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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 26.07.2001
Aktenzeichen: 3 U 237/00
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 3
UWG § 1
UWG § 25
1. Für die Dringlichkeit (§ 25 UWG) ist bei einer Arzneimittelwerbung auf diese in Deutschland abzustellen, nicht auf frühere Werbemaßnahmen in anderen Ländern betreffend den Wirkstoff oder für dortige Präparate.

2. Wird in der Arzneimittelwerbung gegenüber medizinischen Fachkreisen ein Begriff (hier: "spezifischer Hemmer") verwendet, der im Zusammenhang mit bestimmten Wirkstoffen (hier: Cyclooxygenase-2-Hemmer) auch in der Fachliteratur Eingang gefunden hat, so ist eine Irreführung nicht allein deswegen anzunehmen, weil der Wirkstoff von dritter Seite mit einem anderen Begriff (hier: "selektiver Hemmer") beschrieben wird. In so einem Fall kann auch nicht von einer für den Verkehr unbemerkten Mehrdeutigkeit ausgegangen werden.

3. Die Grundsätze zur gesundheitsbezogenen Werbung mit wissenschaftlich ungesicherten Angaben (BGH GRUR 1971, 153 - Tampax) sind nicht anzuwenden, wenn (nur) der Bedeutungsinhalt einer Werbeäußerung streitig ist.

4. Wird aus der Werbung für ein Arthrosemittel nicht deutlich, dass es nicht die kausale Therapie, sondern nur die symptomatische betrifft, so ist das klarzustellen.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 237/00

Verkündet am: 26. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 5. Juli 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 24. Mai 2000 abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 10. Mai 2000 wird mit der Maßgabe zu (b) bestätigt,

dass den Antragsgegnerinnen unter Androhung der vom Landgericht genannten Ordnungsmittel verboten wird,

für das Arzneimittel Celebrex (r) (Wirkstoff Celecoxib), insbesondere in Pressekonferenzen und/oder Informationsveranstaltungen für Ärzte, mit der Aussage zu werben, Celebrex (r) (Celecoxib) sei weltweit für die Behandlung von "Arthrose und rheumatoider Arthritis" zugelassen,

ohne darauf hinzuweisen, dass in den Staaten, in denen eine Zulassung erfolgt ist, nur eine solche für die symptomatische Behandlung von Entzündungen und Schmerzen bei Osteoarthrose und chronischer Polyarthritis besteht.

Im übrigen wird die einstweilige Verfügung des Landgerichts aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Antragstellerin zu 7/10 und die Antragsgegnerinnen zu 3/10 wie Gesamtschuldner.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 1.000.000.- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien vertreiben verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung der Symptome bestimmter rheumatischer Erkrankungen und stehen miteinander im Wettbewerb. Die Antragstellerin vertreibt seit Ende November 1999 in Deutschland das Arzneimittel VXXXX mit dem Wirkstoff Rofecoxib, einem "selektiven Cyclooxygenase-2 (= COX-2-)-Hemmer".

Die Antragsgegnerinnen - ursprünglich waren das die SXXXXXX GmbH, xxxxxxxxx und die Antragsgegnerin zu 2), die SXXXXXX GmbH ist am 26. September 2000 zu der jetzigen Antragsgegnerin zu 1) verschmolzen - vertreiben das Arzneimittel CELEBREX, einen COX-2-Hemmer mit dem Wirkstoff Celecoxib.

Die Antragsgegnerinnen haben für CELEBREX mit Angaben geworben, die die Antragstellerin als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie nimmt die Antragsgegnerinnen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

In einem Einladungsschreiben der Antragsgegnerinnen (im März 2000) an niedergelassene Ärzte zu einer Informationsveranstaltung in Berlin vom 19. bis 21. Mai 2000 heißt es u. a.:

"... wir freuen uns, die Einführung des einzigen COX-2 Spezifischen Inhibitors Celecoxib für die Indikationen Arthrose und rheumatoider Arthritis auf dem deutschen Markt ankündigen zu dürfen.

Celecoxib wurde bereits im Dezember 1998 in den USA für die Behandlung von Arthrose und rheumatoider Arthritis zugelassen. Seitdem erfolgen weitere Zulassungen in über 30 Ländern der Erde, darunter auch in der Schweiz....

Zur Darstellung der klinischen Eigenschaften des COX-2 Spezifischen Inhibitors für eine breite Ärzteschaft haben SXXXXXX und Pfxxx den COX-2 Summit Wirksame Behandlung von Entzündung und Schmerz bei Arthrose und Arthritis ins Leben gerufen ..." (Anlage ASt EV 3).

In einer Einladung der Antragsgegnerinnen an die Fachpresse für eine Hamburger Pressekonferenz am 12. Mai 2000 heißt es u. a.:

"SXXXXXX und Pfxxx, die Erfinder der COX-2 Technologie, freuen sich, die Einführung des einzigen COX-2 Spezifischen Inhibitors für die Indikationen Arthrose und rheumatoider Arthritis auf dem deutschen Markt ankündigen zu können....

CELEBREX ist weltweit in 36 Ländern zugelassen, darunter auch in der Schweiz und in Schweden.... CELEBREX ist weltweit für Arthrose und rheumatoide Arthritis zugelassen und wird in Kürze auch in Europa zur Verfügung stehen.

CELEBREX steht für hohe Wirksamkeit und ein herausragendes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil ...

Informative Vorträge werden einen Überblick über die bisherigen Therapiemöglichkeiten geben und den Fortschritt durch die COX-2 Spezifische Inhibition darstellen ..." (Anlage ASt EV 4).

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil seine einstweilige Verfügung vom 10. Mai 2000 bestätigt, mit der den Antragsgegnerinnen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist,

für das Arzneimittel Celebrex (r) (Wirkstoff Celecoxib), insbesondere in Pressekonferenzen und/oder Informationsveranstaltungen für Ärzte, zu werben:

(a) mit der Angabe: "COX-II Spezifischer Inhibitor";

und/oder

(b) mit der Aussage, Celebrex (r) (Celecoxib) sei weltweit für die Behandlung von "Arthrose und rheumatoider Arthritis" zugelassen, ohne darauf hinzuweisen, dass in einigen Staaten nur eine Zulassung für die symptomatische Behandlung von Entzündungen und Schmerzen bei Osteoarthrose und chronischer Polyarthritis besteht;

und/oder

(c) mit der Aussage, Celebrex (r) (Celecoxib) stehe für ein "herausragendes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil", ohne darauf hinzuweisen, dass dies nur in Bezug auf die herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika gilt, nicht aber für neuere selective COX-2 Hemmer.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerinnen, die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerinnen hat nur teilweise - im Umfang der Verfügungsanträge zu (a) und zu (c) Erfolg, im übrigen ist sie mit der aus dem Urteilsausspruch ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Senats sind die Verfügungsanträge zu (a) und zu (c) unbegründet (III. und V.), der Verfügungsantrag zu (b) in der vom Senat vorgenommenen Fassung ist begründet (IV.).

I.

Gegenstand der Unterlassungsanträge ist die werbliche Verwendung der unter Buchstaben (a) bis (c) in der Verknüpfung "und/oder" aufgeführten Angaben für das Arzneimittel CELEBREX der Antragsgegnerinnen, das den Wirkstoff Celecoxib enthält.

II.

Die Dringlichkeit für den Erlass der einstweiligen Verfügung ist gegeben, die für die Antragstellerin streitende Vermutung (§ 25 UWG) ist nicht widerlegt.

1.) Der Verfügungsantrag datiert bereits vom 10. Mai 2000. Bezogen auf die beiden Verletzungsfälle ist die Antragstellerin zügig vorgegangen: Das Einladungsschreiben der Antragsgegnerinnen (Anlage ASt EV 3) betraf eine Berliner Veranstaltung ab 19. Mai 2000 und ihre weitere Einladung bezog sich auf eine Hamburger Pressekonferenz am 12. Mai 2000 (Anlage ASt EV 4). Eine beachtlich frühere Kenntnis der Antragstellerin von diesem Werbematerial haben die Antragsgegnerinnen nicht dargelegt.

2.) Hinsichtlich des Unterlassungsantrages gemäß Buchstabe (a) der Beschlussverfügung ergeben sich im Hinblick auf die konkurrierenden Wirkstoffe der Arzneimittel der Parteien keine Besonderheiten.

Es trifft allerdings zu, dass die Antragsgegnerinnen schon seit 1998 Begriffe wie "Specific COX-2 Inhibition", "Specific COX-2 Inhibitors" (Anlage AG EV B 6 vom September 1998), "COX-2 Spezifische Inhibition" und "CSI (COX-2 Spezifischer Inhibitor)" (Anlage AG EV B 5 vom 4. Quartal 1999) verwendet haben, das betraf aber den von ihnen propagierten Wirkstoff Celecoxib. Das Arzneimittel CELEBREX der Antragsgegnerinnen mit dem Wirkstoff Celecoxib ist dagegen erst am 18. Mai 2000 in Deutschland zugelassen worden (Bl. 109).

(a) Soweit es um die konkurrierenden Wirkstoffe der Parteien geht, dürfte der Antragstellerin nicht entgangen sein, dass die Antragsgegnerinnen Begriffe wie "COX-2 Spezifischer Inhibitor" schon seit längerem verwendet haben. Das ist auf Seiten der Antragstellerin im übrigen ebenfalls schon im Jahre 1999 geschehen, sie hat Begriffe wie "Spezifische COX-2-Hemmung", "COX 2 Spezifische Inhibition" verwendet (Anlagen AG EV B 1-3, 23-26), aber auch das betraf zunächst ihren Wirkstoff Rofecoxib, das Arzneimittel VXXXX wurde im November 1999 in Deutschland zugelassen.

(b) Zu Recht hat das Landgericht auf die Situation in Deutschland, und zwar mit der Zulassung des Arzneimittels CELEBREX der Antragsgegnerinnen abgestellt, und nicht auf die Lage außerhalb Deutschlands und auch nicht auf die Wirkstoffe der Parteien.

Weltweit wurde allerdings das Arzneimittel CELEBREX (Wirkstoff Celecoxib) als erster COX-2-Hemmer zugelassen, und zwar in den USA am 30. Dezember 1998, in Europa begann der Vertrieb von CELEBREX ebenfalls vor dem Präparat der Antragstellerin (und zwar in der Schweiz am 1. April 1999), in Deutschland erfolgte die Zulassung von CELEBREX allerdings erst - wie ausgeführt - am 18. Mai 2000, und damit nach der Zulassung von VXXXX in Deutschland (Bl. 109). Demgegenüber kam das Arzneimittel VXXXX der Antragstellerin in den USA erst Ende Mai 1999 auf den Markt, in Europa wurde es nicht vor Juni 1999 vertrieben, in Deutschland erhielt es im November 1999 die Zulassung (Bl. 109).

Es trifft zwar zu, dass die Arzneimittel VXXXX und CELEBREX international seit Mai 1999 konkurrieren und in Deutschland jedenfalls über internationale Apotheken zu beziehen gewesen sind, und bereits in der Entwicklungsphase die Wirkstoffe beiderseits als "spezifische COX-2 Inhibitoren" bezeichnet wurden; entsprechendes gilt für die Zeit nach der Markteinführung der Arzneimittel. Gleichwohl konnte die Antragstellerin vernünftigerweise in Deutschland erst bei Markteinführung von CELEBREX in Deutschland unter Berücksichtigung der Zulassung des Arzneimittels CELEBREX gegen die beanstandete Angabe vorgehen. Erst damit war gesichert, dass die Antragsgegnerinnen auch in Deutschland diese Werbeangaben für CELEBREX verwenden würden.

Dem steht nicht entgegen, dass bei den Informationen bei den wissenschaftlichen Symposien nicht nur abstrakt die konkurrierenden Wirkstoffen Rofecoxib und Celecoxib vorgestellt wurden, sondern für die Fachwelt die betreffenden Arzneimittel VXXXX und CELEBREX identifizierbar waren.

III.

Der Unterlassungsantrag gemäß Buchstabe (a) der Beschlussverfügung ist nach Auffassung des Senats aus § 3 HWG, § 1 UWG nicht begründet. Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

Die Antragstellerin kann nicht von den Antragsgegnerinnen verlangen, dass diese es künftig unterlassen, für das Arzneimittel CELEBREX (Wirkstoff Celecoxib) mit der Angabe "COX-II Spezifischer Inhibitor" zu werben.

Es kann mit der für das Verfügungsverfahren hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht davon ausgegangen werden, dass erhebliche Teile des angesprochenen Fachpublikums, insbesondere Ärzte und Apotheker, die Angabe "COX-II Spezifischer Inhibitor" für CELEBREX in einer den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Weise verstehen.

1.) Wie bereits das Landgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Parteien ausgeführt hat, unterscheiden sich COX-2-Hemmer von herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) dadurch, dass das schmerz- und entzündungsauslösende Enzym Cyclooxygenase-2 (COX-2) gehemmt wird, das Enzym COX-1 aber weitgehend unbeeinflusst bleibt, wodurch unerwünschte Nebenwirkungen wie Magenblutungen vermieden werden.

Die Antragstellerin argumentiert unter Hinweis insbesondere auf die gutachterliche Stellungnahme von Professor Dr. Sxxxxxxxxxxx (Anlage ASt EV 9) dahingehend, es gebe einen bei der Beschreibung eines COX-2-Hemmers beachtlichen begrifflichen Unterschied zwischen "selektiver" und "spezifischer" Wirkung. Habe ein Arzneistoff zwei Wirkqualitäten, so werde er richtigerweise als "selektiv" bezeichnet, wenn die eine Wirkqualität überwiege. Dagegen dürften Arzneistoffe nur als "spezifisch" bezeichnet werden, wenn sie ausschließlich über eine Wirkqualität verfügten. In diesem Sinne sei das Arzneimittel CELEBREX der Antragsgegnerinnen (wie das Präparat VXXXX der Antragstellerin) ein selektiver COX-2-Hemmer, denn es hemme vornehmlich, zielgerichtet das Enzym COX-2 und nicht COX-1. Dagegen sei CELEBREX kein spezifischer COX-2-Hemmer (Inhibitor).

Entgegen der Argumentation der Antragstellerin ist die Angabe "COX-II Spezifischer Inhibitor" weder im Hinblick auf eine tatsächlich nur selektive Wirkungsweise (siehe unter 2.) noch bezüglich der zwischen VXXXX und CELEBREX unterschiedlichen Selektivität (siehe unter 3.) als irreführend anzusehen.

2.) Es kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Angabe "COX-II Spezifischer Inhibitor" für CELEBREX deswegen irreführend ist, weil CELEBREX zwar im therapeutischen Dosierungsbereich nur eine COX-2-Hemmung und keine (als statistisch nicht signifikante) COX-1-Hemmung aufweist, jenseits des therapeutischen Dosierungsbereichs aber keine ganz ausschließliche COX-2-Hemmung vorliegt, sondern auch eine gewisse COX-1-Hemmung erfolgt. Eine davon abweichende Verkehrsvorstellung von "spezifisch" in dem von der Antragstellerin angenommenen Sinne ist nicht festzustellen.

(a) Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat und im Ergebnis auch in zweiter Instanz unverändert geblieben ist, besteht nach dem komplexen und unterschiedlichen Vorbringen der Parteien nebst den dazu beigebrachten Unterlagen kein klares Bild darüber, wie sich die Begriffe "selektiv" und "spezifisch" bei einem COX-2-Hemmer zu einander verhalten und inwieweit es durchgreifende Anhaltspunkte für das Verkehrsverständnis von "spezifisch" in dem von der Antragstellerin angenommenen Sinne gibt.

(aa) Zum einen fällt auf, dass in den Fachinformationen von VXXXX und CELEBREX die beiden Wirkstoffe jeweils als "selektive COX-2-Hemmer" beschrieben werden.

In der Fachinformation VXXXX heißt es: "Rofecoxib ist ein oral aktiver und, innerhalb des klinischen Dosierungsbereichs, selektiver Cyclooxygenase-2 (COX-2)-Hemmer" (Anlage ASt EV 1, dort unter: 5. 1 Pharmakodynamische Eigenschaften).

Die Fachinformation CELEBREX für die Schweiz lautet hierzu: "Celecoxib ist ein Hemmer der Prostaglandinsynthese mit hoher Selektivität für Cyclooxygenase-2 (COX-2)" (Anlage ASt EV 5) und in der Fachinformation für Deutschland: "Celecoxib ist ein oral wirksamer und, innerhalb des klinischen Dosierungsbereichs (200 mg - 400 mg pro Tag), selektiver Cyclooxigenase-2 (COX-2)-Hemmer. In diesem Dosierungsbereich wurde bei gesunden Freiwilligen keine statistisch signifikante COX-1-Hemmung beobachtet (gemessen als Ex-vivo-Hemmung der Thromboxan B2 - TxB2 -Bildung)" (Anlage AG BL. 36-1, dort unter: 5. 1 Pharmakodynamische Eigenschaften). In der schwedischen Zulassung von CELEBREX heißt es: "Celecoxib is an oral active selective inhibitor of cyclooxigenase-2 (COX-2) within the therapeutic dose range (200 mg - 400 mg daily)" (Anlage ASt EV 6, Seite 5) und in der deutschen CELEBREX-Gebrauchsinformation unter der Rubrik "Stoff- oder Indikationsgruppe": "Selektiver Cyclooxigenase-2 (COX-2)-Hemmer" (Anlage ASt BL. 36-1).

(bb) Für den Standpunkt der Antragstellerin streitet jedenfalls im Ansatz neben der gutachterlichen Stellungnahme Sxxxxxxxxx (Anlage ASt EV 9) die Auffassung der britischen Gesundheitsbehörde, die ebenfalls zwischen Selektivität (hier existieren bei der Hemmung Abstufungen, ohne dass es ein Alles-Oder-Nichts-Phänomen gibt) von Spezifität unterscheidet und letztere dahin beschreibt, es könne ein Alles-Oder-Nichts-Phänomen sein (Anlage ASt EV 10). Da andererseits - wie ausgeführt - die Fach- und Gebrauchsinformationen der Arzneimittel übereinstimmend den Begriff "selektiv" verwenden und ebenfalls übereinstimmend nicht den Begriff "spezifisch" benutzen, könnte das dazu führen, dass der Verkehr unter "spezifisch" etwas anders als "selektiv" versteht. Zwingend ist das allerdings, wie sich auch aus den nachstehenden Gesichtspunkten zusätzlich ergibt, allerdings nicht.

(cc) Wie auch die Antragstellerin nicht verkennt, gibt es eine Vielzahl von Belegstellen, wonach "spezifisch" und "selektiv" jeweils ganz uneinheitlich verwendet worden sind. Das spricht dagegen, der hier streitgegenständlichen Angabe - ohne Berücksichtigung des sonstigen Äußerungszusammenhanges - eine bestimmte Bedeutung im Sinne der Argumentation der Antragstellerin beizumessen. Ein dahingehendes Verkehrsverständnis ist nicht hinreichend sicher dargetan. So ist z. B. in der wissenschaftlichen Literatur über Rofecoxib davon die Rede, der Wirkstoff habe (u.a. gegenüber Celecoxib) die "highest selectivity" (Anlage ASt EV 7, Seite 557, vgl. aber dort Seite 551: "specific"). Anderseits beschreiben die Antragsgegnerinnen selbst Celecoxib auch als "selektiven COX-2-Inhibitor" (Anlage ASt EV 12). Dass die Terminologie "selektive COX-2-Hemmung" jedenfalls gebräuchlich ist, belegt zwar eine Vielzahl von Literaturstellen (Anlage ASt EV 14; vgl. auch Anlage ASt EV 13). Eine klare Unterscheidung zwischen selektiven und spezifischen COX-2 Inhibitoren (vgl. die Antragsgegnerinnen: Anlage AG B 7, Seite 3) erfolgt aber nicht durchgängig (vgl. Anlage ASt EV 7). So wird "spezifisch" auch direkt bezogen auf die Cyclooxygenase Typ 2 (COX-2) verwendet (Anlagen AG EV B 10, 11,13, 15, 16), in bestimmten Fällen sogar bei Wirkstoffen, die erheblich weniger selektiv wirken als die Wirkstoffe Rofecoxib und Celecoxib (vgl. Anlagen AG EV B 31-32).

Zudem ist von der Antragstellerin selbst für VXXXX bzw. Rofecoxib der Begriff "spezifische Inhibition" bzw. "COX-2-spezifischer Hemmer" verwendet worden (Anlagen AG EV B 1-4 und ASt EV B 23-28). Besonders unscharf ist die Wortwahl, wenn sogar mit beiden Begriffen gearbeitet wird (bei der Antragstellerin: vgl. Bl. 117, Anlage AG EV B 4: "COX-2-spezifischer Inhibitor hemmt selektiv die Cyclooxygenase Typ 2 (COX-2), ohne die Cyclooxygenase Typ 1 (COX-1) zu beeinträchtigen"). Hinzukommt, dass auch im Konzern der Antragstellerin Werbung für VXXXX mit dem Begriff "spezifisch" erfolgt ist (Anlagen AG EV B 35-36).

Wie die Antragstellerin selbst einräumt, hat es in der wissenschaftlichen Diskussion über einen nicht unerheblichen Zeitraum die Verwendung des Begriffs "spezifisch" in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang gegeben. Das spricht gerade gegen eine Irreführung, denn es zeigt, dass man ihn ohne weiteres auch in zutreffender Weise verstehen kann. Nichts anderes gilt für das Argument der Antragstellerin, dass statt dessen zunehmend der Begriff "selektiv" in Übereinstimmung mit den Fachinformationen und behördlichen Stellungnahmen verwendet worden sei und werde. Dass damit ein Bedeutungswandel von "spezifisch" in der Verkehrsvorstellung entstanden wäre, lässt sich nicht hinreichend sicher feststellen.

(dd) Wie oben ausgeführt, heißt es in der CELEBREX-Fachinformation für Deutschland: "Celecoxib ist ein oral wirksamer und, innerhalb des klinischen Dosierungsbereichs (200 mg - 400 mg pro Tag), selektiver Cyclooxigenase-2 (COX-2)-Hemmer. In diesem Dosierungsbereich wurde bei gesunden Freiwilligen keine statistisch signifikante COX-1-Hemmung beobachtet..." (Anlage AG BL. 36-1 = AG EV B 29, dort Ziffer 5.1) Hierzu haben die Antragsgegnerinnen vorgetragen, dass dieses Ergebnis einer "Null-Messung" gleichkomme, d. h. es sei der Aussage "does not inhibit COX-1" gleich (vgl. die eidesstattliche Versicherung Dr. Acker: Anlage AG B 30).

Demgemäß ist im therapeutischen Dosierungsbereich ein Hinweis auf eine (insoweit) ausschließliche COX-2-Hemmung nicht unrichtig. Dass gleichwohl der Begriff "Spezifität" vom Verkehr als der strengere und im Sinne einer ausschließlichen Mono-Wirksamkeit auch jenseits des therapeutischen Anwendungsbereichs verstanden wird, ist im hohen Maße zweifelhaft, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein solches Verkehrsverständnis ist nicht gegeben.

(b) Nach Auffassung des Senats ist es - anders als es das Landgericht gemeint hat - in einer solcher Situation, in der ganz erhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Begriff "spezifisch" in der von der Antragstellerin vertretenen Bedeutung vom Verkehr verstanden wird, nicht angebracht, den Antragsgegnerinnen die Glaubhaftmachungslast dafür aufzuerlegen, dass sie die beanstandete Angabe richtig verwenden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind in der Gesundheitswerbung nur Angaben zuzulassen, die gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153 - Tampax, GRUR 1991, 848 - Rheumalind). Vorliegend geht es aber nicht um die Frage, ob CELEBREX nach wissenschaftlich gesicherter Erkenntnis ein "spezifischer" COX-2-Hemmer ist und damit um Gesichertheit der Behauptung, sondern welchen Bedeutungsinhalt diese Angabe für den angesprochenen Verkehr hat.

(c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa im Hinblick auf eine Mehrdeutigkeit des Begriffs "spezifisch", so dass jedenfalls ein Teil des angesprochenen Verkehrs die Angabe im Sinne der Antragstellerin verstehen und insoweit irregeführt werden könnte.

Anhaltspunkte für eine Mehrdeutigkeit im wettbewerbsrechtlichen Sinne gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um Fachbegriffe, die auch in der Literatur teils unterschiedlich, teils gleichbedeutend verwendet werden. Demgemäß wird das Fachpublikum nicht aus der Wortwahl allein bestimmte Vorstellungen entwickeln, sondern maßgeblich auf den betreffenden Äußerungszusammenhang abstellen, in dem die Angabe verwendet wird. Auf diese Besonderheiten stellt aber der Streitgegenstand nicht ab.

3.) Es kann ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Angabe "COX-II Spezifischer Inhibitor" für CELEBREX deswegen irreführend ist, weil die Selektivität bei VXXXX gegenüber CELEBREX höher ist.

Zwischen den Parteien besteht allerdings Einigkeit dahin gehend, dass das Arzneimittel VXXXX (Wirkstoff Rofecoxib) über die höchste COX-2-Selektivität verfügt, und dass Rofecoxib einen Selektivitätsquotienten betreffend die COX-1-Hemmung von 200 (gegenüber 100 bei Celecoxib) hat.

Ungeachtet des Einwandes der Antragsgegnerinnen, dass dieser Unterschied in der klinisch/therapeutischen Anwendung irrelevant sei (Anlage AG B 30), lässt sich nach den obigen Ausführungen unter 2.), auf die entsprechend Bezug genommen wird, nicht mit hinreichender Sicherheit eine Verkehrsvorstellung bei der Angabe "COX-II Spezifischer Inhibitor" dahingehend feststellen, dass dies im Sinne einer gesteigerten Selektivität von CELEBREX verstanden wird.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass es jedenfalls bei denjenigen, die einen begrifflichen Unterschied zwischen beiden Angaben machen, ihn überwiegend darin sehen, das Spezifität der "strengere" Begriff sei. Gleichwohl lässt sich eine Irreführung nicht hinreichend sicher feststellen, auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

IV.

Der Unterlassungsantrag zu (b) in der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Fassung ist nach Auffassung des Senats aus den § 3 HWG, § 1 UWG begründet.

Der Unterlassungsantrag war zum Zwecke der Klarstellung redaktionell zu überarbeiten, inhaltlich hat sich insoweit im Verhältnis zu dem vom Landgericht zuerkannten Verfügungsantrag nichts geändert.

1.) Gegenstand des Unterlassungsantrages ist die streitgegenständliche Werbeaussage, soweit der zusätzliche Hinweis fehlt, dass die Zulassung von CELEBREX nur die symptomatische Behandlung (und nicht die kausale Therapie) der genannten Erkrankungen betrifft.

Gegenstand des Antrages ist nicht die Bestimmung "weltweit" als solche. Um die Besonderheiten der Formulierungen in den Einladungsschreiben der Antragsgegnerinnen (Anlagen ASt EV 3-4) geht es nach dem Streitgegenstand ebenfalls nicht.

2.) Auch nach Auffassung des Senats erweckt die beanstandete Angabe, CELEBREX sei weltweit für die Behandlung von "Arthrose und rheumatoider Arthritis" zugelassen, ohne erläuternden Zusatz den Eindruck, CELEBREX sei auch für die kausale Therapie der genannten Arthrose und rheumatoider Arthritis zugelassen.

Das Argument der Antragsgegnerinnen, den Fachkreisen sei durch die Diskussion und die Veröffentlichungen hinlänglich bekannt, dass die COX-2 "spezifischen" Inhibitoren Antirheumatika seien, d. h. Arzneimittel zur symptomatischen Therapie und nicht zur kausalen Therapie, greift nicht durch. Auch wenn es bislang keine kausale Therapien (Basistherapeutika) auf diesem Gebiet gibt, ist nicht davon auszugehen, dass das beim Verständnis des Publikums stets mit einbezogen wird. Eine hinreichend sichere Vorstellung des Verkehrs kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht schon die Lebenserfahrung, dass gerade auf medizinischem und pharmazeutischem Gebiet der Fortschritt auf vielen Feldern weitergeht, so kann es auch auf diesem Gebiet, in dem unstreitig geforscht wird, unversehens Durchbrüche geben.

3.) In dem dargestellten Sinne ist die Angabe ohne nähere Erläuterung unrichtig und demgemäß irreführend.

Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist CELEBREX unstreitig in Schweden und in der Schweiz zur Bekämpfung von Symptomen der Arthrose und rheumatoiden Arthritis zugelassen (vgl. Anlagen ASt EV 5-6). In der deutschen CELEBREX-Fachinformation heißt es hierzu: "Behandlung von Symptomen bei Reizzuständen degenerativer Gelenkerkrankungen (aktivierte Arthrosen) oder chronischer Polyarthritis (rheumatoide Arthritis)" (Anlage AG BL. 36-1 = AG EV B 29). Unstreitig besteht die Wirkung eines selektiven COX-2-Inhibitors darin, das für die Entstehung von Entzündungen und Schmerzen verantwortliche COX-2 gegenüber COX-1 vorrangig zu hemmen. Damit sollen die Symptome der Arthrose und der rheumatoiden Arthritis bekämpft werden.

4.) Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben.

Der Antrag erfasst die konkrete Verletzungsform (vgl. die Einladungsschreiben der Antragsgegnerinnen gemäß Anlagen ASt EV 3-4).

Der Verstoß gegen § 3 HWG als wertbezogene Norm zum Schutz der Volksgesundheit ist zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG.

V.

Der Unterlassungsantrag gemäß Buchstabe (c) der Beschlussverfügung ist nach Auffassung des Senats aus § 3 HWG, § 1 UWG nicht begründet. Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

Die Antragstellerin kann nicht von den Antragsgegnerinnen verlangen, dass diese es künftig unterlassen, für das Arzneimittel CELEBREX (Wirkstoff Celecoxib) mit der Aussage zu werben, es stehe für ein "herausragendes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil". Deswegen kann der erläuternde Zusatz ("dass dies nur in Bezug auf die herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika gilt, nicht aber für neuere selektive COX-2 Hemmer") nicht verlangt werden.

Nach der Fassung des Unterlassungsantrages geht es verallgemeinert um die Behauptung, das Arzneimittel CELEBREX habe ein "herausragendes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil", damit sind besondere Betonungen wie "das" nicht Streitgegenstand.

Die angegriffene Wendung wird nach Auffassung des Senats von erheblichen Teilen des angesprochenen Publikums nicht in jedem "normalen" Äußerungszusammenhang dahingehend verstanden, dass die beanspruchte Position von CELEBREX sich auf den konkurrierenden selektiven COX-2-Hemmer VXXXX der Antragstellerin im Sinne einer Alleinstellung beziehen soll. Es liegt erheblich näher, das "Herausragende" gerade - um den erläuternden Zusatz aus dem Antrag aufzugreifen - in Bezug auf die herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) verstanden wird, weil es sich bei den selektiven COX-2 Hemmern um neuere Arzneimittel handelt.

Auf Besonderheiten des Äußerungsumfeld in den Werbeschreiben der Antragsgegnerinnen (Anlagen ASt EV 3-4) kommt es nicht an, sie sind nicht Streitgegenstand.

VI.

Nach alledem hatte die Berufung nur teilweise Erfolg. Im übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, § 100 Abs. 4 ZPO analog.

Ende der Entscheidung

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