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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 3 U 309/00
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14
Ist ein Parallelimporteur seiner Verpflichtung nachgekommen, den Markenrechtsinhaber von einem beabsichtigten Vertrieb eines Arzneimittels unter Eingriff in das Markenrecht zu unterrichten, ohne zugleich ein Muster zu übersenden, ist er grundsätzlich berechtigt, den Vertrieb aufzunehmen, wenn der Markenrechtsinhaber nichts von sich hören läßt. Verlangt der Markenrechtsinhaber ein Muster, darf der Parallelimporteur den Vertrieb nur aufnehmen oder fortsetzen, wenn er der Bitte entsprochen hat..
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 309/00

Verkündet am: 31. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

"Information ohne Musterübersendung"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 26. September 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 14. November 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 625.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für die Rechtsmittelinstanz auf 741.373 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin verfügt über die Markenrechte an den in den Klageanträgen genannten Arzneimitteln, die die Beklagte aus dem Europäischen Wirtschaftsraum importiert und nach Veränderungen der Packung in den Verkehr gebracht hat.

Mit Schreiben vom 23.03.1999 zeigte die Beklagte der Klägerin den Vertrieb des Arzneimittels "Madopar depot" in drei Packungsgrößen an. Die Klägerin erbat am 01.04.1999 Muster dieser Packungen. Die Beklagte lehnte das zunächst mit der Begründung ab, dies nur gegen Kostenerstattung zu tun, und übermittelte ihr die erbetenen Muster am 10.03.2000.

Mit Schreiben vom 23. und 27.03.2000 machte die Beklagte der Klägerin Mitteilung vom künftigen Vertrieb der übrigen Arzneimittel, die sie bereits zuvor im Inland vertrieben hatte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens DM 500.000; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu verurteilen, es zu unterlassen,

1. in der Bundesrepublik Deutschland Arzneimittel, die aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum importiert worden sind, unter Bezeichnungen anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, für die die Klägerin im Inland Markenschutz genießt,

1.1 wenn und soweit die Beklagte die Klägerin nicht vorab vom Feilhalten jedes entsprechenden Arzneimittels unterrichtet hat und/oder

1.2 wenn und soweit die Beklagte der Klägerin

nicht auf deren Verlangen vor dem Vertrieb ein Muster der umgepackten Arzneimittel kostenlos geliefert hat.

2.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die Arzneimittel

Bactrim Sirup (100 ml) für Kinder Bactrim Forte in den Packungsgrößen 10 und 20 Tabletten Invirase in der Packungsgröße 270 Kapseln Lariam in der Packungsgröße 8 Tabletten Madopar 250 in den Packungsgrößen 50 und 100 Tabletten Rivotril 2 mg in den Packungsgrößen 50 und 100 Tabletten Roaccutan 10 in den Packungsgrößen 30, 50 und 60 Kapseln Roaccutan 20 in den Packungsgrößen 50 und 60 Kapseln Rocaltrol 0,25 µg in den Packungsgrößen 20 und 100 Kapseln Rocaltrol 0,5µg in den Packungsgrößen 20 und 100 Kapseln Rocephin i.v. 1 g in den Packungsgrößen 1 und 5 Infusionsflaschen Riohypnol 1 mg in den Packungsgrößen 10 und 20 Tabletten

aus den Ländern der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums importiert, umgepackt und in solcher Form bis zum 25. März 2000 in Deutschland in den Verkehr gebracht hat, ohne die Klägerin vorab von dem Inverkehrbringen zu unterrichten, und zwar durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses, aus dem sich ergeben müssen:

Lieferzeitpunkt, Liefermenge und Abgabepreise gegenüber allen gewerblichen Abnehmern.

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie das Arzneimittel Madopar depot in den Packungsgrößen 30, 60 und 100 Retardkapseln aus Italien bzw. aus Österreich importiert, umgepackt und in solcher Form bis zum 10. März 2000 in Deutschland in den Verkehr gebracht hat, und zwar durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses, aus dem sich ergeben müssen:

Lieferzeitpunkt, Liefermenge und Abgabepreise gegenüber allen gewerblichen Abnehmern.

4. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den Handlungen gemäß Ziffer 2. bis zum 25. März 2000 und aus Handlungen gemäß Ziff. 3 bis zum 10. März 2000 entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und entgegnet, der Klägerin sei der Vertrieb der Arzneimittel schon vor der Anzeige bekannt gewesen.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen wird (§ 543 Abs. 2 ZPO a. F.), hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsgründen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Ein Schriftsatz der Beklagten mit Datum vom 25.09.2002 und dem Vermerk "Der Gegenseite wird direkt zugestellt" lag in der Verhandlung dem Senat noch nicht vor. Nach Mitteilung der Klägerin hat diese ihn erst nach Schluß der Verhandlung erhalten, eine Fax-Kopie sei bei ihrem Prozeßbevollmächtigten erst eingegangen, nachdem er sich auf die Reise nach Hamburg begeben habe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu 1.1 und 1.2 sind aus den § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3-5 MarkenG begründet, denn die Beklagte darf an den Verpackungen von Arzneimitteln, an deren Marken der Klägerin Rechte zustehen, keine Veränderungen vornehmen und die Arzneimittel in dergestalt veränderten Packungen feilhalten, ohne die Klägerin zuvor von ihrem Vorhaben unterrichtet zu haben.

Ist die Beklagte ihrer Informationspflicht insoweit nachgekommen, ist sie grundsätzlich frei, den Vertrieb aufzunehmen, denn das angestrebte Verbot zu 1.2 soll - wie die Klägerin im Termin klargestellt hat - nur dann greifen, wenn sie von der Beklagten ein Muster verlangt, aber nicht kostenlos übersandt erhalten hat. Das bedeutet, der Beklagten ist nicht verboten, wenn sie auf ihre Anzeige hin nichts von der Klägerin hört, den Vertrieb aufnehmen. Ist sie zuvor aber aufgefordert worden, ein Muster zu übersenden, darf sie nach dem Verbot zu 1.2 den Vertrieb nur aufnehmen, wenn sie der Bitte entsprochen hat. Nimmt sie den Vertrieb auf, weil sie nichts von der Klägerin gehört hat, folgt deren Bitte um ein Muster aber zu einem späteren Zeitpunkt, darf sie von diesem Zeitpunkt an den Vertrieb nicht fortsetzen, wenn sie der Klägerin kein kostenloses Muster liefert. Darin liegt keine übermäßige Belastung der Beklagten, denn sie kann die Bitte sofort erfüllen, so daß nicht einmal eine Unterbrechung ihres Vertriebs zu befürchten ist.

2. Sind die genannten Voraussetzungen nicht gegeben, darf sich die Klägerin der Benutzung ihrer Marke aus berechtigten Gründen widersetzen (§ 24 Abs. 2 MarkenG). Die Bestimmung des § 24 MarkenG beruht auf der entsprechenden Regelung in Art. 7 der ersten Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken 89/104/EG vom 21. Dezember 1988 (ABl. 1989 Nr. L 40/1). Die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist zur Auslegung des § 24 MarkenG heranzuziehen.

Der Europäische Gerichtshof geht grundsätzlich davon aus, daß dem Importeur, der fremde Markenware wegen des gemäß Art. 28, 30 EG (früher 30, 36 EG-Vertrag) zu gewährleistenden freien Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Union trotz der fehlenden Zustimmung des Markeninhabers zulässigerweise verändert, damit eine "bestimmte Befugnis eingeräumt wird, die unter normalen Umständen dem Markeninhaber selbst vorbehalten ist" (EuGH WRP 1996, 874, 879, Ziffer 40 - MPA Pharma). Diese Befugnis besteht ausnahmsweise und nur dann mit der Folge, daß sich der Markeninhaber nicht auf sein ausschließliches Benutzungsrecht berufen darf, wenn alle vom Europäischen Gerichtshof genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zu ihnen gehört, daß der Parallelimporteur den Markeninhaber vor dem Vertrieb unterrichtet. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so bleibt es bei dem Ausgangspunkt der EuGH-Rechtsprechung, nach der der Markeninhaber den Importeur daran hindern kann, das vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in einem anderen EU-Mitgliedstaat in den Verkehr gebrachte Arzneimittel in einer geänderten Verpackung zu vertreiben (EuGH a. a. O., Ziffer 49 - MPA Pharma; ebenso EuGH WRP 1996, 867, 873, 874, Ziffern 59, 70 - Eurim Pharm, WRP 1996, 880, 887, 888, Ziffern 68, 79 - Bristol-Myers Squibb). Das bedeutet, daß der Parallelimporteur grundsätzlich gehalten ist, in das Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers so wenig wie möglich einzugreifen (BGH Urteil vom 19.10.2000 - I ZR 89/98 Zocor - WRP 2001, 549 ff.).

Deshalb ist die Vorstellung der Beklagten, die Klägerin, die eine Verletzung ihrer Markenrechte darzulegen habe, müsse im einzelnen ausführen, daß sie nicht über den Vertrieb unterrichtet worden sei, unzutreffend. Die fehlende Information ist keine Voraussetzung der Markenverletzung, eine solche nimmt die Beklagte vielmehr mit dem Eingriff in die Integrität der importierten Packung vor. Nur ist dieser Eingriff nach dem Grundsatz des freien Warenverkehrs gerechtfertigt, wenn das Interesse des Markeninhaber durch die Information gewahrt wird. Es ist also Aufgabe des Importeurs darzulegen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen, daß sein Handeln gerechtfertigt ist.

Diese Rechtsgrundsätze hat der Europäische Gerichtshofs jüngst erneut zusammengefaßt und bekräftigt (EuGH - Urteil vom 23. April 2002 - C 143/00 - Boehringer Ingelheim - WRP 2002, 666, Nrr. 12 ff.). Seine Rechtsprechung zum "Um packen" bezieht sich auf jede Art von Veränderungen, die der Importeur an den Verpackungen vornimmt (vgl. a.a.O., Nr. 7). Ausdrücklich stellt der EuGH klar, daß der Importeur den Markeninhaber vor dem Vertrieb zu unterrichten hat und ihm auf sein Verlangen ein Muster überlassen muß (a.a.O., Nr. 61). Zwar wird nicht gesagt, daß dies kostenlos geschehen muß. Das versteht sich aber von selbst, denn es ist Aufgabe des Importeurs, im eigenen Interesse die Voraussetzungen für ein rechtmäßiges Handeln zu schaffen.

Auch die Frage, ob Kenntnisse des Markeninhabers den Importeur von seinen Informationspflichten befreien, hat der EuGH unmißverständlich beantwortet: Es genügt nicht, daß der Markeninhaber von dritter Seite unterrichtet wird (a.a.O., Nr. 64). Deshalb braucht auf Erklärungen der Fa. MTK-Pharma, die nicht namens der Beklagten abgegeben worden sind, und sonstige Geschehnisse, aus denen die Klägerin möglicherweise auf einen Vertrieb hätte schließen können, nicht weiter eingegangen zu werden.

3. Die Beklagte kann sich nicht auf Verwirkung berufen. Ihre Auffassung beruht auf der Unterstellung, der Klägerin sei seit mindestens sieben Jahren der Vertrieb der Arzneimittel durch die Beklagte bekannt gewesen, denn es gelte der "Erfahrungssatz ..., daß es in der Pharmaindustrie üblich ist, sich anhand der Lauer-Taxe und der IMS-Daten regelmäßig über die Marktsituation zu informieren (Zöller, § 286, Rn. 11)." Dabei übersieht die Beklagte, daß Greger an der genannten Literaturstelle auf den Zusammenhang mit dem Anscheinsbeweis aufmerksam macht und auf seine Ausführungen vor § 284, Rn. 29, verweist. Dabei geht es um typische Geschehensabläufe, bei denen ohne exakte Tatsachengrundlage auf einen ursächlichen Zusammenhang geschlossen werden darf. Was die Beklagte hingegen ins Spiel bringt, ist die Wahrscheinlichkeit, mit der die Klägerin über die behaupteten Kenntnisse verfügt habe. Greger betont ausdrücklich, daß sich ein Anscheinsbeweis nicht auf bloße Wahrscheinlichkeiten stützen könne.

Wahrscheinlichkeitsurteile sind statistische Feststellungen, die für den Einzelfall wenig besagen und jedenfalls nicht die Überzeugung des Tatrichters begründen können, die behauptete Tatsache sei wahr.

Ausreichende Tatsachen, aus denen sich eine positive Kenntnis der Klägerin von den Verletzungshandlungen ergibt, bevor sie selbst sie der Klägerin mitgeteilt hat, trägt die beweisbelastete Beklagte nicht vor. Auch eine etwaige Marktbeobachtungspflicht der Klägerin (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 21, Rdnr. 22) entbindet die Beklagte nicht von schlüssigem Vorbringen, denn es ist eine Frage des Einzelfalls, ob ein Recht verwirkt ist, und deshalb genügt es nicht, lediglich auf eine Marktbeobachtungspflicht der Klägerin zu verweisen und daraus die Verwirkung herzuleiten.

Das gilt auch für das Vorbringen zum Arzneimittel Roaccutan, für dessen Vertrieb in bestimmten Formen die Schwestergesellschaft der Beklagten, MTK-Pharma, am 29.09.1992 eine Unterlassungsverpflichtung eingegangen ist (Anlage B 1). Gerade wenn die Klägerin "von der engen Verbindung der beiden Gesellschaften wußte", konnte sie getrost davon ausgehen, daß eine Verletzung, die die Schwestergesellschaft nicht mehr begehen würde, auch durch die mit ihr aufs engste verbundene Beklagte nicht vorkommen werde und sie deshalb über jeden erneut beabsichtigten Vertrieb des Mittels ordnungsgemäß unterrichtet werden würde.

4. Die auf die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüche sind nicht verjährt (§ 20 Abs. 1 MarkenG). Es ist unstreitig, daß die Mittel, auf die sich die Ansprüche beziehen, in unverjährter Zeit, nämlich bis zum März 2000, als die Beklagte die Klägerin erstmals in ordnungsgemäßer Weise von dem Vertrieb unterrichtet hat, von ihr in den Verkehr gebracht worden sind. Für etwaige Ersatzansprüche kommt zwar eine Verjährung in Betracht. Die Beklagte trägt aber nicht vor, wann die Klägerin von der Verletzung ihrer Rechte und der daraus sich ergebenden Verpflichtung der Beklagten im Sinne des § 20 Abs. 1 MarkenG Kenntnis erlangt hat, obwohl sie die Voraussetzungen einer Verjährung darlegen und beweisen muß (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 20, Rdnr. 25).

5. Danach hat sich die Beklagte, solange sie die Klägerin nicht vorab unterrichtet hat, rechtswidrig verhalten und schuldet Ersatz des sich daraus ergebenden Schadens, so daß die Klägerin zu dessen Bemessung zunächst die verlangten Auskünfte braucht und eine Interesse besteht, die Ersatzpflicht der Beklagten festzustellen, weil die Höhe des Schadens ohne diese Auskunft noch nicht bestimmbar ist. Ein fahrlässiges Verhalten ist gegeben, obwohl die Rechtsprechung zur Vorabinformation erst seit 1996 deutlich geworden ist (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, vor § 14-19, Rdnr. 62). Die Möglichkeit, daß ein Vertrieb nur nach einer Unterrichtung des Markenrechtsinhabers zulässig sein könnte, zeichnete sich durchaus bereits vorher ab, denn sie ist eine Konkretisierung der Forderung an alle Beteiligten, sich in redlicher Weise zu bemühen, die berechtigten Interessen des anderen zu achten (EuGH Urteil vom 23.04.2002 in der Rechtssache C - 143/00 - Boehringer./. Swingward u.a, Randnummer 62 - WRP 2002, 666, 672). Im übrigen kommt es angesichts möglicher Bereicherungsansprüche darauf nicht an (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rdnr. 73).

Die grundsätzlichen Einwände der Beklagten greifen nicht durch.

Man kann die Pflicht, den Markeninhaber vorab zu informieren, als "Hilfspflicht" des Importeurs charakterisieren, weil sich bei ihrer Erfüllung möglicher weise zeigt, daß sich der Markeninhaber dem Import aus weiteren Gründen nicht widersetzen kann. Das ändert aber nichts daran, daß der Importeur nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs die grundsätzlich dem Markeninhaber zustehende Befugnis, in die Integrität der Ware einzugreifen, erst dann erwirbt, wenn er diesen zuvor benachrichtigt hat. Daß es Markenrechte noch nicht verletzt, wenn der Rechteinhaber nicht vorab informiert wird, ist belanglos. Markenverletzend ist der Vertrieb der Ware, die verändert worden ist. Dieser grundsätzlich rechtswidrige Eingriff ist ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Markeninhaber zuvor unterrichtet wurde und dem keine weiteren Gründe entgegenstehen.

Die Beklagte stellt darauf ab, daß andere Kriterien darüber entschieden, ob eine "Erschöpfung" des Markenrechts eingetreten sei, und für diese Rechtsfolge sei es belanglos, ob sich auch der Markeninhaber von ihr habe überzeugen können. Diese Sicht entspricht nicht den Regelungen der Richtlinie und des deutschen Markenrechts. Es tritt nicht nach § 24 Abs. 1 MarkenG zunächst eine "Erschöpfung" ein, von der § 24 Abs. 2 MarkenG Ausnahmen zuläßt. Vielmehr verliert der Markeninhaber die ihm zu geordnete Befugnis, Dritten die Benutzung der Marke zu untersagen, überhaupt nicht, wenn er sich "dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt", denn dann ist Abs. 1 gar nicht erst anwendbar.

Ein Schaden ist bei der Klägerin dadurch eingetreten, daß die Beklagte in ihre Markenrechte eingegriffen hat, ohne daß ihr ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand. Diese Handlung macht sie schadenersatzpflichtig, denn so hätte sich die Beklagte nur verhalten dürfen, wenn sie sich zuvor eine Lizenz der Klägerin besorgt hätte. Die entsprechenden Gebühren sind der Klägerin vorenthalten worden. Zwar besteht der Schutzzweck der Informationspflicht nicht darin, Parallelimporte zu verhindern. Sie soll vielmehr die Rechte des Markeninhabers schützen. Solange dessen Belange aber nicht gewahrt sind, bleibt der Eingriff rechtswidrig. Es gibt den Dingen eine falsche Wendung, wenn die Beklagte darauf abstellt, daß sie für Import und Vertrieb keine Genehmigung der Klägerin bedurft hätte und deshalb kein "vernünftiger" Importeur dafür einen Preis bezahlen würde. Die Vorabinformation ersetzt keine Genehmigung, die die Klägerin überhaupt nicht erteilen möchte. Sie läßt vielmehr die Rechtswidrigkeit der Markenverletzung entfallen. Bis die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, bleibt das Verhalten der Beklagten rechtswidrig, und sie hätte sich deshalb in der Tat eine Genehmigung der Klägerin besorgen müssen, um das Mittel vertreiben zu dürfen. Nur ein solches Alternativverhalten wäre rechtmäßig, aber nicht ohne Zahlung einer angemessenen Lizenz möglich gewesen. Die Rechtsprechung zum rechtmäßigen Alternativverhalten etwa des Arztes, der mit dem Einwand gehört wird, der Patient hätte auch bei ausreichender Information in den Eingriff eingewilligt, stellt keine Parallele dar, weil eine Einwilligung der Klägerin gerade nicht in Betracht kommt. 6. Der im Hinblick auf das Arzneimittel Madopar depot geltend gemachte Auskunftsanspruch ist nicht erfüllt. Die Beklagte bezieht sich auf ihren Schriftsatz vom 19.02.2001. Dort wird aber lediglich ausgeführt, daß das Präparat in den Packungsgrößen 30 und 60 am 01.08.1998 und in der Größe 100 am 01.01.2001 in die Lauer-Taxe aufgenommen sei. Das ermöglicht nicht, den Umfang des eingetretenen Schadens abzuschätzen.

In ihrem Schriftsatz vom 25.09.2002 beanstandet die Beklagte, daß die Klägerin Ansprüche für dieses Arzneimittel bis zum 10.03.2000 geltend mache, obwohl "im Jahre 1999 eine Vorabinformation erfolgt (sei) und auch eine Musterübersendung". Es war bisher unstreitig und ergab sich so auch aus der Korrespondenz (Anlagen K 4 bis K 6), daß die Beklagte nach der Information erst am 10.03.2000 ein Muster übersandt hat, weil sie vorher nicht bereit war, dies kostenlos zu tun. Wenn sich die Beklagte nicht ohnehin nur mißverständlich ausgedrückt hat und die Jahreszahl 1999 nur auf die Vorabinformation, nicht aber auf die Musterübersendung zu beziehen ist, wäre die Behauptung, im Jahre 1999 sei ein Muster übersandt worden, ohne daß dies mit einer einzigen weiteren Tatsache belegt wird, gänzlich ohne Substanz. Der Senat sieht keinen Anlaß, auf dieses Vorbringen hin die Verhandlung wieder zu eröffnen.

Die schriftliche Vorabinformation vom 23.03.1999 allein hat der Markenverletzung nicht die Rechtswidrigkeit genommen, denn die Klägerin hat die Beklagte am 01.04.1999 (Anlage K 4) aufgefordert, Muster zu übersenden. Sie hat also ihr Verlangen zum Ausdruck gebracht und damit die Verpflichtung der Beklagten begründet, sich der geplanten Markenverletzung zu enthalten, bis sie die verlangten Muster erhalten werde. Das ist erst am 10.03.2000 geschehen und hat erst zu diesem Zeitpunkt die Rechtswidrigkeit des Vertriebs beseitigt. Demnach ist auch der Antrag im Hinblick auf das Arzneimittel Madopar depot sachgerecht. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 a. F. und § 543 Abs. 2 n. F. ZPO. Die angewendeten Rechtsgrundsätze entsprechen höchstrichterlicher Rechtsprechung. Der Senat hat sie unter anderem in seinem Urteil vom 17. Mai 2001 (3 U 40/2000) vertreten. Der Bundesgerichtshof hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht angenommen (I ZR 198/01).

Ende der Entscheidung

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