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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.11.2002
Aktenzeichen: 3 U 82/01
Rechtsgebiete: UWG, TierSchG


Vorschriften:

UWG § 1
TierSchG § 7
TierSchG § 8
TierSchG § 8a
Ein Zivilgericht kann ein Verhalten nicht als unlauteren Rechtsverstoß nach § 1 UWG verbieten, wenn die Bewertung des Verhaltens als rechtswidrig einer Behörde vorbehalten ist und diese eine solche Bewertung nicht vorgenommen hat.
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 82/01

Verkündet am: 21. November 2002

In dem Rechtsstreit

"polyklonale Antikörper"

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franque, Spannuth nach der am 21. November 2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 16. Januar 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der in der Berufungsverhandlung gestellte Klageantrag einschließlich Hilfsantrag zurückgewiesen wird.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 12.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen. und beschlossen:

Der Streitwert wird für die Rechtsmittel Instanz auf 357.904 € (700.000 DM) festgesetzt.

Tatbestand:

Beide Parteien sind pharmazeutische Unternehmen, die Produkte entwickelt haben, um Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse) diagnostizieren zu können. Abnehmer sind vor allem Labore, die damit Stuhlproben untersuchen. Weder das Mittel "S... Pankreatik Elastase 1-Test" der Klägerin noch das Mittel der Beklagten "B... Elastase 1 Elisa-Test" erbringen 100%-ig sichere Ergebnisse. Es gibt sowohl falsch positive Ergebnisse (eine nicht bestehende Pankreatitis wird angezeigt) als auch falsch negative (eine bestehende Pankreatitis wird nicht angezeigt).

Die Klägerin vertreibt ihr Mittel seit 1993. Sie verwendet monoklonale Antikörper, die aus Zellkulturen gewonnen werden. Zu diesem Zweck injiziert man beispielsweise einer Maus mehrfach ein bestimmtes Eiweiß, gegen das das Tier Antikörper bildet. Das Tier wird getötet und aus seiner Milz mit Hilfe einer speziellen Technologie eine permanente Zell-Linie entwickelt, die für unbegrenzte Zeit zur Verfügung steht, um die Zellen zu vermehren und Antikörper zu gewinnen. Weitere Versuchstiere werden nicht benötigt.

Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen stellte sich die Sachlage so dar, daß die Beklagte polyklonale Antikörper verwendet. Auch diese entstehen, nachdem ein Tier mehrfach mit einem Antigen geimpft worden ist, um eine ausreichende Menge zu erzeugen. Ist die erwünschte Konzentration erreicht, werden die Antikörper aus dem Blut gewonnen. Es sind also immer neue Tiere erforderlich. Die Antikörper wurden von der Firma G in G. hergestellt und an die Beklagte geliefert. Das Ministerium für Landwirtschaft und Naturschutz hat am 27.05.1998 bestätigt, daß die Anzeige eines Tierversuchsvorhabens (Tierimmunisierungen) gem. §§ 8 Abs. 7 und 8 a Tierschutzgesetz (TierSchG) am 13.05.1998 bei ihm eingegangen ist (Anlage B 1). Am 22.07.1998 erteilte der Landkreis Güstrow gem. § 11 TierSchG die Erlaubnis, etwa 600 Kaninchen im Jahr für Tierversuchsvorhaben (Tierimmunisierungen) zu züchten und zu halten (Anlage B 2).

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte verhalte sich unlauter, weil die Herstellung polyklonaler Antikörper entgegen § 7 Abs. 2 Ziffer 1 TierSchG nicht "unerläßlich" sei. Die Tiere würden dabei letztlich getötet, während mit ihrem eigenen Testsystem eine allgemein zugängliche Methode zur Verfügung stehe, die kein Tierleben mehr koste und außerdem zu besseren Ergebnissen führe.

Die Klägerin hat beantragt,

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, ein Testsystem zum Nachweis pankretischer Elastase 1 herzustellen und in Verkehr zu bringen, welches polyklonale Antikörper verwendet, die unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes, insbesondere gegen die §§ 10 a, 7 Abs. 2 und 3 Tierschutzgesetz hergestellt wurden bzw. werden.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet, ihr Testmittel stelle eine Weiterentwicklung dar, die bessere Diagnosen ermögliche. Den Tieren werde ohne Leiden jeweils nur wenig Blut entnommen.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Sie setzt sich mit dem angefochtenen Urteil auseinander, vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, nach der Offenlegungsschrift der Beklagten (Anlage BK 2) sei es dieser durchaus möglich, durch Mischen in vitro gewonnener monoklonaler Antikörper polyklonale Antikörper herzustellen, ohne das Blut lebender Tiere verwenden zu müssen, deren Qual durch Anwendung Freundscher Adjuvans verstärkt werde. Bei der Antikörpergewinnung werde den Tieren nicht nur Blut aus der Ohrvene entnommen, sondern manche Tiere würden durch Herzpunktion zur Maximierung der "Bluternte" 10 bis 15 Minuten lang durch Ausbluten getötet.

Auch die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und betont, die Firma G verhalte sich gesetzmäßig. Das TierSchG sei nicht anwendbar, weil die Tiere genausowenig wie ein Mensch litten, dem man nach einer Grippeschutzimpfung Blut abnehme. Im übrigen wäre ihr ein Verstoß von G nicht anzulasten. Mit Schriftsatz vom 23.10.2002 trägt sie vor, sie habe den Geschäftsbereich Diagnostika, wozu auch der Pankreatitis-Test gehöre, zum 01.01.2002 auf die Fa. B. Analytik und Medizinprodukte GmbH übertragen, die kein mit ihr verbundenes Unternehmen sei. Die Sachdarstellung der Klägerin sei unzutreffend. Bei der Firma G seien nicht jährlich 600 Kaninchen getötet, sondern über einen langen Zeitraum fünf Tiere als Spender eingesetzt worden, denen jeweils 20 ml Serum entnommen worden sei. Seit etwa Mitte 2000 habe sie selbst Antikörper nur noch von der Firma E. GmbH bezogen, wo IgY-Antikörper aus Hühnereiern von immunisierten Hühnern gewonnen würden, die mittlerweile in solch ausreichender Menge zur Verfügung stünden, daß keine weiteren Hühner immunisiert werden müßten. Die Tätigkeit dieser Firma sei nach § 8 a TierSchG angezeigt (Anlage B 8) und gemäß § 11 TierSchG erlaubt worden (Anlage B 9).

Dazu erwidert die Klägerin, sie habe zwei Testkits aus dem Jahre 2002 untersucht und festgestellt, daß die Antikörper aus Kaninchen gewonnen seien.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, ein Testsystem zum Nachweis pankretischer Elastase 1 herzustellen und in Verkehr zu bringen, welches polyklonale Antikörper enthält, die unter Verwendung immunisierter Wirbeltiere hergestellt worden sind,

hilfsweise mit dem Zusatz

unter Hinzufügung eines Adjuvans. Die Beklagte beantragt,

die Berufung auch in Form der geänderten Anträge zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien mit Anlagen und Beweisangeboten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Ihr Klagebegehren ist in der nunmehr verfolgten Fassung ihrer Anträge unbegründet.

1. Die Klägerin lastet der Beklagten als unlauter (§ 1 UWG) an, daß die von ihr vertriebenen Testmittel unter Verstoß gegen das Tierschutzgesetz hergestellt worden seien. Ihr Antrag (und diese Überlegungen gelten auch für den Hilfsantrag, so daß nicht weiter zwischen beiden unterschieden werden muß) stellt aber nicht auf konkrete Vorgänge in der Vergangenheit, insbesondere bei der Firma G, ab, sondern betrifft jedes Testsystem zum Nachweis pankretischer Elastase 1 mit polyklonalen Antikörpern, die unter Verwendung immunisierter Wirbeltiere hergestellt worden sind. Dahinter steht erklärtermaßen die Vorstellung, es sei gar nicht möglich, polyklonale Antikörper unter Verwendung immunisierter Wirbeltiere herzustellen, ohne gegen das TierSchG zu verstoßen.

Dabei berücksichtigt die Klägerin nicht hinreichend, daß zum einen nicht jeder Gesetzesverstoß ohne jede weitere Prüfung als unlauter anzusehen ist und zum anderen ein Gericht keine Entscheidungen treffen darf, die Behörden vorbehalten sind. Mit dem beantragten Verbot würden der Beklagten auch Handlungen untersagt, die nicht unlauter und wettbewerbswidrig sind, wenn die Beklagte sich auf die Duldung oder Gestattung der zuständigen Behörden berufen kann.

a. Die Regelungen des TierSchG sind wertbezogene Normen. Die Verletzung solcher Normen wird zwar regelmäßig den Vorwurf unlauteren Verhaltens begründen können (BGHZ 144, 255, 266 - Abgasemissionen; Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, 2001, § 1, Rdnr. 647), das darf aber nicht im Sinne eines Automatismus mißverstanden werden, der jede weitere Prüfung entbehrlich macht (BGHZ 140, 134, 139 - Hormonpräparate; GRUR 2002, 269f. -Sportwetten-Genehmigung).

Stets sind auch die wettbewerbsbezogenen Ziele von § 1 UWG im Auge zu behalten, damit die Wettbewerbsgerichte nicht unversehens "in die Rolle einer Oberinstanz zur Kontrolle der Einhaltung öffentlich-rechtlicher Normen gedrängt werden" (v. Ungern-Sternberg, Wettbewerbsbezogene Anwendung des § 1 UWG und normzweckgerechte Auslegung der Sittenwidrigkeit, in: Festschrift für Willi Erdmann, Köln 2002, S. 741 ff., S. 747). Die Lauterkeit des Wettbewerbs verlangt zwar auch, daß ein Wettbewerber nicht ohne weiteres auf Kosten seiner Mitbewerber das Risiko rechtswidrigen Handelns eingehen darf. Es wäre jedoch grundsätzlich eine Überspannung der Pflicht zu lauterem Wettbewerbshandeln und ein unzulässiger Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit, von den Gewerbetreibenden zu verlangen, sich vorsichtshalber stets nach der strengsten Gesetzesauslegung zu richten, wenn die zuständigen Behörden sein Verhalten ausdrücklich als rechtlich zulässig bewerten (BGH GRUR 2002, 269, 270 -Sportwetten-Genehmigung).

b. Ein so allgemeines Verbot, wie es die Klägerin anstrebt, läßt sich auch nicht mit dem Gedanken rechtfertigen, jede Verwendung immunisierter Tiere verstoße gegen das TierSchG, so daß keine Verwaltungsbehörde die Möglichkeit hätte, dies zu dulden oder zu gestatten.

Sachentscheidungen der Behörden kann das Wettbewerbsgericht nicht vorgreifen. Die Rechtsprechung hat sich bisher hauptsächlich zu Verwaltungsakten und deren Bindungswirkung geäußert. Ist ein solcher ergangen, genügt die Feststellung, daß Existenz und Inhalt bestehender Bescheide hinzunehmen seien, solange diese nicht von Amts wegen oder auf Rechtsbehelfe hin in den dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben worden sind (BGHZ 122, 1; 103, 30, 34; 73, 114, 117; 66, 79, 80; 30, 173,175). Abgesehen von den Fällen, in denen der Zivilrichter nicht gebunden ist, weil es - unbeschadet, ob ein Verwaltungsakt ergangen ist, etwa bei der Amtshaftung - um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns selbst geht (BGH NJW 1991, 1168), hat der Zivilrichter die Befugnis der Behörde aber auch dann zu respektieren, wenn sie sich in einem Unterbleiben äußert (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Auflage, § 13 GVG, Rdnr. 48).

Gerichte, selbst Verwaltungsgerichte (Eyermann-Fröhler, VwGO, 10. Auflage, § 40, Rdnr. 40), haben keine unbeschränkte Prüfungskompetenz. Das ergibt sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip. Wo das Gesetz der Behörde eine Bewertung überläßt, ist es dem Gericht versagt, die Maßstäbe der Behörde durch eigene zu ersetzen (BVerwGE 72, 300, 317). Bei Ermessensentscheidungen liegt das auf der Hand. Der Richter darf aber auch nicht in die der Behörde vom Gesetz vorbehaltene Befugnis eingreifen und vorab verbindliche Regelungen für Sachverhalte treffen wollen, über die die Behörde in eigener Zuständigkeit zu entscheiden hat. Auch dieses Einschätzungs- und Entscheidungsvorrecht der Behörde ist vom Gericht zu respektieren, denn es beruht auf deren "Verfahrensherrschaft" (BVerwGE 85, 323, 327 f.).

2. Das Verbot kann aber auch nicht in Einschränkung auf konkrete Handlungen der Beklagten in der Vergangenheit ergehen.

a. § 7 Abs. 1 bis 3 TierSchG lauten:

(1) Tierversuche im Sinne dieses Gesetzes sind Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken

1. an Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere oder

2. am Erbgut von Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die erbgutveränderten Tiere oder deren Trägertiere verbunden sein können.

(2) Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, soweit sie zu einem der folgenden Zwecke unerläßlich sind:

1. Vorbeugen, Erkennen, Behandeln von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden oder Erkennen oder Beeinflussen physiologischer Zustände oder Funktionen bei Mensch oder Tier,

2. Erkennen von Umweltgefährdungen,

3. Prüfung von Stoffen oder Produkten auf ihre Unbedenklichkeit für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf ihre Wirksamkeit gegen tierische Schädlinge,

4. Grundlagenforschung.

Bei der Entscheidung, ob Tierversuche unerläßlich sind, ist insbesondere der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde zu legen und zu prüfen, ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann.

(3) Versuche an Wirbeltieren dürfen nur durchgeführt werden, wenn die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. Versuche an Wirbeltieren, die zu länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen, dürfen nur durchgeführt werden, wenn die angestrebten Ergebnisse vermuten lassen, daß sie für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier einschließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme von hervorragender Bedeutung sind.

Das Landgericht hat knapp argumentiert: Es liege kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor, denn es gebe die für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen (Anlagen B 1 und 2), an die der Zivilrichter gebunden sei. Zudem fehle es an Anhaltspunkten, daß materiell gegen das Tierschutzgesetz verstoßen werde, denn Unerläßlichkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 Ziffer 1 TierSchG betreffe das erstrebte Endprodukt und nicht die Frage, ob man wegen anderer Endprodukte überhaupt auf eine Produktion verzichten könne.

b. Die Klägerin hält die Argumentation des Landgerichts für falsch, weil die Erlaubnis nach § 11 TierSchG (Anlage B 2) zum Züchten und Halten von Versuchstieren keine Genehmigung von Tierversuchen darstelle, während das Ministerium für Landwirtschaft und Naturschutz am 27.05.1998 lediglich bestätigt habe, daß die Anzeige eines Tierversuchsvorhabens (Tierimmunisierungen) gem. §§ 8 Abs. 7 und 8 a TierSchG am 13.05.1998 bei ihm eingegangen sei (Anlage B 1). Die bloße Eingangsbestätigung sei kein genehmigender Verwaltungsakt, der den Zivilrichter binden könne. Vielmehr fehle eine erforderliche Genehmigung, so daß die Beklagte gegen tierschutzrechtliche Normen verstoße.

Das ist zu kurz gegriffen, jedenfalls schöpft es den Sachverhalt nicht aus, denn die Anzeige ist ausdrücklich nach § 8 a TierSchG gemacht worden, also für Tierversuche, "die nicht der Genehmigung bedürfen". Insofern hat das Landgericht unscharf formuliert, denn es liegt einerseits zwar die Erlaubnis nach § 11 TierSchG vor, andrerseits war eine weitere Genehmigung nicht erforderlich, wenn es nur um ein anzeigepflichtiges Tierversuchsvorhaben ging.

Die Firma G ist ebenso wie das Ministerium davon ausgegangen, daß die Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 7 Nr. 2 TierSchG anzuwenden sei, wonach Versuchsvorhaben ohne Genehmigung erlaubt sind, "die als Impfungen, Blutentnahmen oder sonstige diagnostische Maßnahmen nach bereits erprobten Verfahren an Tieren vorgenommen werden und

a) der Erkennung insbesondere von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder körperlichen Beschwerden bei Mensch oder Tier oder

b) der Prüfung von Seren, Blutzubereitungen, Impfstoffen, Antigenen oder Testallergenen im Rahmen von Zulassungsverfahren oder Chargenprüfungen dienen."

Es handelt sich nicht um ein Scheinproblem, weil die Behörde anzeigepflichtige Tierversuche zu untersagen hat, "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Einhaltung der Vorschriften des § 7 Abs. 2 oder 3 ... nicht sichergestellt ist" (§ 8 a Abs. 5 TierSchG). Es ist ein Unterschied, ob G bereits formal gegen das TierSchG verstößt, weil er ohne die erforderliche Genehmigung arbeitet, oder ob er formal korrekt verfährt, weil er nach bereits erprobten Verfahren arbeitet und deshalb sein Vorhaben nur anzuzeigen brauchte, hierbei aber die von § 7 Abs. 2 oder 3 gezogenen Grenzen nicht einhält, so daß die Behörde einschreiten müßte. Im ersten Fall verhielte er sich rechtswidrig, weil er keine Genehmigung besitzt, im zweiten Fall wird sein Verhalten erst rechtswidrig, wenn die Behörde den Tierversuch untersagt. Das ist offenbar nicht geschehen. Gleichzeitig folgt aus § 8 a flos. 5 TierSchG, daß es einen Tierversuch nicht automatisch genehmigungspflichtig macht, wenn § 7 Abs. 2 oder 3 TierSchG nicht eingehalten sind.

Nichts anderes ergibt sich, wenn man § 10 a TierSchG heranzieht, wonach alle biotechnischen Maßnahmen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 und 3 TierSchG erfüllen müssen, denn auch sie sind nur anzeigepflichtig und die Vorschriften des § 8 a Abs. 2 bis 5 TierSchG gelten entsprechend.

c. Dem Vorbringen der Klägerin läßt sich nicht entnehmen, daß es in Wahrheit nicht um "Maßnahmen nach bereits erprobten Verfahren an Tieren" geht, so daß G eine Genehmigung haben müßte. Dazu fehlt jeder Vortrag, denn die Klägerin behauptet nur, daß Verfahren sei nicht "unerläßlich" im Sinne von § 7 TierSchG, was nicht mit "unerprobt" gleichgesetzt werden kann. So kann beispielsweise ein erprobtes Verfahren durch neue Techniken überholt worden und deshalb nicht mehr unerläßlich sein. Genau das wäre aber nach § 8 a Abs. 5 TierSchG zu berücksichtigen, ohne das Verfahren ipso iure genehmigungspflichtig zu machen.

Die Klägerin trägt vor, daß nach der Offenlegungsschrift der Beklagten (Anlage BK 2) diese qualvolle Methoden anwende, und behauptet unter Beweisantritt, das Blut werde durch unerlaubte Herzpunktion gewonnen. Damit will sie belegen, daß die Versuchsvorhaben bei G nicht dem § 7 Abs. 2 und 3 TierSchG entspricht, ohne dem Problem gerecht zu werden, daß die typisierende Betrachtung bei erprobten Verfahren keine vorausgehende Prüfung nach diesen Vorschriften fordert. Auch wenn die Beklagte -wie die Klägerin behauptet - die lebenden Tiere 15 Minuten ausbluten läßt, kann das ein "erprobtes Verfahren" sein, zumal in der Anzeige ausdrücklich von "Ausbluten" die Rede und das Narkosemittel Thiopental angegeben ist.

Müßte die Behörde nach § 8 a Abs. 5 TierSchG einschreiten, dann verstößt sie gegen das TierSchG, weil sie es unterläßt. Insofern hat die Klägerin Recht, daß es keinen Verwaltungsakt gibt, der die Zivilgerichte binden könnte. Die Befugnis, genehmigungsfreie Tierversuche bei Mängeln zu untersagen und sie damit rechtswidrig zu machen, liegt aber bei der Behörde. Die Behörde hat keine Anhaltspunkte gesehen, die ihr Einschreiten rechtfertigen, und der Zivilrichter kann nicht seine Auffassung an die der zuständigen Behörde setzen und autoritativ entscheiden, daß es solche Anhaltspunkte doch gibt. Der Senat verkennt damit nicht, daß § 8 a Abs. 5 TierSchG der Behörde selbst kein Ermessen einräumt (Lorz/Metzger, TierSchG, 5. Auflage, 1999, § 8 a, Rdnr. 12). Es geht nicht um die "Ermessensausübung", sondern um die "Verfahrensherrschaft" und die der Behörde vorbehaltene Bewertung, ob "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Einhaltung (der genannten Vorschriften) nicht sichergestellt ist...".

Allerdings trägt keine der Parteien vor, daß die Behörde überhaupt in die Prüfung eingetreten ist, ob solche Tatsachen vorliegen, obwohl eine gewisse Lebenserfahrung dafür spricht, daß die Klägerin bei ihr vorstellig geworden ist. Dann würde der Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip aber noch offenkundiger, wenn sich das Gericht die Bewertung anmaßen würde, daß es solche Tatsachen gibt, ohne daß die dafür nach dem Gesetz zuständige Behörde überhaupt Gelegenheit hatte, ihre "Verfahrenshoheit" auszuüben.

Verhält sich die Firma G gesetzeskonform, weil die zuständige Behörde ihr die Maßnahmen nach bereits erprobten Verfahren an Tieren nicht untersagt hat, kommt auch ein unlauteres Verhalten oder eine Irreführung des Verkehrs auf Seiten der Beklagten nicht in Betracht.

Die gleichen Überlegungen geltend mutatis mutandis für polyklonale Antikörper, die die Beklagte jedenfalls bis Anfang 2002 von der Firma Egg-Immun bezogen haben will, denn auch diese Firma hat ihre Tätigkeit nach § 8 a TierSchG angezeigt und verfügt über eine Erlaubnis nach § 11 TierSchG.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin nach §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und § 543 Abs. 2 n. F. ZPO.

Ende der Entscheidung

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