Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 14.03.2002
Aktenzeichen: 3 U 254/01
Rechtsgebiete: AMG, HWG, UWG


Vorschriften:

AMG § 10 Abs. 10 Satz 1
AMG § 10 Abs. 10 Satz 3
HWG § 3 a
UWG § 1
1. Wird im Rahmen der externen klinischen Prüfung für ein noch nicht zugelassenes Arzneimittel die für den Fall der Zulassung vorgesehene Bezeichnung (der Handelsname) verwendet, so verstößt das nicht gegen § 10 Abs. 10 AMG. Zu diesem Zweck bestimmte Arzneimittel sind nach § 10 Abs. 10 Satz 1 AMG zu kennzeichnen, hierzu gehört seine gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG vorgeschriebene Bezeichnung. Diese kann vor der Zulassung abweichend lauten, es gibt insweit aber kein Verbot, die vorgesehene Bezeichnung schon bei der klinischen Prüfung zu verwenden.

2. Die Vorschrift des § 10 Abs. 10 Satz 3 AMG, die die Verwendung der Bezeichnung des zugelassen Arzneimittels für zur klinischen Prüfung bestimmte Arzneimittel untersagt, gilt nur für zugelassene Arzneimittel. Eine analoge Anwendung auf noch nicht zugelassene Arzneimittel kommt schon wegen des Analogieverbots nicht in Betracht; zudem besteht insoweit auch keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke.

3. Obwohl die Verwendung der Arzneimittelbezeichnung bei der klinischen Prüfung objektiv und subjektiv Werbung ist, führt § 3 a HWG ebenfalls nicht zu einem Verbot. Der Werbebegriff dieser Vorschrift erfährt insoweit eine normative Korrektur: Die Verwendung des Handelsnamens steht mit § 10 Abs. 10 AMG im Einklang, zudem sind Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung bei Menschen bestimmt sind, von der Zulassungspflicht ausgenommen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG).

Der Umstand, dass in den Unterlagen für die Patienten der klinischen Prüfung die Arzneimittelbezeichnung mehrfach, aber nicht übersteigert häufig erscheint, führt zu keiner anderen Beurteilung; entsprechendes gilt für Angaben über das Arzneimittel in der Patienteninformation, soweit sie dem Informations- und Aufklärungsinteresse dienen und werblich nicht übertrieben, sondern zurückhaltend dargestellt sind.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 254/01

Verkündet am: 14. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 21. Februar 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 5. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien produzieren und vertreiben Arzneimittel und stehen miteinander im Wettbewerb. Die Antragstellerin stellt u. a. das Asthmamittel Vxxxx her. Das Asthma-Präparat SSSSSSSSSS der Antragsgegnerin ist seit März 2001 - und zwar erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens - in Deutschland zugelassen.

Vor der Zulassung von SSSSSSSSSS und während des Zulassungsverfahrens beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führte die Antragsgegnerin in Deutschland eine klinische Prüfung (§§ 40, 41 AMG) durch. Hierzu gab sie eine "Patienteninformation" (Stand: 21. August 2000, Anlage AS 2), einen für die Patienten bestimmten "Asthma-Kontrollplan für SSSSSSSSSS" (Anlage AS 3) sowie ein Studienprotokoll (Stand: 21. August 2000, Anlage AS 4) heraus. In diesen Unterlagen für die klinische Prüfung wurde die Produktbezeichnung SSSSSSSSSS verwendet. Damals (die Antragsschrift der Antragstellerin datiert vom 2. November 2000) war das Arzneimittel zwar in Schweden schon zugelassen (vgl. Anlage AS 1), aber in Deutschland noch nicht.

Die Antragstellerin hat die Verwendung der Bezeichnung SSSSSSSSSS in den Unterlagen sowie die darin erfolgten "lobenden" Äußerungen über das Arzneimittel als wettbewerbswidrig beanstandet. Im vorliegenden Verfügungsverfahren hat sie die Antragsgegnerin deswegen auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die klinische Prüfung der Antragsgegnerin (die "Axxxx"-Studie der sog. Phase III vor der Zulassung) soll nach ihren eigenen Angaben "ca. 8.000 Patienten aus ca. 2.000 Praxen und Kliniken in Deutschland" einschließen, und zwar über einen Zeitraum von 16 Wochen; in der Studie soll der "Einfluss zweier verschiedener Asthma-Behandlungsschemata - einem herkömmlichen und einem neuen, variablen - auf Lebensqualität und Kosten miteinander verglichen werden" (Anlage AS 2, Seite 1).

In den für die Patienten bestimmten Unterlagen wird das Arzneimittel der Antragsgegnerin mit "SSSSSSSSSS" bezeichnet (so in der "Patienteninformation" auf 8 Seiten 18 mal: Anlage AS 2; das Kontrollblatt ist überschrieben mit "Asthma-Kontrollplan für SSSSSSSSSS": Anlage AS 3), auch im Studienprotokoll wird die Produktbezeichnung SSSSSSSSSS verwendet (Anlage AS 4). In der "Patienteninformation" heißt es u. a.:

"Das in der Studie verwendete Prüfmedikament ist Ssssssssss. Es enthält ein Kortikosteroid (Budesonid) und ein langwirksames Beta-Sympathomimetikum (Formoterol). Die beiden Einzelkomponenten sind zugelassen und im klinischen Gebrauch. Die Kombination ist in Deutschland noch nicht zugelassen. ...

In beiden Behandlungsgruppen werden Sie mit dem Prüfmedikament Ssssssssss behandelt ... Sie erhalten die beiden in der Asthmabehandlung bewährten Medikamente (Budesonid und Formoterol) aber in einer Kombination, die als solche neu ist. Die Einnahme nur eines Medikamentes statt zweier verschiedener stellt eine Erleichterung dar. Ebenso lässt die Kombination zweier Medikamente in einer Anwendung kein anderes Nebenwirkungsspektrum erwarten. 2000 Patienten haben bereits über 1 Jahr lang die kombinierte Asthmabehandlung von Budesonid und Formoterol in separaten Inhalatoren getestet und diese Kombination gut vertragen. Deshalb kann man bei der fixen Kombination in einem Inhalator ebenfalls mit guter Verträglichkeit rechnen." (Anlage AS 2, Seite 1 und 6).

Das Landgericht hat in seinem Beschluss vom 3. November 2000 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten,

im Rahmen einer vor der deutschen Zulassung des Arzneimittels Ssssssssss durchzuführenden klinischen Prüfung nach §§ 40, 41 AMG den Handelsnamen Ssssssssss zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, insbesondere ihn verwendende Unterlagen für die klinische Prüfung an Ärzte und/oder Kliniken abzugeben und/oder durch diese an Patienten abgeben zu lassen, insbesondere wenn dies unter Nennung positiver Eigenschaften dieses Arzneimittels geschieht.

Gegen die Beschlussverfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. In der Wiederspruchsverhandlung vom 15. Mai 2001 hat die Antragstellerin das Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt; seit März 2001 ist (wie ausgeführt) das Arzneimittel SSSSSSSSSS in Deutschland zugelassen. Der Erledigungserklärung hat die Antragsgegnerin widersprochen. Mit seinem Urteil vom 5. Juni 2001 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung. Sie beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils festzustellen, dass das Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt ist.

Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht dem Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der Erledigung nicht entsprochen, sondern den Verfügungsantrag unter Aufhebung der einstweiligen Beschlussverfügung zurückgewiesen.

Auch nach Auffassung des Senats ist der Verfügungsantrag gemäß der Beschlussverfügung von Anfang an unbegründet gewesen. Demgemäß konnte die Erledigung des Verfahrens nicht festgestellt werden, nachdem die Erledigungserklärung einseitig geblieben ist.

I.

1.) Der Gegenstand des Unterlassungsantrages - dieser ist mit zwei "insbesondere"-Verknüpfungen zweifach abgestuft - betrifft im vorangestellten Teil (siehe dazu nachstehend unter II.) die Verwendung des Handelsnamens SSSSSSSSSS im Rahmen einer vor der deutschen Zulassung des Arzneimittels SSSSSSSSSS durchzuführenden klinischen Prüfung (§§ 40, 41 AMG).

Die klinische Prüfung, auf die der Antrag unter Hinweis auf die §§ 40, 41 AMG Bezug nimmt, betrifft vor der Arzneimittelzulassung die Phasen I bis III (zur Definition: Kloesel/Cyran, AMG, § 40 AMG Anm. 1 b), demgemäß wird die Phase IV der klinischen Prüfung nach der Zulassung vom Antrag nicht erfasst.

Der Umfang der Benutzung der Bezeichnung SSSSSSSSSS wird in diesem Teil des Antrages nicht näher bestimmt, es geht demgemäß generell um die Verwendung der Bezeichnung, d. h. auch z. B. auf den Arzneimittelpackungen (im Rahmen der klinischen Prüfung), aber auch auf hierzu ausgegebenen Unterlagen (wie z. B. diejenigen gemäß Anlagen AS 2-4). Da solche Unterlagen im Rahmen der klinischen Prüfung selbstverständlich an Ärzte und Patienten gelangen, sind die im ersten "insbesondere"-Teil des Antrages beschriebenen Handlungen vom vorangestellten Antragsteil nicht etwa ausgenommen.

Nicht zum Gegenstand des Unterlassungsantrages gehört der Schriftwechsel der Antragsgegnerin mit der Zulassungsbehörde, soweit darin die Bezeichnung SSSSSSSSSS verwendet wird, sowie das geschäftsinterne Tun der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit den Zulassungsvorbereitungen für das Arzneimittel. Das hat die Antragstellerin in der Berufungsverhandlung klarstellen lassen.

2.) Der erste "insbesondere"-Teil des Antrages (vgl. unter II.) betrifft die Abgabe von Unterlagen an Ärzte bzw. Kliniken und/oder durch diese an Patienten, in denen der Handelsname SSSSSSSSSS verwendet wird, und zwar für die klinische Prüfung von SSSSSSSSSS vor der Zulassung des Arzneimittels in Deutschland.

Wie oben ausgeführt, sind die beschriebenen Handlungen bereits Teil des vorangestellten Antragsteils, insoweit handelt es sich nur um eine teilweise Wiederholung.

3.) Der zweite "insbesondere"-Teil des Antrages (vgl. unter III.) betrifft die im ersten "insbesondere"-Teil beschriebenen Handlungen, wenn das unter Nennung positiver Eigenschaften dieses Arzneimittels SSSSSSSSSS geschieht. Hierzu gehören jedenfalls die in der "Patienteninformation" (Anlage AS 2) aufgeführten, von der Antragstellerin beanstandeten Wendungen.

II.

Der Unterlassungsantrag im Umfang des vorangestellten (allgemeinen) Teils unter Einschluss des ersten "insbesondere"-Teils ist auch nach Auffassung des Senats von Anfang an nicht begründet gewesen.

1.) Als Anspruchsgrundlage ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin § 10 HWG (mit § 1 UWG) nicht gegeben.

§ 10 HWG enthält ein Verbot der Publikumswerbung für bestimmte Arzneimittelgruppen und darüber hinaus in § 10 Abs. 1 HWG bezüglich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel auch ein Werbeverbot gegenüber den Fachkreisen, die nicht zu einer abschließend aufgezählten Personengruppe von Fachleuten im engeren Sinne zählen (vgl. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 10 HWG Rz. 10).

Gegenstand des Unterlassungsantrages ist - wie ausgeführt - die als Werbung beanstandete Verwendung der Bezeichnung SSSSSSSSSS vor der Zulassung des Arzneimittels. Insoweit geht die Bestimmung des § 3 a HWG vor, die die Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel betrifft.

2.) Der Unterlassungsantrag ist aus den Vorschriften des § 10 Abs. 10 Satz 1-3 AMG in direkter Anwendung (mit § 1 UWG) von Anfang an nicht begründet gewesen.

(a) Die erste Voraussetzung dafür, dass ein - wie vorliegend SSSSSSSSSS - zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel in den Verkehr gebracht werden darf, ist grundsätzlich, dass es zugelassen worden ist. § 10 AMG regelt hierbei die Kennzeichnung von Arzneimitteln, damit werden für die in § 10 Abs. 1 AMG genannten Fertigarzneimittel weitere Voraussetzungen für das Inverkehrbringen bestimmt (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG, Anm. 1).

(b) Die Vorschrift des § 10 Abs. 10 AMG betrifft die Kennzeichnung von denjenigen Arzneimitteln, die zur klinischen Prüfung (vgl. § 40 AMG) bestimmt sind.

Hierbei ist § 10 Abs. 10 Satz 1-2 AMG insbesondere auch für noch nicht zugelassene, zum Zwecke der klinischen Prüfung bestimmte Arzneimittel von Bedeutung. § 10 Abs. 10 Satz 3 AMG ist eine zusätzliche Bestimmung zur Kennzeichnung bereits zugelassener Arzneimittel zum Zwecke der klinischen Prüfung.

Die Phasen I bis III der klinischen Prüfung finden vor der Zulassung des Arzneimittels statt, so dass bestimmte Angaben, die erst im Zulassungsverfahren festgelegt werden, zu diesem Zeitpunkt noch nicht gemacht werden können oder aus Gründen der Prüfungsanlage entfallen (z. B. beim "Doppel-Blind-Versuch"; vgl. Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG, Anm. 71). Da die Prüfungen aber nicht nur vom pharmazeutischen Unternehmer, sondern auch an anderen Stellen z. B. bei Ärzten und in Kliniken durchgeführt werden, muss der pharmazeutische Unternehmer die Prüfpräparate an diese Stellen abgeben und damit im Sinne des § 4 Abs. 17 AMG in den Verkehr bringen; diese Fälle des Inverkehrbringens zum Zwecke der klinischen Prüfung bedürfen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 und 5 AMG keiner Zulassung.

Zum Zwecke der klinischen Prüfung bestimmte Arzneimittel sind nach § 10 Abs. 10 Satz 1 AMG zu kennzeichnen, es ist insoweit eine Mindestkennzeichnung (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG, Anm. 71), sie sind außerdem mit dem Hinweis "Zur klinischen Prüfung bestimmt" zu versehen (§ 10 Abs. 10 Satz 2 AMG). Mithin sind für zum Zwecke der klinischen Prüfung bestimmte Arzneimittel die Angaben gemäß § 10 Abs. 10 Satz 1-2 AMG vorgeschrieben, diese Vorschriften enthalten aber hinsichtlich anderer Bezeichnungen oder Angaben kein ausdrückliches Verbot.

Demgegenüber verbietet es § 10 Abs. 10 Satz 3 AMG, die Behältnisse und äußeren Umhüllungen von zugelassenen, jedoch zur klinischen Prüfung bestimmten Arzneimitteln mit der Bezeichnung zu kennzeichnen, unter der das Arzneimittel zugelassen ist. Die Vorschrift gilt also für die Phase IV der klinischen Prüfung nach der Zulassung des Arzneimittels (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG, Anm. 71).

(c) Aus § 10 Abs. 10 Satz 1 AMG (mit § 1 UWG) ist der Unterlassungsantrag nicht begründet gewesen.

Nach § 10 Abs. 10 Satz 1 AMG muss ein zur klinischen Prüfung bestimmtes Arzneimittel die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG vorgeschriebene Bezeichnung des Arzneimittels aufweisen. Soweit das Arzneimittel - wie vorliegend ursprünglich SSSSSSSSSS - noch nicht zugelassen ist, gibt es für seine Bezeichnung noch keine zwingende Vorgabe. Es muss demnach nicht etwa die später (im Falle der Zulassung) in Aussicht genommene Bezeichnung des Arzneimittels gewählt werden, es kann auch eine davon abweichende Bezeichnung sein. Andererseits ist es auch nicht untersagt, schon während des Zulassungsverfahrens und damit auch im Rahmen der klinischen Prüfung das Arzneimittel unter der in Aussicht genommenen Bezeichnung zu verwenden. Dem Gesetz lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen, auch in der Literatur wird - soweit erkennbar - nicht vertreten, dass das Arzneimittel im Rahmen der klinischen Prüfung vor der Zulassung etwa abweichend von der späteren Bezeichnung benannt werden müsse.

Demgemäß ist es nach § 10 Abs. 10 Satz 1 AMG nicht untersagt gewesen, dass SSSSSSSSSS unter dieser Bezeichnung vor der Zulassung die klinische Prüfung durchlief.

(d) Der Unterlassungsanspruch ist aus § 10 Abs. 10 Satz 3 AMG in direkter Anwendung (mit § 1 UWG) nicht begründet gewesen.

Nach dem Streitgegenstand geht es um die Verwendung der Bezeichnung SSSSSSSSSS vor der Zulassung des Arzneimittels im Rahmen der klinischen Prüfung. Das erstrebte Verbot kann sich nicht auf § 10 Abs. 10 Satz 3 AMG, die Vorschrift betrifft nur die Kennzeichnung bereits zugelassener Arzneimittel, und zwar in der ebenfalls nicht streitgegenständlichen Phase IV der klinischen Prüfung. Wie oben ausgeführt, handelte es sich bei der "Ataco"-Studie für SSSSSSSSSS um eine Prüfung der Phase III.

3.) Der Unterlassungsantrag ist auch nach Auffassung des Senats aus § 10 Abs. 10 Satz 3 AMG in analoger Anwendung (mit § 1 UWG) von Anfang an nicht begründet gewesen.

Eine extensensive Anwendung auf Fallgestaltungen, die eindeutig nicht unter den gesetzlichen Tatbestand fallen, ist ausgeschlossen. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrift des § 10 AMG sind bußgeldbedroht (§ 97 Abs. 2 Nr. 4 AMG). Der analogen Anwendung dieser Vorschrift steht § 3 OWiG und damit das Analogieverbot zuungunsten des Täters (Art. 103 Abs. 2 GG) entgegen (vgl. für die inzwischen außer Kraft getretenen Bestimmungen des RabattG und der ZugabeVO: Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage, vor § 1 RabattG Rz. 10, vor § 1 ZugabeVO Rz. 12 jeweils m. w. Nw.).

Im übrigen ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin insoweit auch keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke bei den arzneimittelrechtlichen Vorschriften vorhanden. § 10 Abs. 10 Satz 3 AMG trägt der Besonderheit Rechnung, dass zugelassene Arzneimittel nicht unter derselben Bezeichnung sowohl im normalen Arzneimittelhandel als auch (mit dem Zusatz: "Zur klinischen Prüfung bestimmt") in der besagten klinischen Prüfung in Erscheinung treten, um eine dadurch naheliegende Irreführung der Verkehrskreise auszuschließen (Rehmann, Arzneimittelgesetz, § 10 AMG, Rz. 27). Dass die Vorschrift auch bezweckt, einen Missbrauch der klinischen Prüfung zu Marketingzwecken zu verhindern (vgl. die Hinweise der Klägerin auf Anlage K 6; Sander, Arzneimittelrecht, § 10 AMG S. 39), spricht nicht für eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke im Bereich noch nicht zugelassener Arzneimittel. Denn vor der Zulassung darf ein zulassungspflichtiges Arzneimittel nicht vertrieben (§ 21 AMG) und auch nicht beworben werden (§ 3 a HWG), eine Irreführung durch die Verwendung "derselben" Bezeichnung bei der klinischen Prüfung kommt (anders als nach der Zulassung und dem Markteintritt des Arzneimittels) nicht in Betracht.

§ 10 AMG steht auch mit § 3 a HWG im Einklang; während § 3 a HWG jedoch die Werbung für Arzneimittel regelt, hat § 10 AMG die Information des Verbrauchers zum Zweck (Kloesel/Cyran, AMG, § 10 AMG, Anm. 1).

4.) Der Unterlassungsantrag war aus § 3 a HWG (mit § 1 UWG) ebenfalls nicht begründet.

(a) Das zulassungspflichtige Arzneimittel SSSSSSSSSS war allerdings bis März 2001 in Deutschland nicht zugelassen und durfte gemäß § 3 a HWG nicht beworben werden. Insoweit kommt es auf eine fehlende Zulassung im Inland an. Dass das Arzneimittel SSSSSSSSSS zuvor in Schweden bereits zugelassen war, ist für § 3 a HWG ohne Belang (vgl. § 73 Abs. 1 AMG).

(b) Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Verwendung der Arzneimittelbezeichnung SSSSSSSSSS auf den Behältnissen und in den streitgegenständlichen Unterlagen der klinischen Prüfung inhaltlich objektiv und subjektiv Werbung im Sinne des § 3 a HWG ist.

Durch die Verwendung des Handelsnamens SSSSSSSSSS begegnet das Arzneimittel innerhalb der klinischen Prüfung den betreffenden Ärzte bzw. dem Klinikpersonal sowie den in Rede stehenden Patienten eben unter derselben Bezeichnung wie später auf dem Arzneimittelmarkt, der durch die schon zur erweckte Aufmerksamkeit entsprechend beeinflusst werden kann. Dass ein solcher Pre-Marketing-Effekt (bei positivem Ausgang der klinischen Prüfung) nicht unwillkommen ist, liegt schon nach der Lebenserfahrung auf der Hand. Zudem war SSSSSSSSSS schon damals in Schweden zugelassen und von dort aus im Einzelbezug (vgl. § 73 AMG) erhältlich.

(aa) Der Anwendung des § 3 a HWG steht nicht entgegen, dass die Arzneimittelbezeichnung bei den Unterlagen für die klinische Prüfung nicht in einem "reklamehaften", sondern in einem sachlich gehaltenen Umfeld auftaucht (ständige Rechtsprechung zum Werbebegriff des HWG: vgl. BGH GRUR 1991, 860 - Katovit, GRUR 1999, 179 - Patientenwerbung; vgl. die Senatsentscheidung für den Fall der Herausgabe einer Basisinformation durch den Pharmahersteller: OLG Hamburg MagazinDienst 2002, 119).

(bb) § 3 a HWG bleibt grundsätzlich anwendbar, obwohl die Arzneimittelbezeichnung SSSSSSSSSS auf den Packungen in den Unterlagen zur klinischen Prüfung nur den Beteiligten an der klinischen Prüfung begegnet.

Die Vorschrift dient werberechtlich der Arzneimittelsicherheit und soll die Patienten vor Arzneimitteln schützen, die mangels einer medizinisch-pharmakologischen Prüfung auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht verkehrsfähig sind. Sie soll aber auch verhindern, dass Fachkreise in der Phase vor der Zulassung eines Arzneimittels in der Ausübung ihrer Therapiefreiheit bereits werblich beeinflusst werden, sei es zur Veranlassung eines Einzelbezugs gemäß § 73 AMG, sei es durch Maßnahmen des Pre-Marketing zwecks werblicher Fixierung auf das zur Markteinführung anstehende Präparat (vgl. Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 2 m. w. Nw.).

Dem entsprechend ist § 3 a HWG auch im Rahmen einer klinischen Studie, bei der den Beteiligten Unterlagen vom Pharmahersteller überlassen werden, grundsätzlich anwendbar. Die freiwillige Teilnahme und das dadurch bekundete Informationsinteresse schließt selbstverständlich nicht aus, dass die Beteiligten an der Studie Werbeadressaten sein können. So ist auch nur auf Aufforderung zugeschicktes oder überlassenes wissenschaftliches Informationsmaterial (z. B. Sonderdrucke von klinischen Studien) Werbung, wenn es von einem Pharmaunternehmen in seine produktbezogene Absatzwerbung aufgenommen wird (vgl. Doepner, a. a. O., § 3 a HWG, Rz. 9 m. w. Nw.). Bei der Teilnahme an der klinischen Studie von SSSSSSSSSS gilt nichts anderes.

(cc) Auch die Erwägung, dass bei den Beteiligten die Teilnahme an der Studie im Vordergrund stünde, so dass etwaige (spätere) Entschließungen zum Arzneimittelbezug zurücktreten würden bzw. bei der heilmittelwerberechtlichen Beurteilung zu vernachlässigen wären, kann nicht durchgreifen.

Im Wettbewerbsrecht kommt es auf die tatsächliche Entschlussbildung durch eine Werbemaßnahme für deren Einordnung als "Werbung" grundsätzlich nicht an, für § 3 a HWG gilt nichts anderes. Das entspricht der Lebenswirklichkeit, aber auch den Bedürfnissen der Praxis. Diesen würde es, wie der Senat bereits entschieden hat, widersprechen, ein- und dieselbe Maßnahme in der Einordnung als Werbung unterschiedlich danach zu bewerten, wieweit ein Kaufentschluss bereits gediehen ist. (vgl. OLG Hamburg, a. a. O.).

(c) Die beanstandeten Maßnahmen der Antragsgegnerin im Rahmen der klinischen Prüfung von SSSSSSSSSS vor der Zulassung des Arzneimittels stellen aber keine nach § 3 a HWG unzulässige Werbung dar.

Der im Ausgangspunkt weite heilmittelwerberechtliche Werbebegriff des § 3 a HWG erfährt nach dem Willen des Gesetzgebers gesetzessystematisch und teleologisch bedingt eine normative Korrektur dahingehend, dass alle diejenigen Angaben, die arzneimittelrechtlich für die Packung oder Packungsbeilage vorgeschrieben oder gestattet sind, unabhängig von ihrer etwaigen Werbeeignung und des Intentionen des Werbenden nicht als heilmittelwerberechtlich relevante Absatzwerbung anzusehen sind und damit nicht in den Anwendungsbereich des HWG fallen. Ausgenommen sind somit neben den arzneimittelrechtlich vorgeschriebenen Pflichtangaben auch die dem besseren Verständnis dieser Pflichtangaben dienenden, die Anwendung des Arzneimittels verdeutlichenden und erläuternden Hinweise, sowie die freiwilligen weiteren Angaben, soweit sie mit der Verwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung wichtig sind und den Angaben nach § 11 a AMG nicht widersprechen (Doepner, a. a. O., § 1 HWG, Rz. 19 m. w. Nw.).

Nach diesen Grundsätzen wäre es verfehlt, die Verwendung der Arzneimittelbezeichnung SSSSSSSSSS vor der Zulassung im Rahmen der klinischen Prüfung, die nach den obigen Ausführungen mit den Bestimmungen des § 10 Abs. 10 AMG im Einklang steht, als eine nach § 3 a HWG grundsätzlich unzulässige Werbung einzuordnen.

Nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG sind zudem Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung bei Menschen bestimmt sind, von der Zulassungspflicht gemäß § 21 Abs. 1 AMG ausgenommen. Die Verwendung der Bezeichnung SSSSSSSSSS vor der Zulassung des Arzneimittels im Rahmen der klinischen Prüfung (auf den Packungen und in den Unterlagen für die klinische Prüfung) verstößt demgemäß nicht grundsätzlich gegen § 3 a HWG.

Auf Besonderheiten, die im Einzelfall zu einem anderen Ergebnis der werberechtlichen Beurteilung im Rahmen des § 3 a HWG führen könnten, stellt der Streitgegenstand nicht ab.

5.) Nach alledem ist auch nach Auffassung des Senats der Unterlassungsantrag von Anfang an unbegründet gewesen. Das gilt für den Antrag im verallgemeinerten Teil vor dem ersten "insbesondere"-Teil ebenso so wie für den Antrag unter dessen Einbeziehung. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

III.

Der Unterlassungsantrag im Umfang des zweiten "insbesondere"-Teils ist nach Auffassung des Senats von Anfang an ebenfalls nicht begründet gewesen.

Inwieweit der Unterlassungsantrag im Hinblick auf die verallgemeinerte Formulierung ("Nennung positiver Eigenschaften") die konkrete Verletzungsform ausreichend erfasst, bedarf keiner näheren Erörterung:

Die Antragstellerin beanstandet jedenfalls auch die Verwendung der "Patienteninformation" (Anlage AS 2) als massive Werbung, um durch den sehr häufig (18 mal) genannten Produktnamen SSSSSSSSSS "als Bindeglied" die Erfahrungen mit dem Arzneimittel während der Studie auf den späteren Markteintritt bei den angesprochenen Fachkreisen und Endverbrauchern zu übertragen. Das sei offenkundig missbräuchlich geschehen: Die Studie habe mit 16 Wochen sehr lange gedauert und ein besonders großes Patientenkollektiv (etwa 8.000 Patienten aus etwa 2.000 Praxen und Kliniken) aufgewiesen, die Studie sei erst nach der schwedischen Zulassung von SSSSSSSSSS durchgeführt worden und deren Ende habe sich mit der Zulassung zeitlich überlappt.

Die Verwendung der "Patienteninformation" (Anlage AS 2) ist unter Einbeziehung der beanstandeten Gesichtspunkte entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen nicht als nach § 3 a HWG unzulässige Werbung zu bewerten. Ein missbräuchliches Verhalten ist nicht gegeben. Demgemäß ist der Antrag unbegründet gewesen.

1.) Es ist nicht erheblich, dass die Bezeichnung SSSSSSSSSS in der "Patienteninformation" bzw. unter Einrechnung der anderen Unterlagen der klinischen Prüfung häufiger (18 mal) genannt worden ist. Die Arzneimittelbezeichnung befindet sich während der klinischen Prüfung auf der Verpackung bzw. auf dem Behältnis, das steht - wie ausgeführt - mit § 10 Abs. 10 AMG im Einklang. Es ist naheliegend, in Übereinstimmung mit den Packungen auch in den Unterlagen dieselbe Arzneimittelbezeichnung zu wählen. Dass das Präparat SSSSSSSSSS damit gemeint ist, ist den Beteiligten an der klinischen Studie ohnehin klar. Es wäre daher verfehlt, die Darstellung in den Prüfungsunterlagen unnötig streng zu bewerten. Jedenfalls kann von einer offenkundig übertriebenen Häufung der verwendeten Bezeichnung keine Rede sein.

2.) Für die "positiven Wendungen" in der "Patienteninformation" gilt nichts anderes. Das Informations- und Aufklärungsinteresse der an der Studie Beteiligten muss insoweit grundsätzlich Vorrang haben. Eine übertriebenen Form der werblichen Darstellung ist nicht gegeben.

Es gehört zu wesentlichen Information der an der klinischen Studie Beteiligten, dass diese erfahren, dass es sich bei SSSSSSSSSS um eine Kombination von zwei Einzelkomponenten handelt, die ihrerseits bereits zugelassen und im klinischen Gebrauch sind. Da die Einzelkomponenten zugelassen sind, ist auch nicht zu beanstanden, dass diese ihrerseits positiv im Hinblick auf das Nebenwirkungsspektrum beschrieben werden. Denn das dient zugleich zur Begründung für die erwartete ("ist zu rechnen") gute Verträglichkeit von SSSSSSSSSS. Es ist nicht unzulässig, im Rahmen einer Studie, die gerade auch zur Feststellung und Beobachtung etwaiger Nebenwirkungen dienen soll, in dieser zurückhaltenden Form eine Prognose abzugeben. Dass es eine "Erleichterung" darstellt, wenn man nur ein Präparat an Stelle von zwei Arzneimitteln einnimmt, ist ganz naheliegend, mehr wird in der "Patienteninformation" dazu nicht gesagt.

3.) Auch die übrigen Argumente der Antragstellerin greifen vorliegend nicht durch. Dass eine klinische Studie ein großes Patientenkollektiv und eine längere Dauer aufweist, dient der Arzneimittelsicherheit und kann deswegen nur in Grenzfällen als verkappte Werbung Bedenken entstehen lassen. Dass SSSSSSSSSS zur Zeit der Durchführung der Studie bereits in Schweden zugelassen gewesen ist, findet in den Studienunterlagen keine Erwähnung.

IV.

Nach alledem war die unbegründete Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück