Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
Urteil verkündet am 21.11.2002
Aktenzeichen: 3 U 97/02
Rechtsgebiete: EG, MarkenG, MarkenRL, ZPO


Vorschriften:

EG Art. 28
EG Art. 30
MarkenG § 14
MarkenRL Art. 7
ZPO § 172 n. F.
ZPO § 929
1. Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung (hier: KLACID) aus der EU parallelimportiert und durch Markenersetzung unter einer verwechslungsfähigen Marke (hier: KLACID PRO) umgepackt im Inland vertrieben, so ist eine Markenverletzung gegeben, wenn die Markenersetzung nach den Grundsätzen zu Art. 28, 30 EG nicht erforderlich ist.

Eine solche die Markenersetzung notwendig machende "Zwangslage" ist für den Parallelimporteur nicht gegeben, wenn das Arzneimittel KLACID auch in Deutschland und das Arzneimittel KLACID PRO nur in Deutschland vertrieben wird.

Beide Mittel haben unterschiedliche Dosierschemata (es ist nicht etwa ein Arzneimittel in zwei Packungsgrößen), wegen der Warenverschiedenheit kann von einer künstlichen Marktaufteilung nicht ausgegangen werden. Der Umstand, dass die Markeninhaberin mit KLACID PRO ganz erheblich höhere Umsätze als mit KLACID erzielt, begründet für den Parallelimporteur ebenfalls keine Zwangslage zur Markenersetzung.

2. Wird eine Beschlussverfügung durch Zustellung nur an den Schuldner persönlich ordnungsgemäß vollzogen, so bleibt die Vollziehung wirksam, wenn der Gläubiger nach der Zustellung von der vorherigen Bestellung eines Prozessbevollmächtigten erfährt. Die Kenntnis von der Einreichung einer Schutzschrift ist der von der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten nicht gleichzusetzen, auch wenn sich die Bestellung aus der Schutzschrift ergibt.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 97/02

Verkündet am: 21. November 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter Brüning, v. Franque, Spannuth nach der am 31. Oktober 2002 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

und beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 16. April 2002 abgeändert.

Die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 11. März 2002 wird erneut erlassen. Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen wie Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Antragstellerin - ein forschendes Arzneimittelunternehmen in Deutschland - vertreibt in Deutschland u. a. das auf sie zugelassene Arzneimittel KLACID PRO, ein Antibiotikum mit dem Wirkstoff Clarithromycin.

Die Antragsgegnerinnen sind Parallelimporteure. Sie vertreiben das aus Spanien stammende Arzneimittel "KLACID 250 comprimidos" in Deutschland unter der Bezeichnung "KLACID PRO".

Die Antragstellerin beanstandet diese Umkennzeichnung als Markenrechtsverletzung und nimmt die Antragsgegnerinnen deswegen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.

Das Arzneimittel KLACID PRO wird nur in Deutschland vertrieben, die kleinste Packungsgröße N 1 enthält 12 Filmtabletten (Anlage AS 1). Das Mittel unterscheidet sich von KLACID durch die doppelte Dosierung am ersten Einnahmetag (zweimal 500 mg) und durch die dem entsprechende besondere Gestaltung der Durchdrückpackung: Der Blister von KLACID PRO ist so angeordnet, dass er die Compliance (d. i. die zuverlässige Befolgung der therapeutischen Anweisung) fördern soll. Hierzu ist die Durchdrückpackung auf der Vorder- und Rückseite mit den Einnahmetagen ("Tag 1" und für die weiteren Tage "2" bis "5") gekennzeichnet, er enthält für den ersten Einnahmetag zwei Kammern mit jeweils zwei Tabletten, den anderen Tagen sind jeweils zwei Kammern mit jeweils einer Tablette zugeordnet (Anlage AS 4). Auf die Besonderheiten des Blisters wird in der Gebrauchsinformation auf Seite 3 unter "Dosieranleitung, Art und Dauer der Anwendung" hingewiesen (Anlage AS 1).

Daneben ist in Deutschland auch das Präparat KLACID in verschiedenen Darreichungsformen zugelassen und im Vertrieb; in oraler Darreichungsform ist KLACID in den Packungsgrößen zu 10 und zu 20 Filmtabletten auf dem Markt (Anlage AS 3), aber auch im Wege des Parallelimports in der Packungsgröße zu 12 Filmtabletten (Anlage AS 12-13).

Auf dem von der Antragsgegnerin zu 1) übersandten Muster des aus Spanien parallelimportierten Arzneimittels "KLACID 250 comprimidos", umgekennzeichnet in "KLACID PRO", sind beide Antragsgegnerinnen als Vertriebsunternehmen angegeben (Anlagen AS 5, 7, 10).

Inhaberin der Gemeinschaftsmarke "KLACID" Nr. 40436 (der Klagemarke) ist die konzernmäßig mit der Antragstellerin verbundene Firma A-xxxxx, xxxxxx, USA (Anlage AS 2); die Antragstellerin ist das in Deutschland tätige Konzernunternehmen der Markeninhaberin mit den ausschließlichen Nutzungsrechten für die Klagemarke in Deutschland.

Das Landgericht hatte der einstweiligen Beschlussverfügung vom 11. März 2002 den Antragsgegnerinnen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, das Arzneimittel "KLACID 250 comprimidos" spanischen Ursprungs in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung "KLACID PRO" anzubieten, abzugeben, feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen.

Das Landgericht hat mit dem Urteil vom 16. April 2002 seine einstweilige Beschlussverfügung unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufgehoben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Verfügungsantrag gemäß der Beschlussverfügung weiter. Die Antragsgegnerinnen verteidigen das Urteil des Landgerichts.

B.

Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig (I.) und begründet (II.). Demgemäß ist unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung des Landgerichts erneut zu erlassen.

I.

Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig.

Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerinnen wurde das landgerichtliche Urteil der Antragstellerin nicht (wie den Antragsgegnerinnen) am 30. April 2002, sondern erst am 2. Mai 2002 zugestellt (Bl. 69). Demgemäß sind die Formalien der Berufung von der Antragstellerin gewahrt worden. Sie hat die Berufung am 30. Mai 2002 eingelegt (Bl. 71), ihr Schriftsatz mit der Berufungsbegründung ist am 2. Juli 2002 bei Gericht eingegangen (Bl. 81 a).

II.

Die Berufung der Antragstellerin ist auch begründet.

1.) Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Anbieten und Vertreiben des spanischen Arzneimittels "KLACID 250 comprimidos" in Deutschland unter der Bezeichnung "KLACID PRO".

Für diesen Antrag ist nicht von Bedeutung, ob Original-Packungsbestandteile (Faltschachtel, Blister) überklebt werden, ob bei der Faltschachtel die ursprünglichen Angaben in Blindenschrift unkorrigiert erhalten geblieben ist, ob neue Umverpackungen erstellt werden und wie im Einzelnen die Gebrauchsinformation gestaltet ist. Unerheblich ist nach dem Streitgegenstand auch, wie die Blisterüberklebung der Antragsgegnerinnen im übrigen gestaltet ist, d. h. ob sie der Aufmachung der Antragstellerin nahe kommt und ob sie weniger gut geeignet ist, eine sichere Anwendung beim Patienten zu gewährleisten.

2.) Der mit dem Verfügungsantrag gemäß der Beschlussverfügung des Landgerichts geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nach Auffassung des Senats gemäß § 14 Abs. 2-3, Abs. 5 MarkenG begründet.

(a) Nach §14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Diesen gesetzlichen Tatbestand verwirklichen die Antragsgegnerinnen dadurch, dass das spanische Arzneimittel "KLACID 250 comprimidos" nach Deutschland importiert und hier in "KLACID PRO" umetikettiert und von ihnen so umkonfektioniert angeboten und vertrieben wird.

(aa) Die parallelimportierte Ware war bereits unter der mit der Klagemarke identischen Bezeichnung im Verkehr; innerhalb der Arzneimittelbezeichnung "KLACID 250 comprimidos" ist insoweit nur auf den Bestandteil "KLACID" abzustellen. Diese so vom Markeninhaber gekennzeichnete Ware wird erstmalig mit einer anderen, von der Klagemarke abweichenden Bezeichnung unautorisiert durch die Antragsgegnerinnen versehen.

Man erkennt zwar innerhalb der Bezeichnung KLACID PRO den Stammbestandteil "KLACID" wieder, mit dem zusätzlichen Bestandteil "PRO" wird wie auch sonst bei Serienzeichen die Abwandlung innerhalb derselben Serie bewirkt. Es handelt sich bei KLACID PRO insgesamt aber um eine einheitliche (andere) Kennzeichnung und nicht etwa - wie die Antragsgegnerinnen meinen - noch um die Bezeichnung KLACID mit einem bloß beschreibenden Zusatz. Der Kennzeichenbestandteil "PRO" ist zwar "sprechend", weil damit irgendeine Besonderheit des so gekennzeichneten Produkts angedeutet wird. Gleichwohl handelt es sich um eine gegenüber KLACID andere Gesamtkennzeichnung, die nicht künstlich zergliedert zu betrachten ist.

(bb) Zwischen der Klagemarke KLACID und der Bezeichnung KLACID PRO besteht Verwechslungsgefahr. Das gilt unter Würdigung des Gesamteindrucks der gegenüberstehenden Kennzeichen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. BGH WRP 1996, 320 - Oxygenol II).

Die Klagemarke besteht als Wortmarke nur aus dem Wort KLACID (Anlage AS 2) und hat normale Kennzeichnungskraft. Es handelt sich um ein Phantasiewort, es ist für die eingetragenen Waren (pharmazeutische Präparate) jedenfalls nicht etwa glatt beschreibend. Auf Seiten der Antragsgegnerinnen geht es um die Verwendung der Bezeichnung KLACID PRO für das parallelimportierte Arzneimittel, bei dem es sich -wie ausgeführt -um ein Antibiotikum handelt. Insoweit liegt Warenidentität mit der Klagemarke vor, die für pharmazeutische Präparate eingetragen ist (Anlage AS 2). Der Gesamteindruck der Bezeichnung KLACID PRO wird maßgeblich vom Serien-Stammbestandteil KLACID geprägt, der Bestandteil PRO wirkt, wie ausgeführt, innerhalb der Gesamtbezeichnung als Zusatz und dadurch als Abwandlung innerhalb der Serie, die in ihrem Stamm (KLACID) mit der Klagemarke übereinstimmt.

(cc) Das Anbieten und Vertreiben des umkonfektionierten spanischen Arzneimittels "KLACID 250 comprimidos" unter Anbringen der Bezeichnung "KLACID PRO" stellen demgemäß an sich Verletzungshandlungen bezüglich der Markenrechte der Antragstellerin dar, weil sie unautorisiert erfolgen (§ 14 Abs. 3 Nr. 2 und 4 MarkenG; zum Gesichtspunkt des Parallelimports siehe nachstehend unter lit. b-c).

(b) Das parallelimportierte Arzneimittel "KLACID 250 comprimidos" ist ursprünglich in Spanien und damit in der Europäischen Union mit Zustimmung des dortigen Markeninhabers seitens einer Konzerngesellschaft der Antragstellerin in den Verkehr gebracht worden. Deswegen würde der geltend gemacht markenrechtliche Schutz nicht durchgreifen, wenn das Markenrecht erschöpft wäre (§ 24 Abs. 1 MarkenG) oder wenn in der Geltendmachung des markenrechtlichen Anspruchs eine unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs in der Europäischen Gemeinschaft liegen würde (Art. 28, 30 EG).

(aa) Im vorliegenden Fall einer Markenersetzung kann von einer Erschöpfung des Markenrechts der Antragstellerin allerdings schon deswegen nicht die Rede sein, weil es nicht um die Weiterverwendung oder Wiederanbringung der bereits im Ausfuhrstaat (hier: Spanien) mit Zustimmung des Markeninhabers benutzten Marke (KLACID), sondern um die erstmalige Kennzeichnung mit einer - wie ausgeführt - anderen Marke (KLACID PRO) geht. Bei einer derartigen Markenersetzung ist der Anwendungsbereich des § 24 MarkenG nicht eröffnet.

§ 24 MarkenG beruht auf der entsprechenden Regelung in Art. 7 MarkenRL. Deshalb ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hierzu auch zur Auslegung des §24 MarkenG heranzuziehen (BGH GRUR 2001, 422 - ZOCOR). Für eine Fallgestaltung wie im Streitfall hat der EuGH klargestellt, dass nach Art. 7 Abs. 1 MarkenRL eine Erschöpfung des Rechts aus der Marke nur für solche bestimmten Waren eintritt, die vom Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung "unter dieser Marke" in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind (EuGH WRP 1999, 1264 - Pharmacia & Upjohn =GRUR Int. 2000, 159 - Upjohn/Paranova; EuGH GRUR Int. 1999, 870 -Docksides/Sebago). Das bedeutet in Fällen des Re- oder Parallelimports, dass Art. 7 MarkenRL und mithin auch §24 MarkenG nur anwendbar ist, wenn nach dem Umpacken die ursprüngliche Marke weiter verwendet oder wieder angebracht wird. Die Bestimmung greift dagegen nicht ein, wenn der Parallelimporteur die ursprüngliche Marke durch eine andere ersetzt (BGH WRP 2002, 1163 - Zantac/Zantic).

(bb) Bei der gegebenen Sachverhaltsgestaltung einer Markenersetzung bestimmen sich die jeweiligen Befugnisse des Markeninhabers und des Parallelimporteurs auf Grund der EuGH-Rechtsprechung nach den Vorschriften der Art. 28, 30 EG. Danach dienen sowohl Art. 7 MarkenRL als auch Art. 30 EG dem Zweck, die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt in Einklang zu bringen. Da beide Bestimmungen dieselbe Zielrichtung haben, sind sie auch im gleichen Sinne auszulegen (EuGH WRP 1996, 880 - Bristol-Myers Squibb, EuGH a. a. O. - Pharmacia & Upjohn).

(aaa) In den Fällen des Re- oder Parallelimports von Arzneimitteln, in denen der Importeur nach dem Umpacken der Ware die ursprüngliche Marke wieder anbringt, ist nach der EuGH- und BGH-Rechtsprechung die markenrechtliche Erschöpfung von fünf Bedingungen abhängig, die kumulativ erfüllt sein müssen. Eine dieser Voraussetzungen besteht darin, dass die Geltendmachung der Rechte aus der Marke nicht einer künstlichen Abschottung der Märkte dient (vgl. auch zu den übrigen Voraussetzungen: EuGH WRP 1996, 867 - Eurim Pharm, WRP 1996, 874 - MPAPharma, WRP 2002, 666 - Boehringer Ingelheim; EuGH a.a.O. - Bristol-Myers Squibb, - Pharmacia & Upjohn; BGH a. a. O. - ZOCOR, - Zantac/Zantic).

(bbb) Die markenrechtliche Zulässigkeit des angegriffenen Unpackens in eine mit der Bezeichnung KLACID PRO versehene Verpackung ist grundsätzlich nach denselben Maßstäben zu beurteilen wie ein Umpacken unter anschließendem Wiederanbringen der ursprünglichen Marke, und zwar insbesondere bei der Beurteilung der Frage, ob die Untersagung einer Neukennzeichnung mit der Inlandsmarke zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führen würde. Zwischen beiden Fallgestaltungen besteht kein sachlicher Unterschied, der es rechtfertigen würde, den Begriff der künstlichen Marktabschottung in den beiden Fällen unterschiedlich anzuwenden (EuGH a. a. O. - Pharmacia & Upjohn).

(ccc) Ob eine künstliche Marktabschottung vorliegt, beurteilt sich nach objektiven Kriterien und nicht danach, ob der Parallelimporteur eine darauf gerichtete Absicht des Markeninhabers nachweist. Dabei ist nicht entscheidend, welche ursprüngliche objektive Lage zum Nebeneinander der verschiedenen Marken in den verschiedenen Mitgliedsländern geführt hat. Vielmehr ist zu untersuchen, ob im Zeitpunkt des Vertriebes bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv dazu zwingen, die ursprünglich auf der Originalpackung verwendete Marke durch die im Einfuhrmitgliedstaat zu ersetzen, um die Ware in diesem Mitgliedstaat in den Verkehr bringen zu können (EuGH a. a. O. -Pharmacia & Upjohn).

Eine solche Zwangslage läge dann vor, wenn der tatsächliche Zugang des Parallelimporteurs zu den Märkten des Einfuhrmitgliedstaates behindert wäre, falls ihm die Ersetzung der Marke verboten wäre. Das ist dann anzunehmen, wenn Regelungen oder Praktiken im Einfuhrmitgliedstaat den Vertrieb der betreffenden Ware unter der Marke, die sie im Ausfuhrmitgliedstaat trägt, verhindern, wenn also etwa eine Verbraucherschutzvorschrift die Benutzung der im Ausfuhrmitgliedstaat angebrachten Marke im Einfuhrmitgliedstaat aus Gründen der Irreführung verbietet (EuGH a. a. O. - Pharmacia & Upjohn).

Auch bei anderen Sachverhaltsgestaltungen kann die angesprochene Zwangslage des Parallelimporteurs gegeben sein, so kann auch eine ältere inländische Marke nach den Bestimmungen des nationalen Markenrechts einem Vertrieb des Arzneimittels unter der Marke des Herkunftsstaates entgegenstehen. Der Parallelimporteur ist aber nicht etwa in jedem Falle berechtigt, die Ware mit der gebräuchlichen Inlandsmarke neu zu kennzeichnen; eine solche Berechtigung ist nur dann anzuerkennen, wenn der tatsächliche Zugang des Parallelimporteurs zu den Märkten des Einfuhrmitgliedstaates behindert wäre, sofern der Importeur die im Ausfuhrmitgliedstaat angebrachte Marke benutzt. Eine solche Behinderung ist aber nicht schon allein deshalb gegeben, weil der Hersteller unterschiedliche Marken verwendet.

(c) Nach diesen Grundsätzen ist nach Auffassung des Senats die Markenersetzung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung nicht erforderlich, die Antragsgegnerinnen können das Arzneimittel, das in Spanien unter KLACID in den Verkehr gebracht worden ist, unter Verwendung dieser Bezeichnung im Inland vertreiben, für die Benutzung von KLACID PRO besteht für sie keine Zwangslage.

(aa) Die Antragstellerin könnte gegen die Weiterverwendung der Bezeichnung KLACID beim Parallelimport des Arzneimittels nicht aus der Klagemarke vorgehen, ihre Markenrechte wären unter den oben dargestellten Voraussetzungen erschöpft. Das s es Rechte Dritter gäbe, die den Antragsgegnerinnen die Benutzung der Bezeichnung KLACID in Deutschland verwehren könnten, ist nicht ersichtlich.

(bb) Das Arzneimittel KLACID wird, wie ebenfalls ausgeführt, in Deutschland in den Packungsgrößen zu 10, zu 12 und zu 20 Filmtabletten vertrieben (Anlage AS 3, 12-13), der tatsächliche Marktzutritt ist den Antragsgegnerinnen demgemäß ohne weiteres eröffnet. Eine Zwangslage für die Antragsgegnerinnen als Parallelimporteure, statt dessen die Bezeichnung KLACID PRO zu verwenden, besteht folglich insoweit nicht.

(cc) Der Umstand, dass die Antragstellerin in Deutschland mit ihrem Arzneimittel KLACID PRO einen ganz erheblich höheren Umsatz erzielt als mit KLACID (Bl. 24 mit Anlage AG EVB 15) und deshalb sich auch die Antragsgegnerinnen einen höheren Gewinn durch das Umkennzeichnen versprechen, begründet nach den oben dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung keine Zwangslage.

Entsprechendes gilt für den von den Antragsgegnerinnen noch angeführten Umstand, dass die Antragstellerin das Arzneimittel KLACID PRO mit 12 Filmtabletten zum selben Preis wie KLACID mit 10 Filmtabletten anbietet. Ein Marktzutritt wird den Antragsgegnerinnen wird dadurch nicht verwehrt, insbesondere könnten sie das Arzneimittel KLACID ebenfalls in der Packungsgröße zu 10 Filmtabletten anbieten. Das Beschneiden von Blistern ist auch sonst beim Parallelimport ein gangbares Mittel, unterschiedliche Packungsgrößen anzupassen. Das würde auch im vorliegenden Fall gelten, zumal die Antragsgegnerinnen nicht gehindert wären, auch die Reste der Durchdrückpackungen anderweitig zu verwenden.

(dd) Wie die Antragsgegnerinnen selbst vorgetragen haben, handelt es sich bei den Arzneimitteln KLACID PRO und KLACID zwar um stofflich identische Arzneimittel für dieselben Indikationsgebiete, es gibt aber zwei unterschiedliche Dosierschemata (mit bzw. ohne "doppelte Initialdosis") und korrespondierend damit auch zwei verschiedene arzneimittelrechtliche Zulassungen (vgl. ebenso Anlage AG EVB 4).

Insoweit geht es nicht etwa um bloß unterschiedliche Packungsgrößen eines Arzneimittels, bei denen der Parallelimport wegen des Grundsatzes des freien Warenverkehrs auch dann zulässig ist, wenn das Mittel (anders als im Einfuhrstaat) im Ausfuhrstaat nicht in allen Packungsgrößen vorhanden ist. Vielmehr handelt es sich wegen abweichenden Dosierschemata nicht nur arzneimittelrechtlich, sondern auch markenrechtlich um verschiedene Waren. Diese Fallgestaltung ist nach den obigen Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung nicht mit der eines Arzneimittels in nur unterschiedlichen Packungsgrößen gleichzusetzen. Der Parallelimport von KLACID PRO kommt vielmehr nicht in Betracht, weil dieses Arzneimittel von der Antragstellerin bisher nur in Deutschland vertrieben wird; im Verhältnis zu dem auch außerhalb Deutschlands vertriebenen, anderen Präparat KLACID kann wegen der Warenverschiedenheit von einer "künstlichen" Marktaufteilung nicht ausgegangen werden.

Auch die Verschreibungsgewohnheit der Ärzte begründet für die Umkennzeichnung keine Zwangslage, wenn sich diese überwiegend bei der Verordnung für KLACID PRO (und nicht für KLACID) entscheiden. Im übrigen hat der Arzt durchaus die Möglichkeit, auch das Präparat KLACID (auch als Parallelimportprodukt) zu wählen, zumal es über die Vergleichbarkeit beider Arzneimittel mehrere Erkenntnisquellen gibt (Anlagen ASBK1-5). Deswegen greift auch das Argument der Antragsgegnerinnen zum Rahmenvertrag vom 6. August 2001 über die Arzneimittelversorgung nach §129 SGB V nicht durch.

(d) Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben, insbesondere die Begehungsgefahr. Der Parallelimport des Arzneimittels KLACID unter der Umkennzeichnung in KLACID PRO ist von der Antragsgegnerin zu1) angezeigt worden (Anlage AS 5), beide Antragsgegnerinnen sind am Vertrieb beteiligt (Anlage AS 10).

3.) Das Urteil des Landgerichts erweist sich auch nicht aus den §§ 936, 972, 929 ZPO als gerechtfertigt.

Nach diesen Vorschriften hätte allerdings die Beschlussverfügung aufgehoben werden müssen, wenn sie nicht ordnungsgemäß vollzogen worden wäre. Von einem Vollziehungsmangel kann aber nicht ausgegangen werden.

(a) Die Unterlassungsverfügung des Landgerichts vom 11. März 2002 ist den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin durch das Gericht am 14. März 2002 zugestellt worden (Bl. 16; Anlage AG EVB 19). Es ist unstreitig, dass dann den Antragsgegnerinnen selbst wie sie in der Berufungsverhandlung haben vortragen lassen (Bl. 144), am 18. März 2002 die einstweilige Verfügung im Parteibetrieb zugestellt worden ist. Das ist mithin innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist geschehen (§ 929 Abs. 2 ZPO).

(b) Eine Zustellung der Verfügung im Parteibetrieb auch an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen ist unstreitig nicht erfolgt. Das ist im vorliegenden Fall aber kein Vollziehungsmangel, weil die Zustellung der Beschlussverfügung an die Antragsgegnerinnen selbst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Antragstellerin noch keine Kenntnis von der Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen hatte.

(aa) Grundsätzlich ist allerdings für die wirksame Vollziehung einer Unterlassungsverfügung diese im Parteibetrieb an die bestellten Prozessbevollmächtigten des Schuldners zuzustellen (§ 176 ZPO a. F., §172 ZPO n. F.), die Zustellung an den Schuldner selbst reicht nicht aus. Ist dem Gläubiger aber unbekannt, dass sich ein Rechtsanwalt z.B. in einer Schutzschrift als Prozessbevollmächtigter bestellt hat, genügt die Zustellung an den Schuldner persönlich (OLG Hamburg MD 1994, 1131, GRUR 1987, 66). Ist in so einem Falle durch die Zustellung an den Schuldner selbst die Vollziehung der Unterlassungsverfügung einmal wirksam erfolgt, so ändert sich daran nichts durch eine spätere Kenntnis von der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten des Schuldners. Es ist dann nicht etwa noch eine erneute Zustellung an diesen erforderlich.

(bb) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen ergibt sich aus dem Umstand, dass deren Rechtsanwälte mit Anwaltsschreiben vom 8. Februar 2002 auf de Abmahnung der Antragstellerin geantwortet haben (Anlage AG EVB 20), noch keine Bestellung zu Prozessbevollmächtigten. In diesem Anwaltsschreiben ist nur angegeben, dass die Anwälte die Antragsgegnerinnen "vertreten" und dass diese sie gebeten hätten, das Abmahnschreiben zu beantworten.

(cc) Die Bestellung zum Prozessbevollmächtigten kann allerdings auch durch Einreichung einer Schutzschrift erfolgen. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der von den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen am 8 Februar 2002 eingereichten Schutzschrift (Landgericht Hamburg 312 AR 56/02) zweifelsfrei, dass diese "Verfahrensbevollmächtigte für die Antragsgegnerin" (so wörtlich in der Schutzschrift, Bl. 1), d. h. für die beiden dort aufgeführten Antragsgegnerinnen als Prozessbevollmächtigte bestellt worden sind.

(dd) Von der Bestellung der Prozessbevollmächtigten in der Schutzschrift hatte die Antragstellerin aber noch keine Kenntnis, als sie die einstweilige Verfügung am 18. März 2002 den Antragsgegnerinnen persönlich zustellen ließ. Hiervon ist ausgehen.

Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Beschlussverfügung des Landgerichts nicht, wie es eigentlich nach den Angaben in der Schutzschrift angezeigt gewesen wäre, die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen im Rubrum aufgeführt hat (Bl. 12), andererseits aber im Einleitungssatz der Beschlussbegründung ("Die Schutzschrift der Antragsgegner vom 8. Februar 2002 hat vorgelegen.") das Vorliegen einer Schutzschrift erkennbar gemacht hat.

Daraus ergibt sich, dass die Antragstellerin aus dem Beschluss des Landgerichts vom 11. März 2002 noch nicht die Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Gegenseite entnehmen konnte. Die Antragstellerin wusste dadurch nur, dass eine Schutzschrift eingereicht worden ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Antragstellerin hätte nachforschen müssen, ob sich aus der Schutzschrift etwa die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Prozessbevollmächtigten ergibt.

Dass die Antragstellerin eine Durchschrift der Schutzschrift und damit die Kenntnis von der darin angezeigten Bestellung der gegnerischen Anwälte zu Prozessbevollmächtigen noch vor der Zustellung der Verfügung an die Antragsgegnerinnen am 18. März 2002 erhalten hätte, ist nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Aus dem Aktenvermerk: "Schutzschrift ab an ASt.-V. 15. März 2002" (Bl. 15 R) ergibt sich nicht, ob und gegebenenfalls wann die Antragstellerin die Schutzschrift erhalten hat.

Das Landgericht hat dann wegen der unrichtigen Bezeichnung der Geschäftsführer der Antragsgegnerinnen seine Beschlussverfügung mit Beschluss vom 25. März 2002 berichtigt und in diesem Berichtigungsbeschluss die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen im Rubrum aufgeführt (Bl. 20). Damit war der Antragstellerin die Bestellung der Prozessbevollmächtigten der Gegenseite bekannt, aber zuvor am 18. März 2002 war die einstweilige Verfügung bereits wirksam vollzogen. Eine erneute Zustellung an die Prozessbevollmächtigten war - wie ausgeführt - nicht erforderlich.

III.

Nach alledem war auf die Berufung der Antragstellerin die einstweilige Verfügung erneut zu erlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO analog.

Ende der Entscheidung

Zurück