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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 3 U 252/06
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG §§ 14 ff
1. Die Dringlichkeit ist trotz längerer Kenntnis des Verletzten von der Beanstandungsform (hier: einem roten Koffer mit Bohrhämmern für Profis) gegeben, wenn für deren Angriff erst durch die neuerdings erfolgte Eintragung von Klagemarken (hier: einer dreidimensionalen Marke "Roter Koffer" und einer abstrakten Farbmarke Rot, jeweils eingetragen für: "Koffer für Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche") eine qualitativ andere Grundlage für den Unterlassungsanspruch eröffnet worden ist.

2. An die Markeneintragung ist der Verletzungsrichter grundsätzlich auch im Verfügungsverfahren gebunden. Eine ausnahmsweise Durchbrechung dieses Grundsatzes kann nur in Fällen offenkundiger Schutzunfähigkeit der Klagemarke führen, soweit gegen diese ein paralleles Löschungsverfahren anhängig ist; der Verfügungsgrund ist aber nur dann zu verneinen, wenn der Verletzungsrichter die voraussichtliche Markenlöschung sicher im Sinne von "so gut wie feststehend" prognostizieren kann.

3. Zur kennzeichenmäßigen Benutzung einer Farbmarke durch die durchgängige Rotfarbe eines Koffers für Profi-Bohrhämmer.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 252/06

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 21. Juni 2007

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Terschlüssen nach der am 29. März 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 24. Oktober 2006 wird der Maßgabe zurückgewiesen, dass den Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der vom Landgericht angeführten Ordnungsmittel verboten wird,

1.) im geschäftlichen Verkehr Koffer in der Farbe Pantone 186 C oder RAL 3020 zusammen mit Bohrhämmern für Profis in der Baubranche entsprechend Seiten 9, 10, 11, 12, 20 der Programmübersicht 2006/07, nämlich Typenbezeichnungen jfkf anzubieten oder anbieten zu lassen und/oder zu vertreiben oder vertreiben zu lassen, wie in der Antragsschrift auf Seite 3 dargestellt;

und/oder

2.) unter Verwendung derartiger Koffer für die unter Ziffer 1.) aufgeführten Waren zu werben oder werben zu lassen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Antragstellerin 1/4 und die Antragsgegnerinnen wie Gesamtschuldner 3/4.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren zunächst auf 200.000 € festgesetzt. Durch die teilweise Zurücknahme des Verfügungsantrages ermäßigt sich der Streitwert auf 150.000 €

Gründe:

A.

Die Parteien produzieren und vertreiben hochwertige Elektrowerkzeuge, insbesondere auch Bohrhämmer für den professionellen Anwendungsbereich, und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerinnen verwenden für ihre Bohrhämmer zum Transport und zur Aufbewahrung einen roten, einfarbigen Koffer, die Schauseite trägt die weiße Aufschrift MILWAUKEE, die Rückseite ist unbeschriftet (Anlage ASt 9-11; im Verfügungsantrag die Abbildungen Bl. 3).

Die Antragstellerin beanstandet das als Verletzung ihrer Markenrechte und nimmt die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweilige Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 4. April 2006 angemeldeten und am 12. September 2006 eingetragenen dreidimensionalen Marke "Roter Koffer" (Farbe: rot RAL 3020) Nr. 30 xxx, eingetragen für: "Koffer für Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, insbesondere aus Metall oder Kunststoff" (Anlage ASt 1 - im folgenden: Klagemarke "Rotkoffer"; Eintragungsurkunde: Anlage ASt 14).

Die Antragstellerin ist außerdem Inhaberin der am 5. April 2006 angemeldeten und ebenfalls am 12. September 2006 eingetragenen abstrakten Farbmarke "Rot RAL 3020") Nr. 30 xxxx.4, eingetragen ebenfalls für: "Koffer für Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, insbesondere aus Metall oder Kunststoff" (Anlage ASt 3 - im folgenden: Klagemarke "Rotfarbe").

Die Klagemarken "Rotkoffer" und "Rotfarbe" wurden jeweils als verkehrsdurchgesetzte Marken eingetragen (rechtskräftige Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts jeweils vom 7. September 2006 (Anlagen ASt 2 und ASt 4).

Durch Urteil vom 24. Oktober 2006 hat das Landgericht im Wege der einstweiligen Verfügung den Antragsgegnerinnen unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten (wegen des Verfügungsantrages Bl. 2-3),

im geschäftlichen Verkehr für Koffer für Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche die Farbe Rot wie nachfolgend dargestellt (es folgen 2 Farbfotos des roten Koffers MILWAUKEE von vorn und von hinten) zu benutzen oder benutzen zu lassen;

und/oder unter Verwendung derartiger roter Koffer für den Vertrieb von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche zu werben oder werben zu lassen;

und außerdem angeordnet:

"Den Antragsgegnerinnen wird eine Aufbrauchsfrist bis zum 24. November 2006 eingeräumt".

Auf das Urteil wird wegen aller Einzelheiten Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Antragsgegnerinnen mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet haben.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt (wegen der ursprünglich angekündigten Anträge vgl. Bl. 152 nebst Hilfsantrag Bl. 197),

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das landgerichtliche Urteil dahingehend verteidigt wird,

dass den Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten wird,

1.) im geschäftlichen Verkehr Koffer in der Farbe Pantone 186 C oder RAL 3020 zusammen mit Bohrhämmern für Profis entsprechend Seiten 9, 10, 11, 12, 20 der Programmübersicht 2006/07, nämlich Typenbezeichnungen jfkf anzubieten oder anbieten zu lassen und/oder zu vertreiben oder vertreiben zu lassen, wie in der Antragsschrift auf Seite 3 dargestellt;

und/oder

2.) unter Verwendung derartiger Koffer für die unter Ziffer 1.) aufgeführten Waren zu werben oder werben zu lassen.

Die von der Antragstellerin in der Protokollanlage zur Berufungsverhandlung vom 29. März 2007 mitaufgeführte Typenbezeichnung "K 26" ist ein offensichtliches Versehen; es handelt sich nicht um einen Bohrhammer, sondern um eine Steinsäge (vgl. die Programmübersicht 2006/07 der Antragsgegnerinnen, dort Seite 11). Das hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. April 2007 klarstellen lassen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist demgemäß mit der aus dem Ausspruch des Senatsurteil ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.

I.

1.) Der Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Unterlassungsverfügungsanträge zu 1.) und zu 2.), wie sie die Antragstellerin in der Berufungsverhandlung vom 29. März 2007 nur noch weiter verfolgt hat.

2.) Der Verbotsausspruch zu 1.) des Senatsurteils weicht von dem gestellten Verfügungsantrag zu 1.), wie oben ausgeführt, nach redaktioneller Überarbeitung in zwei Punkten ab: Eingefügt ist nach dem Wort "Profis" der Passus: "in der Baubranche" und gestrichen ist die offensichtlich irrtümlich aufgeführte Typenbezeichnung "K 26".

3.) Der Gegenstand des nunmehr weiter verfolgten Unterlassungsanspruchs zu 1.) ist das Anbieten und/oder Vertreiben der näher beschriebenen Koffer zusammen mit Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, die durch die Fundstellen und Typenbezeichnungen aus der Programmübersicht 2006/2007 der Antragsgegnerinnen konkretisiert worden sind, und zwar wie in der Antragsschrift auf Seite 3 dargestellt.

Der Verbotsgegenstand betreffend die Koffer ist hinsichtlich ihrer Farbgebung durch die Bestimmung "Pantone 186 C oder RAL 3020" definiert und außerdem durch die Bezugnahme auf die Darstellung des Koffers auf Seite 3 der Antragsschrift. Die Vorderseite des Koffers trägt eine weiße Aufschrift MILWAUKEE, im Übrigen ist der Koffer - abgesehen von den schwarzen Beschlägen und dem schwarzen Griff - durchgehend rot gefärbt. Andere Farbgebungen oder Gestaltungen sind nicht Streitgegenstand.

4.) Der Gegenstand des Unterlassungsantrages zu 2.) ist das Werben unter Verwendung derartiger Koffer für die unter Ziffer 1.) aufgeführten Waren.

5.) Zum Streitgegenstand gehört weiter, dass die Unterlassungsansprüche nur auf die Klagemarken "Rotkoffer" und "Rotfarbe" gestützt werden.

II.

Der Unterlassungsantrag zu 1.) ist im Hinblick auf seine Bestimmtheit zulässig. Das gilt für den auf den Antrag zu 1.) zurückbezogenen Unterlassungsantrag zu 2.) entsprechend.

Anders als bei dem erstinstanzlichen Verbotsausspruch, bei dem die Wendung: "Benutzen der Farbe Rot wie nachfolgend dargestellt" ohne Klarstellung wohl eher unzulässig gewesen sein dürfte, bestehen zur Bestimmtheit nunmehr keine Bedenken mehr.

Die "Bohrhämmer für Profis in der Baubranche" sind nicht mehr nach dem Adressatenkreis definiert, sondern durch die Typenbezeichnungen und Seitenzahlen aus der Programmübersicht 2006/2007 der Antragsgegnerinnen.

Die Koffer - es geht, wie ausgeführt, um das Anbieten und/oder Vertreiben von Koffern zusammen mit den angegebenen Bohrhämmern - sind abweichend vom Verbot erster Instanz nicht nur durch die Abbildungen auf Seite 3 der Antragsschrift konkretisiert, sondern nunmehr auch durch die Farbbestimmung "Pantone 186 C oder RAL 3020". Damit ist zugleich klargestellt, dass es um die konkrete Farbgebung geht, wie sie von den Antragsgegnerinnen für ihre roten Koffer für den Transport und die Aufbewahrung der in Rede stehenden Bohrhämmer verwendet wird und von der Antragstellerin beanstandet worden ist.

Auf die Diskussion denkbarer Farbabweichungen z. B. innerhalb der Farbtonbestimmung "RAL 3020" kommt es demgemäß nicht an.

III.

Auch nach Auffassung des Senats ist die Dringlichkeit für das Verfügungsverfahren gegeben und die Verfügungsanträge insoweit zulässig.

Unstreitig hat die Antragstellerin allerdings seit 2003 Kenntnis von den streitgegenständlichen roten Koffern der Antragsgegnerinnen für die Bohrhämmer. Das lässt aber deshalb die Eilbedürftigkeit nicht entfallen, weil die Antragstellerin erst seit dem 12. September 2006 ihre Rechte aus den nunmehr eingetragenen Klagemarken "Rotkoffer" und "Rotmarke" geltend machen konnte.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass für die Bejahung der Dringlichkeit bei schon länger bekannten Beanstandungsformen nicht immer nur auf die Eintragung einer neuen Marke allein abgestellt werden kann. Das mag vor allem dann zweifelhaft sein, wenn die Neueintragung gegenüber den schon bestehenden Markenrechten des Angreifers für das betreffende Verfügungsverbot unwesentlich ist.

Im vorliegenden Fall aber hatte die Antragstellerin mit der Eintragung der Klagemarken "Rotkoffer" und "Rotmarke" erstmals eine qualitativ andere Anspruchsgrundlage, wegen der Farbgebung gegen die beanstandeten Koffer der Antragsgegnerinnen vorzugehen. Das gilt auch im Hinblick auf die weitere, vorliegend nicht geltend gemachte Anspruchsgrundlage einer Benutzungsmarke, zumal deren Voraussetzungen im Verfügungsverfahren nur erschwert darstellbar gewesen wären.

IV.

Der Verfügungsgrund ist auch nach Auffassung des Senats im Hinblick auf den Einwand der Antragsgegnerinnen zur etwaigen Löschungsreife der beiden Klagemarken gegeben. Der Einwand greift nicht durch.

Die Bindung des Verletzungsgerichts an die Eintragung einer Marke gilt grundsätzlich auch im Verfügungsverfahren. Nur in Fällen offenkundiger Schutzunfähigkeit kommt eine Durchbrechung dieses Grundsatzes in Betracht, denn nur dann wäre es ungerechtfertigt, der Antragstellerin aus einer nur formalen Rechtsstellung Schutz zuzusprechen, der ihr materiell erkennbar nicht zusteht. Demgemäß kann aber nur ausnahmsweise der Verfügungsgrund deswegen verneint werden. Eine solche Ausnahme ist im vorliegenden Sachverhalt nicht gegeben.

Der Senat hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klagemarken sicher bzw. mit dem erforderlichen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit löschungsreif sind. Der insbesondere im Rahmen des parallelen europäischen Markenanmeldeverfahrens geltend gemachte Einwand der Antragsgegnerinnen, die Klagemarken bzw. die entsprechenden Gemeinschaftsmarken seien wegen absoluter Schutzhindernisse des § 8 MarkenG mangels Unterscheidungskraft des Farbtons Rot nicht eintragungsfähig und die Beschränkung der Eintragung auf "Profis in der Baubranche" sei unzulässig, kann schon deswegen für die ausnahmsweise Verneinung des Verfügungsgrundes nicht durchgreifen, weil die von der Antragstellerin geltend gemachten Gegenargumente sich nicht von der Hand weisen lassen. Dass die Klagemarken gelöscht würden, steht nach Überzeugung des Senats jedenfalls nicht so gut wie fest.

1.) Vielmehr hat das MarkenG generell hinsichtlich der Farbmarke eine neue Entwicklung eingeleitet und es kann keine Rede davon sein, dass sich eingetragene konturenlose Farbmarken als nicht bestandskräftig erwiesen hätten.

2.) Das Argument der Antragsgegnerinnen, die bzw. eine Farbe Rot sei "im Baustellenbereich" schutzunfähig, kann nicht mit Erfolg gegen den Umstand angeführt werden, dass die beiden Klagemarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen eingetragen worden sind, und zwar - wie ausgeführt - jeweils für: "Koffer für Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, insbesondere aus Metall oder Kunststoff". Denn die Eintragung ist auf Grund nach Auffassung der Eintragungsbehörde bestehender Verkehrsdurchsetzung erfolgt und dass insoweit eine Löschung der Klagemarken wegen eines etwa gegenteiligen Befragungsergebnisses möglich wäre, könnte nicht genügen. Eine sichere Prognose lässt sich insoweit nicht stellen.

3.) Entsprechendes gilt für die Einwand der Antragsgegnerinnen, ein roter Koffer sei nicht schutzfähig. Auch insoweit geht es um die Verkehrsdurchsetzung der Klagemarken für den speziellen Bereich, die zu deren Eintragung geführt hat.

4.) Das Argument der Antragsgegnerinnen, die Bestimmung: "Koffer für Transport und Aufbewahrung von Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, insbesondere aus Metall oder Kunststoff" als Disclaimer der Klagemarken sei unzulässig, greift ebenfalls nicht durch, jedenfalls nicht im Sinne einer offenkundigen Schutzunfähigkeit bzw. nahezu sicheren Vernichtbarkeit der Klagemarken.

Das lässt sich insbesondere nicht aus der von den Antragsgegnerinnen herangezogenen EuGH-Entscheidung herleiten (EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Im dortigen Fall ging es um eine Negativabgrenzung, während bei den Klagemarken die Bestimmung des beanspruchten Warenverzeichnisses "positiv" vorgenommen worden ist.

5.) Der Senat vermag die offenbar grundsätzlichen Bedenken der Antragsgegnerinnen gegenüber der Umfrageuntersuchung zur Eintragung der Klagemarken (vgl. Anlage ASt 5) nicht zu teilen. Auch sonst ist es im Markenrecht nicht ungewöhnlich, dass eine Marke z. B. in Fachkreisen eine hohe Bekanntheit genießt, nicht aber bei dem so genannten breiten Publikum. Der festgestellten Verkehrsdurchsetzung in Fachkreisen trägt das insoweit beschränkte Warenverzeichnung Rechnung.

6.) Die Kritik der Antragsgegnerinnen speziell an der Befragung mag berechtigt sein, weil die Befragung maßgeblich das vorgezeigte Rot (Farbkarte) auf Koffern für Bohrhämmer betraf und alternative Fragen bzw. Antwortvorgaben fehlten. Dass damit der Befragung keinerlei tragfähige Aussagekraft zukäme, kann aber nicht angenommen werden; überdies würde eine solche Annahme für die Verneinung des Verfügungsgrund nicht genügen, denn damit wäre die sichere Löschungsreife der Klagemarken nicht belegt.

7.) Die von den Antragsgegnerinnen initiierte eigene Umfrage bei einem erweiterten Adressatenkreis (Anlage AG 20) kommt erwartungsgemäß zu einem anderen Ergebnis als die Umfrage aus dem Eintragungsverfahren. Bezüglich Bohrhämmern sind die Ergebnisse nicht so divergierend, dass das etwa eine sichere Prognose der Löschungsreife stützen könnte. Hiervon ist auch das Landgericht ausgegangen. Es kommt nicht darauf an, ob nach dem von den Antragsgegnerinnen vorgelegten Umfragegutachten die Klagemarken nicht eingetragen worden wären, sondern ob die Löschung der - nochmals - als eingetragen grundsätzlich zu respektierenden Klagemarken hinreichend sicher feststeht. Das ist nicht der Fall.

8.) Soweit die Antragsgegnerinnen auf frühere BGH-Entscheidungen mit den dortigen hohen Prozentsätzen zu einer Verkehrsdurchsetzung verweisen, wird unberücksichtigt gelassen, dass mit der gesetzlich gegebenen Eintragungsmöglichkeit von konturenlosen Farbmarken die Paradigmen nicht unverändert geblieben sind. So lässt sich aus der BGH-Entscheidung zu der Magenta-Farbe im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen (BGH GRUR 2004, 151 - Farbmarkenverletzung I) zwar ableiten, dass eine ungewöhnliche Farbe eher zur Eintragung gelangen wird, dem steht aber nicht entgegen, dass eine Verkehrsdurchsetzung tatsächlich auch bei weniger ungewöhnlichen Farben - jedenfalls in einem bestimmten Warenbereich - eintreten kann.

9.) Der von den Antragsgegnerinnen noch herangezogene Umstand, es habe im Eintragungsverfahren der Klagemarken zunächst andere Signale von der Eintragungsbehörde gegeben, belegt nicht etwa, dass deren Eintragung etwa "greifbar" unrechtmäßig erfolgt wäre. Dass man die Frage der Eintragungsfähigkeit auch anders beurteilen könnte, wie das Markenamt möglicherweise in Aussicht gestellt hat, steht dem nicht entgegen.

10.) Die Ungewissheit zum Ausgang von Löschungsverfahren muss sich für den Verfügungsgrund zu Lasten der Antragsgegnerinnen auswirken. Andernfalls wäre die Bindungswirkung des Verletzungsrichters im Verfügungsverfahren durchbrochen und würde den effektiven einstweiligen Rechtsschutz zu Lasten der Antragstellerin als Markeninhaberin verweigern.

V.

Die mit den Verfügungsanträgen zu 1.) und 2.) im Umfang des Verbotsausspruch des Senatsurteils geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind im Hinblick auf beide Klagemarken gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründet.

1.) Hinsichtlich der Schutzfähigkeit der beiden Klagemarken ist jeweils von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen.

(a) Soweit die Antragsgegnerinnen auch an dieser Stelle prinzipiell gegen eine Schutzfähigkeit der Klagemarken argumentieren, wird übersehen, dass das Verletzungsgericht an die Eintragung der beiden Klagemarken, wie ausgeführt, gebunden ist. Auf die obigen Ausführungen zu diesen Argumenten wird im Übrigen entsprechend Bezug genommen.

(b) Es mag sein, dass der Schutzumfang der beiden Klagemarken eher gering sein dürfte. Das sagt aber für das von der Antragstellerin beanspruchte Verbot nichts aus, denn das bezieht sich ja nicht etwa auf jedes Rot irgendwo auf dem Koffer, sondern - wie ausgeführt - auf den konkret von den Antragsgegnerinnen eingesetzten Koffer (zusammen mit den angeführten Bohrhämmern für Profis in der Baubranche), und zwar mit der weißen Aufschrift MILWAUKEE auf der Schauseite und mit der im Übrigen durch und durch in Rot gehaltenen Farbgebung ohne weitere Farben.

2.) Auch nach Auffassung des Senats ist das durchgängige Rot des Koffers der Antragsgegnerinnen aus der Sicht des Verkehrs eine Kennzeichnung.

Mit dem Landgericht ist zunächst davon auszugehen, dass dieselben Argumente, die zur Eintragung der Klagemarken geführt haben, die Annahme stützen, dass die durchgehend rote Farbe des Koffers der Antragsgegnerinnen vom Verkehr als Herkunftshinweis angesehen wird. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

Die Einwände der Antragsgegnerinnen hiergegen greifen nicht durch:

(a) Zum einen kann keine Rede davon sein, dass etwa derartige Bohrhämmer von vielen Herstellerfirmen in derartigen roten Koffern angeboten würden. Letztlich sind es nur die Koffer der beiden vorliegend streitenden Parteien, bei denen eine durchgehend rote Kofferfarbe vorliegt.

Vielmehr werden Koffer für Bohrhämmer seit Jahrzehnten in Deutschland in ganz unterschiedlichen Farben und vor allem Farbzusammenstellungen angeboten und so auf Baustellen erkennbar verwendet, so die Koffer von BOSCH in Blau, von MAKITA in Türkis, von METABO in Dunkelgrün usw. und bei der Antragstellerin eben in rot. Bei Profi-Geräten und Heimwerkergeräten gibt es sogar verschiedene Produktfarben bei ein- und demselben Hersteller (Bl. 157).

Soweit es andere "rote" Koffer gegeben hat, so ist das vereinzelt geblieben bzw. schon seit längerem nicht mehr der Fall. So hat die Firma KRESS ihre Farbgebung von Rot (vgl. dazu Anlage AG 13) seit März 2005 auf Schwarz abgeändert, der rote AEG-Koffer ist seit 1970 nicht mehr in Benutzung (Bl. 166), die Firma FEIN stellt keine Bohrhämmer her und deren Orangerot weicht deutlich ab (Bl. 166), BLACK & DECKER verpackt seine Heimwerker-Bohrhämmer in schwarze Packungen (Bl. 166).

(b) Zum anderen entspricht der Koffer der Antragstellerin in der Farbgebung dem auch sonst von ihr in der Werbung verwendeten Rot, diese wird von ihr prominent seit 1957 eingesetzt, seit Ende der 70-ger Jahre ist die Antragstellerin damit Marktführerin (Bl. 164 mit Anlage ASt 7). Das wird schon nach der Lebenserfahrung die kennzeichnende Funktion der Farbe im Sinne einer "Hausfarbe" durchaus noch verstärken können.

(c) Zu diesen auch für die Kennzeichenwirkung des durchgehenden Rots des Koffers der Antragsgegnerinnen sprechenden Umstände kommt noch hinzu, dass die Antragsgegnerinnen in Deutschland ihre roten Koffer erst seit 2002 verwenden, dagegen in den USA eben nicht durchgehend in Rot, sondern in den Farbkombinationen "Rot mit Grau" bzw. "Rot mit Schwarz".

(d) Demgemäß sprechen auch die schon vom Landgericht aufgezeigten Gesichtspunkte für die Herkunftsfunktion der roten Farbe bei den Koffern der Antragsgegnerinnen. Diese argumentieren im Übrigen selbst damit, es sei ein "charakteristisches Signalrot" (Bl. 160 mit Anlage ASt 28) und "ihre" Haus- und Unternehmensfarbe .

(e) Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Schriftzug mit "MILWAUKEE - Heavy duty electric tools" auf der Koffervorderseite nicht geeignet, der roten Farbgebung des Koffers die herkunftshinweisende Funktion zu nehmen. Die Farbgebung ist, wie ausgeführt, charakteristisch und auffällig. Dass ein Produkt mehrere Kennzeichen aufweisen kann, ist dem Verkehr geläufig.

(f) Allerdings kann es Fallgestaltungen geben, in denen das Anbieten der mit der eingetragenen Marke übereinstimmenden Ware noch keine Markenverletzung darstellen muss, wenn auch andere Einsatzmöglichkeiten zur Kennzeichnung denkbar sind (BGH GRUR 2005, 414 - Russisches Schaumgebäck). Um einen derartigen Sonderfall geht es vorliegend bei der Klagemarke "Rotkoffer" nicht, bei der Klagemarke "Rotfarbe" ohnehin nicht.

3.) Zwischen den Klagemarken einerseits und dem angegriffenen Koffer andererseits besteht auch nach Auffassung des Senats jeweils jedenfalls Verwechslungsgefahr, wenn man nicht sogar von einer Doppelt-Ident-Verwendung ausgeht.

Hinsichtlich der Waren liegt eine Ident-Verletzung vor. Das Verbot bezieht sich auf die Verwendung der roten Koffer zusammen mit den Bohrhämmern für Profis in der Baubranche, wie die Typenbezeichnungen näher bestimmen.

Im Hinblick auf das Rot der Klagemarken - bei der Klagemarke "Rotkoffer" geht es um einen Koffer in derselben Farbe (rot RAL 3020) wie bei der Klagemarke "Rotfarbe" - besteht zur Verletzungsform eine nahezu an die Identität gehende Ähnlichkeit. Es handelt sich um ein fast identisches Rot, die äußerst geringen Farbabweichen fallen nur bei einem Nebeneinanderlegen auf. Für die zusätzliche Farbbestimmung "Pantone 186 C" gilt nichts anderes.

Angesichts der hohen Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen wäre eine Kennzeichenschwächung, wie sie das Landgericht angenommen hat, jedenfalls nach den Grundsätzen der Wechselwirkung von Kennzeichnungskraft und Ähnlichkeit bzw. Identität der Zeichen und Waren sicher ausgeglichen.

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Es besteht jedenfalls Verwechslungsgefahr, zumindest eine mittelbare. Die dagegen geltend gemachten Argumente der Antragsgegnerinnen sind nicht stichhaltig:

(a) Auf den Umstand, dass die Antragstellerin ihren Koffer nicht ohne Aufschrift, sondern nur mit der Bezeichnung HILTI verwende, kommt es nicht an.

Zum einen befinden sich beide Klagemarken noch in der Benutzungsschonfrist, so dass eine etwaige Löschungsreife der Klagemarken mangels Benutzung nicht in Betracht kommt. Zum anderen ist mit der Verkehrsdurchsetzung, die zur Eintragung geführt hat, nahe gelegt, dass die Farbe für die in Rede stehenden Koffer für Bohrhämmer für Profis in der Baubranche ein von dem Wortzeichen HILTI unabhängiges Kennzeichen ist.

(b) So wie der rote Koffer bzw. das Rot des Koffers für Profi-Bohrhämmer das Kennzeichnende ist - und zwar eben unabhängig von HILTI, so ist das auch bei dem beanstandeten roten Koffer der Antragsgegnerinnen der Fall. Die Aufschrift "MILWAUKEE - Heavy duty electric tools" beseitigt nicht die Verwechslungsgefahr, jedenfalls nicht eine mittelbare Verwechslungsgefahr.

Davon ist bereits das Landgericht zutreffend ausgegangen. Hierauf wird Bezug genommen. Die Koffer weisen nur auf einer Seite die weitere Marke HILTI bzw. MILWAUKEE auf, stehen die Koffer nebeneinander, sieht man nur das Rote.

(c) Auf die unterschiedliche Kofferform bei der Klagemarke "Rotkoffer" einerseits und bei der Verletzungsform andererseits kommt es nicht durchgreifend an. Insoweit wird die Verwechslungsgefahr nicht ausgeräumt. Denn das Wesentliche dieser Klagemarke ist der rote Koffer und nicht gerade die ganz konkrete Form in allen Einzelheiten.

(d) Mit der Präzisierung des Unterlassungsantrages zu 1.) kommt es auf die zunächst beim Senat auch erörterte Frage zu einem gespalteten Markt bzw. Vertrieb von Profigeräten einerseits und sonstigen Bohrhämmern nicht an. Es geht um die im Antrag aufgeführten Bohrhämmer für Profis in der Baubranche im Zusammenhang mit dem roten Koffer der Antragsgegnerinnen, ob diese auch vom breiten Publikum erworben werden können, ist ohne Belang.

VI.

Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerinnen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97, 269 Abs. 3 ZPO, § 100 Abs. 4 ZPO analog. Die Antragstellerin hat den ursprünglich weiter gehenden Verfügungsantrag nicht mehr weiter verfolgt.

Ende der Entscheidung

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