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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 3 U 295/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Die Angabe, eine Marke sei "die kommende Weltmarke", ist irreführend, wenn keine Anstalten getroffen sind, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, daß die Marke in absehbarer Zeit weltweit bekannt wird.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 295/01

Verkündet am: 21. März 2002

In dem Rechtsstreit

"Die kommende Weltmarke"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 7. März 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 29. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für die Rechtsmittelinstanz auf 255.649 € (500.000 DM) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber. Die Antragstellerin ist ein Gemeinschaftsunternehmen der B. AG und der A. Inc.. Die Antragsgegnerin ist ein Tochterunternehmen der Deutschen T. AG. Sie betreibt einen Online-Dienst unter der Bezeichnung "T-Online" und stellt ihren registrierten Kunden einen Zugang zum Internet zur Verfügung. Sie ist unter "T-Online" im wesentlichen im deutschsprachigen Raum vertreten. Sie tritt in Frankreich als "Club Internet", in Spanien unter "Ya.com" und in Portugal unter "terravista.pt" auf.

Die Antragsgegnerin warb in Zeitungsanzeigen mit der virtuellen Figur "Robert T-Online", der sie die Worte in den Mund legte:

"Stopp!

Jetzt stelle ich Ihnen erst mal

die kommende Weltmarke

im Internet vor!"

Darunter fanden sich in wesentlich kleinerer Schrift die Angaben:

"T-Online packt jetzt die Internationalisierung an. Dadurch wird der erreichbare Markt vervielfacht.

T-Online will noch größer werden.

Dazu wird T-Online seine Kundenbasis erheblich verbreitern - insbesondere auch international. Als Tochter der Deutschen T. bringt T-Online alle Voraussetzungen mit, um auch im globalen Internet-Geschäft künftig ein Topplayer zu sein: die nötige Erfahrung, die Kompetenz, das Know-how und die entsprechende Finanzkraft.

Internationale Expansion als Wachstumsturbo.

T-Online wird zu einem internationalen Produkt ausgebaut und auf Auslandsmärkten offensiv vermarktet. Den Anfang machen wir in westeuropäischen Ländern.

Durch die Deutsche Telekom ist das Feld bereitet.

Die Deutsche T. ist mit Tochterunternehmen, Beteiligungen, Niederlassungen bereits weltweit präsent. Vor allem aber verfügt der Konzern über eine eigene, breit ausgebaute Netzinfrastruktur auf internationalem Spitzenniveau. Dadurch hat T-Online Zugriff auf ausgezeichnete technische Voraussetzungen zur internationalen Vermarktung von Internet-Angeboten. T-Online ist übrigens schon in über 150 Ländern nutzbar, z.B. für Geschäftsreisende.

Auch das "T" ist im Ausland längst ein Begriff.

Starke, bekannte Marken sind außerordentlich wichtig bei der Eroberung neuer Consumer-Märkte. T-Online profitiert von der bereits hohen internationalen Bekanntheit der Deutschen T.. Denn ihre Marketing-Kampagnen, z.B. für die T-Aktie, laufen längst auch in anderen Ländern.

Die ersten Nachbarländer gehen bereits T-Online.

Die Vorbereitungen zur Internationalisierung sind angelaufen, erste Schritte sind getan. Die Vermarktung in Österreich hat begonnen. Durch den Erwerb der Mehrheit des französischen Internet-Providers Club Internet wird die Marktposition in Frankreich gestärkt. Weitere Schritte werden folgen."

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin als irreführend verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ihren Online-Dienst T-Online mit der Aussage zu werben und/oder werben zu lassen

"Stopp! Jetzt stelle ich Ihnen erst mal die kommende Weltmarke im Internet vor!"

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung, weil das Verbot jedenfalls zu weit gefaßt sei, die Werbung eine unter dem Schutz des Art. 5 GG stehende Meinungsäußerung darstelle und vollends kein falscher Eindruck entstehe, wenn man den begleitenden Text berücksichtige.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Der Antrag ist nach § 3 UWG begründet.

1. Gegenstand des Antrages ist das Verbot, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Online-Dienst T-Online mit der Aussage zu werben "Stopp! Jetzt stelle ich Ihnen erst mal die kommende Weltmarke im Internet vor!" Damit ist die isolierte Behauptung gemeint, die für sich allein oder in einem Kontext steht, der keine Anhaltspunkte dafür bietet, daß mit diesen Worten etwas anderes gemeint sein kann, als sie - für sich betrachtet - ausdrücken. Das ist die konkrete Verletzungsform, wie sie in der Anlage AS 5 vorliegt.

Zugleich ist damit klargestellt, daß die Verwendung der Behauptung in einem Umfeld, das ihr eine andere Bedeutung gibt, als sie bei isolierter Betrachtung hat, nicht unter das Verbot fällt.

2. Für die Frage, ob die Aussage einen irreführenden Inhalt hat, ist entscheidend, wie jedenfalls nicht mehr unerhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Aussage verstehen. Dabei ist auf eine durchschnittlich verständige, informierte und aufmerksame Verbraucherschaft abzustellen. Auch die Mitglieder des Senates gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen, so daß ihnen eine Beurteilung aus eigener Sachkunde möglich ist. Die Antragsgegnerin hat nicht dargelegt, daß diese Sachkunde nicht ausreichend sein könnte. Für das Verständnis ist es belanglos, daß die angegriffene Werbung im Zusammenhang mit dem Börsengang der Antragsgegnerin verwendet worden ist, denn dieser Anlaß gibt dem Inhalt der Aussage selbst keinen besonderen Sinn, sondern erklärt allenfalls, warum sie gemacht wird. Auch nehmen nicht nur am Aktienkauf interessierte Verbraucher die Werbung zur Kenntnis.

Der Verbraucher erkennt, daß es sich bei "Robert T-Online" um eine Kunstfigur handelt, deren Äußerungen die des werbenden Unternehmens sind, so daß sich ihm unmittelbar als Sinn erschließt: "T-Online ist die kommende Weltmarke." Mit diesen Worten wird ein objektiver Vorgang beschrieben, nämlich die Entwicklung von T-Online zur Weltmarke. Das ist eine Angabe im Sinne des § 3 UWG. Das prognostische Element, das in jeder Aussage über ein zukünftiges Ereignis liegt, macht sie nicht zu einer subjektiven Einschätzung. Wer sagt: "Mein Zug kommt um 13 Uhr in Hamburg an!" gibt damit keine subjektive Meinung zum besten, sondern drückt aus, daß nach den gegenwärtigen Bedingungen der Zug zu diesem Zeitpunkt in Hamburg eintreffen wird. Er stellt eine Tatsache fest, die in der Zukunft eintreten wird, sofern nicht unvorhergesehene Ereignisse, die niemand ausschließen kann, das verhindern. Letzteres ist so selbstverständlich, daß es nicht ausgedrückt werden muß. Deshalb bedeutet der angegriffene Satz: "Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist T-Online im Begriff, eine Weltmarke zu werden."

Es gibt keine Anhaltspunkte im Umfeld des Satzes, die diesen Sinn relativieren. Er kann nicht als unernste Übertreibung verstanden werden, denn der begleitende Text beschreibt ein Entwicklungsstadium, das eine zukünftige Weltmarke durchaus durchlaufen kann. Es werden erklärtermaßen "der Anfang" in den westeuropäischen Ländern und die Gegebenheiten beschrieben, die eine fortschreitende Internationalisierung begünstigen. Wer aber den ersten Schritt zu einem Ziel beschreibt, kann zugleich und unabhängig davon behaupten, er werde das Ziel bei unveränderten Bedingungen erreichen. Der Betrachter versteht deshalb die Darstellung des "Anfangs" als besonders überzeugendes Argument für die Behauptung, T-Online stehe im Begriff, eine Weltmarke zu werden, denn daß damit nicht nur die beschriebene Ausgangsposition für die Internationalisierung gemeint ist, ergibt sich zweifelsfrei aus den Worten: "Weitere Schritte werden folgen."

Die Behauptung der Antragsgegnerin ist falsch. Das ergibt sich aus ihrer eigenen Argumentation, wenn sie darlegt, der angegriffene Satz habe keinen anderen Sinn als der begleitende Text. Dieser schildert lediglich eine von vielen unverzichtbaren Bedingungen, wenn T-Online eine Weltmarke werden will. Die bloße Möglichkeit berechtigt aber nicht zu der Aussage, diese Möglichkeit werde sich verwirklichen, solange es nicht einmal Anhaltspunkte dafür gibt, daß dieser Erfolg wenigstens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Wenn keinerlei Anstalten getroffen sind, die dazu führen, daß T-Online weltweit überhaupt als Marke wahrgenommen wird, wenn nichts dafür spricht, daß T-Online in absehbarer Zeit etwa auf einem so wesentlichen Markt wie Nordamerika als Marke für einen Online-Dienst bekannt wird, kann von einer "kommenden Weltmarke" nicht die Rede sein.

Die Verhältnisse haben sich in der Zwischenzeit nicht so geändert, daß die angegriffene Aussage jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt zutreffend geworden wäre. Das trägt die Antragsgegnerin auch nicht vor. Sie betont im Gegenteil, daß spätere unternehmerische Entscheidungen, die möglicherweise den Weg zur Weltmarke erschweren oder jedenfalls nicht mehr vorrangig von diesem Ziel geprägt sind, nicht bei der Bewertung herangezogen werden dürfen, weil es auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Werbung im April 2000 ankomme. Das Konzept hinter der Werbung ist für das Verständnis des Verbrauchers aber belanglos, solange es nicht der Werbung selbst zu entnehmen oder ihm aus anderen Quellen bekannt ist. Deshalb kann die falsche Angabe nicht dadurch richtig werden, daß die Antragsgegnerin heute möglicherweise andere Unternehmensziele verfolgt als im April 2000. Wenn sich die Antragsgegnerin damals das heute vielleicht überholte Ziel gesteckt hat, T-Online zur Weltmarke zu machen, durfte sie nicht den Eindruck hervorrufen, es seien alle erforderlichen Vorbereitungen getroffen und es sei nur eine Frage der Zeit, bis das Ziel erreicht sein werde.

Nur um diese unzutreffende Angabe geht es hier. Das hat mit dem Recht, nach Art. 5 GG auch in der Werbung seine Meinung vertreten zu dürfen, nichts zu tun, denn die Antragsgegnerin hat nicht nur Hoffnungen oder Erwartungen auf einen bestimmten Erfolg zum Ausdruck gebracht, sondern zu verstehen gegeben, daß die Voraussetzungen für einen solchen Erfolg bereits geschaffen worden seien.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin nach § 97 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

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