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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 3 U 93/05
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 2
ZPO § 929
ZPO § 172
ZPO § 189
1. Wird im Unterlassungsantrag die Arzneimittel-Werbeaussage nicht wörtlich zitiert (hier: "Sicherheitsprofil vergleichbar mit Pamidronat oder Plazebo - 1,2"), sondern ein sinnentstellender Auszug vorgenommen (hier: "Sicherheitsprofil vergleichbar mit Plazebo" - ohne Bezugsziffern und ohne die Studienquellen), so erfasst das nicht die konkrete Verletzungsform und es fehlt an der Begehungsgefahr für diese Werbeaussage.

2. Für die Internetwerbung einer Pharmakonzern-Muttergesellschaft haftet das Tochterunternehmen grundsätzlich nicht gemäß § 8 Abs. 2 UWG, auch wenn die Tochter das beworbene Arzneimittel vertreibt und man von ihrer (Tochter) Internetseite über Links zu den Internetseiten der Mutter gelangen kann. Eine Störerhaftung der (weisungsabhängigen) Tochter kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht.

3. Wird die Beschlussverfügung innerhalb der Vollziehungsfrist nicht an den bestellten Prozessbevollmächtigten, sondern an den Schuldner selbst zugestellt, so kann der Vollziehungsmangel nicht nach § 189 ZPO geheilt werden, wenn das zuzustellende Schriftstück innerhalb der Vollziehungsfrist nicht an dessen Anwalt gelangt. Das gilt auch dann, wenn der Anwalt für zwei Schuldner bestellt gewesen ist, die Zustellung an ihn aber nur für den einen Schuldner erfolgt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 93/05

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 12. Januar 2006

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Gärtner, Spannuth, Dr. Reimers-Zocher nach der am 8. Dezember 2005 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin zu 2) wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, 327 O 695/04vom 7. April 2005 hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) abgeändert.

Insoweit wird die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 2. Dezember 2004 aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag bezüglich der Antragsgegnerin zu 2) zurückgewiesen.

Die Berufung der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gründe:

A.

Die Parteien sind pharmazeutische Unternehmen und stehen miteinander im Wettbewerb. Die Antragsgegnerin zu 1) ist die schweizerische Muttergesellschaft der deutschen Antragsgegnerin zu 2).

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerinnen vorliegend im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Äußerungen über deren Arzneimittel, und zwar auf Seiten im Internet, auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien konkurrieren u. a. in Bezug auf Arzneimittel mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Bisphosphonate, die insbesondere bei Krebspatienten mit Knochenmetastasen gegen den Knochenabbau eingesetzt werden. Das entsprechende Arzneimittel der Antragstellerin ist O-xxxxx mit dem Wirkstoff Ibandronsäure (Anlage ASt 1), das Präparat der Antragsgegnerinnen ist tt-yyyy mit dem Wirkstoff Zoledronsäure (Anlage ASt 2).

Unter der Adresse "www......" war am 30. November 2004 über das Arzneimittel tt-yyyy u. a. eine Internet-Unterseite veröffentlicht - Anlage ASt 5 e) -, auf der es u. a. heißt:

"Now in solution - tt-yyyy zoledronic acid

A new solution for your patients with bone metastases - It's the only solution for patients with bone metastases from a broad range of tumor types

- No reconstitution needed.

- The concentrate must be diluted in 100 mL of IV infusate.

- Proven effective in patients with documented bone metastases due to solid tumors, including prostate, lung, renal, colorectal, and breast cancers; and multiple myeloma. 1,2

- Long-term efficacy and safety evaluated in extended clinical trials.1

- Safety profile comparable to pamidronate or placebo.1,2 Significant efficacy in more tumor types

- The first and only bisphosphonate proven effective in patients with documented bon metastases due to solid tumors, including prostate, lung, renal, colorectal, and breast cancers; and multiple myeloma. 2,3

- Long-term efficacy and safety evaluated in extended clinical trials.2

- Safety profile comparable to pamidronate.2,3 "

Nach den Angaben zu den Stichwörtern wie: "Presentation", "Indications", "Dosage" usw. heißt es unter "References" zur Erläuterung der hochgestellten Bezugsziffern:

1. IMS data

2. Data on file. P-xxxx Corporation.

3. tt-yyyy prescribing information. P-xxxx Corporation.

Darunter steht:

"Disclaimer: This is an international website for tt-yyyy (zoledronic acid) and is intended for healthcare professionals outside the US. If you are a US resident, please click on the US flag at the top left corner of this page. The information on this site is not country-specific and may contain information that is outside the approved indications in the country in which you are located. ... (c) N..... 2003 All Rights Reserved".

Diese Internet-Unterseite - Anlage ASt 5 e) - war unter der Domain "tata.com" der Antragsgegnerin zu 1) über mehrere Links erreichbar, d. h. man musste von der Startseite - Anlage ASt 5 b) - sich über den Link "tt-yyyy Info Center" zu der Unterseite gemäß Anlage ASt 5 c) "durchklicken", von dort weiter über den Link "tt-yyyy Product Benefits" zu der Unterseite gemäß Anlage ASt 5 d) und von dort über den Link "tt-yyyy Solution" auf die oben beschriebene Internet-Unterseite gemäß Anlage ASt 5 e). Die Domain " tata.com" kann - wiederum über mehrere Verlinkungen - auch von der Internetseite der Antragsgegnerin zu 2) unter der Domain "onon.de" aufgerufen werden (Anlage ASt 10).

Das Landgericht hat mit seiner Beschlussverfügung vom 2. Dezember 2004 den beiden Antragsgegnerinnen unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln antragsgemäß verboten,

im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel " tt-yyyy " mit der Aussage zu werben, sein Sicherheitsprofil sei vergleichbar mit Plazebo.

Durch Urteil vom 7. April 2005 hat das Landgericht seine Beschlussverfügung hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) bestätigt, im Übrigen hat es die Beschlussverfügung aufgehoben und den gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Verfügungsantrag zurückgewiesen. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Antragsgegnerin zu 2) und die Antragstellerin jeweils mit der Berufung, die sie jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet haben.

Die Antragsgegnerin zu 2) beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils auch hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 2. Dezember 2004 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag gegen sie - die Antragsgegnerin zu 2) - zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 2. Dezember 2004 erneut zu erlassen.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) bitten jeweils um Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin zu 2) hat Erfolg. Demgemäß ist hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2) das landgerichtliche Urteil mit der aus dem Urteilsausspruch des Senats ersichtlichen Maßgabe abzuändern (II.).

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist demgemäß zurückzuweisen (III.).

I.

Der Gegenstand des Berufungsverfahrens betreffend die Antragsgegnerin zu 2) ist die gegen sie vom Landgericht bestätigte Beschlussverfügung, deren Aufhebung sie unter Zurückweisung des Verfügungsantrages gegen sie beantragt.

Die Berufung der Antragstellerin betrifft den Verfügungsantrag der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) gemäß der Beschlussverfügung, die das Landgericht, wie ausgeführt, aufgehoben hat und deren Neuerlass sie verfolgt.

II.

Der Verfügungsantrag der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 2) ist nach Auffassung des Senats nicht begründet. Die Berufung der Antragsgegnerin zu 2) ist demgemäß begründet.

1.) Der Gegenstand des mit dem Verfügungsantrag geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ist das Werben für das Arzneimittel tt-yyyy mit der Aussage, sein Sicherheitsprofil sei vergleichbar mit Plazebo.

Es geht dabei um die werbliche Verwendung nur dieser Aussage als solcher, sei es in englischer oder in deutscher Sprache. Die Verwendung des Konjunktivs im Antrag beruht nur auf der grammatikalischen Einkleidung der so zitierten Aussage.

Vom Verbot sollen - schon im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen an einen Verbotstitel - nicht etwa auch andere Formulierungen erfasst sein, die den Eindruck erwecken könnten, das Sicherheitsprofil sei mit einem Placebo vergleichbar.

Die ebenfalls zum Streitgegenstand des Unterlassungsantrages gehörende Antragsbegründung der Antragstellerin geht allerdings dahin, die streitgegenständlich Werbeaussage könne bei Ärzten und bei medizinischen Laien, für die sie ebenfalls zugänglich sei, nur den Eindruck erwecken, das Arzneimittel tt-yyyy sei ebenso harmlos wie ein Placebo, verursache also keine Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen, so dass auch keine Gegenanzeigen bestünden (Bl. 5).

2.) Der Unterlassungsantrag ist schon deswegen unbegründet, weil er die konkrete Verletzungsform nicht erfasst.

Ein Werben mit der beanstandeten Aussage: "Das Sicherheitsprofil des Arzneimittels tt-yyyy ist vergleichbar mit Placebo" ist auf der Internetseite über tt-yyyy gemäß Anlage ASt 5 e) nicht erfolgt. Dort lautet die englischsprachige Angabe wesentlich anders und die Textstelle ist auch in der vollständigen Form ("Safety profile comparable to pamidronate or placebo.1,2 ") wiederum nicht isoliert, sondern innerhalb einer Gesamtdarstellung und mit erläuterten Bezugsziffern ("1, 2") verwendet worden.

Demgemäß ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch mangels Begehungsgefahr unbegründet. Weil die konkrete Verletzungsform nicht erfasst ist, lässt sich die Wiederholungsgefahr nicht aus der Verwendung der Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e) herleiten.

Die gegenteilige Begründung des Landgerichts greift nicht durch, denn sie argumentiert mit Äußerungselementen aus der Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e). Auf Elemente aus der Werbeanzeige ist für die Begründung des Unterlassungsanspruchs nur abzustellen, wenn die Verwendung der Anzeige selbst zum Streitgegenstand gehört (BGH GRUR 1994, 310 - Mozzarella I). Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Streitgegenstand ist nicht die Verwendung des Satzes: "Safety profile comparable to pamidronate or placebo" für tt-yyyy, sondern - um in der englischen Sprachversion zu bleiben - die Werbung mit der Aussage: "Safety profile comparable to placebo".

Zu dieser Aussage in isolierter Verwendung würde im Übrigen auch die oben dargestellte Antragsbegründung der Antragstellerin passen, dass der Eindruck erweckt werde, das Arzneimittel tt-yyyy sei ebenso harmlos wie ein Placebo, verursache also keine Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen, so dass auch keine Gegenanzeigen bestünden. Einen solchen Verletzungsfall gibt es aber, wie ausgeführt nicht.

Die Ausführungen des Landgerichts zu dem nicht streitgegenständlichen Satz: "Safety profile comparable to pamidronate or placebo" lassen auch unberücksichtigt, dass dieser Satz auf der Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e) wiederum nicht isoliert steht, sondern mit erläuterten Bezugsziffern ("1,2") und innerhalb einer Aufzählung, die wiederum die Eigenschaften des Arzneimittels einschließlich der Indikationen, der Gegenanzeigen und der Wechselwirkungen schildert.

3.) Unabhängig davon, dass der Antrag nicht die konkrete Verletzungsform erfasst, ist die Antragsgegnerin zu 2) nicht passivlegitimiert. Sie haftet weder gemäß § 8 Abs. 2 UWG als sog. "Betriebsinhaberin", noch als Störerin für den Inhalt der Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e). Deswegen kann die wettbewerbsrechtliche Beurteilung dieser Internetseite mit der angegriffenen Textstelle offen bleiben.

(a) Auf den eigenen Internetseiten der Antragsgegnerin zu 2) unter deren Domain "onon.de" hat sich die beanstandete Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e) zu keinem Zeitpunkt befunden. Eine wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin zu 2) für ein eigenes Tun kommt insoweit nicht in Betracht.

(b) Die Begründung des Landgerichts, die Domains mit den Verlinkungen seien von Unternehmen desselben Konzerns eingerichtet worden und es werde einheitlich das auch von der Antragsgegnerin zu 2) vertriebene Arzneimittel beworben, trägt nicht die darauf gezogene Schlussfolgerung des Landgerichts, die Antragsgegnerin zu 2) werde nicht behaupten können, dass die getroffene Werbeaussage - auf der Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e) - "nicht im Einklang mit einem einheitlich festgelegten Vertriebskonzept stünde".

Die Antragstellerin hat das nicht vorgetragen, schon deswegen musste die Antragsgegnerin zu 2) nichts Gegenteiliges behaupten. Im Übrigen ließe sich ohne konkreten Sachvortrag aus sonst in gewissen Punkten "einheitlichen" Werbeaussagen der Antragsgegnerin zu 2), ihrer deutschen und ihrer schweizerischen Muttergesellschaft - der Antragsgegnerin zu 1) - nicht herleiten, dass die Antragsgegnerin zu 2) aus dem Gesichtspunkt eines eigenen Tuns für die Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e) verantwortlich wäre.

(c) Die beanstandete Internetseite gemäß Anlage ASt 5 a) befand sich, wie oben ausgeführt, als Unterseite über mehrere Links erreichbar auf den Internetseiten der Antragsgegnerin zu 1), und zwar unter deren Domain "tata.com".

Dass die Domain "tata.com" über mehrere Links auch von der Internetseite der Antragsgegnerin zu 2) mit der Domain "onon.de" aufgerufen werden kann, ist unstreitig:

Auf der Startseite der Domain "onon.de" der Antragsgegnerin zu 2) befindet sich ein Link "vava.com" (Anlage ASt 10), durch den man auf die gleichnamige Domain der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin zu 2) gelangt und von dort zur Domain "tata.com" der Antragsgegnerin zu 1) - vgl. hierzu die Anlagen ASt 6 a) bis 6 c).

Die Domain "tata.com" ist über "vava.com" in derselben Weise auch noch mit der Domain "vava.de" verlinkt, die aber nicht der Antragsgegnerin zu 2) gehört, sondern ihrer deutschen Muttergesellschaft "N GmbH".

(d) Die Verlinkungen mit dem Ausgangspunkt auf den Internetseiten der Domain "onon.de" der Antragsgegnerin zu 2) ergeben deren Verantwortlichkeit für die beanstandete Internetseite gemäß Anlage ASt 5 e) nicht.

Die Links auf den Seiten der Antragsgegnerin zu 2) führen auf die Internetseiten ihrer schweizerischen Muttergesellschaft, der Antragsgegnerin zu 1). Für die Antragsgegnerin zu 2) als Tochtergesellschaft kommt die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG für das Tun ihrer Muttergesellschaft nicht in Betracht.

Die Antragsgegnerin zu 2) ist als Tochtergesellschaft nicht Betriebsinhaberin im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG im Verhältnis zur Muttergesellschaft. Vielmehr ist das nur umgekehrt bei der Muttergesellschaft im Verhältnis zum Tun ihrer Tochtergesellschaft regelmäßig gegeben (vgl. unter Hinweis auf § 13 Abs. 4 UWG a. F.: BGH GRUR 2005, 864 - Meißner Dekor II). Für die Verlinkungen, die von den Internetseiten der Domain "vava.de" der "N GmbH", der deutschen Muttergesellschaft der Antragsgegnerin zu 2) ausgehen, gilt insoweit nichts anderes.

Die Antragsgegnerin zu 2) unterliegt, wie die Antragsgegnerinnen unwidersprochen vorgetragen haben, als Tochtergesellschaft den Weisungen ihr Muttergesellschaft, die ihr nicht die Rechtsmacht geben, die Verlinkungen zu Domains der Muttergesellschaft aus eigenem Entschluss jederzeit zu beenden. Insoweit findet auch die Störerhaftung ihre Grenzen an der Zumutbarkeit, und zwar nicht nur hinsichtlich der Überprüfbarkeit der Inhalte auf den Internetseiten der Muttergesellschaft, die über (eine Vielzahl von) Verlinkungen erreichbar sind, sondern auch bezüglich der Beseitigungsmöglichkeit solcher Links.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es Fälle besonders schwerer und augenfälliger Rechtsverletzungen auf Internetseiten einer Muttergesellschaft geben kann, bei denen auch in der vorliegenden Ausgangskonstellation eine Beseitigung des Links auf der Internetseite einer Tochtergesellschaft aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung schließlich geboten sein kann. Von einer solchen krassen Fallgestaltung ist ersichtlich nicht auszugehen. Außerdem stellt das streitgegenständliche Verbot nur auf die Werbung mit einer Aussage und nicht auf ein gegebenenfalls unzulässiges Verhalten des Störers bezüglich der Fortdauer einer Verlinkung ab; die beanstandete Internetseite ist zudem nicht mehr im Internet abrufbar.

III.

Zu Recht hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung betreffend die Antragsgegnerin zu 1) aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag insoweit zurückgewiesen. Die Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.

Auch nach Auffassung des Senats ist die Beschlussverfügung insoweit nicht vollzogen worden (§§ 936, 929 Abs. 2 ZPO). Der Senat kann daher offen lassen, ob der Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) materiellrechtlich begründet wäre oder nicht.

1.) Gemäß § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Vorschrift gilt auch für einstweilige Verfügungen (§ 936 ZPO), und zwar u. a. auch für solche, die - wie vorliegend - im Wege des Beschlusses ergehen.

2.) Sinn der §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO ist es, den Gläubiger zu einer eigenen Entschließung anzuhalten, ob er von der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will oder nicht (BGH GRUR 1993, 415 - Straßenverengung). Wesensmerkmal der Vollziehung ist jedenfalls ein eigenes Tätigwerden des Gläubigers (Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, § 928 ZPO Rz. 2 m w. Nw.).

Gemäß §§ 936, 928 ZPO sind auf die Vollziehung von einstweiligen Verfügungen grundsätzlich die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung anzuwenden. Eine Zwangsvollstreckung kommt aber bei dem Unterlassungstitel begrifflich erst nach einer Zuwiderhandlung, nicht aber bei Befolgung des gerichtlichen Verbots in Betracht. Deswegen erfolgt die Vollziehung im Regelfall durch deren Zustellung im Parteibetrieb (BGH a. a. O. - Straßenverengung; OLG Hamburg WRP 1997, 53; Zöller/Vollkommer a. a. O. § 929 ZPO Rz. 12 m. w. Nw.).

3.) Demgemäß bedürfen nach ständiger Rechtsprechung auch dieses Senats Unterlassungs-Beschlussverfügungen der Vollziehung.

Dem steht nicht etwa entgegen, dass die Beschlussverfügung (vgl. §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO) schon für ihr Wirksamwerden einer Zustellung seitens des Gläubigers im Parteibetrieb bedarf. Bei der Vollziehung geht es nicht um die Wirksamkeit des gerichtlichen Gebots, sondern um die Entschließung des Gläubigers, von seinem Titel Gebrauch zu machen. Die Beschlussverfügung wird dem Schuldner vom Gläubiger im Parteibetrieb zugestellt (§ 922 Abs. 2 ZPO), damit wird sie wirksam und - soweit es sich um eine Unterlassungsverfügung handelt - zugleich vollzogen (BGH GRUR 1993, 415 - Straßenverengung).

4.) Vorliegend fehlt es an einer wirksamen Zustellung der Beschluss-Unterlassungsverfügung des Landgerichts vom 2. Dezember 2004 im Parteibetrieb an die Antragsgegnerin zu 1) und damit insoweit an einer wirksamen Vollziehung.

(a) Die Prozessbevollmächtigten der beiden Antragsgegnerinnen hatten sich bereits mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 zu deren Prozessbevollmächtigten im ersten Rechtszug bestellt (Bl. 13), als der Schriftsatz der Antragstellerin vom 23. Dezember 2004 am 27. Dezember 2004 bei Gericht einging, mit dem die Antragstellerin einen Auslandszustellungsauftrag (§ 183 ZPO) geltend machte, um die Beschlussverfügung der Antragsgegnerin zu 1) direkt im Parteibetrieb zuzustellen (Bl. 19).

(b) Deswegen hätte die Beschlussverfügung an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1) zugestellt werden müssen (§ 172 ZPO). Das ist innerhalb der Vollziehungsfrist - sie begann mit der Zustellung der Beschlussverfügung an die Antragstellerin am 3. Dezember 2004 (Bl. 12) - nicht geschehen. Auf die statt dessen eingeleitete Zustellung an die Antragsgegnerin zu 1) selbst kommt es nicht an, denn davor war (wie ausgeführt) die Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1) bereits erfolgt.

(c) Eine Heilung gemäß § 189 ZPO ist vorliegend nicht gegeben. Die Vorschrift setzt neben dem Vorliegen des Zustellungswillens voraus, dass das zuzustellende Schriftstück an denjenigen, an den die Zustellung gesetzmäßig gerichtet werden konnte, "tatsächlich" zugegangen ist, d. h. dass an jenen körperlich eben dieses Schriftstück gelangt ist (vgl. Harte/Henning/Retzer, UWG, § 12 UWG Rz. 536-539 m. w. Nw.).

Das hätte allerdings der Fall sein können, wenn den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1) diejenige Beschlussausfertigung, die der Antragsgegnerin zu 1) selbst im Rahmen des Auslandszustellungsauftrags im Parteibetrieb zugestellt worden ist, innerhalb der Vollziehungsfrist zugegangen wäre. Von so einem Sachverhalt kann aber schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil diese Beschlussausfertigung der Antragsgegnerin zu 1) erst am 26. Januar 2005 zugestellt worden ist (Bl. 35). Dieses Schriftstück kann nicht innerhalb der Vollziehungsfrist an den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1) gelangt sein.

Die Antragstellerin vermengt die Begrifflichkeiten, wenn sie mit Blick auf das an sich zutreffende Zitat bei Zöller (Zöller/Vollkommer a. a. O. § 929 ZPO Rz. 14) damit argumentiert, die Prozessbevollmächtigten hätten sich mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 (auch) für die Antragsgegnerin zu 1) zur Akte legitimiert und zu diesem Zeitpunkt müsse ihnen "also" die einstweilige Verfügung von den Antragsgegnerinnen übermittelt worden sein (Bl. 44). Auf das Schriftstück der für die Antragsgegnerin zu 2) bestimmten Beschlussausfertigung kommt es insoweit nicht an, dieses Schriftstück ist nur der Antragsgegnerin zu 2) - entsprechend dem Auftrag an den Gerichtsvollzieher - zugestellt worden und nicht, wie die Antragstellerin in der Berufungsbegründung argumentiert, "praktisch" auch der Antragsgegnerin zu 1). Ebenso unerheblich ist die bloße Kenntnis des Inhalts der gegen die beiden Antragsgegnerinnen gerichteten Beschlussverfügung durch deren Prozessbevollmächtigte. Diese Umstände können den Zustellungsmangel betreffend die Antragsgegnerin zu 1) nicht heilen.

An die Antragsgegnerin zu 1) ist, wie ausgeführt, erst am 26. Januar 2005 das allein maßgebliche Schriftstück der an sie gerichteten Beschlussausfertigung gelangt. Innerhalb der Vollziehungsfrist kann das Schriftstück demgemäß auch nicht an deren Prozessbevollmächtigte übersandt oder ausgehändigt worden sein.

Eine Heilung des Zustellungsvorgangs an den (zunächst) unrichtigen Adressaten setzt nach der eindeutigen Regelung des § 189 ZPO voraus, dass das zuzustellende Schriftstück als solches "tatsächlich" an den richtigen Adressaten gelangt. Daran fehlt es, wenn - wie hier - nur eine andere Ausfertigung der Beschlussverfügung bzw. deren Telefaxkopie innerhalb der Vollziehungsfrist an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1) gelangt sein kann, die zudem nicht für die Antragsgegnerin zu 1), sondern für die Antragsgegnerin zu 2) bestimmt war.

Schon im Hinblick auf § 945 ZPO muss für jeden Schuldner die eindeutige Gewissheit über den Umstand der Vollziehung bestehen, im vorliegenden Fall für jede der beiden Antragsgegnerinnen. Deswegen verbietet es sich, das Abstellen auf diese Voraussetzungen als bloße Förmelei abzutun.

(d) Aus der Entscheidung des OLG München (MDR 2005, 1244) ergibt sich nichts anderes.

Zum einen lag dem OLG München ein anderer Sachverhalt zugrunde, und zwar eine Urteils-Unterlassungsverfügung, die - anders als eine Beschlussverfügung - dem Schuldner von Amts wegen zugestellt wird.

Zum anderen geht es bei der Heilung des Vollziehungsmangels gemäß § 189 ZPO im Fall der Zustellung an den unrichtigen Adressaten nicht um die (rechtzeitige) Kenntniserlangung vom Inhalt des Schriftstücks bzw. vom Vollziehungswillen (so aber OLG München a. a. O.), sondern um den (rechtzeitigen) tatsächlichen Zugang des in Rede stehenden Schriftstücks an den richtigen Adressaten.

IV.

Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerin zu 2) begründet und die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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