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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: 3 U 21/07
Rechtsgebiete: HWG, AMG, AMPreisV


Vorschriften:

HWG § 7 Abs. 1 Satz 1
AMG § 78
AMPreisV § 1
AMPreisV § 2
AMPreisV § 3
§ 7 Abs. 1 Satz 1 HWG (hier: Barrabatt für verschreibungspflichtige Arzneimittel entgegen §§ 1-3 AMPreisV) setzt entsprechend § 1 Abs. 1 HWG die Werbung für ein Arzneimittel voraus, d. h. eine produktbezogene Absatzwerbung. Daran fehlt es, wenn allgemein die Ausgabe von Gutscheinen durch eine Apotheke gleichsam als Entschädigung für bestimmte Unannehmlichkeiten des Kunden angekündigt wird.

Eine Umgehung des Barrabattverbots ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Prämiengewährung wesentliche Punkte (hier: Nachlieferung eines Artikels, Warten auf Arzneimittelzubereitung länger als 20 Minuten, Selbstabholung bei Nachlieferungen) betrifft.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 21/07

Verkündet am: 26. Juli 2007

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Löffler nach der am 5. Juli 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen vom 28. November 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der in der Berufungsverhandlung gestellte Verfügungsantrag zurückgewiesen wird.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin betreibt eine Versandapotheke in ..., ihr Hauptabsatzgebiet ist die Bundesrepublik Deutschland. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin einer Apotheke in Saarbrücken. Die Parteien stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerin betreibt unter der Domain www.xoxoxox.de ein Internetangebot. Auf den Internetseiten wirbt sie mit ihrem als "Der Saartaler" bezeichneten Kundenbindungssystem mit Prämien bzw. Gutscheinen zum Sammeln (vgl. die Internetwerbung: Anlage ASt 1 mit den Kopien Bl. 11-12 a, Werbeblatt: Anlage AG 1).

Die Antragstellerin beanstandet das als unlauter und nimmt die Antragsgegnerin vorliegend im Wege des Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.

In der Werbung der Antragsgegnerin für ihren "Saartaler" heißt es u. a (Anlage ASt 1 mit Bl. 11-12 a):

"Der SAARTALER

TOLLE PRÄMIEN in der x.-apotheke S.xxx".

Was Sie davon haben?

Suchen Sie sich dafür bei uns eine tolle Prämie aus (siehe Innenseiten).

Holen Sie sich eine tolle Prämie aus vielen Geschäften in S.xxx und Umgebung.

Tun Sie Gutes und werfen Sie Ihren Taler in die Spendenbüchse in der Apotheke! Wir tauschen die Taler in € um und überweisen das Geld an eine wohltätige Organisation. Weitere Informationen zu Höhe und Verwendung der Spende finden Sie an der Spendenbüchse."

Außerdem ist in der "Saartaler"-Werbung unter der Überschrift: "Wofür gibt's unsere SAARTALER" eine Art Tabelle mit verschiedenen Anlässen (Fällen) und den dazu versprochenen Prämienpunkten (Taler mit Zahlen) aufgeführt (Anlage ASt 1 mit Bl. 11-12 a). Nach der Ankündigung soll man jeweils einen "Saartaler":

- Als Dankeschön für Ihren Einkauf ab 10 € aus unserem Freiverkauf-Warensortiment.

- Wenn Sie bei uns einen Artikel nachgeliefert bekommen.

- Wenn Sie einen Artikel in einer anderen Apotheke billiger finden.

- Wenn Sie Ihre Bestellung per Fax oder E-mail im voraus an die Apotheke schicken.

- Wenn Sie Ihre Leinentasche benutzen und keine neue Tüte brauchen

- Wenn Sie mit den öffentl. Verkehrsmitteln kommen oder ein Parkticket vorlegen.

- Wenn Sie an unseren Gesundheitsaktionen teilnehmen.

- Wenn Sie auf die Zubereitung eines Arzneimittels länger als 20 Minuten warten müssen;

bekommen, zwei "Saartaler" erhält man "Für Selbstabholung bei Nachlieferungen" und jeweils fünf "Saartaler" bekommt man:

- Für jede neue Kundenkarte.

- Beim Vorzeigen Ihrer Praxisgebührquittung.

- Zur Geburt Ihres Kindes.

- Als Präsent am Geburtstag für alle Kundenkarteninhaber.

Das Landgericht hat mit seiner Beschlussverfügung vom 19. Oktober 2006 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen des Betriebes einer Apotheke ein Prämiensystem zu betreiben und hierbei Prämien für

a) die Nachlieferung für Artikel;

b) eine Wartezeit von mehr als 20 Minuten für die Zubereitung eines Arzneimittels;

c) die Selbstabholung nach Nachlieferungen auszuloben; sofern hierbei Zuwendungen auf verschreibungspflichtige, preisgebundene Arzneimittel gewährt werden.

Durch Urteil vom 28. November 2006 hat das Landgericht seine Beschlussverfügung vom 19. Oktober 2006 aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 19. Oktober 2006 erneut zu erlassen, und zwar mit der Maßgabe, dass der "sofern"-Satz am Ende des Verbotsausspruch wie folgt lautet:

"sofern dies anlässlich der Abgabe von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln wie in Anlage ASt 1 geschieht."

Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Berufung.

B.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist demgemäß mit der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.

I.

Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Unterlassungsantrag gemäß der Beschlussverfügung des Landgerichts, deren Neuerlass die Antragstellerin in der in der Berufungsverhandlung gestellten Fassung unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils beantragt.

Der Gegenstand des damit geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ist das Betreiben eines Prämiensystems im Rahmen des Betriebes einer Apotheke unter Auslobung von Prämien für die drei unter lit. a) bis lit. c) aufgeführten Fälle, sofern dies anlässlich der Abgabe von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln wie in Anlage ASt 1 geschieht.

Die Antragstellerin hat in der Berufungsverhandlung klarstellen lassen, sie beanstande die Art der Prämienauslobung entsprechend der konkreten Verletzungsform gemäß der Werbung der Antragsgegnerin im Internet (Anlage ASt 1 mit den Kopien Bl. 11-12 a, vgl. auch das Werbeblatt: Anlage AG 1) als Verstoß gegen § 7 HWG, soweit die Prämien für die drei unter lit. a) bis lit. c) aufgeführten Fälle anlässlich der Abgabe von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln abgegeben würden.

Die übrigen Fälle, für die in der "Saartaler"-Werbung ebenfalls Prämien versprochen werden, sind nicht Streitgegenstand.

II.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht begründet (§§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG, § 7 HWG).

1.) Allerdings ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG unzulässig, wenn der Apotheker einen Geldrabatt für verschreibungspflichtige Arzneimittel ankündigt oder gewährt.

(a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1, 1. Satzteil HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, es sei denn, dass - hier: Nr. 2 - die Zuwendungen oder Werbegaben in - hier: Buchstabe a - einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden.

Hieraus ergibt sich zunächst, dass Geldrabatte für Arzneimittel als Zuwendung bzw. Werbegabe im Sinne des § 7 HWG von dessen grundsätzlichen Verbot ausgenommen sind.

(b) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1, 2. Satzteil HWG sind Zuwendungen oder Werbegaben nach Buchstabe a für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten.

Das Gewähren von Preisrabatten für verschreibungspflichtige Arzneimittel steht den Preisvorschriften der aufgrund des § 78 AMG ergangenen AMPreisV entgegen.

Die AMPreisV betrifft apothekenpflichtige Fertigarzneimittel (§ 1 Abs. 1 AMPreisV, § 43 Abs. 1 AMG). In § 2 AMPreisV sind die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe von Fertigarzneimittel im Wiederverkauf an Apotheken festgelegt. In § 3 AMPreisV sind die Apothekenzuschläge für Fertigarzneimittel zur Berechnung des Apothekenabgabepreises bestimmt.

Der damit für verschreibungspflichtige Arzneimittel festgelegte Apothekenabgabepreis würde durch Barrabatte gegenüber dem Endkunden missachtet. Die Ausnahme von der AMPreisV betrifft wiederum nur die Preisspannen und Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 1 Abs. 4 AMPreisV).

2.) Auch nach Auffassung des Senats kommt aber schon die Anwendung von § 7 HWG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht.

Die Vorschrift des § 7 HWG gilt - wie jede HWG-Bestimmung - nur für Maßnahmen der Produktwerbung, und eine solche liegt in der streitgegenständlichen Ankündigung des SAARTALER-Prämiensystems bei den streitgegenständlichen, im Verbotsausspruch unter lit. a) bis lit. c) aufgeführten Fällen nicht vor.

(a) Der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes betrifft u. a. die Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG (§ 1 Abs. 1 HWG).

Wie sich aus der Wendung: "Werbung für Arzneimittel" in § 1 Abs. 1 HWG eindeutig ergibt, setzt die Anwendbarkeit der HWG-Vorschriften eine Produktwerbung im Sinne einer produktbezogenen Absatzwerbung voraus. Das Heilmittelwerbegesetz findet demgegenüber auf Fallgestaltungen der sog. allgemeinen Unternehmenswerbung, Imagewerbung und Vertrauenswerbung keine Anwendung.

(b) Nach der Ankündigung des Prämiensystems der Antragsgegnerin werden die SAARTALER nicht etwa für ein bestimmtes (verschreibungspflichtiges) Arzneimittel gewährt, sondern gleichsam als Entschädigung für Unannehmlichkeiten der Kunden, die diese beim Aufsuchen der Apotheke erfahren. Damit handelt es sich bei der Gutscheinankündigung um eine Werbung, die nur allgemein das Unternehmen der Antragsgegnerin betrifft und gerade keinen Bezug auf ein bestimmtes verschreibungspflichtiges Arzneimittel hat.

Die im Verbotsausspruch unter lit. a) bis lit. c) zitierten Fälle betreffen die folgenden, oben wiedergegebenen Abgabeankündigungen von einem "Saartaler" bzw. von zwei "Saartalern":

- Wenn Sie bei uns einen Artikel nachgeliefert bekommen.

- Wenn Sie auf die Zubereitung eines Arzneimittels länger als 20 Minuten warten müssen.

- Für Selbstabholung bei Nachlieferungen.

Es ist bei diesen Prämien-Fällen entweder ganz allgemein von "Artikeln" (bei Nachlieferung mit und ohne Selbstabholung) oder allgemein von der "Zubereitung eines Arzneimittels" (beim Wartenmüssen länger als 20 Minuten) die Rede, nicht aber von einem bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimittel. An einem konkreten Bezug auf ein solches Arzneimittel fehlt es; insoweit wird mit einer Zuwendung oder Werbegabe für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel nicht geworben.

(c) Auch aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers, der allein wegen des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels die Apotheke der Antragsgegnerin aufsucht, gilt nichts anderes.

Der Verkehr erkennt vielmehr an Hand der streitgegenständlichen Auslobung, dass ihm zwar geldwerte Gutscheine in Form von einzulösenden "Saartalern" auch dann versprochen werden, wenn er wegen eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Apotheke kommt. Aber die Art der Ankündigung macht deutlich, dass mit dem Kundenbindungssystem des "Saartalers" allgemein die Leistungsfähigkeit des Unternehmens der Antragsgegnerin gleichsam "garantiert" werden soll.

(d) Die von der Antragstellerin aufgeworfene Problematik einer unzulässigen Umgehung des Barrabattverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel stellt sich nach dem konkret zu entscheidenden Sachverhalt nicht, denn es geht bei den streitgegenständlichen Fällen der Prämiengewährung nur um wesentliche Punkte.

Wird die Nachlieferung eines Präparats notwendig bzw. holt der Patient das Mittel bei der Nachlieferung selbst ab, so entstehen Nachteile bzw. Aufwendungen für den Patienten, die z. B. bei umfassenderer Bevorratung in der Apotheke nicht aufgetreten wären oder jedenfalls (noch) seltener geschehen würden. Entsprechendes gilt für die längere Wartezeit bei der Zubereitung eines Arzneimittels; wäre z. B. mehr Personal vor Ort, ließen sich Wartezeiten eher vermeiden.

Das Prämiensystem der Antragsgegnerin verdeutlicht damit einen von ihr beanspruchten Leistungsstandard des Unternehmens, den Patienten Nachlieferungen möglichst zu ersparen bzw. Wartezeiten nur im geringfügigen Umfang zuzumuten und bietet im Gegenzug - wenn der selbst gesetzte Anspruch einmal nicht erfüllt wird - eine Entschädigung in Form von "Saartalern".

Insoweit handelt es sich typischerweise um eine Unternehmenswerbung und nicht um eine Werbung für ein bestimmtes verschreibungspflichtiges Arzneimittel.

Der Senat lässt die Beurteilung der nicht streitgegenständlichen Fallgestaltung offen, in der geldwerte Prämien ohne einen solchen "Entschädigungs"-Anlass auch beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels - allerdings wiederum ohne konkreten Bezug in der Werbeankündigung - gewährt werden.

3.) Aus § 3 AMPreisVO in direkter Anwendung (etwa mit §§ 8, 3 4 Nr. 11 UWG) ergibt sich nichts anderes.

Die AMPreisVO und die Vorschrift zur Preisfestsetzungsermächtigung des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG enthalten jeweils keine eigenständige Verbotsnorm bezüglich der Gewährung von Rabatten. Einschlägig ist insoweit nur § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG.

4.) Die von der Antragstellerin zitierten OLG-Entscheidungen geben keine Veranlassung für den Senat, zu den dort geäußerten Rechtsauffassungen erschöpfend Stellung zu nehmen.

Die dem OLG Rostock (Urteil vom 4. Mai 2005, 2 U 54/05), dem OLG Naumburg (GRUR-RR 2006, 336) und dem OLG Köln (GRUR 2006, 88) jeweils zugrunde liegenden Sachverhalte waren anders, sie betrafen keine "Entschädigungs-Prämien" für Nachteile bzw. Aufwendungen der Patienten wie im vorliegenden Fall.

Demgegenüber hat das OLG Frankfurt (GRUR-RR 2006, 233) die Abgabe von Gutscheinen "für" den Erwerb preisgebundener Arzneimittel als Verstoß gegen die AMPreisV und den Unterlassungsanspruch aus dieser Vorschrift mit den §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG als begründet angesehen. Das sieht der Senat entsprechend den obigen Ausführungen anders; auf die vorrangige Norm des § 7 HWG wurde zudem nicht abgestellt.

III.

Nach alledem war die Berufung der Antragstellerin unbegründet und demgemäß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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