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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 3 U 282/00
Rechtsgebiete: UWG, HWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 1
HWG § 3
1. Die Werbung für ein Arzneimittel als "pur" verstehen die ärztlichen Fachkreise jedenfalls dann nicht umfassend als (unzutreffenden) Hinweis auf eine Freiheit von jedweden Zusätzen bzw. besondere Reinheit des Präparats, wenn sich aus dem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang der Werbung eindeutige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Angabe nur auf die Abwesenenheit bestimmter Inhaltsstoffe beziehen soll (hier: "Konservierungsmittelfrei - antibiotikafrei - frei von Aluminiumhydroxiden").

2. Wirbt ein Unternehmen für sein Produkt mit der "Freiheit" von einem konkreten, von Konkurrenzunternehmen nach wie vor verwendeten Inhaltsstoff (hier: Aluminiumhydroxid), so hat es zur Vermeidung einer wettbewerbswidrigen Herabsetzung von Wettbewerbern im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass ein Verzicht auf diesen Inhaltsstoff nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen anzustreben ist.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 282/00

Verkündet am: 17.05.2001

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter v. Franqué, Spannuth, Rieger nach der am 10.05.2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 10.10.2000 abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 31.07.2000 wird mit der Maßgabe erneut erlassen, dass hinter dem Begriff HXXpur(r) die Worte "wörtlich oder sinngemäß" entfallen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf DM 500.000.- festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien sind Pharma-Unternehmen. Sie bringen u.a. Impfstoffe zum Schutz gegen Hepatitis-A auf den Markt. Die Antragstellerin vertreibt ihr Produkt unter dem Namen "Hxxx(r)" (Anlage ASt1), die Antragsgegnerin bietet das Präparat "HXXpur(r)" an (Anlage ASt4). Während Hxxx als sogenanntes Adjuvans (= Hilfsstoff, der die Antwort des Immunsystems verstärkt oder verändert) den bislang verbreiteten Wirkstoff "Aluminiumhydroxid" verwendet, bedient sich die Antragsgegnerin bei HXXpur statt dessen sog. "Virosome", u.a. Influenzaviren.

Die Antragsgegnerin bewarb ihr Medikament gegenüber den ärztlichen Fachkreisen in den Ausgaben der "Ärztezeitung" vom 07. Juni und 05. Juli 2000 in der aus den Anlagen ASt2 und ASt3 sowie den Anlagen zu der einstweiligen Verfügung vom 31.07.2000 ersichtlichen Weise. Die Verwendung bzw. Hervorhebung des Adjektivs "pur" in der Werbung für das Arzneimittel HXXpur greift die Antragstellerin als wettbewerbswidrig an.

Auf ihren Antrag vom 24.07.2000 hatte das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 31.07.2000 zunächst eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel verboten wurde,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Arzneimittel HXXpur(r) wörtlich oder sinngemäß mit folgenden Formulierungen zu bewerben:

1. "pur

Konservierungsmittelfrei antibiotikafrei frei von Aluminiumhydroxid"

und/oder

2. "mit der puren Hepatitis-A-Impfung",

wenn dies wie in den Anlagen 1 und 2 zu diesem Antrag geschieht.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht Hamburg die einstweilige Verfügung unter Abweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags mit Urteil vom 10.10.2000 wieder aufgehoben. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin hat mit ihrem Hilfsantrag die Gewährung einer angemessenen Umstellungs- und Aufbrauchfrist im Hinblick auf die beanstandete Werbung beantragt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gem. § 1, 3 UWG i.V.m. § 3 HWG verlangen, dass sie es unterlässt, in der beanstandeten Art und Weise für ihr Produkt zu werben. Mit der werblichen Herausstellung des Adjektivs "pur" in Bezug auf das Adjuvans "Aluminiumhydroxid" erweckt die Antragsgegnerin den irreführenden Eindruck, als stelle sich die Abwesenheit dieses Inhaltsstoffs als Vorteil gegenüber denjenigen Konkurrenzprodukten dar, die - wie das von der Antragstellerin vertriebene Präparat "Hxxx" - (weiterhin) Aluminiumhydroxid enthalten. Die Richtigkeit dieser Sachverhaltsdarstellung hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin aber nicht glaubhaft machen können. Den gegenteiligen Standpunkt des Landgerichts zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast unter den gegebenen Umständen teilt der Senat nicht.

I.

Der Verfügungsantrag ist zulässig. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung liegen vor. Die Antragsgegnerin hat die gem. § 25 UWG kraft Gesetzes zugunsten der Antragstellerin sprechende Dringlichkeitsvermutung nicht zu widerlegen vermocht. Mit ihrem am 25.07.2000 bei Gericht eingegangenem Vefügungsantrag greift die Antragstellerin Werbeanzeigen aus den Ausgaben der Monate Juni und Juli 2000 der Ärztezeitung an. Verlässliche Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin bereits vor dem Zeitpunkt des Erscheinens dieser Zeitung Kenntnis von der beanstandeten Werbung hatte, hat die Antragsgegnerin nicht darzulegen vermocht. Selbst wenn die Anzeige - wie von ihr glaubhaft gemacht - im Rahmen des sog. Prämarketings bereits seit dem 20. Mai 2000 in der Ärztezeitung und anderen Fachpublikationen veröffentlicht worden ist, belegt dies selbst dann, wenn die Parteien Wettbewerber in einem eng umgrenzten Marktsegment sind, nicht eine Kenntnis der Antragstellerin von der Werbung in ihrer konkreten Form bereits zu diesem Zeitpunkt. Denn eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht - etwa im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsverstöße von Konkurrenzprodukten - obliegt dem Wettbewerber nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht. Auch der Umstand, dass in einem Parallelverfahren gegen ein anderes Unternehmen derselbe Impfstoff Streitgegenstand war, besagt für die Kenntnis der Antragstellerin von der konkret angegriffenen Werbung nichts.

II.

Der Verfügungsantrag ist auch begründet.

1. Gegenstand des Verfügungsantrags ist ausschließlich die Werbung für das Produkt HXXpur(r) mit den beiden im Verfügungsantrag genannten Angaben. Die Antragstellerin hat bereits erstinstanzlich klargestellt, dass sie weder die Arzneimittelbezeichnung HXXpur(r) als solche noch die übrigen, in der Werbung mit dem Begriff "pur" verwendeten Wortspiele angreift. Auch der Begriff "Schutz pur" unter der Arzneitmittelbezeichnung ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Soweit der Senat die Verfügung entgegen dem gestellten Antrag ohne die Worte "wörtlich oder sinngemäß" erlassen hat, handelt es sich hierbei um eine Vereinfachung ohne inhaltliche Einschränkung. Eine Beschränkung auf wortgleiche Verstöße würde dem Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin nicht gerecht. Aber auch durch die Aufnahme des Wortes "sinngemäß" in den Tenor würde sich die Feststellung, ob eine nicht-wortgleiche Werbung im konkreten Fall vom Kernbereich des Verbots mitumfasst ist, nicht erübrigen.

2. Mit der streitgegenständlichen Produktwerbung (Anlagen 1 und 2 zu der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 31.07.2000 wirbt die Antragsgegnerin in irreführender Weise und damit wettbewerbswidrig für ihren Impfstoff HXXpur(r) .

a. Dabei muss der Senat nicht entscheiden, ob die streitigen Angaben den Grundsätzen der vergleichenden Werbung i.S.v. § 2 UWG unterfallen oder ob lediglich ein nach § 1 UWG zu beurteilender allgemeiner Systemvergleich vorliegt. Denn unabhängig von der Art der konkreten Einordnung fehlt es bereits an weiteren Voraussetzungen für die Wirksamkeit der angegriffenen Arzneimittelwerbung, so dass es auf die speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer vergleichenden Werbung nicht mehr ankommt. Auch wenn sich die Antragsgegnerin eines im übrigen zulässigen Werbevergleichs bedient hat, dürfen ihre Angaben in keinem Fall irreführend sein. Dies ergibt sich für Wettbewerbshandlungen allgemein aus § 3 Satz 1 UWG und für dem § 2 UWG unterfallende Werbevergleiche aus § 3 Satz 2 UWG. Eine Irreführung liegt nach den hier relevanten Umständen insbesondere dann vor, wenn die Werbebehauptung inhaltlich unzutreffend oder zumindest in ihrer Kernaussage unbewiesen bzw. ohne tragfähige wissenschaftliche Grundlage ist. Diesen Voraussetzungen ist die Antragsgegnerin nicht gerecht geworden. Zumindest hat sie dies nicht in der erforderlichen Art und Weise dargelegt und glaubhaft gemacht, so dass ihre Anzeigenwerbung schon deshalb dem beantragten Verbot unterfällt.

b. Für die Beurteilung des Verfügungsantrags zu 1. steht im Mittelpunkt des Streits der Parteien die Frage, mit welcher Zielrichtung die Antragsgegnerin in ihren Anzeigen für ihr Präparat mit dem Adjektiv pur wirbt und in welcher Weise die angesprochenen Verkehrskreise diesen Begriff verstehen bzw. worauf sie ihn beziehen. Die Feststellungen hierzu vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu treffen, obwohl seine Mitglieder nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen der Ärzte gehören. Denn es geht vorliegend um das Wortsinnverständnis eines Begriffs der alltäglichen Umgangssprache sowie um die Beurteilung des sprachlichen Gesamtzusammenhangs einer Werbeanzeige. Hierfür bedarf es selbst dann keiner besonderen Fachkenntnisse, wenn der Begriff "pur" bei isolierter Betrachtung nach ärztlichem Auffassung durchaus mit einem unterschiedlichen Sinnverständnis belegt sein kann.

aa. Bei verständiger Würdigung des Anzeigentextes werden die angesprochenen Verkehrskreise nach Auffassung des Senats zu der Annahme gelangen, HXXpur(r) sei deshalb als pur zu bezeichnen, weil es "Konservierungsmittelfrei, antibiotikafrei sowie frei von Aluminiumhydroxiden" sei. Durch den Gesamtzusammenhang der Anzeige legt die Antragsgegnerin dem verständigen Leser nahe, was sie, die Antragsgegnerin, in Bezug auf ihr Produkt unter der Angabe pur verstanden wissen will. Im Anschluss an die bildliche Darstellung streicht sie unter vier Aufzählungspunkten in Fettdruck in einer ins Auge springenden Art und Weise die vier Attribute pur - besonders verträglich - schnell - praktisch heraus, mit denen sie ihr Produkt dem Leser als besonders vorteilhaft anpreist. Unterhalb dieser Schlagwörter finden sich jeweils kurze Erläuterungstexte, die - auf den ersten Blick erkennbar - erläutern sollen, warum die Antragsgegnerin meint, ihrem Produkt kämen diese Eigenschaften zu. Die angeführten Erläuterungen stellen sich dem Leser deshalb ohne weiteres als Beurteilungsaspekte im Hinblick auf typische Produkteigenschaften von HXXpur(r) dar, die die schlagwortartig verkürzten Werbeaussagen erklären und belegen sollen. Dies erkennt der Verkehr selbst im Rahmen einer umfangreichen Werbeanzeige ohne besondere Mühe. Im Zusammenhang mit dem Attribut pur versteht der Leser die Werbebehauptung deshalb in der Weise, dass die Antragsgegnerin diese Eigenschaft ihres Produkts aus der Abwesenheit von Konservierungsmitteln und Antibiotika sowie von Aluminiumhydroxid herleitet.

bb. Eine weitergehende Bedeutung legt der Verkehr dem Begriff pur im Zusammenhang der konkreten Werbung nicht bei.

aaa. Insbesondere versteht kein wesentlicher Teil der angesprochenen ärztlichen Fachkreise die Werbung darüber hinaus auch als einen Hinweis auf eine besondere, über das bei Arzneimitteln ohnehin zu erwartende und nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorgeschriebene Normalmaß hinausgehende Reinheit bzw. Unverfälschtheit der Inhaltsstoffe. Denn gerade hiermit zu werben, wäre in dem gewählten Sinnzusammenhang wenig sinnvoll. Der Verkehr nimmt unter den gegebenen Umständen auch nicht an, dass die Antragsgegnerin geltend machen will, ihr Impfstoff sei vollkommen frei von jedweden sonstigen Zusätzen und in diesem Sinne als pur zu bezeichnen. Denn den ärztlichen Fachkreisen ist bekannt, dass die Beifügung weiterer Substanzen als Adjuvans in Impfstoffen zumindest sinnvoll sein kann. Damit konzentriert sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf das Sinnverständnis der von der Antragstellerin selbst in der Anzeige zu dem Begriff pur gegebenen Erläuterung.

bbb. Es mag sein, dass die Antragsgegnerin mit der Verwendung des Begriffs pur dem Verkehr weitergehend auch die Annahme nahelegen möchte, ihr Produkt sei besonders rein i.S.v. unverfälscht, wirksam, gut verträglich usw. und deshalb allgemein vorzugswürdig. Hierfür mag die der Verbotsverfügung nachfolgende Werbung der Antragsgegnerin auf ihrer Internet-Homepage ein Indiz sein (dort insbesondere die Frage 1), die die Antragstellerin als Anlage ASt 19 vorgelegt hat. Im Hinblick auf die Erläuterung des Begriffs pur in den Anzeigen in der "Ärztezeitung" Juni und Juli 2000, mit denen die Antragsgegnerin selbst dem Begriff im Sinne einer "Legaldefinition" eine bestimmte Bedeutung beigegeben hat, kommt es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auf der Grundlage der gestellten Verfügungsanträge auf solcherart weitergehende Absichten der Antragsgegnerin hingegen nicht an.

cc. Von den drei genannten Attributen "Konservierungsmittelfrei - antibiotikafrei - frei von Aluminiumhydroxid" steht nur die Relevanz des letztgenannten Begriffs zwischen den Parteien im Streit. Durch die konkrete Art der angegriffene Werbung ist der Antragsgegnerin für den Leser erkennbar daran gelegen, einen Kauf- bzw. Verschreibungsentschluss zugunsten ihres Produkts HXXpur(r) hervorzurufen, gerade weil es frei von Aluminiumhydroxid ist. Hierin liegt ein wesentlicher Bestandteil der transportierten Werbebotschaft. Sie wirbt für ihr Produkt unter Herausstellung des Begriffs pur u.a. mit der Behauptung "frei von Aluminiumhydroxid". Dieser Art der werblichen Anpreisung können die angesprochenen Verkehrskreise bei verständiger Würdigung nur die Behauptung entnehmen, dass es sich bei der "Freiheit" von Aluminiumhydroxid um eine herausragende Eigenschaft von HXXpur(r) handelt, welche dieses Präparat positiv von Konkurrenzprodukten abhebt und es damit vorzugswürdig macht. Insbesondere aufgrund der Nennung im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang in einer Zeile mit den Angaben "konservierungsmittelfrei" und "antibiotikafrei" erweckt die Antragsgegnerin bei dem Leser den Eindruck, dass es sich auch bei der Freiheit von Aluminiumhydroxid nicht nur - wie es das Landgericht beurteilt hat - um eine objektiv richtige Sachangabe, sondern um einen besonders erstrebenswerten Zustand handelt. Denn in Bezug auf Konservierungsmittel und Antibiotika wird ein verantwortungsbewusster Arzt in der Regel bemüht sein, seinen Patienten diesen Substanzen nicht über das unbedingt notwendige Maß hinaus auszusetzen und auf sie nach Möglichkeit zu verzichten, sofern nicht - wie bei Antibiotika - hierfür eine zwingende oder naheliegende medizinische Indikation besteht. Indem die Antragsgegnerin die Angabe "frei von Aluminiumhydroxid" in einem Zug mit den anderen Angaben nennt, ruft sie bei dem Leser den Eindruck hervor, auch ein Verzicht auf Aluminiumhydroxid sei wünschenswert. Die Antragsgegnerin bietet die von ihr als Adjuvans verwendeten Virosome dabei in dieser Werbung nicht etwa als eine gleichwertige oder vorzugswürdige Alternative zu Aluminiumhydroxid an, sondern legt dem Leser die Annahme nahe, die Verwendung von Aluminiumhydroxid sei bei einem Hepatitis-A-Impfstoff nach Möglichkeit generell zu vermeiden, durch HXXpur(r) sei dies nunmehr auch möglich.

c. Die Antragstellerin sieht hierin u.a. eine herabsetzende vergleichende Werbung, weil den angesprochenen Verkehrskreisen bewusst sei, dass wesentliche Mitbewerber - u.a. sie mit dem Präparat Hxxx(r) - weiterhin Aluminiumhydroxid als Adjuvans verwendeten und sie deshalb als von dem Werbevergleich angesprochene Konkurrentin unmittelbar erkennbar sei. Eine solche Art der Werbung ist - unbeschadet weiterer Zulässigkeitsvoraussetzungen - jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn die verwendete Behauptung objektiv zutreffend ist, d.h. wenn im vorliegenden Fall der Verzicht auf Aluminiumhydroxid unter gesundheitlichen oder sonstigen Aspekten tatsächlich erstrebenswert ist. Schon diesen Nachweis hat die insoweit mit der Darlegung und Glaubhaftmachung belastete Antragsgegnerin aber nicht führen können.

aa. Bei der Frage einer irreführenden Werbung obliegt allerdings nach allgemeinen Regeln grundsätzlich der Antragstellerin die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit der Werbebehauptung (BGH GRUR 85, 140, 142 - Größtes Teppichhaus der Welt). Jedoch betrifft die angegriffene Werbung ein Arzneimittel. Deshalb haben im vorliegenden Fall die strengen Voraussetzungen der gesundheitsbezogenen Werbung Anwendung zu finden, die dem besonderen Interesse der Allgemeinheit - hierzu zählen auch ärztliche Fachkreise - Rechnung tragen, gerade in diesem sensiblen Bereich vor einer irreführenden Werbung bewahrt zu werden. Danach sind werbende Anpreisungen auf diesem Gebiet grundsätzlich nur dann zulässig, wenn diese gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Hat der Werbende mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben und diese in der Werbung als objektiv richtig hingestellt, ohne auf die Bedenken hinzuweisen und die Gegenmeinung zu erwähnen, so übernimmt er dadurch, dass er sich für eine bestimmte Auffassung entscheidet und eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für deren Richtigkeit, die er - abweichend von den allgemeinen Regeln - nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Streitfall darzulegen und zu beweisen hat (BGH GRUR 91, 848, 849 - Rheumalind II m.w.N.). Gerade im Bereich des Gesundheitswesens ist die Gefahr von Schädigungen, die dadurch entstehen, dass Mittel mit Werbeaussagen angepriesen werden, die nicht als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis angesehen werden können, besonders groß (BGH GRUR 71, 153, 155 - TAMPAX). Gegenüber der substantiierten Behauptung der Antragstellerin, dass der Werbebehauptung in Bezug auf eine Unterlegenheit von Aluminiumhydroxid als Adjuvans die wissenschaftliche Grundlage fehle, wäre es danach Sache der Antragsgegnerin, die Absicherung der umstrittenen Werbung nachzuweisen. Insoweit tritt eine echte Umkehr der Beweislast ein (Köhler-Piper, UWG, 2. Aufl., § 3 Rdn. 531). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung auch des Senats (vgl. u.a.: GRUR-RR 01,84 - Handzahnbürste; Urt. v. 28.06.2000, 3 U 182/99 - Ventolair; MD 00,631 - CSE-Hemmer).

bb. Diesen Erfordernissen ist die Antragsgegnerin nicht gerecht geworden. Zum Nachweis für die Richtigkeit ihrer Darstellung hat sie neben der- als Parteivortrag zu wertenden - eigenen Darstellung in Anlage AG6 lediglich die Studie von Levine et. al. (Anlage AG7) vorgelegt. Diese Studie kann ihren Standpunkt aber nicht belegen. Auf S. 179 der Studie werden unter den Gliederungspunkten VI. A. und B. sowohl die Vorzüge als auch die Nachteile von Aluminiumhydroxid als Adjuvans gegenübergestellt. Schon diese Art der Darstellung zeigt, dass über die Sinnhaftigkeit der Verwendung dieser Substanz als Adjuvans durchaus wissenschaftlicher Streit möglich ist. Die von der Antragsgegnerin auf der Grundlage dieser Studie hervorgehobenen Nachteile dieser Substanz mögen vorhanden sein. Damit ist die Antragsgegnerin aber ihrer Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast nicht gerecht geworden. Denn es ist gerichtsbekannt, dass vollkommen nebenwirksungsfreie Arzneimittel in der Praxis kaum anzutreffen sind. In der Verschreibungssituation wird der behandelnde Arzt stets eine Abwägung zwischen unterschiedlichen Vorzügen, Risiken und Nebenwirkungen zu treffen haben und dabei in Abstimmung mit dem Patienten möglicherweise auch Nachteile bewusst in Kauf nehmen, wenn dies angesichts der positiven Eigenschaften des Medikaments vertretbar erscheint. Der Umstand, dass ein Wirk- oder Begleitstoff zu unerwünschten Nebenerscheinungen führt, besagt deshalb noch nichts für die Zulässigkeit der von der Antragsgegnerin gewählten Art der Werbung. Nur dann, wenn das Risiko-Nutzen-Profil bei dem Adjuvans Aluminiumhydroxid anerkanntermaßen so ungünstig ist, dass sich dem verantwortungsbewussten Arzt ein Verzicht auf ein dieses Mittel enthaltendes Präparat empfiehlt, sofern Alternativen bestehen, wäre die von der Antragsgegnerin gewählte Form der Werbung mit dem Begriff pur im Sinne von "frei von Aluminiumhydroxid" nicht zu beanstanden. Für eine solche Situation hat die Antragsgegnerin hingegen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dargelegt. Selbst wenn Virosome möglicherweise gegenüber Aluminiumhydroxid vorzugswürdig erscheinen können, wäre dieser Umstand zumindest ohne erklärende Hinweise auf bestehende wissenschaftlichen Meinungsunterschiede - die schon aufgrund der Studie von Levine et. al manifest sind - ungeeignet, die konkrete Form der Werbung zu rechtfertigen. Auch der Umstand, dass ein wissenschaftlicher Vertreter der Antragstellerin auf einem Kongress - bei einem anderen Impfstoff - die Auffassung vertreten hat, dass ein anderes Adjuvans Aluminiumhydroxid überlegen ist, führt für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht weiter, sondern stellt sich nur als eine von verschiedenen Stimmen zu einem wissenschaftlichen Streitpunkt dar.

cc. Der Senat teilt auch die von der Antragsgegnerin im Senatstermin vertretene Auffassung nicht, mit der Angabe "frei von Aluminiumhydroxid" werde aus Sicht des Verkehrs keine vorzugswürdige Arzneimittelzusammensetzung, vielmehr nur allgemein der Umstand beschrieben, dass sich der Impfstoff HXXpur(r) nicht eines herkömmlichen Adjuvans (Aluminiumhydroxid) bediene, sondern durch Verwendung der neuen "Virosomentechnologie" einen innovativen Weg beschreite. Selbst für den Arzt, der die streitgegenständliche Anzeige liest und dem insoweit die näheren Umstände bekannt sind, bedarf der von der Antragsgegnerin behauptete Gedankenschluss eine Reihe logischer Schritte. Er ist keineswegs so naheliegend, dass deshalb eine erhebliche Irreführungsgefahr nicht bestünde, auch wenn der Leser im Einzelfall zu der von der Antragsgegnerin behaupteten Schlussfolgerung gelangt.

d. Soweit die Antragstellerin mit dem Verfügungsantrag zu 2. darüber hinaus auch die Angabe "mit der puren Hepatitis-A-Impfung" angreift, ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Selbst wenn der Leser bei dieser Formulierung nicht sein eigenes, allgemeines Begriffsverständnis von dem Wort pur zugrundelegt, wonach es sich - was unstreitig nicht der Fall ist - um ein vollkommen zusatzstofffreies, unvermischtes Präparat handelt, bleibt die Äußerung unzulässig. Denn der Verkehr bezieht auch diese Werbeangabe im dem Äußerungszusammenhang der Anlagen zu der Beschlussverfügung vom 31.07.2000 auf die von der Antragsgegnerin in der Anzeige selbst gegebenen und durch Fettdruck hervorgehobenen Begriffsbestimmung ihres Verständnisses von dem Bedeutungsgehalt des Wortes pur als "Konservierungsmittelfrei - antibiotikafrei - frei von Aluminiumhydroxid." Demgemäß gelten die obigen Ausführungen auch insoweit entsprechend.

III.

1. Der Hilfsantrag der Antragsgegnerin auf Gewährung einer Aufbrauch- und Umstellungsfrist im Hinblick auf das zu beanstandende Werbematerial bleibt ohne Erfolg. Eine solche aus § 242 BGB fließende Maßnahme ist im vorliegenden Fall unabhängig davon nicht gerechtfertigt, ob man als Rechtsgrundlage für die ihre Zubilligung die gerichtliche Befugnis zur Gestaltung des Verbotstenors aus § 938 Abs. 1 ZPO heranzieht oder - wie auch vertreten wird - hierin eine Vollstreckungsschutzmaßnahme nach § 765a ZPO sieht. Die Antragsgegnerin hat bereits nicht hinreichend spezifiziert vorgetragen, dass sie nicht nur - wie geschehen - Zeitungswerbung mit den angegriffenen Angaben veranlasst hat, sondern daneben - und vor allem in welchem konkreten Umfang - noch sonstige, aufzubrauchende Werbematerialien im Bestand hat. Nach ihrer Darstellung soll es dabei um Prospekte, Broschüren, Arztfolder gehen. Allein mit einer derart allgemeinen Behauptung ist die Zubilligung einer Aufbrauchfrist bei einer irreführenden Werbung schon im Ansatz nicht zu rechtfertigen. Im übrigen haben die angesprochenen Verkehrskreise ein nachhaltiges und schützenwertes Interesse daran, ohne zeitliche Verzögerung vor jeder weiteren irreführenden Werbung geschützt zu werden, so dass eine etwaige Interessenabwägung selbst dann zu Lasten der Antragsgegnerin ausgeht, wenn man die Motivlage der Antragstellerin als Mitbewerberin außer Ansatz ließe.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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