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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 28.11.2002
Aktenzeichen: 3 U 68/01
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 20 Abs. 1
Es beschränkt nicht rechtswidrig den Wettbewerb, wenn die Deutsche Telekom und T-Online gemeinsam mit einem T-ISDN-Mehrgerätetelefonanschluß zugleich ohne zusätzliches Entgelt den Abschluß eines T-Online-Vertrages anbieten.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 68/01

Verkündet am: 28. November 2002

AOL

In dem Rechtsstreit

"Kopplung von ISDN mit T-Online"

RUBRUMBI.322

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franque, Spannuth nach der am 17. Oktober 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 6 für Handelssachen, vom 12. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 30.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen. und beschlossen:

Der Streitwert wird für die Rechtsmittelinstanz auf 1.278.230 € (2.500.000 DM) festgesetzt.

In Ergänzung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung vom 02.04.2001 auf 5.000.000 DM (2.556.459 €) wird der Streitwert für die erste Instanz mit der Erledigungserklärung der Klägerin im Schriftsatz vom 18.07.2000 auf 1.533.876 € (3.000.000 DM) und mit Stellung der Klageanträge im Termin vom 17.11.2000 auf 1.278.230 € (2.500.000 DM) festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beklagte zu 2) (T-Online) bietet seit Januar 2000 zusammen mit Kooperationspartnern, das sind neben der Beklagten zu 1) (Deutsche Telekom) einige Sparkassen, für die Internetnutzung einen "by-call"-Tarif ohne Grundgebühr an. Der Minutenpreis betrug ursprünglich ungebündelt 3 Pfennig Online-Entgelt zuzüglich 3 Pfennig Telefonentgelt, dann gebündelt 3,9 Pfennig, seit Januar 2002 2 Cent und ab November 2002 1,99 Cent. Der Tarif ist wegen der fehlenden Grundgebühr vor allem für "Wenigsurfer" interessant. Wer einen T-ISDN Anschluß der Beklagten zu 1) besitzt oder bestellt, kann diesen Tarif wählen. Anfangs wurde es so gehalten, daß derjenige, der einen T-ISDN-Anschluß bei der Beklagten zu 1) bestellte, von der Beklagten zu 2) eine "Auftragsbestätigung" und "Zugangs-Software" mit individueller Kennung erhielt und von ihr als Kunde begrüßt und registriert wurde. Streitig ist, wie lange die Beklagten es so handhabten. Später hatten Besteller von ISDN-Anschlüssen (jedenfalls auch) die Möglichkeit anzukreuzen, wenn sie auch T-Online-Kunde werden wollten (vgl. Anlagen BE 38 und 39 der Beiakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war).

Eine "Kopplung" hält die Klägerin für rechtswidrig und hat Anfang Januar 2000 -gestützt auf §§ 19, 20 GWB, 1 UWG, 823 BGB - erfolglos eine einstweilige Verfügung beantragt. Mit der Beschwerde hat die Klägerin das Verbot zusätzlich auf Rabatt- und Zugabeverstoß gestützt und am 13.01.2000 das beantragte Verbot erwirkt, das dem ursprünglichen Antrag zu l. der am 15.03.2000 eingereichten Klage entspricht. Die Akten dieses Parallelverfahrens (Landgericht Hamburg 406 O 11/00 = 3 U 327/01) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Die Klägerin hatte die Anträge angekündigt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

a) die Beklagte zu 1.:

aa) einen T-ISDN-Mehrgerätetelefonanschluß ohne zusätzliches Entgelt zu dem von ihr dafür verlangten monatlichen Grundpreis einschließlich einem T-Online-Vertrag zu einem call-by-call-Tarif von zur Zeit DM 0,03 pro Minute Online-Entgelt zuzüglich DM 0,03 pro Minute Telefonentgelt ("T-Online-by-call"-Tarif) anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder Bestellern eines T-ISDN- zugleich den Abschluß eines T-Online-Vertrages zum T-Online-by-call-Tarif zu vermitteln;

und/oder

bb) ihren vorhandenen Kunden von T-ISDN-Mehrgeräte-Telefonanschlüssen ohne zusätzliches Entgelt zu dem von ihr dafür verlangten monatlichen Grundpreis einen T-Online-Vertrag zum T-Online-by-call-Tarif anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder solchen Kunden den Abschluß eines solchen T-Online-Vertrages zu vermitteln;

b)die Beklagte zu 2.:

aa) Bestellern eines T-ISDN-Mehrgerätetelefonanschlusses gemäß Ziff. 1 einen T-Online-Vertrag zu einem call-by-call-Tarif von zur Zeit DM 0,03 pro Minute Online-Entgelt zuzüglich DM 0,03 pro Minute Telefonentgelt ("T-Online by-call"-Tarif) anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder

bb) Inhabern eines T-ISDN-Mehrgerätetelefonanschlusses gemäß Ziff. 1 einen T-Online-Vertrag zu einem call-by-call-Tarif von zur Zeit DM 0,03 pro Minute Online-Entgelt zuzüglich DM 0,03 pro Minute Telefonentgelt ("T-Online by-call"-Tarif) anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen

und/oder

cc) mit solchen von der Beklagten zu 1. vermittelten Kunden einen T-Online-Vertrag zum zum T-Online-by-call-Tarif abzuschließen

und/oder

dd) solchen von der Beklagten zu 1. vermittelten Kunden einen T-Online-Anschluß zu einem solchen Tarif bereitzustellen.

II. die Beklagten zu verurteilen,

der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen begangen haben und zwar

1. die Beklagten zu 1. und 2. unter Angabe von Art und Umfang der beschriebenen Werbung (einschließlich Werbung auf ihren Websites), aufgeschlüsselt nach Monaten und Werbeträgern, wobei jeweils Kopien der einzelnen Werbeschriften, und Anzeigen, der Storyboards der TV-Spots und der Texte der Funkspots sowie Ausdrucke der Website-Werbung beizufügen sind;

2. die Beklagte zu 2.

unter Angabe der Anzahl der durch diese Handlungen gewonnenen T-Online-Kunden und unter Angabe des mit diesen Kunden erzielten Umsatzes.

III. Es wird festgestellt, daß

1. die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,

der ihr durch die Handlungen gemäß Ziffer l. 1 a) entstanden ist und noch entstehen wird;

2. die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,

der ihr durch die Handlungen gemäß Ziffer l. 1 b) entstanden ist und noch entstehen wird.

Nachdem die Beklagten Telefon- und Onlineentgelt zu einem Minutenpreis von 3,9 Pf gebündelt hatten, hat die Klägerin die Anträge zu 1. a) bb) und b) bb) für erledigt erklärt und - da die Beklagten dem widersprochen haben - beantragt, die Erledigung dieser Anträge festzustellen und im übrigen die Anträge in folgender Fassung gestellt:

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

a) die Beklagte zu 1.:

einen T-ISDN-Mehrgerätetelefonanschluß ohne zusätzliches Entgelt zu dem von ihr dafür verlangten monatlichen Grundpreis einschließlich einem T-Online-Rahmenvertrag zu einem call-by-call-Tarif von zur Zeit DM 0,039 pro Minute ("T-Online-by-call"-Tarif) anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder Bestellern eines T-ISDN-Mehrgerätetelefonanschlusses zugleich den Abschluß eines T-Online-Rahmenvertrages zum T-Online-by-call-Tarif zu vermitteln;

b)die Beklagte zu 2.:

aa) Bestellern eines T-ISDN-Mehrgerätetelefonanschlusses gemäß Ziff. 1 gleichzeitig einen daran gekoppelten T-Online-Rahmenvertrag zu einem by-call-Tarif von zur Zeit DM 0,039 pro Minute ("T-Online by-call"-Tarif) anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen,

bb) mit von der Beklagten zu 1. durch diese Kopplung vermittelten Kunden einen T-Online-Rahmenvertrag zum T-Online-by-call-Tarif abzuschließen

und/oder

cc) solchen von der Beklagten zu 1. durch die Kopplung vermittelten Kunden einen T-Online-Anschluß zu einem solchen Tarif bereitzustellen.

II. die Beklagten zu verurteilen,

der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar

1. die Beklagten zu 1. und 2. unter Angabe von Art und Umfang der beschriebenen Werbung (einschließlich Werbung auf ihren Websites), aufgeschlüsselt nach Monaten und Werbeträgern, wobei jeweils Kopien der einzelnen Werbeschriften, und Anzeigen, der Storyboards der TV-Spots und der Texte der Funkspots sowie Ausdrucke der Website-Werbung beizufügen sind;

2. die Beklagte zu 2. unter Angabe der Anzahl der durch diese Handlungen gewonnenen T-Online-Kunden und unter Angabe des mit diesen Kunden erzielten Umsatzes.

III. Es wird festgestellt, daß

1. die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,

der ihr durch die Handlungen gemäß Ziffer l. 1 a) entstanden ist und noch entstehen wird;

2. die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Handlungen gemäß Ziffer l. 1 b) entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten haben eingewendet, die für erledigt erklärten Anträge seien tatsächlich zurückgenommen (dem stimmten sie zu), und hilfsweise der Erledigung widersprochen. Sie haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen wird (§ 543 Abs. 2 ZPO a. F.), hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Sie ergänzt und vertieft ihr tatsächliches Vorbringen - insoweit wird vor allem auf die Berufungsbegründung vom 15.03.2001 (Bl. 218 ff. d. A.) sowie den Schriftsatz vom 09.10.2002 (Bl. 299 ff. d. A.) und den in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz vom 17.10.2002 (Bl. 320 ff. d. A.) Bezug genommen - und stellt den Antrag

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen,

a) die Beklagte zu 1.:

einen T-ISDN-Mehrgeräte-Telefonanschluß ohne zusätzliches Entgelt zu dem von ihr dafür verlangten monatlichen Grundpreis einschließlich einem T-Online-Rahmenvertrag zu einem call-by-call-Tarif ("T-Online-by-call"-Tarif) anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder Bestellern eines T-ISDN- Mehrgeräteanschlusses zugleich den Abschluß eines T-Online-Rahmenvertrages zum T-Online-by-call-Tarif zu vermitteln;

b)die Beklagte zu 2.:

aa) Bestellern eines T-ISDN-Mehrgeräte-Telefonanschlusses gemäß Ziff. 1 gleichzeitig einen daran gekoppelten T-Online-Rahmenvertrag zu einem by-call-Tarif von zur Zeit € Cent 2 pro Minute und ab 01.11.2002 von € Cent 1,99 pro Minute ("T-Online by-call"-Tarif) anzubieten, ein solches Angebot zu bewerben und/oder bewerben zu lassen,

bb) mit von der Beklagten zu 1. durch diese Kopplung vermittelten Kunden einen T-Online-Rahmenvertrag zum T-Online-by-call-Tarif abzuschließen

und/oder

cc) solchen von der Beklagten zu 1. durch die Kopplung vermittelten Kunden einen T-Online-Anschluß zu einem solchen Tarif bereitzustellen.

II. die Beklagten zu verurteilen,

der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2000 unabhängig von der Höhe des für den "T-Online by call-Tarif zu entrichtenden Entgelts begangen haben, und zwar

1. die Beklagten zu 1. und 2.

unter Angabe von Art und Umfang der beschriebenen Werbung (einschließlich Werbung auf ihren Websites), aufgeschlüsselt nach Monaten und Werbeträgern, wobei jeweils Kopien der einzelnen Werbeschriften, und Anzeigen, der Storyboards der TV-Spots und der Texte der Funkspots sowie Ausdrucke der Website-Werbung beizufügen sind;

2. die Beklagte zu 2.

unter Angabe der Anzahl der durch diese Handlungen gewonnenen T-Online-Kunden und unter Angabe des mit diesen Kunden erzielten Umsatzes.

III. Es wird festgestellt, daß

1. die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer I. 1 a) seit dem 01.01.2000 entstanden ist und noch entstehen wird, wobei es auf die Höhe des für den "T-Online by call"-Tarif zu entrichtenden Entgelts nicht ankommt;

2. die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer I. 1 b) seit dem 01.01.2000 entstanden ist und noch entstehen wird, wobei es auf die Höhe des für den "T-Online by call"-Tarif zu entrichtenden Entgelts nicht ankommt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil mit Rechtsgründen, stellen die Marktverhältnisse aus ihrer Sicht dar, sie verweisen auf den Umstand, daß jeder Nutzer in der Lage sei, bei sich unentgeltlich den Zugang zu "by-call"-Anbietern zu installieren, und auf den Umstand, daß die Klägerin und ihr Konzern so mit dem Anbieter Microsoft zusammenarbeite, daß ihre Zugangsprogramme automatisch mit dem weltweit dominierenden Betriebssystem "Windows" installiert werde.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1. Die Beklagten rügen, das Landgericht habe sich mit den Argumenten zur Teilklagerücknahme und zur ausdrücklich beantragten Streitwertfestsetzung nicht befaßt. Dem hat der Senat mit seiner ergänzenden Festsetzung Rechnung getragen.

Das Landgericht hat den erstinstanzlichen Streitwert auf 5.000.000 DM festgesetzt, ohne weiter zu differenzieren. Von diesem Betrag entfallen 4 Mio. DM auf die Unterlassungsanträge und je 0,5 Mio. DM auf Auskunft und Feststellung.

Mit ihrer Erledigungserklärung vom 18.07.2000 hat die Klägerin zu verstehen gegeben, daß sie die mit den Anträgen zu I. 1. a) (bb) und I. 1. b) (bb) verfolgten Klageziele nicht mehr durchsetzen wolle, wobei es für die Kostenentscheidung belanglos ist, ob in der Erklärung nicht in Wahrheit eine verkappte Klagerücknahme liegt, wie die Beklagten meinen. Ihr späterer Antrag, insoweit die Erledigung festzustellen, betraf mithin nur ihr Kosteninteresse. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist dies neben aufrechterhaltenen materiellen Anträgen im Streitwert nicht zu berücksichtigen. Da die genannten Anträge mehr als 15 Mio. "Bestandskunden" (im Gegensatz zu Neubestellern) betrafen, war der Streitwert für die Unterlassungsanträge mit der Erledigungserklärung der Klägerin auf die Hälfte zu reduzieren.

Im Hinblick auf die Anträge zu Auskunft und Feststellung hat die Klägerin keine Erledigungserklärung abgegeben, so daß sich die Erörterung im Termin vom 21.07.2000, in dem noch keine Anträge gestellt wurden, uneingeschränkt auf das ursprüngliche Begehren der Klägerin bezog, also einen Gesamtstreitwert von noch 3 Mio. DM betraf.

Im Termin vom 17.11.2000 hat die Klägerin die Anträge aus dem Schriftsatz vom 29.09.2000 gestellt, in denen hinsichtlich Auskunft und Feststellung auf die Unterlassungsanträge ohne die ursprünglichen Anträge zu l. 1. a) (bb) und l. 1. b) (bb) Bezug genommen wurde. Insoweit hat sie ihre Anträge zurückgenommen, so daß sich auch der auf diese entfallende Streitwert halbiert hat. Das Landgericht hat zwar § 269 ZPO in seiner Kostenentscheidung nicht erwähnt, sondern der Klägerin die Kosten nur nach § 91 ZPO auferlegt, für das Ergebnis spielt das aber keine Rolle.

2. Im Laufe des Verfahrens ist der Kern des Rechtsstreits deutlicher geworden. Die Klägerin möchte verhindern, daß neue ISDN-Kunden automatisch T-Online-Kunde werden, während es ihr nicht darauf ankommt, zu welchen Bedingungen, also zum Beispiel zu welchem Tarif, das geschieht. Das hat sie in der Verhandlung vor dem Senat klargestellt. Von ihrem Antrag ist also nicht eine Handhabung erfaßt, bei der der Neukunde in seinem Antrag auf einen ISDN-Anschluß ankreuzen kann, ob er auch T-Online-Kunde werden möchte (vgl. Anlagen BE 38 und 39 der Beiakte). Diese Klarstellung macht es darüber hinaus entbehrlich, auf viele Ausführungen einzugehen, auf die es für den so verstandenen Antrag nicht ankommt.

Ihre Auffassung verdeutlicht die Klägerin dadurch, daß sie den Begriff "Rahmenvertrag" in ihre Unterlassungsanträge übernimmt, weil sie meint, der Neukunde schließe mit dem Vertrag über den ISDN-Anschluß zugleich einen solchen mit der Beklagten zu 2). Da die Beklagten dies anders sehen und der Ansicht sind, dem ISDN-Kunden lediglich eine Option eingeräumt zu haben, ist der von der Klägerin verwendete Begriff auslegungsbedürftig und wäre im Tenor nur dann möglich, wenn zwischen den Parteien kein Streit über ihn bestünde (BGH GRUR 2000, 709, 711 - Marlene Dietrich).

Trotzdem bestand kein Anlaß, auf eine andere Fassung der Anträge hinzuwirken und in sie die tatsächlichen Elemente aufzunehmen, aus denen die Klägerin den Abschluß eines Rahmenvertrages herleitet, denn das Begehren der Klägerin erweist sich in jedem Falle als unbegründet.

3. Ausgangspunkt für den Angriff der Klägerin war die "Oberhammer"-Werbung (Anlagen K 35 ff.) der Beklagten, in der es unter anderem "Beim T-ISDN Anschluss ist jetzt der T-Online Anschluss inklusive." oder ähnlich hieß. In dem Internet-Bestellformular (Anlage K 39) ging es um "das Produkt »T-ISDN mit T-Online«". Danach konnte der Besteller nicht zweifeln, daß er auf Grund der Werbung der Beklagten ein Vertragsangebot machte, das beide Anschlüsse als einheitliches Angebot betraf, auch wenn es von zwei unterschiedlichen Anbietern stammte. Ob der gelegentliche Zusatz "auf Wunsch" (Anlage K 37) überhaupt so verstanden werden konnte, daß auch ein ISDN-Anschluß ohne T-Online-Anschluß bestellbar war, mag dahinstehen, weil er nicht durchgängig verwendet wurde. Der Kunde machte mit seiner Bestellung also ein Vertragsangebot, das auch eine vertragliche Bindung an die Beklagte zu 2) umfaßte und von beiden Beklagten einheitlich angenommen wurde. Die Beklagte zu 2) war damit gebunden, selbst wenn der Kunde von der ihm damit eingeräumten Möglichkeit später keinen Gebrauch machte. Er hatte einen Anspruch gegen sie, ihm den Zugang zum Internet zu ermöglichen, wenn beispielsweise aus unbekannten Gründen unterblieben wäre, ihm die dafür erforderlichen Programme zu übermitteln.

Für das Ergebnis kommt es auf diese Überlegungen aber nicht an. Die Klägerin sieht nach ihrem jetzigen Vorbringen in dieser Handhabung die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§19 Abs. 4 Nr. 1 GWB) und eine unbillige Behinderung und ungerechtfertigte Ungleichbehandlung (§ 20 Abs. 1 GWB). Welche Mittel die Beklagten dabei einsetzen, ist für das Ergebnis unerheblich. Maßgeblich sind die wirtschaftlichen Auswirkungen.

Ob und in welchem Umfang die Beklagten marktbeherrschend sind, braucht hier nicht geprüft zu werden, denn es kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden. Entscheidend ist, daß es keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß die Beklagten ihre marktbeherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzen und Marktteilnehmer im Wettbewerb behindern. Der Kunde erhält von der Beklagten zu 2) alles, was als Zugangsvoraussetzung für eine Nutzung des Internets erforderlich ist, es steht ihm aber völlig frei, ob er das entsprechende Programm installieren will. Deshalb sprechen die Beklagten von einer "Option", was zwar nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich richtig ist.

Der Kunde kann seine Berechtigung aus dem Vertrag "schlafen" lassen, ohne daß ihm irgendwelche Nachteile entstehen. Tatsächlich steht er als Nutzer nicht anders da, als wenn er eine - besonders von der Klägerin - allenthalben unentgeltlich angebotene CD aus einer Zeitschrift oder beim Rechnerkauf dazu verwendet, eine Zugangsmöglichkeit zu installieren und sich dabei legistrieren zu lassen. Daß die Beklagte zu 2) einen solchen Nominalkunden registriert, "validiert" und auf seine Bonität prüft, obwohl sie nicht weiß, ob es darauf überhaupt ankommen werde, hat keine Auswirkungen auf den Wettbewerb. Es mag irreführend sein, solche Vertragspartner undifferenziert als Kunden der Beklagten zu 2) zu bezeichnen. Darauf kommt es in diesem Zusammenhang aber nicht an.

Die Klägerin moniert, daß der Nutzer, wenn er denn das von der Beklagten zu 2) übersandte Programm installiert, bei einer Einwahl zunächst automatisch zur T-Online-Seite kommt, auch wenn er an ihr nicht interessiert ist. Ob das anstößig ist, kann dahinstehen, denn es wird vom Antrag nicht erfaßt. Die Klägerin trägt auch nicht vor, daß mit der Installation automatisch alle anderen Anbieter ausgeschlossen werden. Der Nutzer kann sich also weiterhin für beliebig andere Internet-Service-Provider entscheiden, er ist in keiner Form gehalten, ausschließlich die Dienste der Beklagten zu 2) in Anspruch zu nehmen, er ist zeitlich in keiner Weise gebunden oder gehindert, von anderen Angeboten Gebrauch zu machen. Die Beklagte zu 2) steht selbst bei einer Installation ihres Programms unverändert im Wettbewerb mit anderen Anbietern.

Ob - wie die Klägerin meint - zum maßgeblichen Markt nicht reine Internet-Access-Provider gehören, sondern nur die echten "Online-Dienste" mit eigenständigen Angeboten und Internet-Service-Provider, die entweder Portale mit eigenem Inhalt oder mindestens "Links" zu anderen zur Verfügung stellen, kann dahinstehen. Das mag so sein, ist aber nicht streitentscheidend, denn auch in einem so eingeschränkt gesehenen Markt kann der Nutzer frei wählen.

Die Klägerin sieht Mißbrauch und Behinderung auch unter psychologischen Gesichtspunkten. Es entstehe ein "psych(olog)ischer Nutzungszwang"; der Verbraucher sei träge, er werde von dem einmal installierten Zugang zum Internet auch Gebrauch machen; die Beklagten machten sich eine auf ihrer Monopolstellung beruhende Sogwirkung zunutze.

Dieser Ansatz überzeugt nicht. Er wird zum einen dem Bild des durchschnittlich verständigen, aufmerksamen und informierten Verbrauchers nicht gerecht und beschreibt zum anderen Erscheinungen, die mit einem Mißbrauch der Monopolstellung und unbilligen Einschränkungen des Wettbewerbs nichts zu tun haben, sondern auf den Vorteilen beruhen, die ein eingeführtes und bekanntes Unternehmen nun einmal hat. Die Klägerin legt nicht überzeugend dar, daß sich ein ISDN-Kunde, der sich im Besitz der Möglichkeit sieht, auch einen Online-Anschluß zu installieren, in einer "psychischen Notlage" sähe, die ihn veranlassen könnte, die Dienste der Beklagten zu 2) auch wirklich in Anspruch zu nehmen. Gefühle der Dankbarkeit können sich nicht einstellen. Er braucht bloß passiv zu bleiben, ohne besorgen zu müssen, daß ihm dies verargt wird oder irgendwelche Nachteile damit verbunden sind.

Es ist bekannt, daß große Unternehmen, die eingeführt sind und gar über bereits bestehende Kundenbeziehungen verfügen, beim Absatz ihrer Produkte über eine günstige Ausgangsposition verfügen. Insoweit sind "Sogwirkungen" bei großen Unternehmen und "Trägheit" des Verbrauchers durchaus von Bedeutung für das Marktgeschehen. Darin liegt aber kein Mißbrauch und keine Behinderung von Wettbewerbern, sondern ein natürlicher Vorteil, den die tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Markt bieten. Kein Wettbewerber wird dadurch gehindert, sich mit konkurrierenden Angeboten um den gleichen Kundenkreis zu bemühen, während es nicht zu den Pflichten eines großen Wettbewerbers gehört, auf die ihm gebotenen Chancen auf dem Markt zu verzichten, um die Chancen seiner kleineren Konkurrenten oder von Neuankömmlingen zu verbessern. Das gilt auch für marktbeherrschende Unternehmen.

Es läßt sich nicht argumentieren, hier liege der Fall anders, denn hier würden gerade keine bestehenden Kundenbeziehungen des Wettbewerbers nutzbar gemacht. Die Beziehungen bestünden zu den ISDN-Kunden der Beklagten zu 1) und nicht zu Kunden der Beklagten zu 2). Es sei gerade das Anstößige der "Kopplung", daß die tatsächlichen Möglichkeiten, die das Anbahnen von Kontakten zu Kunden, die an einem ISDN-Anschluß interessiert seien, der Beklagten zu 1) biete, dazu mißbraucht würden, den Wettbewerb, dem sich die Beklagte zu 2) stellen müsse, auszuhebeln, indem ihr die Kunden zugeschanzt würden, die sie allein in diesem Umfang nicht akquirieren könnte, während Wettbewerbern der Beklagten zu 2) diese Möglichkeit nicht geboten werde.

Es ist unbestreitbar, daß der Beklagten zu 2) aus der Kopplung ihres Angebotes mit dem der Beklagten zu 1) ein Vorteil erwächst. Darin liegt aber weder eine sachlich ungerechtfertigte Beeinträchtigung noch eine unbillige Behinderung, weil Bevorzugungen von Konzernunternehmen selbst dann, wenn sie es Wettbewerbern erschweren, auf dem Markt Fuß zu fassen, nicht zu beanstanden sind. Es ist eine Frage der Organisation, wie ein Konzern seine Aktivitäten ausgestaltet. Deshalb ist ein Konzern als Einheit zu sehen, und die Wettbewerber der Beklagten zu 2) stellen keine gleichartigen Unternehmen dar, deren Belange die Beklagte zu 1) zu berücksichtigen hätte. Ein Konzern ist - wie ein einzelnes Unternehmen auch - grundsätzlich nicht verpflichtet, fremden Wettbewerb zu fördern (Rixen in Frankfurter Kommentar zum GWB, § 20, Rdnr. 144; Langen/Bunte/Schultz, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Auflage, § 20, Rdnr. 112; Im menga/Mestmäcker/Markert, GWB, 3. Auflage, § 20, Rdnr. 126). So sieht es auch der Bundesgerichtshof (WuW/E BGH 1947, 1949 - Stuttgarter Wochenblatt). Er hat in der Entscheidung vom 10. Februar 1987 (WuW/E BGH 2360, 2365 - Freundschaftswerbung) festgestellt, daß die dortige Beklagte und ihr Tochterunternehmen eine unternehmerische Einheit darstellten und letzteres deshalb nicht als ein mit der dortigen Klägerin gleichartiges Unternehmen im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB (jetzt § 20 Abs. 1 und 2 GWB n. F.) anzusehen sei.

Insofern besteht auch ein sachlicher Grund im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB n. F., da § 20 Abs. 1 GWB einen konkretisierender Unterfall des allgemeinen Mißbrauchstatbestandes des § 19 GWB darstellt (Immenga/Mestmäcker/Möschel, a.a.O., § 19, Rdnr. 255).

Eine Wiedereröffnung der Verhandlung ist nicht geboten. Soweit die Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 30.10.2002 neue Tatsachen in den Rechtsstreit eingeführt haben, über die nicht verhandelt worden ist, sind diese in der vorliegenden Entscheidung nicht berücksichtigt worden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 a. F. und § 543 Abs. 2 n. F. ZPO. Die streitentscheidende Frage ist höchstrichterlich geklärt.

Ende der Entscheidung

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