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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: 3 U 289/00
Rechtsgebiete: UWG, AMG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
AMG § 10 Abs. 1 Nr. 2
AMG § 8 Abs. 1 Nr. 2
1. § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG setzt für die Frage der "guten Lesbarkeit" der Arzneimittelbezeichnung nicht voraus, dass der Kunde den (hier: auf zwei Zeilen in unterschiedlicher Schriftart und -größe verteilten) Namen des im Regal stehenden Arzneimittels - wie er Gegenstand der Zulassung ist - im Verkaufslokal auch noch aus einiger Entfernung ohne weiteres vollständig lesen kann.

2. Die Gefahr, dass der Verkehr im täglichen Gebrauch eine längere, auf der Umverpackung in unterschiedlicher Schreibweise in zwei Zeilen verteilten Arzneimittelbezeichnung unzutreffend schlagwortartig verkürzt, ist selbst dann vom Normzweck des § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht mit umfasst, wenn der Arzneimittelhersteller durch die optische Gestaltung der Umverpackung diese Handhabung faktisch unterstützt.

3. Entwickelt der Verkehr trotz der unterschiedlichen Darstellung der einzelnen Bestandteile des Arzneimittlnamens aufgrund der Gesamtgestaltung der Umverpackung eine zutreffende Vorstellung von der Indikation des Medikaments, so kommt auch eine Irreführung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht in Betracht.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 289/00

Verkündet am: 05. April 2001

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, von Franqué, Rieger nach der am 15. März 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 31.10.2000 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf DM 500.000.- festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber bei dem Angebot von Schmerzmitteln, u.a. zur Behandlung migränebedingter Kopfschmerzen. Die Antragstellerin vertreibt "Dolormin Migräne", die Antragsgegnerin ist mit ihrem Produkt "Aspirin Migräne bei migränebedingten Kopfschmerzen" auf dem Markt. Unter dieser Bezeichnung ist das Medikament arzneimittelrechtlich zugelassen.

Die Antragstellerin greift die konkrete Art und Weise, wie die Antragsgegnerin den Arzneimittelnamen "Aspirin Migräne bei migränebedingten Kopfschmerzen" auf der Umverpackung ihres Produkts angebracht hat, als wettbewerbswidrig an.

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 31.10.2000 den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu verbieten,

das Arzneimittel "Aspirin Migräne bei migränebedingten Kopfschmerzen" in der nachstehend wiedergegebenen Ausstattung in den Verkehr zu bringen und/oder bringen zu lassen:

Hier als Schwarz-Weiß-Kopie

zurückgewiesen.

Mit ihrem form- und fristgerechten eingelegten Rechtsmittel verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren in der Berufungsinstanz weiter.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zu Recht zurückgewiesen. Auch das Vorbringen der Antragsgegnerin in der Rechtsmittelinstanz rechtfertigt keine andere Entscheidung.

I.

1. Gegenstand des Verfügungsverfahrens ist das Inverkehrbringen bzw. Inverkehrbringenlassen des Arzneimittels "Aspirin Migräne bei migränebedingten Kopfschmerzen" in der zum Gegenstand des Verfügungsantrags gemachten konkreten Ausstattung der Umverpackung. Eine verkürzte Verwendung des vollständigen Arzneimittelnamens in anderem Zusammenhang, etwa in werbenden Anpreisungen wie zum Beispiel in der Zeitschrift "direkt" (Anl. AST 5), wird von dem Verfügungsantrag nicht erfasst.

2. Mit der beanstandeten Ausstattung ihres Produkts "Aspirin Migräne bei migränebedingten Kopfschmerzen" verstößt die Antragsgegnerin nicht in wettbewerbswidriger Weise gegen §§ 1, 3 UWG i. V. m. §§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG.

a. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG dürfen Fertigarzneimittel nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf den Behältnissen und, so weit verwendet, auf den äußeren Umhüllungen u. a. in gut lesbarer Schrift die "Bezeichnung des Arzneimittels" angegeben ist.

aa. Diesem Erfordernis wird die beanstandete Produktverpackung gerecht. Auf deren Schauseite ist der Arzneimittelname "Aspirin Migräne bei migränebedingten Kopfschmerzen", so, wie er Gegenstand der arzneimittelrechtlichen Zulassung gewesen ist, vollständig und gut lesbar - wenngleich auf zwei Zeilen verteilt - wiedergegeben. Weitere Anforderungen stellt § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht. Es kann insbesondere keinem Zweifel unterliegen, dass die vollständige Angabe der Arzneimittelbezeichnung auf der Umverpackung selbst dann "gut lesbar" im Sinne dieser Vorschrift ist, wenn der Kunde im Verkaufsgeschäft aus einiger Entfernung den vollständigen Namen des im Regal stehenden Arzneimittels nicht ohne weiteres lesen kann. Auf derartige Fragen einer Erkennbarkeit auf "größere Distanz" stellt § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG erkennbar nicht ab. Im Rahmen dieser Vorschrift geht es ausschließlich um die Frage, ob die Kennzeichnungserfordernisse als solche erfüllt sind. Zwar mag es sein, dass Fälle denkbar sind, in denen eine lediglich formale Erfüllung dieser Kennzeichnungsvorschriften dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung so eklatant zuwiderläuft, dass gleichwohl von einem Verstoß auszugehen ist. Ein solcher Fall liegt hier aber erkennbar nicht vor. Der vollständige Arzneimittelname ist in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang wiedergegeben. Im Hinblick auf die erhebliche Länge des Arzneimittelnamens ist eine Verteilung auf zwei Zeilen nahezu zwangsläufig vorgegeben. Allein der Umstand, dass der Kennzeichnungsbestandteil "Aspirin Migräne" deutlicher herausgestellt, während der Kennzeichnungsbestandteil "bei migränebedingten Kopfschmerzen" unter anderem auf Grund einer kleineren Schriftgestaltung zurücktritt, vermag einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG weder unmittelbar noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu rechtfertigen.

bb. Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass bei der von der Antragsgegnerin verwendeten Form der Darstellung der Arzneimittelbezeichnung auf der Umverpackung mit unterschiedlicher Schreibweise in zwei Zeilen bei differierender Schriftart und Schriftgröße die Gefahr verbunden ist, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Namen des Arzneimittels unrichtig auf "Aspirin Migräne" verkürzen, ergibt sich hieraus keine abweichende rechtliche Beurteilung. Selbst wenn - wofür einiges spricht - eine solche Gefahr besteht und von der Antragsgegnerin sogar in gewissem Umfang unterstützt wird, verhilft dies der Antragstellerin nicht zum Erfolg. Denn in der Vermeidung einer solchen Folge besteht nicht der Normzweck des §§ 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Diese Vorschrift stellt Mindestanforderungen für die Kennzeichnung von Arzneimitteln in erster Linie im Interesse der Verbraucher auf. Das Interesse eines Mitbewerbers, die Ausprägung bestimmter Gewohnheiten bei den angesprochenen Verkehrskreisen im Umgang mit der Arzneimittelbezeichnung zu unterbinden, ist von diesem Schutzzweck nicht mitumfasst. Im Übrigen besteht bei jedem längeren bzw. langen Arzneimittelnamen die - auch durch rechtliche Maßnahmen nicht zu unterbindende - faktische Gefahr einer Verkürzung auf einen oder zwei prägnante Begriffe, und zwar selbst dann, wenn die Bezeichnung schriftbildlich in vollkommen einheitlicher Weise auf der Umverpackung dargestellt wird. Letztlich handelt es sich hierbei um ein grundsätzliches Problem der Arzneimittelzulassung, die die Vergabe langer Produktnamen mit beschreibenden Anteilen zulässt bzw. sogar fordert. Deshalb bleibt die von der Antragstellerin zu dieser Frage eingeholte Verkehrsbefragung im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Allenfalls dann, wenn der Arzneimittelhersteller in eindeutig gelagerten Ausnahmefällen den Verkehr geradezu dazu veranlasst, das Arzneimittel gezielt abweichend von seiner tatsächlichen Bezeichnung zu benennen, sind nach Auffassung des Senats rechtliche Gegenmaßnahmen erwägenswert. Um einen solchen Fall geht es vorliegend jedoch nicht.

b. Ein Verstoß gegen das arzneimittelrechtliche Irreführungsverbot aus § 8 AMG liegt ebenfalls nicht vor. Nach Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift ist es unter anderem verboten, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Auch hiergegen hat die Antragsgegnerin mit der Ausgestaltung ihres Produkts nicht verstoßen.

aa. Auch insoweit gilt, dass die Antragsgegnerin den Produktnamen in zutreffender und vollständiger Form auf der Umverpackung angegeben hat, nämlich so, wie die Bezeichnung Gegenstand des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens war. Allerdings hat die Antragsgegnerin keine Schreibweise des gesamten Namens in einheitlicher Schriftgröße und -art gewählt, sondern die einzelnen Namensbestandteil in unterschiedlichem Umfang hervorgehoben. Der Markenname "Aspirin" ist in besonders großer Schrift herausgestellt. Die Bezeichnung "Migräne" steht daneben in deutlich kleinerer Schrift, nimmt aber gleichwohl an dem durch den Markennamen erzeugten Blickfang teil. Demgegenüber findet sich der Bezeichnungsbestandteil "bei migränebedingten Kopfschmerzen" deutlich weniger prägnant in einer zweiten Zeile darunter. Anders als die Angabe "Aspirin Migräne" ist der weitere Teil des Arzneimittelnamens nicht in klar lesbaren schwarzen Buchstaben auf weißem Grund, sondern in kleineren weißen Buchstaben vor rotem Hintergrund gedruckt. Insbesondere die hierbei verwendete Kursivschrift schränkt die Lesbarkeit des Textes schon bei einiger Entfernung deutlich ein. Deshalb kann die Darstellung der Antragstellerin, der Apothekenkunde könne diesen Teil der Bezeichnung des im Regal stehenden Produktes nicht hinreichend erkennen, durchaus als zutreffend unterstellt werden. Ebenfalls mag mit der Antragstellerin davon auszugehen sein, dass die Antragsgegnerin diese Art der Kennzeichnung bewusst gewählt hat, um den Markennamen sowie die Generalindikation stärker herauszustellen und Einschränkungen in dem Anwendungsgebiet etwas in den Hintergrund treten zulassen.

bb. Gleichwohl ist diese Darstellungsform nicht zu beanstanden. Sie führt nicht zu einer Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise. Diese könnte nach Sachlage nur darin liegen, dass der Verkehr Fehlvorstellungen über die Indikation des Medikaments entwickelt und unzutreffend davon ausgeht, es handele sich um ein allgemeines Migränemittel und nicht nur um ein solches gegen migränebedingten Kopfschmerz. Die Gefahr einer solchen Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise besteht aber nicht. Denn diese nehmen die einzelnen Bestandteile des Arzneimittelnamens nicht isoliert wahr, sondern erkennen nach dem Gesamteindruck in jedem Fall, dass es sich bei dem Produkt der Antragsgegnerin um ein Mittel gegen migränebedingte Kopfschmerzen handelt. Ausschließlich diese zutreffende Vorstellung des Verkehrs ist im Rahmen von § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG von Bedeutung. Demgegenüber ist es rechtlich unerheblich, wie dieses mit der wirklichen Situation in Einklang stehende Verkehrsverständnis zustandegekommen ist. Auch wenn der Verkehr irrtümlich davon ausgehen sollte, die Angabe "bei migränebedingten Kopfschmerzen" sei nicht Teil des Arzneimittelnamens, sondern lediglich ein allgemeiner produktbeschreibender Zusatz, ergibt sich hieraus keine zu missbilligende Irreführung. Denn die Vorstellung des Verkehrs steht unverändert mit der Realität in Einklang. Der Verkehr unterscheidet nicht danach, ob sich sein zutreffendes Verständnis des Anwendungsbereichs eines Arzneimittels aus dem Arzneimittelnamen selbst und/oder unmittelbar damit verknüpften beschreibenden Angaben bildet. Dies gilt zumindest in Situationen wie der vorliegenden, in denen diese Angaben räumlich und begrifflich eine Einheit bilden. Auch die Tatsache, dass auf eine weitere Entfernung möglicherweise nicht alle Angaben auf der Schauseite des Arzneimittels in gleicher Weise deutlich erkennbar sind, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn die für den Kaufentschluss relevanten Einzelheiten der arzneimittelrechtlichen Angaben auf Umverpackungen von Medikamenten sind in der Regel erst bei genauer Betrachtung aus der Nähe eindeutig wahrnehmbar. Dies wissen auch die angesprochenen Verkehrskreise.

Eine möglicherweise unrichtige Darstellung des Arzneimittelnamens ist schließlich auch im Rahmen von § 8 AMG nicht abstrakt missbilligt. Ein solcher Verstoß steht mit dieser Normen nur dann in Widerspruch, wenn er eine Irreführung des Verkehrs nach sich zieht. Dies ist hier nicht der Fall.

3. Aus den unter Ziff. 2. b. genannten Gründen fehlt es auch an einer Irreführung des Verkehrs gem. § 3 UWG aus allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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