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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: 3 U 38/00
Rechtsgebiete: MarkenG, ZPO


Vorschriften:

MarkenG § 14 Abs. 6
ZPO § 287
ZPO § 322
1. Zum Umfang der Bindungswirkung der rechtskräftigen Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Markenverletzung im anschließenden Betragsverfahren (Zahlungsklage).

2. Der Schadensersatz für die Markenverletzung (hier: Parallelimport von Arzneimitteln ohne Vorabinformation) kann im Wege der Lizenzanalogie bestimmt werden, und zwar im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, zu diesen gehört die Bedeutung der Marke bzw. des Arzneimittels. Beruht die Markenverletzung nur auf der fehlenden Vorabinformation, so geht es der Sache nach nur um eine Art Ergänzungslizenz für eine Verletzung von eher geringerem Gewicht (vorliegend 1 % des Umsatzes).


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 38/00

Verkündet am: 12. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter

v. Franque, Spannuth, Dr. Löffler

nach der am 24. April 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 12. Januar 2000 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.697,49 € (= 3.320 DM) nebst 4% Zinsen seit dem 27. August 1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.400.- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.- € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin - ein in Deutschland ansässiges Pharmaunternehmen - produziert und vertreibt in Deutschland die Arzneimittel B.XXX und B.XXX MITE. Die Bezeichnung "B.xxx" ist als deutsche Marke (Klagemarke) für sie als Lizenznehmerin geschützt, Inhaberin der Klagemarke ist die mit ihr konzernmäßig verbundene schwedische A.-AB.

Die Beklagte - eine Parallelimporteurin von Arzneimitteln - hat die Arzneimittel B.XXX und B.XXX MITE parallelimportiert und in Deutschland nach entsprechender Umkonfektionierung vertrieben. Die hierbei verwendeten Blisterpackungen beanstandet die Klägerin als Markenrechtsverletzung und außerdem als wettbewerbswidrig. Sie nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

In dem vorangegangenen Klageverfahren gleichen Rubrums (im "Vorprozess" - damals firmierte die Klägerin noch unter "A.- GmbH") hat das Landgericht Hamburg mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 10. März 1999 (315 O 698/98 - vgl. Anlage K 1) u. a. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu erstatten, der dieser aus Handlungen der in Ziffer 1 gekennzeichneten Art seit dem 15. April 1998 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Mit der in Bezug genommenen "Ziffer 1" des Urteilsausspruchs des Landgerichts im Vorprozess ist die Beklagte verurteilt worden, es zu unterlassen,

(a) das Arzneimittel B.xxx und/oder

(b) das Arzneimittel B.xxx mite

mit den aus den anliegenden Ablichtungen ersichtlichen Blisterpackungen in der Bundesrepublik Deutschland feilzuhalten und/oder in den Verkehr zu bringen (es folgen die Ablichtungen der Blisterpackungen gemäß der dortigen Anlagen K 3-4).

Auf die Beiakte des Vorprozesses Landgericht Hamburg 315 O 698/98 wird Bezug genommen. Die dortigen Anlagen K 3-4 zeigen in Ablichtung die von der Beklagten verwendeten Blisterpackungen: Auf deren Vorderseite hat die Beklagte jeweils ihre Firmenbezeichnung ("E.xxxxx") aufgedruckt und auf der Rückseite ist jeweils die Firma der Klägerin ("A. ") stehen geblieben; außerdem ist auf der Rückseite des Blisters "B.xxx(r) 100 mg" (statt B.XXX - Anlage K 3) bzw. "B.xxx(r) 50 mg" (statt B.XXX MITE - Anlage K 4) stehen geblieben.

Nach dem Urteil vom 10. März 1999 im Vorprozess hat die Beklagte Auskunft erteilt, dass sie seit April 1998 mit den beanstandeten Packungen B.XXX und B.XXX MITE Umsätze in Höhe von 332.000 DM erzielt habe (hiesige Anlage K 2).

Die Klägerin hat vorgetragen:

Sie berechne den Schadensersatz über eine angemessene Lizenz in Höhe von 5 % des Umsatzes von 332.000DM, mithin 16.600DM (wegen der Abmahnung: Anlage K 3). Die Lizenzhöhe von 5 % liege am unteren Ende der üblichen und angemessenen Lizenz für den Vertrieb von Pharmazeutika (Beweisantritt Bl. 4).

Schon im Vorprozess sei vorgetragen und unstreitig geblieben, dass Markeninhaberin der Marke "B.xxx" die A- AB. sei. Sie - die Klägerin - sei alleinige Lizenznehmerin und klagebefugt (Beweisantritt Bl. 18). Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts im Vorprozess liege eine Markenverletzung sowie ein Verstoß gegen das AMG (mit § 1 UWG) vor. Für die Frage der Markenverletzung komme es auf die Auffassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nicht an, die von der Beklagten hierzu vorgelegte Anlage B 1 betreffe diese im Übrigen nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.600 DM nebst 5 % Zinsen p. a. seit dem 27. August 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Es fehle an einer Markenverletzung. Ausgangspunkt hierfür könne nur die Rechtsprechung zum Umpacken parallelimportierter Markenarzneimittel sein, sofern keine Erschöpfung des Markenrechts eingetreten sei. Vorliegend käme nur der Gesichtspunkt einer mittelbaren Beeinträchtigung des Originalzustandes der Ware in Betracht, wenn wichtige Angaben fehlten oder unzutreffend wiedergegeben wären.

Im Vorprozess habe das Landgericht einen Verstoß gegen § 10 Abs. 8 AMG angenommen, wenn auf der Blisterpackung zwar der Name des Parallelimporteurs angegeben, seine Eigenschaft als pharmazeutischer Unternehmer aber nicht erkennbar sei, und einen solchen Verstoß dort bejaht, weil auf der Rückseite der Blisterpackung die Angabe "A" stehe. Diese Angabe "A." auf der Blisterpackung wirke aber nicht wie ein Hinweis auf den pharmazeutischen Unternehmer. Aus der Konfektionierung insgesamt ergebe sich, dass sie - die Beklagte - der pharmazeutische Unternehmer sei, weil das auf der äußeren Umverpackung und auf der Packungsbeilage angegeben sei.

Das gelte auch bei isolierter Betrachtung der Blisterpackung. Ärzte und Apotheker würden den Umstand des Parallelimports sofort bemerken. Soweit bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln B.XXX und B.XXX MITE überhaupt auch auf den Verbraucher abgestellt werden könne, sei der durchschnittlich aufmerksame und sorgfältige Durchschnittsverbraucher maßgebend, der seine Überlegungen nicht ohne die äußere Umverpackung und die Gebrauchsinformation anstellen werde und deswegen ebenfalls nicht irregeführt werde. Ein Verstoß gegen § 10 Abs. 8 AMG a. F. liege nicht vor. Im Übrigen sei § 10 Abs. 8 AMG nicht mit dem EU-Recht vereinbar (Bl. 15 f.).

Ferner sei die Blisterpackung auch deswegen nicht zu beanstanden, weil deren Gestaltung das für die Zulassung zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angeordnet habe (Anlage B 1 mit Beweisantritt Bl. 16). Insoweit fehle es auch an einem Verschulden. Ein auf § 1 UWG gestützter Schadensersatzanspruch könne zudem nicht nach der Lizenzanalogie berechnet werden. Die Angaben der Klägerin zur "angemessenen Lizenz" würden mit Nichtwissen bestritten.

Durch Urteil vom 14. April 1999 hatte das Landgericht der Klage hinsichtlich der Zahlungssumme (11.600 DM) vollen Umfangs und hinsichtlich der Zinsen in Höhe von nur 4 % Zinsen stattgegeben. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Beklagte trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihr bisheriges Vorbringen ergänzend vor:

Entgegen dem Landgericht sei keine (fiktive) Lizenz in Höhe von 5 % des Umsatzes für die Schadensberechnung anzusetzen. Sie - die Beklagte - könne diese Lizenzhöhe mangels Kenntnis ihrer Üblichkeit nur mit Nichtwissen bestreiten (Bl. 58), deswegen müsse durch Sachverständigengutachten Beweis erhoben werden. Es werde auch bestritten, dass "B.xxx" eine bekannte Marke sei und dass Arzneimittel dieser Marke umsatzstark seien.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine Lizenz eigener Art handelte. Die parallelimportierten Arzneimittel seien schon in der Europäischen Union im Verkehr gewesen, der Konzern der Klägerin habe daran bereits verdient. Für ein solches Segment würden niemals Lizenzen erteilt, insoweit sei es generell unmöglich, in so einem Falle den Schaden nach der Lizenzanalogie zu berechnen. Andernfalls müssten in jedem Fall Abschläge gemacht werden, so dass eine Ergänzungslizenz von höchstens 1 % in Betracht käme. Allenfalls ein Lizenzsatz von 2% käme in Betracht (vgl. Urteil des LG Hamburg: Anlage B 3).

Ein Schadensersatz nach fiktiver Lizenz komme vorliegend nicht in Betracht, weil allein an einen Verstoß gegen § 1 UWG, § 10 Abs. 8 AMG wegen Behinderung angeknüpft werden könne. Mit der Gesetzesänderung des § 10 Abs. 8 AMG, wonach auf die Angabe von Namen und Firma des Parallelimporteurs verzichtet werden könne, sei diese Sichtweise aber nicht mehr möglich.

Im Übrigen könnte die Klägerin allenfalls solche Schäden ersetzt verlangen, die ihr aus der Verlagerung "haftungsrechtlicher Verantwortlichkeit" entstanden seien, und zwar bezogen auf den Zustand, wenn das Parallelprodukt ordnungsgemäß gekennzeichnet worden wäre (OLG Köln; Anlage B 2). Nach der BGH-Rechtsprechung komme auch ein markenrechtlicher Schadensersatzanspruch nicht in Betracht (BGH WRP 2002, 947 - Entfernung der Herstellungsnummer III).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Im Vorprozess habe das Landgericht rechtskräftig der auf Markenrecht und UWG gestützten Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten stattgegeben. Eine Markenverletzung liege vor, weil die Beklagte durch ihren Aufdruck auf der Blisterpackung den Eindruck erwecke, sie sei pharmazeutische Unternehmerin und möglicherweise sogar Markeninhaberin. Die Neufassung des § 10 Abs. 8 AMG spiele keine Rolle, weil es um einen Vorgang aus 1998 gehe.

Die Beklagte bestreite zu Unrecht, dass B.XXX eine bekannte und umsatzstarke Marke sei. B.XXX falle in die Gruppe der zehn umsatzstärksten deutschen Arzneimittel, im Jahre 1999 habe der Umsatz in Deutschland bei 210 Mio. DM gelegen (Beweisantritt Bl. 61). Aus dem vorgelegten Beispiel eines Arzneimittel-Mitvertriebs-Vertrages zwischen Parallelimporteuren ergebe sich die Angemessenheit der geforderten fiktiven Lizenz (Anlage K 4; Beweisantritt Bl. 62).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Beiakte Landgericht Hamburg 315 O 698/98 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet, insoweit ist die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts abzuweisen. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

I.

Zu Recht hat das Landgericht den mit der Klage geltend gemachten Zahlungsanspruch dem Grunde nach als begründet angesehen.

Die Klägerin steht gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG ein Anspruch auf Schadensersatz dafür zu, dass die Beklagte seit dem 15. April 1998 die Arzneimittel B.XXX und B.XXX MITE parallelimportiert hat und diese unter Verwendung der Blisterpackungen gemäß Anlagen K 3-4 (des Vorprozesses Landgericht Hamburg 315 O 698/98) feilgehalten und in den Verkehr gebracht hat.

Die Feststellung dieser Schadensersatzpflicht der Beklagten ergibt sich auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Hamburg vom 10. März 1999 im Vorprozess.

1.) Hat eine positive Feststellungsklage Erfolg, so wird festgestellt, dass das in dem Urteil bezeichnete Recht oder Rechtsverhältnis besteht und zwar unabhängig davon, ob das Gericht alle einschlägigen Aspekte gesehen und zutreffend gewürdigt hat (BGH NJW 1982, 2257; Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 23. Auflage, § 322 ZPO Rz. 6 m. w. Nw.). Durch die Rechtskraft eines solchen Feststellungsurteils ist das Gericht bei der nachfolgenden Entscheidung über die entsprechende Leistungsklage in Form der bezifferten Zahlungsklage gebunden, d. h. die Rechtskraft hindert das nunmehr entscheidende Gericht an einer davon abweichenden Entscheidung (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Auflage, §322 ZPO Rz.39, 62; Zöller-Vollkommer, a. a. O., vor § 322 ZPO, Rz. 19, 22).

Ist - wie im vorliegenden Fall - im Vorprozess die Schadensersatzpflicht der Beklagten unbeziffert rechtskräftig festgestellt worden, so kann das Gericht allerdings die nachfolgende Zahlungsklage gegebenenfalls noch abweisen, weil hinsichtlich der Höhe des Zahlungsanspruchs keine Bindung durch die rechtskräftige Vorentscheidung erfolgt (BGH NJW 1986, 2508). Das kann aber selbstverständlich nicht mit der Begründung geschehen, die beanstandete Handlung, die Gegenstand des Feststellungsprozesses war, sei nicht rechtswidrig und begründe somit keinen Schadensersatz; denn gerade insoweit ist das Gericht an die rechtskräftige Vorentscheidung gebunden.

2.) Deswegen können vorliegend die Einwendungen der Beklagten zur Inhaberschaft der verletzten Klagemarke, zur Verletzung des Markenrechts durch die Verwendung der beanstandeten Blisterpackungen der Beklagten beim Parallelimport von B.XXX und B.XXX MITE und zum Verschulden der Beklagten hinsichtlich der von ihr begangenen Markenrechtsverletzung nicht durchgreifen. Allen diesen Einwendungen steht die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts im Vorprozess entgegen.

Soweit die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit insbesondere damit argumentiert, die von ihr verwendeten Blister würden nicht gegen § 10 Abs. 8 AMG verstoßen, übersieht sie, dass im Urteil des Vorprozesses - wie ausgeführt - die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen der Markenrechtsverletzung (rechtskräftig) festgestellt worden ist. Auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt ist auch die vorliegende Schadensersatz-Zahlungsklage gestützt. Deswegen ist es unerheblich, wie sich die Verwendung der Blisterpackung nach § 10 Abs. 8 AMG beurteilt.

Im Übrigen hat das Landgericht im Urteil des Vorprozess die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten außerdem (und nicht "allein", wie die Beklagte meint) aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verstoßes gegen § 1 UWG in Verbindung mit §10 Abs. 8 AMG a. F. rechtskräftig bejaht. Insoweit können ebenfalls wegen der Rechtskraft des Urteils im Vorprozess die gegenteiligen Argumente der Beklagten zu § 10 Abs. 8 AMG a. F. nicht durchgreifen.

3.) Der Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach kann vorliegend nicht mit der Feststellung begegnet werden, der Klägerin sei keinerlei Schaden durch den Parallelimport unter Verwendung der beanstandeten Blisterpackung entstanden.

Allerdings verkennt der Senat nicht, dass ein solcher Einwand grundsätzlich zulässig wäre; ihm stünde nicht die Bindung wegen der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozess entgegen. Die Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt einen Ersatzanspruch und - als materiellrechtliches Element eines solchen Anspruchs und nicht etwa des Feststellungsinteresses (BGH GRUR 1972, 180 - Cheri) - einen Schaden voraus; es genügt die (normale) Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (BGH GRUR 1995, 744 - Feuer, Eis & Dynamit I). Für die bezifferte Zahlungsklage wäre die bloße Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend.

Schon nach allgemeinen Erfahrungssätzen ist der Schadenseintritt aber vorliegend gegeben. Wegen der von der Beklagten verwendeten Blisterpackung beim Parallelimport der Arzneimittel B.XXX und B.XXX MITE war - entsprechend den Ausführungen im rechtskräftigen Feststellungsurteil des Landgerichts im Vorprozess - das Markenrecht der Klägerin an der Nagemarke nicht erschöpft. Der Vertrieb dieser Packungen war mithin rechtswidrig. Ohne diesen Parallelimportvertrieb durch die Beklagte hätte die Klägerin ihre Original-Arzneimittel verstärkt im Markt platzieren können. Gegenteiliges ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Das Argument der Beklagten, ein Schaden sei aus dem Gesichtspunkt rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht gegeben, greift demgegenüber nicht durch: Ein Schaden ist bei der Klägerin dadurch eingetreten, dass die Beklagte ohne Rechtsfertigungsgrund in ihre Markenrechte eingegriffen hat. Diese Handlung macht sie schadenersatzpflichtig, auf den ordnungsgemäßen Parallelimport ist nicht abzustellen. Die Rechtsprechung zum rechtmäßigen Alternativverhalten etwa des Arztes, der mit dem Einwand gehört wird, der Patient hätte auch bei ausreichender Information in den Eingriff eingewilligt, stellt keine auf den vorliegenden Fall anwendbare Parallele dar, weil eine Einwilligung der Klägerin in die Markenverletzung gerade nicht in Betracht kommt.

4.) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten noch herangezogenen BGH-Entscheidung (BGH WRP 2002, 947 - Entfernung der Herstellungsnummer III).

Es ging in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt darum, dass die dortige Klägerin den Schadenseintritt nicht dargelegt hatte, insbesondere hat der Bundesgerichtshof in jenem Fall den Eintritt eines Schadens - einschließlich Marktverwirrungsschadens - verneint, weil die dort angegriffene Entfernung der Kontrollnummern auf den Duftwässern kaum zu bemerken gewesen sei. Insoweit ging es in jenem Fall um andere tatsächliche Feststellungen. Dass der Bundesgerichtshof aus Rechtsgründen etwa in Fällen des Parallelimports einen Schadensersatzanspruch verneint hätte, ergibt sich aus jener Entscheidung nicht.

II.

Nach Auffassung des Senats ist zur Ermittlung des Schadensersatzes der Klägerin nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie im vorliegenden Fall von einer angemessenen Lizenzgebühr in Höhe von 1 % auszugehen. Demgemäß ist die Zahlungsklage nur in dieser Höhe (1 % des relevanten Umsatzes in Höhe von 332.000 DM - Anlage K 2, mithin 3.320 DM) begründet, im Übrigen ist sie abzuweisen. Wegen der Zinsen wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

1.) Zu Recht hat das Landgericht den Schadensersatz der Klägerin entsprechend ihrem Klagebegehren nach der Lizenzanalogie (unbeschadet des Ergebnisses zur Höhe) bemessen. Die grundsätzlichen Einwände der Beklagten gegen diese Berechnungsmethode greifen nicht durch.

(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Schadensersatz wegen einer Markenverletzung nach der sog. Lizenzanalogie berechnet werden (BGH GRUR 1966, 375 - Meßmer-Tee II). Ihr liegt die Überlegung zu Grunde, dass der Verletzer grundsätzlich nicht besser, aber auch nicht schlechter stehen soll als ein vertraglicher Lizenznehmer, der eine Lizenzgebühr entrichtet hätte (BGH GRUR 1993, 55 - Tchibo/Rolex II). Hierbei ist objektiv darauf abzustellen, was bei der Vertragseinräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten. Der Grundsatz läuft auf die Fiktion eines verkehrsüblichen Lizenzvertrages hinaus, maßgeblich ist die Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts, für deren Einräumung üblicherweise eine Lizenz zu zahlen ist (BGH GRUR 1990, 1008 - Lizenzanalogie).

(b) Der Umstand, dass die Beklagte die Markenrechte der Klägerin im Rahmen des Parallelimports von Arzneimitteln verletzt hat, steht der Bestimmung des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie nicht entgegen. Die von der Beklagten in Deutschland vertriebenen "B.xxx"-Arzneimittel befanden sich zuvor bereits in der Europäischen Union im Verkehr, insoweit haben sich bereits Gewinne auf Seiten des Konzerns der Klägerin realisiert. Die Behauptung der Beklagten, in diesem "Segment" des Parallelimports würden üblicherweise keine Lizenzen erteilt, mag richtig sein, sie ist jedenfalls für die Berechnung des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie unerheblich:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bei Markenrechtsverletzungen die Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie nicht etwa nur auf solche Fälle zu beschränken, in denen nach der speziellen Art der Rechtsverletzung eine Lizenzierung verkehrsüblich ist. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Lizenzanalogie nicht etwa nur bei sog. Ident-Verletzungen, d. h. bei der unautorisierten Verwendung derselben Bezeichnung wie die in Rede stehende Marke, sondern auch bei damit verwechslungsfähigen Bezeichnungen anzuwenden ist, obwohl ein Markeninhaber schwerlich bereit sein dürfte, verwechslungsfähige Bezeichnungen neben seiner Marke zu dulden. Vielmehr berührt die Frage, ob der Verletzer die fremde Marke identisch oder nur in verwechslungsfähiger Form benutzt, nur die Berechnung der Höhe der entgangenen Lizenzgebühr, nicht aber die Zulässigkeit dieser Berechnungsmethode an sich (BGHZ 60, 206 - Miss Petite).

Nichts anderes ergibt sich für das vorliegende "Segment" der Markenverletzung im Rahmen des Parallelimports von Arzneimitteln, soweit Lizenzierungen durch den Hersteller des Originalarzneimittels hier unüblich sind. Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes ist diese Berechnungsmethode überall dort zulässig, wo die Überlassung von Ausschließlichkeitsrechten rechtlich möglich und verkehrsüblich ist (BGH, a. a. O. - Meßmer-Tee II). Für die Verkehrsüblichkeit kommt es nicht auf die Verhältnisse in der speziellen Branche der Prozessparteien an, sondern darauf, ob bei einem Ausschließlichkeitsrecht dieser Art ganz allgemein die Erteilung von Lizenzen im Verkehr üblich ist (BGH, a. a. O. - Miss Petite). Dass das bei Markenrechten der Fall ist, liegt auf der Hand.

(c) Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der Zulässigkeit der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils im Vorprozess auch ein Verstoß gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 8 AMG a. F. vorlag. Eine Anspruchskonkurrenz ändert an dem Vorliegen einer Markenrechtsverletzung nichts; von dieser ist, wie ausgeführt, nach dem insoweit bindenden Urteil im Vorprozess auszugehen.

2.) Der Senat sieht sich auf Grund des Vorbringens der Parteien und wegen der langjährigen Erfahrung in Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Parallelimports von Arzneimitteln mit markenrechtlich geschützten Bezeichnungen in der Lage, ohne die Hilfe eines Sachverständigen den Schadensersatz der Klägerin nach der Lizenzanalogie zu beziffern. Nach Auffassung des Senats ist vorliegend nach Abwägung aller besonderen Umstände die Lizenz in Höhe von 1 % des relevanten Umsatzes angemessen, ein höherer oder niedrigerer Lizenzsatz wäre unangemessen (§ 287 Abs. 1 ZPO).

Hierbei ist besonders herauszustellen, dass es nur auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalles maßgeblich ankommt. Die pauschale Festlegung etwa einer "Taxe" bei Markenverletzungen im Bereich des Parallelimports verbietet sich schon aus grundsätzlichen Erwägungen.

(a) Von Bedeutung für die Höhe der Umsatzlizenz muss das wirtschaftliche Gewicht der Klagemarke sein, denn sie ist durch den rechtswidrigen Parallelimport der Arzneimittel B.XXX und B.XXX MITE verletzt. Wie die Klägerin unbestritten vorgetragen hat, fallen "B.xxx"-Arzneimittel der Klägerin in die Gruppe der zehn umsatzstärksten deutschen Arzneimittel, im Jahre 1999 betrug der Umsatz in Deutschland etwa 210.000.000 DM (Bl. 61). Die Beklagte hat diese detaillierten Angaben der Klägerin zum Umsatz mit "B.xxx"-Arzneimitteln nicht mehr bestritten, ihr anfängliches Bestreiten bezog sich auf die bloße Behauptung der Klägerin, ihre Marke sei umsatzstark und bekannt. Angesichts dieser unstreitigen Marktverhältnisse teilt der Senat die Bewertung der Klägerin, dass es sich bei der Klagemarke um eine umsatzstarke und bekannte Marke handelt.

(b) Für die Bestimmung der angemessenen Lizenzhöhe ist zu berücksichtigen, dass es sich der Sache nach beim Parallelimport von Arzneimitteln vorliegend nur um eine besondere Art einer sog. Ergänzungslizenz handeln kann, weil es nicht um die Erstkennzeichnung der zu vertreibenden Ware geht, sondern um den Vertrieb in Deutschland, nachdem die Ware bereits ordnungsgemäß in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht und insoweit der Konzern der Klägerin entsprechende Einnahmen erzielt hat.

Hierbei ist für die Lizenzhöhe dieser besonderen Lizenzart auch mitbestimmend, dass es vorliegend nicht um "normale" Markenrechtsverletzungen etwa nach Art von Plagiaten geht. Vielmehr handelt es sich um Originalware, die - wenn die Vorgaben des Bundesgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes zur markenrechtlichen Erschöpfung eingehalten werden - an sich ohne Zustimmung des Markeninhabers und demgemäß lizenzfrei nach Deutschland importiert und hier durch die Beklagte vertrieben werden dürfen.

(c) Weiter ist für die Lizenzhöhe zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um den Fall einer "unordentlichen" äußeren Umverpackung geht, bei der die schutzwürdigen Belange des Markeninhabers stärker berührt sein können, sondern um eine bestimmte Aufmachung der Blisterpackung. Das Landgericht hat im Vorprozess die Beanstandung - für den vorliegenden Zahlungsprozess bindend - durchgreifen lassen, dass auf der Blisterpackung nicht hinreichend deutlich werde, dass die Beklagte die Funktion des pharmazeutischen Unternehmers - und nicht des Markeninhabers - einnehme. Zusätzlich Gesichtspunkte einer Markenrechtsverletzung sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

Demgemäß geht es um eine Markenrechtsverletzung von eher geringem Gewicht, und zwar nur auf der inneren Verpackung. Im Übrigen ist mitzuberücksichtigen, dass die vom Landgericht im Vorprozess beanstandeten, missverständlichen bzw. fehlenden Angaben auf der Blisterpackung regelmäßig jedenfalls auf der äußeren Umverpackung und/oder auf dem Beipackzettel genauer und demgemäß klar erkennbar gemacht werden, wodurch auch das Ausmaß der "Unordentlichkeit" nochmals gemildert wird. Nach dem Streitgegenstand, der allein auf die Aufmachung der Blisterpackung abstellt, kann das jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

(d) Es wäre nach Auffassung des Senats demgegenüber verfehlt, die Behauptung der Klägerin, eine Umsatzlizenz in Höhe von 5 % liege "am unteren Ende" der für den Vertrieb von Pharmazeutika üblichen und angemessenen Lizenz als maßgeblich anzusehen. Deswegen bedarf ist insoweit auch keiner Beweisaufnahme. Wie oben ausgeführt, handelt es sich im vorliegenden Fall um eine "besondere" Markenverletzung im Rahmen des Parallelimports.

(e) Auch der weitere, von der Klägerin herangezogene Gesichtspunkt einer Mitvertriebslizenz zwischen Parallelimporteuren (Anlage K 4: Lizenzgebühr in Höhe von 5 % des Umsatzes auf der Basis der Herstellerabgabepreise) kann nicht durchgreifen. Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Denn beim Mitvertrieb durch einen weiteren Parallelimporteur partizipiert dieser im Verhältnis zu dem anderen Parallelimporteur nicht an Markenrechten, die dieser mithin auch nicht lizenzieren kann, sondern maßgeblich am Gewinn des Parallelimportes, an dem er - kaufmännisch vernünftig - nach Maßgabe seines eigenen Tätigkeitsumfanges zu beteiligen ist.

3.) Unter Beachtung aller besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles hält der Senat den vom Landgericht angenommenen Lizenzsatz von 5% des relevanten Umsatzes für zu hoch. Vielmehr ist die vom Senat angenommene Höhe von 1% angemessen (§ 287 Abs. 1 ZPO).

Wie ausgeführt, kommt es maßgeblich nur auf die insgesamt abzuwägenden Umstände des vorliegenden Einzelfalles an.

III.

Nach alledem hatte die Berufung der Beklagten nur teilweise Erfolg, insoweit war unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen. Im Übrigen war die Berufung unbegründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 97 Abs. 1, 92, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.). Die Rechtssache geht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, über die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht hinaus. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Zulassung der Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das gilt entgegen der Ansicht der Beklagten auch im Hinblick auf die von ihr herangezogene Entscheidung des OLG Köln (Pharma-Recht 2000, 212 - Anlage B 2); soweit dort andere Schlussfolgerungen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes gezogen worden sind, ist damit noch keine Zulassung der Revision angezeigt.

Eine Vorlage an den EuGH (Art. 234 EG) kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Wie die obigen Ausführungen zeigen, steht die Anwendung der markenrechtlichen Bestimmungen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und Entscheidungen im Einklang.

Ende der Entscheidung

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