Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 24.01.2002
Aktenzeichen: 3 U 294/01
Rechtsgebiete: AMG, UWG, EU-Richtlinie 92/27/EWG


Vorschriften:

AMG § 10
UWG § 1
EU-Richtlinie 92/27/EWG Art. 1 Abs. 2
EU-Richtlinie 92/27/EWG Art. 2 Abs. 1
1. Wird im Rahmen des Parallelimports eine Bündelpackung hergestellt, die aus mehreren Faltschachteln besteht, die nur durch ein Klebeband und damit lösbar (also nicht fest Fläche auf Fläche verklebt) miteinander verbunden sind, so verstößt die Kennzeichnung gegen § 10 Abs. 1 AMG, wenn die Pflichtangaben nur auf einer der Faltschachteln, nicht aber auf den übrigen angegeben sind. Das Klebeband fasst das Bündel nur zusammen, die einzelnen Faltschachteln können sich ohne weiteres verselbständigen und sind ihrerseits jeweils äußere Umhüllungen im Sinne des § 10 Abs. 1 AMG.

2. Die Wiederholungsgefahr wird durch eine Unterlassungserklärung, die unter der auflösenden Bedingung abgegeben worden ist, dass rechtskräftig im (vorliegenden) Klageverfahren ein Verstoß gegen § 10 AMG verneint wird, nicht beseitigt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 294/01

Verkündet am: 24. Januar 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 10. Januar 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 24. Juli 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten verurteilt werden, es bei Meidung der vom Landgericht genannten Ordnungsmittel zu unterlassen,

Arzneimittel aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes in Bündelpackungen, die aus Faltschachteln bestehen, die nur mit Klebeband miteinander zu einem Bündel verbunden sind, in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten, zu vertreiben oder in den Verkehr zu bringen, ohne jede in der Bündelpackung enthaltene Faltschachtel mit den Pflichtangaben gemäß § 10 AMG zu versehen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens wie Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 267.916,95 ? (= 524.000.- DM) abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 255.645,94 ? (= 500.000.- DM) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin - ein Pharmaunternehmen - stellt das Arzneimittel "Axxxxx" mit dem Wirkstoff Anastrozol her.

Die Beklagten sind Parallelimporteure, sie vertreiben das aus Österreich stammende Arzneimittel "Axxxxx" in Deutschland in Bündelpackungen zu insgesamt 100 Filmtabletten (Packungsgröße N 3), deren Konfektionierung die Klägerin als wettbewerbswidrig beanstandet.

Die Klägerin nimmt deswegen die Beklagten mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch.

Bei der "Axxxxx"-Bündelpackung werden von den Beklagten jeweils drei Faltschachteln (zwei mit je 30 Filmtabletten und eine mit 40 Filmtabletten) zu einem Bündel zusammengefasst (vgl. hierzu die Bündelpackung im Original und in Fotokopie gemäß Anlage K 1): Die drei Faltschachteln sind übereinander gelegt und auf der einen Längsseite über alle drei Schachteln hinweg mit einem transparenten Klebestreifen miteinander verbunden (in der Anlage K 1 ist dieser Klebestreifen nachträglich von der Klägerin zur Packungskontrolle aufgeschnitten worden), auf der gegenüberliegenden Längsseite ist ein Aufkleber angebracht, der u. a. den Hinweis: "Axxxxx 100 (30+30+40) Filmtabletten - Bündelpackung" enthält. Sonst sind die Faltschachteln des Bündels nicht weiter miteinander verbunden, so dass sie voneinander gelöst sind, wenn man den transparenten Klebestreifen und den Aufkleber aufschneidet. Von den drei Faltschachteln ist nur eine (die mit 40 Filmtabletten) mit einem Aufkleber der Beklagten versehen, der die Pflichtangaben gemäß § 10 AMG enthält. Die übrigen zwei Faltschachteln (mit je 30 Filmtabletten) im Bündel sind unverändert im Ursprungszustand ohne Pflichtangaben belassen (vgl. Anlage K 1).

Auf die Abmahnung der Klägerin (Anlage K 2) ließen die Beklagten die strafbewehrte Verpflichtungserklärung abgeben, es

"ab sofort zu unterlassen, das aus Österreich in der Packungsgröße 30 Filmtabletten importierte Arzneimittel Axxxxx in der Packungsgröße 100 Filmtabletten in Bündelpackungen bestehend aus drei Faltschachteln in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr zu bringen, ohne jede Faltschachtel mit den Pflichtangaben gemäß § 10 AMG zu versehen.

Die Unterlassungsverpflichtungserklärung wird unter der auflösenden Bedingung abgegeben, dass die Unterlassungsverpflichtung entfällt, wenn in einem von ... (der Klägerin) bis spätestens zum 31. Mai 2001 anzustrengenden Hauptsacheverfahren rechtskräftig festgestellt wird, dass die Anbringung der Pflichtangaben gemäß § 10 AMG an allen drei Faltschachteln nicht erforderlich ist" (Anlage K 3).

Die Klägerin hat vorgetragen:

Gemäß § 10 AMG dürften Fertigarzneimittel in Deutschland nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf den Behältnissen bzw. äußeren Umhüllungen dauerhaft die dort genannten Pflichtangaben angegeben seien. Das geschehe bei der von den Beklagten vertriebenen "Axxxxx"-Bündelpackung aber nicht, weil nur eine Faltschachtel einen Aufkleber mit den Pflichtangaben für das Inland aufweise, nicht aber die beiden anderen Faltschachteln. Auf diese sei aber ebenfalls abzustellen, weil die Faltschachteln der Bündelpackung leicht voneinander trennbar seien.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,

Arzneimittel aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes in Bündelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten, zu vertreiben oder in den Verkehr zu bringen, ohne jede in der Bündelpackung enthaltene Faltschachtel mit den Pflichtangaben gemäß § 10 AMG zu versehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen:

Die von ihnen vertriebene "Axxxxx"-Bündelpackung sei gemäß § 10 AMG korrekt konfektioniert. Wie schon der Begriff "Bündelpackung" besage, handele es sich um eine und nicht um mehrere Packungen des Arzneimittels, vorliegend um eine Packung "Axxxxx" mit 100 Tabletten mit einem Aufkleber, auf der die Pflichtangaben angegeben seien. Das sei ausreichend, es müsste in so einem Falle nicht jede Faltschachtel die Pflichtangaben aufweisen. Im übrigen enthielten die einzelnen Packungen von "Axxxxx" in deutscher Sprache (die Packungen stammten aus Österreich) alle nach § 10 AMG erforderlichen Angaben.

Durch Urteil vom 24. Juli 2001 hat das Landgericht der Klage stattgegeben, der Verbotsausspruch weicht aber vom erstinstanzlich gestellten Unterlassungsantrag ab, es fehlen die Worte: "in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten, zu vertreiben oder...". Auf das Urteil vom 24. Juli 2001 sowie auf den Berichtigungsbeschluss (hinsichtlich der Kostenentscheidung) des Landgerichts vom 13. August 2001 wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet haben.

Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führen sie noch aus:

Wie schon der Name "Bündelpackung" besage, handele es sich hierbei um eine Packung und nicht um drei Einzelpackungen. Auf der Rückseite dieser Packung seien alle erforderlichen Pflichtangaben (§ 10 AMG) vorhanden. Es liege nicht mehr im Verantwortungsbereich des pharmazeutischen Unternehmers, was ein Patient nach Erhalt der Packung mit dieser mache. Selbst wenn Patienten vereinzelt die Bündelpackungen auseinandernähmen, was mit Nichtwissen bestritten werde, enthielten die Einzelpackungen je eine Gebrauchsinformation mit allen erforderlichen Informationen. Zudem stünden die für Österreich bestimmten Angaben in deutscher Sprache auf jeder Packung.

Die Beklagten beantragen,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagten nach dem erstinstanzlich gestellten Klageantrag (mit dem Einschub: "in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten, zu vertreiben...") verurteilt wird.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit der aus ihrem Berufungsantrag ersichtlichen Maßgabe, sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt noch vor:

Zu Recht habe das Landgericht die Gefahr gesehen, dass Patienten verbrauchte Einzelbestandteile der Bündelpackung vernichteten. Die Pflichtangaben auf der äußeren Umhüllung dienten in erster Linie der Arzneimittelsicherheit und nicht - so aber die Beklagten - den Zwecken des Apothekers. Die österreichische Originalpackung sei für § 10 AMG nicht ausreichend beschriftet (Anlage K 4).

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache - mit der aus dem Verbotsausspruch des Senatsurteils ersichtlichen Maßgabe - keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Soweit das Landgericht abweichend vom erstinstanzlich gestellten Klageantrag (vgl. hierzu das Verhandlungsprotokoll des Landgerichts vom 11. Juli 2001, Bl. 21) in seinem Urteilsausspruch die Worte: "in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten, zu vertreiben oder..." weggelassen hat, beruht das auf einem offensichtlichen Versehen. Insoweit ist das Urteil mit der aus dem Senatsurteil ersichtlichen Maßgabe zu ergänzen (§ 319 ZPO); die Klägerin hat in der Berufungsinstanz klargestellt, dass sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Die weitere Ergänzung im Verbotsausspruch zur Bestimmung der Bündelpackung hat der Senat zur Klarstellung vorgenommen.

I.

Gegenstand des Unterlassungsantrages ist - nach der Klarstellung der Klägerin in zweiter Instanz - das Inverkehrbringen und Vertreiben im Inland von aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes parallelimportierten Arzneimitteln in Bündelpackungen, ohne jede in der Bündelpackung enthaltene Faltschachtel mit den Pflichtangaben gemäß § 10 AMG zu versehen.

Hierbei geht es nur um solche Bündelpackungen, bei denen die einzelnen Faltschachteln nur mit Klebeband (z. B. mit einem Aufkleber und/oder mit einem Klebestreifen) miteinander zu einem Bündel verbunden sind. Bei der "Axxxxx"-Bündelpackung erfolgte die Verbindung - wie ausgeführt - durch den Klebestreifen und durch einen Aufkleber. Das Verbot geht über diese konkrete Gestaltung hinaus, erfasst sind auch Verbindungen der Faltschachteln nur durch einen Aufkleber oder nur durch einen Klebestreifen. Vom Verbot nicht erfasst sind dagegen Fallgestaltungen, bei denen die einzelnen Faltschachteln selbst miteinander (von Fläche zu Fläche) verklebt sind, so dass deren Vereinzelung nicht bzw. nur unter Zerstören von Faltschachteln erfolgen könnte.

Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung ausdrücklich klarstellen lassen, dass sich das Verbot nur auf solche Bündelpackungen beziehen soll. Der Senat hat demgemäß eine nähere Bestimmung der Bündelpackung in den Verbotsausspruch mit aufgenommen.

II.

Der Unterlassungsantrag ist auch nach Auffassung des Senats aus § 1 UWG in Verbindung mit § 10 AMG begründet.

1.) Die von den Beklagten verwendete Bündelpackung (Anlage K 1) verstößt gegen § 10 AMG, denn die in dieser Vorschrift aufgeführten Pflichtangaben befinden sich nur auf einer Faltschachtel, auf den übrigen zwei dagegen nicht.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG sind, im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn der Name oder die Firma und die Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers auf den Behältnissen und, soweit verwendet, auf den äußeren Umhüllungen in gut lesbarer Schrift, allgemeinverständlich in deutscher Sprache und auf dauerhafte Weise angegeben sind. Entsprechendes gilt gemäß § 10 AMG für die übrigen dort aufgeführten Pflichtangaben.

(a) Im vorliegenden Fall sind die einzelnen "Axxxxx"-Faltschachteln die äußeren Umhüllungen im Sinne des § 10 Abs. 1 AMG und nicht etwa, wie die Beklagten meinen, das Bündel selbst. Deswegen genügt es nicht, wenn nur eine der drei Faltschachteln im Bündel die Pflichtangaben enthält (wie bei "Axxxxx" die eine Faltschachtel mit dem Aufkleber der Beklagten), nicht aber die beiden anderen.

(aa) § 10 Abs. 1 AMG unterscheidet bei Fertigarzneimitteln zwischen dem Behältnis und der äußeren Umhüllung. Behältnisse als innere Verpackung sind z. B. Flaschen. Äußere Umhüllungen demgegenüber (insbesondere Faltschachteln) sind dazu bestimmt, die Behältnisse zu umschließen. Blisterpackungen sind weder Behältnisse noch äußere Umhüllungen (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht-Kommentar, § 10 AMG Rz. 8).

(bb) Nach dem Gesetzeswortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift kann kein Zweifel daran bestehen, dass die einzelnen "Axxxxx"-Faltschachteln äußere Umhüllungen im Sinne des § 10 AMG sind.

Zum einen umschließen nur die Faltschachteln die Blisterpackungen und den übrigen Packungsinhalt; der Klebestreifen und der Aufkleber an den Seiten des Bündels dagegen halten die drei Faltschachteln lediglich zusammen. Zum anderen ergibt sich das auch aus dem Umstand der Bündelung. Es handelt sich um drei Packungen, die nachträglich zu einer Einheit (entsprechend der deutschen Packungsgröße N 3) zusammengefasst sind.

Aus der maßgeblichen Sicht des Verkehrs behalten die drei einzelnen Packungen dabei durchaus noch ihre Eigenständigkeit, die mit dem Lösen des seitlichen Aufklebers und Klebebandes augenfällig zu Tage tritt, aber auch schon im gebündelten Zustand erkennbar angelegt ist. Es wäre gekünstelt, nach dem Öffnen des Bündels die einzelnen Faltschachteln nur als "lose" Teile einer Packung - etwa wie die Blisterstreifen - anzusehen. Denn es handelt sich - gerade anders als bei den Blisterstreifen - äußerlich um mehrere, jeweils komplett verpackte Faltschachteln, die naheliegend jeweils für sich selbständig wirken und auch so gehandhabt werden.

So besteht für den Patienten mit dem Verbrauch z. B. des Inhalts einer Faltschachtel kein nachhaltiger Grund, diese eine "leere" Faltschachtel noch weiter aufzubewahren. Das wäre unpraktisch und müsste unnötig erscheinen, denn der Patient hat in so einem Falle noch zwei weitere übliche Faltschachteln, gefüllt mit den Blisterstreifen, in den Händen, von denen er selbstverständlich annehmen wird, dass sie gleichwertig sind. Entsprechendes gilt für den weiteren Verbrauch der übrigen Faltschachteln. Dagegen wäre es fernliegend, die einzelnen Faltschachteln eines Bündels zu unterscheiden oder gar daraufhin zu untersuchen, welche von ihnen einen Aufkleber mit den Pflichtangaben gemäß § 10 Abs. 1 AMG besitzt und welche nicht.

Als zusätzliche Maßnahme zur Arzneimittelsicherheit schreibt § 10 Abs. 1 AMG für eine Einzelpackung die Pflichtangaben nicht nur auf dem (inneren) Behältnis, sondern auch auf den äußeren Umhüllungen vor. Die Vorschrift dient der umfassenden Unterrichtung der Fachkreise und der Verbraucher, die Pflichtangaben sind ganz wesentliche Hinweise und sollen - wie insgesamt die Regelungen zum Behältnis, zur äußeren Umhüllung und zur Packungsbeilage (§§ 10, 11 AMG) zeigen - aus Sicherheitsgründen auf allen Packungsbestandteilen, d. h. so oft wie möglich erscheinen. Dass die Angaben auf der äußeren Umhüllung auch bezwecken, dem Apotheker Gewissheit über das von ihm ausgehändigte Arzneimittel zu geben, steht dem nicht entgegen.

Diesem Sinn und Zweck würde es zuwiderlaufen, in dem Bündel formalistisch nur "eine Packung" zu sehen und die Pflichtangaben nur auf einer Faltschachtel genügen zu lassen. Das aufgezeigte Prinzip des gehäuften Anbringens der Pflichtangaben zum Zwecke der Arzneimittelsicherheit wäre nicht mehr gewahrt; denn wenn - in dem obigen Beispiel - die eine Faltschachtel mit den Pflichtangaben verbraucht und vernichtet worden ist, gibt es auf den verbleibenden Einzelpackungen auf der äußeren Umhüllung diese Angaben nicht mehr. Dies bestätigt zugleich, dass das Bündel - wie ausgeführt - eine bestimmungsgemäß in ihre Einzelpackungen sich aufteilende, eben bloß "lose" und vorübergehende Zusammenfassung der einzelnen Faltschachteln darstellt.

(cc) Nichts anderes ergibt sich aus der Richtlinie 92/27/EWG des Rates über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln, in deren Umsetzung die §§ 10, 11 AMG geändert und neugefasst worden sind (vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 10 AMG vor Rz. 1). Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/27/EWG muss die äußere Umhüllung oder - sofern nicht vorhanden - die Primärverpackung jedes Arzneimittels die in dieser Vorschrift aufgeführten Angaben aufweisen. Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 92/27/EWG ist im Sinne der Richtlinie "Primärverpackung" das Behältnis oder jede andere Form der Arzneimittelverpackung, die unmittelbar mit dem Arzneimittel in Berührung kommt und "äußere Umhüllung" die Verpackung, in der die Primärverpackung enthalten ist.

(b) Nach alledem verstößt die Bündelpackung der Beklagten (Anlage K 1) gegen § 10 AMG. Es befinden sich nicht auf jeder "Axxxxx"-Faltschachtel die erforderlichen Pflichtangaben.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann insoweit auch nicht auf die (ursprünglich für den Vertrieb in Österreich bestimmten) Angaben allerdings in deutscher Sprache auf den einzelnen "Axxxxx"-Faltschachteln abgestellt werden. Denn die Pflichtangaben im Sinne § 10 AMG sind nicht vollständig vorhanden, so fehlen Angaben zum inländischen pharmazeutischen Unternehmer und zur deutschen Zulassungsnummer (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1, 3 AMG; vgl. die österreichische Original-Packung: Anlage K 4).

2.) Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben.

(a) Der Unterlassungsantrag erfasst die konkrete Verletzungsform. Der Antrag stellt nicht nur auf den Vertrieb der parallelimportierten "Axxxxx"-Packungen aus Österreich (Anlage K 1) ab, sondern verallgemeinert das Charakteristische des Verletzungsfalles, bei dem innerhalb einer parallelimportierten Bündelpackung nicht jede einzelne Faltschachtel mit den Pflichtangaben versehen ist. Wegen der näheren Bestimmung der Bündelpackung (Verbindung der Faltschachteln nur mit Klebeband, nicht dagegen feste Verklebungen der Faltschachteln untereinander) wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

(b) Bei § 10 AMG handelt es sich um eine wertbezogene Vorschrift zum Schutze der Volksgesundheit (vgl. zum AMG: BGH WRP 1998, 181 - Warentest für Arzneimittel), der demgemäß gegebene Verstoß gegen diese Norm ist unlauter im Sinne des § 1 UWG. Besonderheiten des Einzelfalls (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1128 - Hormonpräparate) führen zu keiner abweichenden Bewertung.

(c) Die Wiederholungsgefahr ist ebenfalls gegeben.

Die Beklagten haben allerdings vorprozessual eine strafbewehrte Unterlassungserklärung betreffend den beanstandeten Vertrieb der "Axxxxx"-Packungen abgegeben (Anlage K 3). Diese Erklärung ist aber nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Sie enthält die auflösende Bedingung: "die Unterlassungsverpflichtung entfällt, wenn im ... Hauptsacheverfahren rechtskräftig festgestellt wird, dass die Anbringung der Pflichtangaben gemäß § 10 AMG an allen drei Faltschachteln nicht erforderlich ist". Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Beklagten sich an die Unterlassungsverpflichtung bis zum Bedingungseintritt gebunden sehen (die Erklärung wurde abgegeben, um ein einstweiliges Verfügungsverfahren entbehrlich zu machen, sollte aber die Klägerin zwischenzeitlich sichern), ist - anders als bei bedingungslosen Unterlassungserklärungen - vom Fortbestand der Begehungsgefahr auszugehen.

Denn andernfalls wäre schon wegen der Unterlassungserklärung die Begehungsgefahr insoweit beseitigt und die Klage abzuweisen, ohne dass gerichtlich geklärt werden müsste, ob die "Axxxxx"-Bündelpackung gegen § 10 AMG verstößt oder nicht. Das Ergebnis wäre von den Parteien ersichtlich nicht gewollt. Die Unterlassungserklärung kann daher den von beiden Seiten angenommenen Zweck nicht erfüllen.

3.) Art. 28 EG (früher Art. 30 EGV) steht dem Verbot nicht entgegen. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass § 10 AMG der Richtlinie 92/27/EWG entspricht. Insoweit ist nicht erkennbar, dass § 10 AMG etwa strengere Anforderungen an die Konfektionierung einer solchen Bündelpackung enthält.

4.) Der Unterlassungsantrag ist gegenüber beiden Beklagten begründet.

Die zur Akte gereichte, beanstandete Bündelpackung "Axxxxx" ist unstreitig von beiden Beklagten parallelimportiert und im Inland vertrieben worden.

III.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 analog, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO n. F.; die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - Anwendung des § 10 AMG bei Bündelpackungen - zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück