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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 02.05.2002
Aktenzeichen: 3 U 303/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Bei Verwendung der Domain-Adresse www.rechtsanwalt.com geht zumindest ein Teil der Internet-Nutzer davon aus, daß die darüber abrufbare Homepage von einem Rechtsanwalt bzw. einer Rechtsanwaltsgesellschaft oder einer entsprechenden Berufsbzw. Standesvertretung stammt, d.h. daß die Homepage maßgeblich von einem oder mehreren Rechtsanwälten gestaltet und verantwortet wird. Ist dies tatsächlich nicht der Fall, liegt eine Irreführung im Sinne von § 3 UWG vor.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 303/01

Verkündet am: 02. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, Spannuth, Terschlüssen nach der am 11. April 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsteller wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 21. Februar 2001 abgeändert:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 15. November 2000 wird zu I. a) und I. b) neu erlassen.

Die Kosten der Berufung fallen den Antragsgegnern wie Gesamtschuldnern zur Last. Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Antragsteller 1/3, die Antragsgegner wie Gesamtschuldner 2/3.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 34.000,00 (= DM 66.498,22) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Antragsteller nehmen die Antragsgegner in der Berufungsinstanz auf Unterlassung der Benutzung der Domain www.rechtsanwalt.com sowie der E-Mailadresse info@rechtsanwalt.com in Anspruch.

Die Antragsteller sind beim Landgericht Hamburg zugelassene Rechtsanwälte. Die Antragsgegnerin zu 1. ist eine Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand gemäß Handelsregistereintragung in der "Bereitstellung von rechtlichen Informationen und Dienstleistungen aller Art sowie die Veröffentlichung von rechtlichen Themen im Internet" besteht. Der Antragsgegner zu 2. ist Vorstand der Antragsgegnerin zu 1. (Anlage Ast 1).

Die Antragsgegnerin zu 1. tritt im Internet unter den DomainAdressen www.rechtsanwalt.com und www.acomag.de auf (Anlage Ast 2). Die Domain www.rechtsanwalt.com ist auf eine Firma MCN International Inc. in Kansas City, USA, registriert worden (Anlage Ast 4). Der Antragsgegner zu 2. ist als sog. "Adminstrative Contact" sowie als "Technical Contact" für die Domain www.rechtsanwalt.com eingetragen worden (Anlage Ast 4). Die Antragsgegner haben einen schriftlichen Vertrag zur Akte gereicht, dem zufolge der Antragsgegner zu 2. diese Domain im Mai 1998 für US $ 600,00 erworben hat (Anlage K 1). Die Antragsgegner verwenden zur Besorgung ihrer Geschäfte die EMailadresse info@rechtsanwalt.com.

Über ihre Homepage bietet die Antragsgegnerin zu 1. u.a. Checklisten und Mustertexte zu einzelnen rechtliche Fragen, wie z.B. Reisemängeln, Mietminderungen und Reklamationen gegenüber Handwerkern an (Anlagenkonvolut Ast 12). Außerdem wird auf der Homepage Werbung, etwa für "free sms" und eine sog. "HotlineRecht" angeboten. Darüber hinaus bietet die Antragsgegnerin zu 1. auf ihrer Homepage einen Anwaltssuchdienst an. Zu diesem Zweck hat sie die Angaben für rund 50.000 Rechtsanwälte, ohne Tätigkeitsschwerpunkte, aus den amtlichen Branchenbüchern übernommen und in ihre Datenbank eingestellt. Diese Aufnahme in das Anwaltsverzeichnis ist für die verzeichneten Rechtsanwälte kostenlos. Gegen Zahlung eines entsprechenden Betrages werden jedoch einzelne Rechtsanwaltskanzleien hervorgehoben und unter Nennung von Spezialgebieten, sowie versehen mit einem speziellen redaktionellen Beitrag, präsentiert (Anlagen AG 3 und AG 9). Die Antragsgegnerin zu 1. finanziert sich durch die Beiträge der bei ihr mit Zusatzleistungen im Rechtsanwaltsverzeichnis gelisteten Rechtsanwälte sowie durch Werbung Dritter auf ihrer Homepage.

Die Antragsteller mahnten die Antragsgegnerin zu 1. mit Schreiben vom 16. Oktober 2000 ab. Zur Begründung ihres Unterlassungsbegehrens vertraten sie u.a. die Ansicht, die Verwendung der Domainadresse verstoße gegen § 3 UWG. Der Verkehr erwarte, unter der Bezeichnung www.rechtsanwalt.com entweder einen zugelassenen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwaltskammer vorzufinden (Anlage Ast 10). Die Antragsgegnerin zu 1. war nicht bereit, die von den Antragstellern verlangte Verpflichtungserklärung abzugeben (Anlage Ast 11).

Auf Antrag der Antragsteller vom 13. November 2000 hat das Landgericht Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, den Antragsgegnern mit Beschlußverfügung vom 15. November 2000 bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, im Geschäftsverkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs,

a) die Domain www.rechtsanwalt.com im Internet zu benutzen, insbesondere Inhalte, gleich welcher Art unter der Domain www.rechtsanwalt.com sichtbar oder unsichtbar zu hinterlegen;

b) die Mailadresse info@rechtsanwalt.com für ein- und/oder ausgehende Mails zu nutzen;

c) im Internet unter der Domain www.rechtsanwalt.com oder www.acomag.de sich an Rechtssuchende zu wenden und diesen insbesondere durch Mustertexte und Checklisten zu verschiedenen Rechtsgebieten und Hinweise auf die Durchführung von Mietminderungen rechtlichen Rat zu erteilen.

Hiergegen wendeten sich die Antragsgegner mit ihrem Widerspruch vom 21. November 2000. Sie vertraten die Ansicht, ein Verstoß gegen §§ 1, 3 UWG liege nicht vor.

Die Antragsgegner haben beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 15. November 2000, Az.: 406 O 245/00, aufzuheben und die auf ihren Erlaß gerichteten Anträge einschließlich Hilfsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsteller haben beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, Az.: 406 O 254/00 vom 15. November 2000 zu bestätigen mit der Maßgabe, daß lit c) wie folgt laute:

c) im Geschäftsverkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet unter der Domain www.acomag.de sich an Rechtssuchende zu wenden und diesen insbesondere durch Mustertexte und Checklisten zu verschiedenen Rechtsgebieten und Hinweise auf die Durchführung von Mietminderungen rechtlichen Rat zu erteilen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage Ast 12 ersichtlich;

hilfsweise

c) im Geschäftsverkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet unter der Domain www.rechtsanwalt.com sich an Rechtssuchende zu wenden und diesen insbesondere durch Mustertexte und Checklisten zu verschiedenen Rechtsgebieten und Hinweise auf die Durchführung von Mietminderungen rechtlichen Rat zu erteilen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage Ast 12 ersichtlich.

Die Antragsteller haben die einstweilige Verfügung vom 15. November 2000 verteidigt.

Mit Urteil vom 21. Februar 2001 hob das Landgericht seine einstweilige Verfügung vom 15. November 2000 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Unterlassungsanspruch sei weder aus § 1 UWG noch aus § 3 UWG gegeben. Auch ein Verstoß gegen § 132 a StGB oder das Rechtsberatungsgesetz liege nicht vor.

Gegen das Urteil des Landgerichts vom 21. Februar 2001 haben die Antragsteller frist- und formgerecht Berufung eingelegt. Sie wenden sich mit ihrer Berufung nur noch gegen die Aufhebung der Ziffern I. a) und I. b) der einstweiligen Verfügung vom 15. November 2000. Der Antrag zu Ziffer I. c) einschließlich des Hilfsantrages wird nicht mehr aufrecht erhalten. Die Antragsteller wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Antragsteller beantragen,

unter Abänderung des am 21. Februar 2001 verkündeten Urteils des Landgericht Hamburg, Az.: 406 O 254//00, wird die einstweilige Verfügung vom 15. November 2000 hinsichtlich der dortigen Ziffern 1 a) und 1 b) bestätigt.

Die Antragsgegner beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag das angefochtene Urteil.

Auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 11. April 2002 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsteller ist zulässig und begründet.

I.

Gegenstand des Verbotstenors ist die Verwendung der Domain www.rechtsanwalt.com im Internet, insbesondere zur Hinterlegung von (sichtbaren oder unsichtbaren) Inhalten, gleich welcher Art (Verfügungsantrag zu I. a). Das bloße Halten der Domain ist nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits. Weiterer Gegenstand des Verbotstenors ist die Verwendung der E-Mailadresse info@rechtsanwalt.com für jegliche ein- und/oder ausgehende EMails (Verfügungsantrag zu I. b).

II.

Die Berufung der Antragsteller ist begründet, denn ihnen steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG zu.

Die Haftung des Antragsgegners zu 2. ergibt sich aus dem Umstand, daß er als sog. "Adminstrative Contact" sowie als "Technical Contact" für die Domain www.rechtsanwalt.com eingetragen worden ist (Anlage Ast 4). Darüber hinaus haftet er auch in seiner Eigenschaft als Vorstand der Antragsgegnerin zu 1. (vgl. § 76 Abs. 1 AktG).

1.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist bereits aus § 3 UWG begründet. Danach kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs irreführende Angaben macht.

Aufgrund der verwendeten Domain-Adresse www.rechtsanwalt.com geht zumindest ein Teil der Internet-Nutzer davon aus, daß die darüber abrufbare Homepage von einem Rechtsanwalt bzw. einer Rechtsanwaltsgesellschaft oder einer entsprechenden Berufs- bzw. Standesvertretung stammt, d.h. daß die Homepage maßgeblich von einem oder mehreren Rechtsanwälten gestaltet und verantwortet wird.

Die Parteien haben in erster Instanz diverse Internet-Auszüge vorgelegt (Anlagen Ast 14, Ast 15 sowie AG 2 bis AG 8). Diese zunächst von den Parteien vorgelegten Auszüge zeigen ein uneinheitliches Bild hinsichtlich der Verwendungsgewohnheiten von Gattungsbegriffen als Domainbezeichnungen im Internet. Sie belegen, daß unter Domainadressen, die allgemeine Berufsbezeichnungen enthalten, zum Teil Angehörige dieses Berufs oder deren Berufsvertreter, zum Teil "berufsfremde" Betreiber von berufsbezogenen Portalen und Suchmaschinen, zum Teil auch gänzlich andere Anbieter auftreten.

Nachfolgend haben die Antragsteller in der Berufungsinstanz jedoch Belege dafür vorgelegt, daß unter Domains, die Branchenbzw. Berufsbezeichnungen enthalten, welche -wie die Bezeichnung "Rechtsanwalt"- in besonderer Weise nach § 132 a StGB geschützt sind, regelmäßig Homepages von Berufsangehörigen oder deren Berufs- und Standesvertretungen angeboten werden (vgl. Anlagen Ast 20 bis Ast 21). So wird die Domain www.arzt.de von der Bundesärztekammer, die Domain www.zahnarzt.de von der Bayerischen Landeszahnärztekammer, die Domain www.apotheker.de vom Landesapothekenverband Baden-Württemberg e.V. und die Domain www.patentanwalt.de von der Patentanwaltskammer in München gehalten (Anlagenkonvolut Ast 20). Hinsichtlich der darüber hinaus in § 132 a StGB geschützten Berufsbezeichnungen Kinderund Jugendlichenpsychotherapeut, Psychologischer Psychotherapeut, vereidigter Buchprüfer und Steuerbevollmächtigter werden die einschlägigen Domains www.kinderpsychotherapeut.de, www.jugendlichenpsychotherapeut, www.psychologischerpsychotherapeut.de, www.vereidigterbuchprüfer.de bzw. www.steuerbevollmächtigter.de jeweils von Angehörigen dieser Berufsgruppen unterhalten (Anlagenkonvolut Ast 21).

Daher geht der Senat jedenfalls hinsichtlich dieser besonders geschützten Berufsbezeichnungen davon aus, daß der durchschnittliche Internetnutzer erwartet, die entsprechende Internetseite werde maßgeblich von Angehörigen des jeweiligen Berufs oder entsprechenden Berufsgruppenverbänden erstellt und verantwortet (OLG Nürnberg, MDR 2002, 406 -www.steuerer klaerung.de).

Dieser Erwartung entspricht das Angebot der Antragsgegner jedoch nicht, denn die Antragsgegner sind weder Rechtsanwälte noch eine entsprechende Berufsorganisation. Der Verkehr wird mithin irregeführt.

Die unter der Domain www.rechtsanwalt.com angebotene Homepage wird nicht maßgeblich von einem oder mehreren Rechtsanwälten gestaltet und verantwortet. Bei dem Antragsgegner zu 2., dem Vorstand der Antragsgegnerin zu 1., handelt es sich um einen Diplom-Kaufmann. Zwar ist einer der Gründer und Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1., Herr C....... P........., ausweislich des vorgelegten Auszugs aus einer Handelsregisterdatenbank, Rechtsanwalt (Anlage Ast 1). Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß dieser an der inhaltlichen Gestaltung der Homepage der Antragsgegnerin zu 1. maßgeblich beteiligt wäre. Der Vortrag der Antragsgegner, wonach bei der Antragsgegnerin zu 1. sowohl im Vertriebsbereich als auch in der Redaktion Volljuristen und Rechtsanwälte tätig seien (vgl. Anlage Ast 11), gibt zur Beurteilung der konkreten Art der Beteiligung und Verantwortlichkeit einzelner Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu 1. an den Inhalten der Homepage nichts her.

Das unter der Domain www.rechtsanwalt.de präsentierte Angebot ist auch nicht auf einen reinen Anwaltssuchdienst beschränkt. So machen die Antragsgegner über ihre Homepage Dienstleistungen zugänglich, die üblicherweise auch von Rechtsanwälten erbracht werden, insbesondere Rechtsberatung in konkreten Einzelfällen. Der falsche Eindruck, die Homepage stamme von einem Rechtsanwalt, wird auch dadurch bestätigt, daß auf jeder Seite die Überschrift "Rechtsanwalt.com - Da haben Sie Recht" angebracht und am Ende jeder Seite die Angabe "rechtsanwalt.com hilft Ratsuchenden..." verwendet wird. Zusätzlich befindet sich auf jeder Seite die Übertitelung "rechtsanwalt.com" in ca. 1 cm Schrifthöhe und ca. 7 cm Schriftbreite.

Zwar findet sich am Ende jeder Seite mit dem Wortlaut "Alle Inhalte dieser Seite: Copyright acomag AG 2000" ein indirekter Hinweis auf die Antragsgegnerin zu 1., dieser ist jedoch nur wenige Millimeter groß. Aus diesem Hinweis kann der Nutzer zudem nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, daß die Homepage nicht von einem Rechtsanwalt, einer Rechtsanwaltsgesellschaft oder einer entsprechenden Berufsorganisation, sondern von der Antragsgegnerin zu 1., einer privatwirtschaftlichen Aktiengesellschaft, betrieben und verantwortet wird.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist mithin gemäß § 3 UWG begründet.

2.

Da der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bereits aus § 3 UWG begründet ist, kann die Frage, ob der Anspruch auch aus § 1 UWG (Rufausbeutung bzw. Behinderung) oder § 1 UWG, 132 a StGB (Vorsprung durch Rechtsbruch) begründet ist, offen bleiben.

3.

Auch hinsichtlich der Verwendung der E-Mailadresse info@rechtsanwalt.com liegt ein Verstoß gegen § 3 UWG vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu II. 1. verwiesen.

Das Urteil des Landgerichts war daher auf die Berufung der Antragsteller abzuändern, der Verbotstenor der Beschlußverfügung vom 21. Februar 2000 -soweit noch im Streit- neu zu erlassen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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