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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 3 U 20/06
Rechtsgebiete: HWG, UWG, ZPO


Vorschriften:

HWG § 3
UWG § 12 Abs. 2
ZPO § 253
ZPO § 308
1. Soll nach dem Verfügungsantrag die Werbung mit einer Angabe (hier: "Stärker als Hepatitis C") verboten werden, und zwar mit dem Zusatz "wie geschehen in Broschüre Anlage 1", dann betrifft der Streitgegenstand nur diese Verwendungsform und nicht auch ein weiteres, in der Antragsschrift erwähntes, aber im Antrag gerade nicht zitiertes "Werbeblatt Anlage 2". Der Verbotsumfang der antragsgemäß ergangenen Beschlussverfügung bezieht sich demgemäß auch nur auf die angeführte Verwendungsform (hier: "Anlage 1")

2. Soll eine schon in der Antragsschrift erwähnte, aber zunächst nicht zum Verbotsgegenstand gemachte Verwendungsform (hier: "Werbeblatt Anlage 2") ohne sachlichen Grund erst drei Monate später in der Widerspruchsverhandlung in das Verfügungsverbot mit aufgenommen werden, so ist die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 20/06

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 24. August 2006

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 10. August 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 16. November 2005 abgeändert.

Die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 16. August 2005 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag der Antragstellerin, soweit die Parteien das Verfügungsverfahren nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, zurückgewiesen.

Die Kosten des Erlassverfahrens erster Instanz trägt die Antragsgegnerin.

Die Kosten des Widerspruchsverfahrens erster Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

und beschlossen:

In Abänderung der Wertfestsetzung des Landgerichts in der Beschlussverfügung vom 16. August 2005 wird der Wert des Streitgegenstandes für das Erlassverfahren auf 100.000 € und für das Widerspruchsverfahren auf 200.000 € festgesetzt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren zunächst auf 200.000 € festgesetzt, nach der Erledigungserklärung ermäßigt sich der Streitwert auf 100.000 €.

Gründe:

A.

Die Parteien sind Pharmaunternehmen, sie vertreiben u. a. Arzneimittel zur Therapie der chronischen Hepatitis C und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerin hat für ihr Arzneimittel "p_oooo" (Wirkstoff: Peginterferon-alfa 2b) mit einer Patienten-Broschüre (Anlage ASt 3) und außerdem mit einer Werbeunterlage (Anlage ASt 4) geworben.

Die Antragstellerin beanstandet die Werbung als wettbewerbswidrig und nimmt deswegen die Antragsgegnerin im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Die Patienten-Broschüre (die von den Parteien so gewählte Bezeichnung behält der Senat bei) ist eine zweiseitige Werbemappe zum Aufklappen und enthält innen rechts eine Lasche zur Aufnahme von Patienten-Informationsmaterial, auf das auf der linken Innenseite hingewiesen wird. Auf der Vorderseite steht u. a. die Überschrift: "Der p_oooo(r) Patientenservice - Es geht um Sie!" hält. Auf der Rückseite steht unterhalb der Pflichtangaben für das Arzneimittel, und zwar unten am Rand rechts:

"p_oooo(r)

Peginterferon-alfa 2b

Stärker als Hepatitis C" (Anlage ASt 3).

Die Anlage ASt 3 besteht nur aus der beschriebenen Mappe, deren vorgesehener Inhalt - das Patienten-Informationsmaterial - ist nicht mit eingereicht worden.

Die Werbeunterlage (Anlage ASt 4) zeigt auf dem Deckblatt eine Frau mit dem Schild: "Hepatitis C: Ich hab's geschafft". Neben der Abbildung heißt es dem Schild zugeordnet: "mit der zuverlässigen Wirkung von p_oooo(r) und w-xxxx(r) ". Unten rechts auf dem Deckblatt steht:

"p_oooo(r)

Peginterferon-alfa 2b

w-xxxx(r)

Rivarin

Stärker als Hepatitis C".

Dieselben Angaben befinden sich auch auf der Rückseite unten rechts unterhalb der Pflichtangaben (Anlage ASt 4).

Das Landgericht hat mit seiner Beschlussverfügung vom 16. August 2005 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Arzneimittel p_oooo(r) (Wirkstoff: Peginterferon alfa-2b) mit der Aussage zu werben: "Stärker als Hepatitis C";

wenn dies geschieht wie in der beigefügten Broschüre der Antragsgegnerin "Der p_oooo Patientenservice - Es geht um Sie!" (es folgen die drei Kopien aus der Anlage ASt 3, und zwar der Vorderseite, der linken Innenseite und der Rückseite der Patienten-Broschüre gemäß Anlage ASt 3).

In der Widerspruchsverhandlung vor dem Landgericht vom 16. November 2005 hat die Antragstellerin die Beschlussverfügung mit der Maßgabe verteidigt, dass das Verfügungsverbot am Schluss wie folgt lauten solle:

"... wenn dies geschieht wie in den beigefügten Broschüren der Antragsgegnerin (Anlagen ASt 3 und ASt 4).

Zuvor hatte die Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 19. September 2005 erklären lassen, sie verpflichte sich strafbewehrt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel p_oooo in Patientenbroschüren mit der Aussage zu werben: "Stärker als Hepatitis C", wenn dies geschieht wie in der Broschüre "Der p_oooo Patientenservice - Es geht um Sie!" (Anlage AG 3).

Durch Urteil vom 16. November 2005 hat das Landgericht die Beschlussverfügung bestätigt. Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

In der Berufungsverhandlung haben die Parteien das Verfügungsverfahren im Umfang der von der Antragsgegnerin abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anlage AG 3) übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit stellen die Parteien wechselseitige Kostenanträge.

Im Übrigen beantragt die Antragsgegnerin,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung vom 16. August 2005 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin bittet um Zurückweisung der Berufung, und zwar mit der Maßgabe,

dass das landgerichtliche Urteil im Hinblick auf die "Werbebroschüre" aus der Anlage ASt 4 in dem Umfang verteidigt werden soll, wie in der Widerspruchsverhandlung vor dem Landgericht klargestellt.

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet. Demgemäß ist das landgerichtliche Urteil, soweit die Parteien das Verfügungsverfahren nicht für erledigt erklärt haben, mit der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Maßgabe abzuändern.

I.

Obwohl das Landgericht in dem Ausspruch des angefochtenen Urteils seine Beschlussverfügung schlicht "bestätigt" hat, hat es der Sache nach sein Verbot unausgesprochen erweitert. Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der vom Landgericht zugesprochene Unterlassungsanspruch in dem erweiterten Umfang, wobei die Sachentscheidung des Senats noch - nach der teilweisen Erledigungserklärung - den verbleibenden Verfügungsantrag zur Werbeunterlage gemäß Anlage ASt 4 betrifft.

1.) Der Verbotsgegenstand der Beschlussverfügung im Erlassverfahren bezieht sich nur auf die Verwendung der Aussage "Stärker als Hepatitis C", wenn dies geschieht wie in der beigefügten Patienten-Broschüre (Anlage ASt 3).

Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der antragsgemäß erlassenen Beschlussverfügung. Im Verbotsausspruch ist ausdrücklich allein die Patienten-Broschüre (Anlage ASt 3) genannt und nur eben diese ist der Beschlussverfügung in Fotokopie beigefügt.

(a) Der Streitgegenstand, der u. a. die Grenze der Rechtshängigkeit eines Anspruchs (§ 261 Abs. 1 ZPO) und damit den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts festlegt (§ 308 Abs. 1 ZPO), bestimmt sich nach dem Antrag und dem dazu vorgetragenen Lebenssachverhalt, aus dem die klagende Partei die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten, GRUR 2006, 421 - Markenparfümverkäufe, WRP 2006, 84 - Aktivierungskosten II).

Ist der Wortlaut des Antrages eindeutig und wird ein bestimmter Lebenssachverhalt zur Begründung genannt, so darf vom Gericht nicht eine andere Begründung, gestützt auf einen anderen, nicht geltend gemachten Lebenssachverhalt herangezogen werden, hierdurch würde anderenfalls entgegen § 308 ZPO der Streitgegenstand verschoben (BGH WRP 2001, 28 dentalästhetika, GRUR 2005, 875 - Diabetesteststreifen).

Entsprechendes gilt, wenn ausdrücklich nur eine konkret beschriebene Beanstandungsform - wie vorliegend die ausdrücklich in Bezug genommene und in Kopie beigefügte Patienten-Broschüre (Anlage ASt 3) - in den Verbotsausspruch des Unterlassungsantrages aufgenommen wird. Aus der maßgeblichen Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts soll sich das Verbot nur auf die im Antrag beschriebene Verwendung der Beanstandungsform beziehen und gerade nicht auch auf andere. Denn die Bezugnahme auf eine konkrete Verletzungsform im Antrag hat erkennbar den eindeutigen Zweck, das beanspruchte Verbot näher zu bestimmen und demgemäß auch einzugrenzen.

Demgemäß kann das Verbot der antragsgemäß erlassenen Beschlussverfügung nur wortlautgemäß unter Bezugnahme auf die angeführte Anlage ASt 3 zu verstehen sein, die nachträgliche Verlautbarung der Antragstellerin, sie habe aber immer die "Broschüren gemäß Anlagen ASt 3 und ASt 4 gemeint", ist aus der objektivierten Sicht in der Antragsschrift nicht erklärt worden und daher unbeachtlich.

(b) Die anderweitige Auffassung der Antragstellerin - sie hat diese noch in ihrem Schriftsatz vom 14. August 2006 wiederholt - gewinnt nicht an Gewicht durch ihren Hinweis, es bestehe zwischen ihr und dem Landgericht "Einvernehmlichkeit" über die Interpretation des Verbotsgegenstandes der Beschlussverfügung.

(aa) Die Beschlussverfügung des Landgerichts enthält keine Begründung, sie ist aber ohne Einschränkung antragsgemäß erlassen worden. Maßgeblich für die bindende Festlegung des Verbotsgegenstandes der Beschlussverfügung kann daher vorliegend nur die Antragsschrift der Antragstellerin (mit dem Verfügungsantrag und der Antragsbegründung) sein, und zwar entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen aus der Sicht des objektivierten Empfängerhorizontes.

Hieraus ergibt sich aber eindeutig, dass die Antragstellerin in dem zur Entscheidung gestellten Unterlassungsantrag nur die werbliche Verwendung der einen konkret angeführten Beanstandungsform (der Patienten-Broschüre) aufgenommen hat.

(bb) Allerdings hat die Antragstellerin in der Begründung der Antragsschrift nicht nur diese Patienten-Broschüre (Anlage ASt 3) genannt und erörtert, sondern auch die Werbeunterlage (Anlage ASt 4).

Dass führt aber entgegen dem Landgericht nicht etwa dazu, dass auch die Verwendung der Werbeunterlage (Anlage ASt 4) Teil des Verbotsgegenstands der antragsgemäß ergangenen Beschlussverfügung geworden ist. Dagegen spricht schon der, wie ausgeführt, eindeutige Wortlaut des Verbotsausspruchs. Überdies ist nur die Kopie der Anlage ASt 3 der Beschlussverfügung beigefügt worden.

(cc) Das Argument der Antragstellerin, sie habe in der Antragsschrift auch die Verwendung der Werbeunterlage (Anlage ASt 4) als wettbewerbswidrig beanstandet und dieser Umstand bestimme den Streitgegenstand jedenfalls mit, greift demgegenüber nicht durch. Werden in der Antragsschrift mehrere Beanstandungsformen vorgetragen und wird aber ausdrücklich nur eine in den Verbotsausspruch des Unterlassungsantrages aufgenommen, so hat sich der Verfügungskläger damit eigenverantwortlich nur auf diese eine festgelegt.

(dd) Es gibt zwar ausnahmsweise Fallgestaltungen, in denen die Begründung zum Antrag ergibt, dass dessen Wortlaut fehl gefasst sein muss, so bei einem durch die Begründung offensichtlich erkennbaren Schreibfehler oder wenn die Begründung ausdrücklich klarstellt, wie der Antrag verstanden werden soll.

Das kann aber nur bei eindeutigen "Korrekturen" des Antrages durch die Begründung angenommen werden, nicht aber bei einem - wie vorliegend - eindeutig festgelegten Antrag, ohne das die Begründung irgendeine Korrektur ausdrücklich vornimmt.

(ee) Auch der Hinweis der Antragstellerin, es sei fern liegend bzw. lebensfremd anzunehmen, die in der Antragsbegründung auch beanstandete Werbeunterlage solle nicht zum Verbotsgegenstand gehören, führt schon wegen des eindeutig festgelegten und eben nicht korrigierten Antragswortlautes und -inhaltes nicht weiter.

Es können - und das geschieht im Wettbewerbsrecht nicht selten - vorsorglich mehr Verletzungsfälle geschildert werden, als zur Begründung des Klageanspruchs unbedingt nötig, deswegen besagt dieser Umstand allein nichts. Im vorliegenden Fall wird zudem die Werbeunterlage (Anlage ASt 4) nicht etwa "nur so" in der Antragsschrift erwähnt, sondern ausdrücklich zum inhaltlichen Beleg der niedrigen Responder-Rate dafür herangezogen, dass bzw. weshalb der Slogan "Stärker als Hepatitis C" irreführend sei (Bl. 4).

(c) Das Landgericht kann unter Hinweis auf den "Kern" des Verbots den Verbotsgegenstand der Beschlussverfügung schon aus Gründen der Rechtssicherheit selbstverständlich nicht rückwirkend verschieben. Die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil kommen aber zu diesem unzulässigen Ergebnis.

(aa) Das Landgericht hat in seinem Urteilsausspruch allerdings die Beschlussverfügung unverändert bestätigt und nicht, wie die Antragstellerin in der Widerspruchsverhandlung beantragt hatte, mit der Maßgabe bestätigt, dass das Verbot am Schluss des Ausspruchs lautete: "wenn dies geschieht wie in den beigefügten Broschüren (Anlagen ASt 3 und ASt 4) der Antragsgegnerin". Dem Urteil des Landgerichts ist auch nicht eine Kopie der Anlage ASt 4 beigefügt worden. Das Landgericht hat aber dazu ausgeführt, die "redaktionelle Klarstellung" sei nicht erforderlich.

(bb) Daraus ergibt sich nicht nur, dass das Landgericht nunmehr - mit der Verkündung des Urteils - sein Verbot in der erweiterten Form verstanden wissen will, sondern dass es den Verbotsumfang seiner Beschlussverfügung rückwirkend in eben diesem Umfang interpretiert sehen möchte. Für das Erlassverfahren rückwirkend kann das selbstverständlich nicht geschehen.

Das Argument des Landgerichts zum "Kern" des Verbots greift demgegenüber nicht durch. Die Frage nach dem "Kern" eines gerichtlichen Verbots stellt sich erst im Vollstreckungsverfahren in Bezug auf Zuwiderhandlungen. Für das Erkenntnisverfahren kommt es demgegenüber auf den Streitgegenstand und demgemäß auf die Festlegung des gerichtlichen Verbots an.

(cc) Ein Verbot, dass sich auf die beiden Anlagen ASt 3 und ASt 4, d. h. auf die werbliche Verwendung der Patienten-Broschüre und der Werbeunterlage beziehen soll, geht streitgegenständlich - und auch unabhängig vom "Kern" - ganz erheblich weiter als das Verbot der Beschlussverfügung, das nur auf die Patienten-Broschüre (Anlage ASt 3) Bezug nimmt.

Entgegen dem Landgericht unterscheiden sich beide Werbemittel nicht nur im Adressatenkreis, sondern auch inhaltlich erheblich, und zwar vor allem in der Art, wie jeweils der beanstandete Slogan "Stärker als Hepatitis C" werblich kommuniziert wird:

Die Patienten-Broschüre (Anlage ASt 3) betraf eine Werbung nur außerhalb der Fachkreise, die Werbeunterlage (Anlage ASt 4) eine nur innerhalb der Fachkreise.

In der Patienten-Broschüre wird nur das Arzneimittel "p_oooo" genannt und der beanstandete Slogan ("Stärker als Hepatitis C") erscheint dort erst am Ende auf der Rückseite der Broschüre unten. Außerdem ist die Patienten-Broschüre als leere Mappe (Anlage ASt 3) offensichtlich unvollständig vorgelegt und unstreitig so - gleichsam nur als Hülle - nicht an Patienten verteilt worden. Dieser Umstand bestimmt den Streitgegenstand mit.

Demgegenüber führt die Werbeunterlage (Anlage ASt 4) den beanstandeten Slogan ("Stärker als Hepatitis C") bereits auf dem Deckblatt und nach Art eines Mottos auf und er steht unten rechts deutlich erkennbar so, dass er auf Aufklappen der Werbeunterlage unmittelbar ins Auge fällt. Zudem bezieht sich der Slogan dort nicht nur auf das Arzneimittel "p_oooo", sondern die Angabe steht, wie ausgeführt, in folgendem Umfeld:

"p_oooo(r)

Peginterferon alfa-2b

w-xxxx(r)

Ribavarin

Stärker als Hepatitis C".

Zum Streitgegenstand bezogen auf die Anlage ASt 4 gehören auch die Angaben innerhalb der Werbeunterlage, d. h. auch auf den Innenseiten und auf der Rückseite.

2.) Der Verbotsgegenstand des landgerichtlichen Urteils in Form der "bestätigten" Beschlussverfügung soll sich - so die Ausführungen in den Entscheidungsgründen - auf die werbliche Verwendung der Aussage "Stärker als Hepatitis C" beziehen, und zwar antragsgemäß, wenn dies geschieht wie in den beigefügten "Broschüren" der Antragsgegnerin (Anlagen ASt 3 und ASt 4), d. h. wie in der Patienten-Broschüre gemäß Anlage ASt 3 und in der Werbeunterlage gemäß Anlage ASt 4.

Das Landgericht hat diese Veränderung als nur "redaktionell" beschrieben. Das ist zwar, wie ausgeführt, unzutreffend und tatsächlich eine Verbotserweiterung, inhaltlich ist aber das nunmehr "bestätigte" Verbot entsprechend den obigen Ausführungen vom Landgericht so festgelegt worden. Dieses erweiterte Verbot ist, wie ausgeführt, Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

3.) Durch die teilweise Erledigungserklärung in der Berufungsverhandlung hat der Senat streitig nur noch über den nicht erledigten Teil des Verfügungsverfahrens zu entscheiden, d. h. über das vom Landgericht - über die "Bestätigung" der Beschlussverfügung - ausgesprochene Verbot,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Arzneimittel p_oooo(r) (Wirkstoff: Peginterferon alfa-2b) mit der Aussage zu werben: "Stärker als Hepatitis C",

wenn dies geschieht wie in der Werbeunterlage der Antragsgegnerin "Hepatitis C: Ich hab's geschafft" gemäß Anlage ASt 4.

II.

Der Verfügungsantrag betreffend das Verbot,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Arzneimittel p_oooo(r) (Wirkstoff: Peginterferon alfa-2b) mit der Aussage zu werben: "Stärker als Hepatitis C",

wenn dies geschieht wie in der Werbeunterlage der Antragsgegnerin "Hepatitis C: Ich hab's geschafft" gemäß Anlage ASt 4;

ist unzulässig, es besteht nach dem unstreitigen Sachverhalt keine Dringlichkeit.

1.) Die Antragsschrift vom 15. August 2005 erwähnt auch den Verletzungsfall im Werbeblatt gemäß Anlage ASt 4 (Bl. 3), die Kenntnis der Antragstellerin von diesem Verletzungsfall ist damit belegt. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage einer wesentlich früheren Kenntnis der Antragstellerin vom Verletzungsfall kommt es nicht an.

Mit Schriftsatz vom 7. November 2005 (eingegangen am 8. November 2005) in Erwiderung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin lässt die Antragstellerin den Umstand aufgreifen, dass bereits in der Antragsschrift zwei Verletzungsfälle geschildert worden sind (Bl. 30) und erst in der Widerspruchsverhandlung vom 16. November 2005 wird auch das Werbeblatt (Anlage ASt 4) zum Verbotsgegenstand gemacht.

2.) Es besteht in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass die zugunsten des Verfügungsklägers gemäß § 12 Abs. 2 UWG in Wettbewerbsstreitigkeiten zu vermutende Dringlichkeit verloren geht, wenn er mit der Rechtsverfolgung ohne sachlichen Grund zu lange zuwartet, da er in diesen Fällen selbst zu erkennen gibt, dass er nicht derartig eilig auf das begehrte Verbot angewiesen ist, dass es ihm nicht zugemutet werden könnte, sein Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzuführen.

3.) Vorliegend bestand für die Antragstellerin kein sachlicher Grund, die Werbeunterlage gemäß Anlage ASt 4 nicht sogleich zum Gegenstand des Verfügungsverfahrens zu machen. An ihrer - nochmals - eindeutigen Festlegung im Verfügungsantrag muss sie sich festhalten lassen.

Die Antragstellerin hat im Übrigen ihre nachträglich abgeschickte Abmahnung gemäß Anwaltsschreiben vom 22. August 2005 nur auf die Patienten-Broschüre gestützt, andererseits aber in dem beigefügten Vorschlag zur Abgabe einer Unterlassungserklärung diese weiter gefasst und nicht etwa nur auf bestimmte Werbemittel bezogen (Anlage AG 5). Dass das im Verhältnis zum gestellten Verfügungsantrag wiederum ein unterschiedlicher Streitgegenstand ist, liegt auf der Hand.

III.

Nach alledem war das Urteil des Landgerichts im Sinne der Berufung abzuändern, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91 a, 92 ZPO.

1.) Im Hinblick auf die Zurückweisung des Verfügungsantrages hat die Antragstellerin die Kosten in beiden Instanzen zu tragen (§ 91 ZPO).

2.) Soweit die Parteien das Verfügungsverfahren für erledigt erklärt haben - es betrifft den Verfügungsantrag zur werblichen Verwendung der Aussage "Stärker als Hepatitis C", wenn dies geschieht wie in der Patienten-Broschüre gemäß Anlage ASt 3 - entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Widerspruchsverfahrens und des Berufungsverfahrens insoweit der Antragstellerin aufzuerlegen.

Denn mit der Abgabe der Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin vom 19. September 2005 (Anlage AG 3) war im Umfang dieses Unterlassungsantrages die Wiederholungsgefahr entfallen und der weiterhin geltend gemachte Unterlassungsanspruch demgemäß unbegründet geworden:

Die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin (Anlage AG 3) ist entgegen den Ausführungen des Landgerichts nicht etwa unbeachtlich, sondern beseitigt insoweit die Wiederholungsgefahr. Dass eine Unterlassungserklärung "den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang voll abdecken" müsste und "auch kerngleiche Verletzungen erfasst werden " müssten (Urteilsumdruck des Landgerichts Seiten 7-8), entspricht nicht der vom Landgericht zuvor erwähnten "ständigen Rechtsprechung" und ist der dazu zitierten Entscheidung (BGH GRUR 1997, 379 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II) nicht zu entnehmen.

Es ging in dem Sachverhalt der genannten BGH-Entscheidung um eine Entscheidung gemäß § 91 a ZPO, denn die Parteien hatten wegen zweier Gesetzesänderungen den Rechtsstreit zunächst teilweise und schließlich ganz für erledigt erklärt. Im Rahmen dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, der eine geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu lit. a) sei durch die Unterlassungserklärung der Beklagten unbegründet geworden und insoweit müsse die Klägerin die Kosten tragen. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofes zum Umfang der Unterlassungserklärung beziehen sich allein darauf, inwieweit sie den dort geltend gemachten Unterlassungsanspruch abdeckte. Anderes ist dieser Entscheidung nicht zu entnehmen.

Vorliegend weicht der Wortlaut der Unterlassungserklärung von dem des in Rede stehenden Unterlassungsantrages zwar ab, inhaltlich deckt sie sich aber mit dem insoweit geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Das Arzneimittel ist verschreibungspflichtig, bei der Werbung außerhalb der Fachkreise kam anderes als solche Patienten-Broschüren ohnehin nicht ernsthaft in Betracht.

3.) Die Kosten des Erlassverfahrens - es betrifft nur den Verfügungsantrag zur werblichen Verwendung der Aussage "Stärker als Hepatitis C", wenn dies geschieht wie in der Patienten-Broschüre gemäß Anlage ASt 3 - hat die Antragsgegnerin billigerweise zu tragen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch war ursprünglich begründet.

(a) Allerdings war der Unterlassungsanspruch aus den vom Landgericht herangezogenen Gründen (§ 3 HWG) ursprünglich nicht begründet. Denn es kann nicht einfach unterstellt werden, dass der Slogan "Stärker als Hepatitis C" auf der Rückseite der Werbemappe in jedwedem Zusammenhang irreführend ist. Der Unterlassungsantrag stellt nicht auf den Inhalt der Werbemappe ab, obwohl unstreitig darin Patienten-Informationen enthalten gewesen sein sollen. Von der werblichen Kommunikation in diesem Informationsmaterial hängt aber das Verständnis des beanstandeten Slogans ab.

(b) Der Unterlassungsanspruch war vielmehr aus den §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG, § 10 Abs. 1 HWG ursprünglich begründet.

Das Arzneimittel "p_oooo" ist verschreibungspflichtig, hierfür darf außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden. Insoweit konnte der Antrag den Inhalt der Werbemappe vernachlässigen, auf der Werbemappe (Rückseite) selbst steht der beanstandete Slogan (Anlage ASt 3).

Der Senat war nicht gehindert, zur Begründung des Unterlassungsanspruchs die Vorschrift des § 10 Abs. 1 HWG heranzuziehen. Der in Rede stehende Sachverhalt war vorgetragen.

Ende der Entscheidung

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