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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.03.2002
Aktenzeichen: 3 U 228/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Die Gratisverlosung eines Unternehmens des Versandhandels ist unlauter, wenn sich der Teilnahmeschein auf der anderen Seite des Bestellscheins befindet, obwohl auch die Möglichkeit besteht, sich telefonisch, und zwar sogar mehrfach, zu beteiligen.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 228/01

Verkündet am: 28. März 2002

In dem Rechtsstreit

S-Moden

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 28. Februar 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 8. Mai 2001 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Wochen oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten

zu unterlassen,

in Zeitungsbeilagen oder sonstigen Mitteilungen, die sich an einen größeren Personenkreis richten, die Durchführung einer Gratisverlosung anzukündigen, wie sich das aus der mit diesem Urteil in Kopie verbundenen Anlage ergibt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 40.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 70.000 DM = 35.790 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt den Einzelhandel mit Textilien, vor allem in Hamburg, außerdem auf Sylt.

Die Beklagte vertreibt im Versandhandel insbesondere Textilien.

Im Mai 2000 warb die Beklagte mit einer Werbebroschüre, in der sie auf den Seiten 2 und 3 auf eine "Gratis-Verlosung" hinwies. Bis zum 30. Juni 2000 sollte jeden Freitag eine Verlosung erfolgen ( "jede Woche 10.000,- DM!" ). Wer teilnehmen wollte, konnte die Beklagte unter einer 0190-Nummer anrufen - "Täglich anrufen und gewinnen! ... (1,21 DM/ Min.)" oder die beiliegende Bestellkarte ( "Mindestanforderungswert 69 DM" ) einsenden, auf deren Vorderseite er die Eintragungen für das Gewinnspiel vornehmen konnte: "Sie können die Lösung auch auf das vorbereitete Feld Ihrer Test-Anforderung übertragen!". Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 1 ( Original Anlage EV AS 1 ) Bezug genommen.

Im Beschwerdewege hat der Senat am 17. Juli 2000 eine dem Klagantrag entsprechende einstweilige Verfügung erlassen ( Az. 312 O 415/00 = 3 W 100/00 ).

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Gratis-Verlosung der Beklagten verstoße wegen der Verkoppelung mit dem Warenabsatz gegen § 1 UWG. Die Möglichkeit, sich telefonisch zu beteiligen, sei nicht gleichwertig. Die Beklagte sei daher zur Unterlassung verpflichtet.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Voraussetzungen des § 1 UWG seien nicht gegeben. Die Möglichkeit der telefonischen Teilnahme, die als primäre Alternative herausgestellt werde, sei gleichwertig. Ein durchschnittliches Gespräch von etwa 76 Sekunden koste den Anrufer nur 1,53 DM.

Durch Urteil vom 8. Mai 2001 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Sie vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils,

der Beklagten bei Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verbieten,

in Zeitungsbeilagen oder sonstigen Mitteilungen, die sich an einen größeren Personenkreis richten, die Durchführung einer Gratisverlosung anzukündigen, wie sich das aus der mit diesem Urteil in Kopie verbundenen Anlage ergibt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und auf die überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Mit ihren Klaganträgen wendet sich die Klägerin, wie sie im Senatstermin noch einmal klargestellt hat, gegen die Ankündigung eines Gewinnspiels in ihrer konkreten Ausgestaltung mit allen Einzelheiten, wie sie sich aus der dem Urteil beigefügten Anlage ergibt. Hierbei handelt es sich um die Seiten 2 und 3 der Werbebroschüre sowie um die Vorder- und Rückseite der Bestell-/ Teilnahmekarte ( Anlage EV AS 1 ).

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG zu. Das von der Beklagten veranstaltete Gewinnspiel ist unlauter,

Soweit es um die allgemeinen Grundlagen der rechtlichen Beurteilung von Gewinnspielen nach § 1 UWG, insbesondere auch im Versandhandel, geht ( BGH GRUR 1973, 474, 475f. "Preisausschreiben"; WRP 1976, 100, 101 "Mars"; WRP 1976, 172, 173f. "Versandhandels-Preisausschreiben"; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Rdnr. 155f. zu § 1 UWG ), wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Der Senat macht sich diese Ausführungen zu eigen.

Das Gewinnspiel der Beklagten ist unmittelbar mit dem Warenabsatz verknüpft, was grundsätzlich die Unlauterkeit begründet. Das trifft zu, wenn im Versandhandel wie hier der Bestellschein zugleich als Teilnahmeschein gestaltet ist. Die Bestellung erfolgt auf der Rückseite; die Eintragung des Lösungswortes ist auf der Vorderseite desselben Formulars möglich. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daß sich im Text der Werbebroschüre folgender Hinweis befindet: "Die Teilnahme ist nicht von einer Bestellung abhängig. Eine Bestellung beeinflußt Ihre Gewinn-Chance nicht." Für viele entsteht gleichwohl der Eindruck, daß derjenige, der die Beteiligung am Gewinnspiel mit einer Bestellung verbindet, seine Gewinnchance erhöht ( vgl. Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rdnr. 155 ).

An den bisherigen Grundsätzen hat sich nichts dadurch geändert, daß das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung aufgehoben worden sind und sich dadurch auch die Grenzen der Unterlauterkeit verschoben haben. Das gilt etwa im Hinblick auf die Höhe der ausgelobten Gewinne, aber nicht für die Art und Weise, wie die Teilnahme am Gewinnspiel ausgestaltet ist. Auch die Zugrundelegung des Verbraucherleitbildes gemäß der Rechtsprechung des EuGH führt insoweit nicht zu einem anderen Ergebnis.

Demnach wäre das Gewinnspiel nur dann nicht unlauter, wenn alle Interessenten - abgesehen von einem unbeachtlichen Rest - unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände der konkreten Ankündigung aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher eine gleichwertige Alternative zur Teilnahme haben. Das trifft jedoch nicht zu.

Die Unlauterkeit wird noch nicht dadurch ausgeräumt, daß es eine andere Möglichkeit zur Teilnahme gibt und die Verbraucher sie bemerken, nämlich die Möglichkeit, sich telefonisch an dem Gewinnspiel zu beteiligen. Erforderlich ist, daß diese Möglichkeit auch gleichwertig realisiert zu werden pflegt. Vielfach ist das jedoch nicht der Fall, so daß es bei der unmittelbaren Kopplung mit dem Warenabsatz verbleibt und diese die Unlauterkeit begründet ( vgl. dazu Baumbach-Hefermehl a.a.O Rdnr. 156 ). Der Senat vermag die Möglichkeit, sich über das Telefon am Gewinnspiel zu beteiligen, hier nicht als gleichwertig anzusehen.

Allerdings wird die Möglichkeit einer telefonischen Teilnahme in der Werbebroschüre als primäre Alternative im Verhältnis zur Alternative der schriftlichen Teilnahme besonders herausgestellt. Außerdem wird der Leser deutlich auf die Möglichkeit des täglichen Anrufs sowie der mehrfachen wöchentlichen Teilnahme per Telefon hingewiesen. Die interessierten Verbraucher bemerken demgemäß zwar, daß ihnen mit der telefonischen Teilnahme je nach Zahl der getätigten Anrufe eine mehrfache Gewinnchance eingeräumt wird. Der Unterschied zur einmaligen schriftlichen Beteiligung ist aber, wie der Verkehr ebenfalls erkennt, verhältnismäßig gering; denn den wöchentlich einmalige Gewinn von 10.000 DM kann nur einer der gesamten telefonischen und schriftlichen Teilnehmer erhalten. Trotz der dargelegten mehrfachen, aber nur unerheblich erhöhten Gewinnchance werden es erhebliche Teile des Verkehrs vorziehen, sich mit der Bestell-/ Teilnahmekarte als dem preiswerteren, sicheren und/oder kalkulierbareren Weg an dem Gewinnspiel zu beteiligen, statt telefonisch teilzunehmen. Sie begnügen sich mit der einmaligen Übersendung der Teilnahmekarte, ebenso wie es andere tun, die zwar anrufen, sich aber mit einem einmaligen Anruf begnügen.

Das Telefongespräch kostet den Interessenten, worauf in der Werbung hingewiesen wird, allerdings "nur" 1,21 DM pro Minute. Für den Verkehr ist jedoch nicht vorhersehbar, wie lange das Telefongespräch dauert und wieviel es demgemäß kostet. Da er nicht weiß, was ihn bei seinem Anruf im einzelnen erwartet, kann er die Dauer des Gesprächs nicht vorher abschätzen, auch wenn die Preisfrage und die Antwort bereits durch die Werbebroschüre vorgegeben sind. Aus seiner Sicht kann es durchaus mehrere Minuten dauern. Demgemäß wird er deutlich höhere Kosten erwarten, als er für das Einsenden der Bestell-/Teilnahmekarte zu zahlen hat.

Unerheblich ist, ob ein durchschnittliches Gespräch, wie die Beklagte dargelegt hat, nur etwa 76 Sekunden dauert und 1,53 DM kostet. Das weiß der Interessent vorher nicht. Insbesondere hat er keine Vorstellung davon, welche Fragen ihm im einzelnen gestellt werden und was er alles angeben muß, auch wenn er, wovon er ausgeht, mit einem Anrufautomaten verbunden wird und auf der anderen Seite vom Band gesprochen wird. Im übrigen kann ein solches Gespräch je nach eigener Sprechgeschwindigkeit und der Länge der eigenen Angaben auch erheblich länger als 76 Sekunden sein.

Obwohl auch ein solches Gespräch, wie es der Verkehr vor dem Anruf erwartet, noch keinen hohen Betrag kostet, wenn auch deutlich mehr, als ihn eine schriftliche Beteiligung ( 1 DM ) kostet, ist vielen ein derartiges Telefongespräch von ungewisser Dauer nicht opportun und/oder im Hinblick auf die Gewinnaussichten nicht gleich sicher, so daß sie lieber kostengünstiger die Bestell-/Teilnahmekarte benutzen, um an der Gratisverlosung teilnehmen zu können, und dabei an Kleidung gleichzeitig etwas bestellen, was sie ohnehin gerade gebrauchen können. Darin liegt eine unlautere Koppelung mit dem Warenabsatz.

Anderseits ist zwar zu beachten daß bei einer gleichzeitigen Bestellung von Waren ein an sich erheblicher Mindestwert von 69 DM einzuhalten ist. Dadurch werden sich aber viele Verbraucher nicht davon abhalten lassen, eine derartige Bestellung abzugeben, um an dem Gewinnspiel teilzunehmen, weil sie nämlich ohnehin Kleidungsgegenstände, in der Art wie sie in der Werbebroschüre angeboten werden, benötigen und nur wegen des Gewinnspiels gerade bei der Beklagten einkaufen oder weil sie allein wegen des Gewinnspiels einen Kauf bei ihr zeitlich vorziehen. Der Senat hat dabei berücksichtigt, daß es nicht auf diejenigen Kunden ankommt, die unabhängig von dem Gewinnspiel bei der Beklagten einkaufen und lediglich die Gelegenheit einer Bestellung wahrnehmen, mit der ohnehin erfolgten Bestellung an dem Gewinnspiel teilzunehmen.

Der Anreiz zur Bestellung wird noch dadurch in besonderem Maße erhöht, daß der Kunde bei einer Bestellung ein "Super-Radio" gratis und ab 2 Artikelbestellungen ein "Extra-Überraschungs-Geschenk" erhält. Das erleichtert seinen Entschluß, wegen des Gewinnspiels zugleich Waren zu bestellen, und relativiert den verlangten Mindestwert von 69 DM deutlich. Die Klägerin beanstandet zwar die beiden Geschenke nicht für sich allein als unlauter, sondern die "Gratis-Verlosung". Durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform gehören diese Geschenke aber zu den Umständen, die zur Beantwortung der Frage, ob das Gewinnspiel unlauter, insbesondere die Telefon-Alternative gleichwertig ist, mit heranzuziehen sind.

Unerheblich ist, daß nach der Formulierung auf dem Bestellschein nur ein Kauf auf Probe zustande kommen soll. Dadurch wird eher noch der Anreiz zu einer gleichzeitigen Bestellung erhöht, wenn auch der Unterschied zum gewöhnlichen Kauf im Versandhandel nicht ins Gewicht fällt, weil dem Besteller auch dann ein Rückgaberecht zusteht.

Da demnach eine Verknüpfung mit dem Warenabsatz vorliegt, ist das Gewinnspiel der Beklagten unlauter. Sie wird dadurch im Verhältnis zu ihren Mitbewerbern nicht unzumutbar in ihrer wirtschaftlichen Betätigung beeinträchtigt. Die Möglichkeit, als Unternehmen des Versandhandels ein Gewinnspiel durchzuführen, die sie ebenso wie andere Unternehmen haben muß, besteht auch für sie. Sie braucht lediglich den Teilnahmekarte von der Bestellkarte zu trennen, d.h. zwei getrennte Karten zu benutzen ( vgl. zu dieser erlaubten Möglichkeit Baumbach-Hefermehl a.a.O. Rdnr. 155 ), wenn auch wegen erhöhten Papierverbrauchs höhere Kosten entstehen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat läßt die Revision nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. zu. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht gegeben. Der Senat hat lediglich die allgemein anerkannten rechtlichen Grundsätze, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergeben, auf den vorliegenden Fall angewendet, und dazu die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen.

Ende der Entscheidung

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