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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: 3 U 279/06
Rechtsgebiete: UWG, LFBG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8 Abs. 1
LFBG § 2 Abs. 2
LFBG § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
LFBG § 3 Abs. 2 S. 2
LFBG § 4 Abs. 1 Nr. 2
LFBG § 6 Abs. 1 Nr. 1 a
LFBG § 6 Abs. 1 Nr. 2
1. Ein Produkt, das per 100 g D-Glucosaminsulfat mit einem Anteil von 33,32 g und Chondroitinsulfat mit einem Anteil von 26,66 g enthält, und für das eine tägliche Verzehrempfehlung von 0,5 g D-Glucosaminsulfat und 0,4 g Chondroitinsulfat gegeben wird, darf nicht als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 LFBG).

2. Bei den Zutaten Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat handelt es sich nicht um Zusatzstoffe im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 LFBG, wenn sie dem Lebensmittel nicht aus technologischen Gründen zugesetzt werden. Die beiden Stoffe werden jedoch den Zusatzstoffen gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFBG gleichgestellt, weil sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit üblicherweise weder selbst als Lebensmittel verzehrt, noch als charakteristische Zutaten eines Lebensmittels verwendet werden.

3. Der Bewertung der beiden Stoffe als den Zusatzstoffen gleichgestellte Stoffe steht nicht entgegen, dass das Nahrungsergänzungsmittel überwiegend, nämlich zu rund 60% aus den beiden Stoffen besteht.

4. Zur Bestimmung einer allgemeinen Verkehrsauffassung darüber, ob ein Stoff üblicherweise selbst als Lebensmittel verzehrt oder als charakteristische Zutaten eines Lebensmittels verwendet wird, ist auf die Auffassung aller am Verkehr mit Lebensmitteln beteiligten Kreise, also die Auffassung von Herstellern und Händlern sowie der Verbraucher abzustellen. Entscheidend ist, ob die überwiegende Verwendung wegen des Nähr-, Genuss- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel allgemein üblich ist.

5. Die lebensmittelrechtlichen Vertriebsverbote stellen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, die dem Schutz der Marktteilnehmer, nämlich der Verbraucher, dienen.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 279/06

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 29. März 2007

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Dr. Löffler, Terschlüssen nach der am 1. März 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31. Oktober 2006, Az. 312 O 775/06, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburgs vom 2. Oktober 2006 mit der Maßgabe bestätigt wird, dass der Antragsgegnerin mit der einstweiligen Verfügung vom 2. Oktober 2006 verboten wird,

"...im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ein Produkt, das per 100 g D-Glucosaminsulfat mit einem Anteil von 33,32 g und Chondroitinsulfat mit einem Anteil von 26,66 g enthält, und für das eine tägliche Verzehrempfehlung von 0,5 g D-Glucosaminsulfat und 0,4 g Chondroitinsulfat gegeben wird, als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr zu bringen."

Die Kosten der Berufung fallen der Antragsgegnerin zur Last.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln.

Die Antragsgegnerin bietet u.a. "GO-ON(r)-Tabletten", als "Nahrungsergänzungsmittel für Gelenke und Knorpel" an (Anlage ASt 1). Dazu heißt es auf der Verpackung:

"Neben regelmäßiger Bewegung sind G. (r)-Tabletten ein wichtiger Beitrag zur Ernährung Ihrer Gelenke.

G. (r)-Tabletten enthalten D-Glucosamin (D-Glucosaminsulfat) und Chondroitin (Chondroitinsulfat). D-Glucosamin ist ein Baustein des natürlichen Knorpels und unterstützt die Bildung der so genannten Gelenkschmiere. Chondroitin ist Bestandteil gesunder Gelenkknorpel, verleiht dem Knorpel die Struktur und ist mitverantwortlich für die Wasserbindung, Nährstoffversorgung und damit auch für die Elastizität des Gelenkknorpels" (Anlage ASt 1).

Bei Einhaltung der auf der Verpackung angegebenen Verzehrempfehlung von 2 Tabletten pro Tag wird eine Dosis von 500 mg Glucosaminsulfat und 400 mg Chondroitinsulfat erreicht (Anlage ASt 1).

Die Zutaten Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat werden bei Arzneimitteln zur Schmerzlinderung und zur Funktionsverbesserung bei Kniegelenkarthrose eingesetzt (Anlage ASt 2). Die am Markt befindlichen Arzneimittel weisen eine tägliche Dosis von 1.500 mg Glucosaminsulfat auf (Anlage ASt 5).

Mit Schreiben vom 21. September 2006 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin abmahnen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Zutaten Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat in Arzneimitteln Verwendung fänden, und dass die Antragsgegnerin mit diesem Produkt zudem gegen das Zusatzstoffverwendungsverbot des § 6 Abs. 1 LFBG verstoße (Anlage ASt 3). Die Antragsgegnerin war jedoch nicht bereit, dem Verlangen der Antragstellerin zu entsprechen (Anlage ASt 4).

Nachfolgend erwirkte die Antragstellerin die vorliegende einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, vom 2. Oktober 2006, Aktenzeichen 312 O 775/06, mit welcher der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ein als Nahrungsergänzungsmittel aufgemachtes Produkt unter Verwendung der Zutat "Glucosaminsulfat" und/oder "Chondroitinsulfat" in den Verkehr zu bringen.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht diese einstweilige Verfügung mit Urteil vom 31. Oktober 2006, Aktenzeichen 312 O 775/06, bestätigt.

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin frist- und formgerecht Berufung eingelegt und diese auch frist- und formgerecht begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. Danach handele es sich bei den Inhaltsstoffen Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat -unstreitig- nicht um Lebensmittelzusatzstoffe im Sinne von § 2 Abs. 3 LFBG. Sie seien aber auch nicht als Stoffe anzusehen, die den Lebensmittelzusatzstoffen gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFBG gleichzustellen seien, weil diese Zutaten natürlicher Herkunft seien und nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nährwerts verzehrt würden.

In der Berufungsinstanz trägt die Antragsgegnerin vor, dass es sich bei den Stoffen Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat um handelsübliche Rohstoffe für die Lebensmittelherstellung handele (Anlagen B 1 und B 2). Zudem sei der Begriff des Nährstoffs entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht auf Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate sowie Mineralstoffe, Vitamine und Pro-Vitamine beschränkt. Der Nährstoffbegriff erfasse vielmehr alle diejenigen Inhaltsstoffe von Lebensmitteln, die für die Funktion und Gesunderhaltung des Organismus notwendig seien (Anlage B 10). Dazu zählten auch Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat. Dies werde auch vom Verkehr so gesehen, denn am Markt würden zahlreiche vergleichbare Nahrungsergänzungsmittel mit derselben Zweckbestimmung angeboten, welche ebenfalls Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat enthielten (Anlagen B 3 bis B 9).

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31. Oktober 2006 (Geschäftszeichen: 312 O 775/06) aufzuheben und den zugrunde liegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und das landgerichtliche Urteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antragsgegnerin verboten werde, ein Produkt, das per 100 g D-Glucosaminsulfat mit einem Anteil von 33,2 g und Chondroitinsulfat mit einem Anteil von 26,66 g enthält, und für das eine tägliche Verzehrempfehlung von 0,5 g D-Glucosaminsulfat und 0,4 g Chondroitinsulfat gegeben wird, als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr zu bringen.

Die Antragstellerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit der vorgenannten Maßgabe und tritt der Berufung der Antragsgegnerin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages entgegen.

Sie ist der Ansicht, dass es sich bei den Inhaltsstoffen Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat um nicht zugelassene Stoffe handele, die den Lebensmittelzusatzstoffen gleichgestellt seien.

In der Berufungsinstanz will die Antragstellerin das beantragte Verbot -erstmalig- auch darauf stützen, dass die behauptete ernährungsphysiologische Wirkung auf die Gelenke nicht wissenschaftlich gesichert sei.

Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 1. März 2007 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 a) und Nr. 2, 2 Abs. 3 Nr. 1 LFBG begründet.

Die Antragstellerin hat in der Berufungsinstanz klargestellt, dass sie mit dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch ein Vertriebsverbot für das von der Antragsgegnerin angebotene Produkt erstrebe. Der Unterlassungsantrag ist - auf Nachfrage des Gerichts - in der Berufungsverhandlung entsprechend klargestellt worden. Eine kostenrelevante Teilrücknahme des Unterlassungsantrages liegt darin nicht.

Soweit in dem klargestellten Antrag auf einen Gehalt von 33,2 g D-Glucosaminsulfat je 100 g Tabletten abgestellt worden, liegt offensichtlich ein Bezeichnungsversehen vor. Die weitere Erklärung der Antragstellerin zeigt, dass auf den tatsächlich in dem Produkt befindlichen D-Glucosamingehalt, welcher 33,32 g pro 100 g Tabletten beträgt, abgestellt werden sollte. Daher hat der Senat in der Tenorierung des Unterlassungsanspruchs auf diesen tatsächlichen Gehalt von 33,32 g D-Glucosaminsulfat je 100 g Tabletten abgestellt. Dies erfolgt im Rahmen des § 938 Abs. 1 ZPO und damit kostenneutral.

a)

Bei den G. (r)-Tabletten der Antragsgegnerin handelt es sich nicht um ein Arzneimittel, denn der Gehalt an Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat ist bei Berücksichtigung der auf der Verpackung befindlichen Verzehrempfehlung -auch nach dem Vortrag der Antragstellerin- zu gering, um pharmakologische Wirkungen zu erzielen. Ein Verstoß gegen § 21 AMG liegt somit nicht vor.

b)

Bei den G. (r)-Tabletten handelt es sich vielmehr um ein Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 LFBG. Diese Vorschrift verweist auf die Definition in Art. 2 der EG-Lebensmittel-Rahmenverordnung, Nr. 178/2002. Lebensmittel im Sinne dieser Vorschrift sind danach

"alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeiteten oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden".

So liegt es hier, denn die Tabletten der Antragsgegnerin sollen zur Nahrungsergänzung von Menschen verzehrt werden. Somit haben die G. (r)-Tabletten der Antragsgegnerin die lebensmittelrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

Gegen diese Anforderungen verstößt die Antragsgegnerin mit dem Vertrieb der G. (r)-Tabletten. Es liegt ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nrn. 1 a) und 2, § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFGB vor.

Gemäß § 6 Abs. 1 LFBG ist es verboten,

"1. bei dem gewerbsmäßigen Herstellen oder Behandeln von Lebensmitteln, die dazu bestimmt sind, in den Verkehr gebracht zu werden,

a) nicht zugelassene Lebensmittel-Zusatzstoffe unvermischt oder in Mischungen mit anderen Stoffen zu verwenden,

b) ...

c) ...,

2. Lebensmittel gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, die entgegen dem Verbot der Nummer 1 hergestellt oder behandelt sind ..."

Die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LFBG erweitert das Zusatzstoffverbot des § 6 Abs. 1 LFBG auch auf Stoffe, welche gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 LFBG den Zusatzstoffen gleichgestellt sind.

Gemäß der Regelung des § 2 Abs. 3 LFBG sind Lebensmittel-Zusatzstoffe und die ihnen gleichgestellten Stoffe wie folgt definiert:

"(3) Lebensmittel-Zusatzstoffe sind Stoffe mit oder ohne Nährwert, die in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden und die einem Lebensmittel aus technologischen Gründen beim Herstellen oder Behandeln zugesetzt werden, wodurch sie selbst oder ihre Abbau- oder Reaktionsprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können. Den Lebensmittel-Zusatzstoffen stehen gleich

1. Stoffe mit oder ohne Nährwert, die üblicherweise weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden und die einem Lebensmittel aus anderen als technologischen Gründen beim Herstellen oder Behandeln zugesetzt werden, wodurch sie selbst oder ihre Abbau- oder Reaktionsprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können; ausgenommen sind Stoffe, die natürlicher Herkunft oder den natürlichen chemisch gleich sind und nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel verwendet werden,

2. ..."

Bei den Zutaten Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat handelt es sich nicht um Zusatzstoffe im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 LFBG, denn sie werden dem Lebensmittel -unstreitig- nicht aus technologischen Gründen zugesetzt. Die beiden Stoffe werden jedoch den Zusatzstoffen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFBG gleichgestellt. Das ergibt sich daraus, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit üblicherweise weder selbst als Lebensmittel verzehrt, noch als charakteristische Zutaten eines Lebensmittels verwendet werden.

Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Produktverpackungen (Anlagen B 3 bis B 9) zeigen zwar, dass am Markt verschiedene "Gelenk-Präparate" als Nahrungsergänzungsmittel präsent sind, die - wie das hier streitgegenständliche Produkt - Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat in Dosierungen enthalten, die nicht pharmakologisch wirksam sind. Die Antragsgegnerin hat mit diesen wenigen Beispielen jedoch noch nicht dargelegt, dass diese Produkte üblicherweise als Lebensmittel verzehrt oder als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden.

Zur Üblichkeit des Verzehrs bzw. der Verwendung fehlt hinreichender Sachvortrag, insbesondere ist nicht dargelegt worden, dass entsprechende Produkte bereits seit einiger Zeit am Markt präsent sind. Nur dann ließe sich möglicherweise feststellen, dass sich entsprechende Ernährungs- oder Herstellungsgewohnheiten entwickelt hätten. Die bloße Bezugnahme auf die Entscheidungen des OLG Köln vom 31. März 2004 (LMRR 2004, 53) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 1997 (ZLR 1997, 468) ersetzt - auch bei Berücksichtigung der "Johanniskraut"-Entscheidung des BGH (WRP 2004, 1481 ff.) - nicht den substantiierten Sachvortrag im vorliegenden Rechtsstreit. Im Rahmen der von der Antragstellerin als Anlage ASt 6 vorgelegten wissenschaftlichen Stellungnahme wird zudem ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei den beiden Stoffen weder um Lebensmittel, noch um lebensmitteltypische Zutaten handele.

Die G. (r)-Tabletten der Antragsgegnerin bestehen ganz überwiegend, nämlich zu rund 60% aus den beiden streitgegenständlichen Stoffen, denn in 100 g der Tabletten befinden sich 33,32 g D-Glucosaminsulfat und 26,66 g Chondroitinsulfat (insgesamt also rund 60 g). Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin, welche sich insoweit auf Entscheidungen des OLG Köln (OLG Köln LMRR 2004, 53 ff./Anlage ASt 7 und OLG Köln GRUR-RR 2006, 293 ff.) beruft, steht der Bewertung der beiden Stoffe als den Zusatzstoffen gleichgestellte Stoffe nicht entgegen, dass das streitgegenständliche Nahrungsergänzungsmittel überwiegend aus den beiden Stoffen D-Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat besteht. Eine mengenmäßige Beschränkung hinsichtlich der Zusatzstoffe kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Außerdem würde dieses Verständnis zu einer erheblichen, vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten, Schutzlücke führen.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zählen die beiden Stoffe D-Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat auch nicht zu den gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFBG letzter Halbsatz ausgenommenen Stoffen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie natürlicher Herkunft oder den natürlichen chemisch gleich wären und nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel verwendet würden.

Die beiden streitgegenständlichen Stoffe kommen ausweislich der Anlage ASt 6 im menschlichen Körper, und damit in der Natur vor. Die verwendeten Stoffe sind jedoch nicht "natürlicher Herkunft", denn insoweit ist nicht maßgeblich darauf abzustellen, dass die beiden Stoffe aus Krebstierteilen und Fischknorpeln gewonnen werden. Entscheidend ist vielmehr, dass sie das Ergebnis eines umfassenden chemischen Herstellungs- und Veränderungsprozesses sind (vgl. dazu Anlage Ast 4 [Stellungnahme R. vom 18. August 2006] und Anlage ASt 6). Dass die beiden Stoffe den natürlichen Stoffen "chemisch gleich", d.h. mit ihnen chemisch identisch wären, ist nicht dargelegt worden.

Es kann auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die allgemeine Verkehrsauffassung dahin geht, dass die beiden Stoffe wegen ihres Nährwertes verwendet werden. Die Antragsgegnerin hat mit der Vorlage der Stoff-Spezifikationen (Anlagen B 1 und B 2) und der Vorlage von Produktverpackungen von Konkurrenzpräparaten (Anlagen B 3 bis B 9) nicht hinreichend dargelegt, dass die beiden streitgegenständlichen Stoffe bzw. das entsprechende Nahrungsergänzungsmittel der Antragsgegnerin nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nährwerts verwendet würden.

Zum einen ist schon nicht dargelegt worden, dass dem streitgegenständlichen Nahrungsergänzungsmittel der behauptete Nährwert überhaupt zukommt. Vielmehr ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dies gerade nicht der Fall ist (vgl. Anlagen ASt 5 und ASt 6). Zum anderen kann auch nicht von einer entsprechenden allgemeinen Verkehrsauffassung ausgegangen werden, weil die Dauer der Verbreitung und der Verbreitungsgrad der Stoffe sowie der genannten Produkte nicht dargelegt worden sind. Zur Bestimmung einer allgemeinen Verkehrsauffassung ist auf die Auffassung aller am Verkehr mit Lebensmitteln beteiligten Kreise, also die Auffassung von Herstellern und Händlern sowie der Verbraucher abzustellen. Entscheidend ist, ob die überwiegende Verwendung wegen des Nähr-, Genuss- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel allgemein üblich ist. Nur dann kann von einer allgemeinen Verkehrsauffassung gesprochen werden (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 2 LFGB Rn. 66). Daran fehlt es im Hinblick auf die Stoffe D-Glucosamin und Chondroitin.

Die beiden Zutaten sind mithin gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFBG als Stoffe anzusehen, die den Zusatzstoffen gleichgestellt sind. Sie unterliegen damit dem Vertriebsverbot des § 6 Abs. 1 Nr. 2 LFGB.

Die lebensmittelrechtlichen Vertriebsverbote stellen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, die dem Schutz der Marktteilnehmer, nämlich der Verbraucher, dienen (BGH WRP 2004, 1482 - Johanniskraut).

Mithin ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 a) und Nr. 2, 2 Abs. 3 Nr. 1 LFBG begründet. Die Berufung war daher -mit der auf der Antragsklarstellung beruhenden Maßgabe- zurückzuweisen.

Ob das beantragte Verbot darüber hinaus auch deshalb begründet wäre, weil die behauptete ernährungsphysiologische Wirkung auf die Gelenke nicht wissenschaftlich gesichert ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 LFBG), kann somit offen bleiben.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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