber auf die Verletzungsform mit der ausdrücklichen Bestimmung: "im Internet" (Anlage ASt AS 5). Es ist insoweit - bezogen auf das Verbot betreffend Internet - zu dem Frankfurter Verfügungsverfahren gekommen (Anlage AG 2) und erst nach einem Beschluss des OLG Frankfurt vom 10. April 2006 hat die Antragsgegnerin insoweit eine Abschlusserklärung abgegeben.
(b) Die (zunächst unterbliebene) Abmahnung bezüglich der Printwerbung gemäß dem 1. Verbot der Beschlussverfügung war vorliegend nicht etwa entbehrlich. Von einer entbehrlichen Abmahnung ist im Rahmen des § 93 ZPO nur in besonderen Ausnahmefällen auszugehen. Ein solche Ausnahme liegt nicht vor.
Die Antragstellerin hatte anlässlich der Internetwerbung der Antragsgegnerin nicht eine verallgemeinerte, sondern zunächst nur eine auf die Verbreitung im Internet bezogene Abmahnung ausgesprochen (Anlage ASt AS 5). Die Antragsgegnerin hatte daraufhin nicht etwa erkennen lassen oder gar erklärt, sie werde die beanstandete Werbung an sich und unabhängig vom Verbreitungsmedium beibehalten. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin sich nicht sogleich hinsichtlich der Internetwerbung unterworfen hat, belegt aus objektivierter Sicht des Abmahnenden nicht, dass das für Printmedien hätte genau so ablaufen müssen. Es sind zwei unterschiedliche Medien, so können z. B. die Vorlaufszeiten für etwaige Anzeigenänderungen anders sein oder sonst das Interesse des Werbenden an der Werbung je nach Medienart verschieden sein.
Ob die Antragsgegnerin sich für Printmedien unterworfen hätte, wenn sie mit Schreiben vom 1. März 2006 (Anlage ASt AS 5) auch insoweit abgemahnt worden wäre, ist nur zu mutmaßen. Das muss im Rahmen des § 93 ZPO zu Lasten der Antragstellerin gehen.
(c) Auch aus der Ex-Post-Bewertung des Verhaltens der Antragsgegnerin ergibt sich nichts anderes.
Die Antragstellerin hat zwar dann wegen des hiesigen, auf Werbung in Printmedien bezogenen 1. Verbots der Beschlussverfügung die Antragsgegnerin abmahnen lassen. Das betreffende Anwaltsschreiben vom 14. März 2006 enthält aber eine Fristsetzung bis zum 17. März 2006, 18 Uhr (Anlage ASt AS 4). Demgegenüber hat die Antragstellerin die Beschlussverfügung vom 14. März 2006 der Antragsgegnerin am 17. März 2006 um 13.20 Uhr zustellen lassen (Bl. 22-23), also vor dem Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist.
Hätte die Antragstellerin mit der Zustellung der Beschlussverfügung bis zum Ablauf der in der Abmahnung vom 14. März 2006 (Anlage ASt AS 4) gesetzten Frist gewartet, und hätte sich die Antragsgegnerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht unterworfen, hätte sie das Verfahren veranlasst (§ 93 ZPO).
So ist aber der Geschehensablauf nicht gewesen. Mit der Zustellung der Beschlussverfügung vor dem Ablauf der in der nachgeschobenen Abmahnung (Anlage ASt AS 4) bestand für die Antragsgegnerin aus objektivierter Sicht kein Grund mehr, noch vor dem Ablauf der gesetzten Frist irgendwelche Erklärungen abzugeben. Die Antragsgegnerin hat dann insoweit Kostenwiderspruch eingelegt. Das ist ein Verhalten, das keinen Rückschluss darauf zulässt, ein Abwarten der Abmahnfrist wäre entbehrlich gewesen.
2.) Die Antragsgegnerin hat insoweit sogleich Kostenwiderspruch eingelegt. Das ist ein dem sofortigen Anerkentnis (§ 93 ZPO) gleichkommendes Verhalten.
III.
Soweit die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag zurückgenommen hat, hat sie gemäß § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten zu tragen.
Bei der Streitwertfestsetzung war zu berücksichtigen, dass mit der Zurücknahme des Verfügungsantrages (2. Teil des Verbots) über den Hilfs-Gegen-Verfügungsantrag der Antragsgegnerin nicht mehr zu entscheiden war und dieser deswegen nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts führt (§ 45 Abs. 1 GKG). Damit hat sich auch die insoweit eingelegte Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin (3 W 182/06) erledigt.
Ende der Entscheidung
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